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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 27.04.2001
Aktenzeichen: 14 U 7268/99
Rechtsgebiete: HGB, ZPO, BGB


Vorschriften:

HGB § 89 Abs. 4 S. 1
HGB § 89b Abs. 1
HGB § 89b Abs. 1 Satz 1
HGB § 89b Abs. 2
HGB § 89b Abs. 4 Satz 2
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 265 Abs. 2 S. 1
ZPO § 287 Abs. 2
ZPO § 546 Abs. 2 S. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
BGB § 242
BGB § 288 a.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 14 U 7268/99

Verkündet am: 27. April 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 14. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin auf die mündliche Verhandlung vom 16. März 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Rößler, die Richterin am Kammergericht Dr. Schmidt-Schondorf und den Richter am Kammergericht Jaeschke für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 07. Juni 1999 Verkündete Urteil des Landgerichts Berlin in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 19. Juli 1999 - 99 O 238/98 - wird auf ihre Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Zahlung an Rechtsanwalt Dr. N Berlin zu erfolgen hat.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird gestattet, eine Vollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 125.000,00 DM abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Beklagten wird gestattet, die Sicherheitsleistung auch durch selbstschuldnerische, unbefristete, unkündbare, unbedingte, schriftliche Bankbürgschaft der Dresdner Bank AG zu erbringen.

Der Wert der Beschwer beträgt 85.361,51 DM.

Tatbestand:

Der Kläger war gemäß Pacht- und Agenturvertrag mit der Beklagten aus dem Jahre 1988, wegen dessen Inhalts auf die Anlage 1b zur Klageschrift verwiesen wird, Pächter eines Tankstellenbetriebes in der Straße in Berlin. Wegen der Vertragsbeendigung schlössen die Parteien unter dem 06/07. April 1995 eine Vereinbarung, wegen deren Inhalts auf die Anlage 3 zur Klageschrift Bezug genommen wird. In einem Schreiben vom 09. November 1995 wandte sich der jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers für diesen an die Beklagte, insoweit wird auf die Anlage 4 zur Klageschrift verwiesen. In Erfüllung der Vereinbarung vom 06./07. April 1995 erhielt der Kläger von der Beklagten 90.000,00 DM.

Der Kläger hat im ersten Rechtszug von der Beklagten unter Abzug der 90.000,00 DM einen Handelsvertreterausgleichsanspuch in Höhe von 85.361,51 DM geltend gemacht. Wegen der Berechnung wird auf seinen Schriftsatz vom 13. April 1999 verwiesen.

Er hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 85.361.51 DM zu zahlen nebst 5 % Zinsen ab 1. Juli 1995, weitere 3 % Zinsen von 83.321,18 DM seit dem 6. Februar 1998 und von 2.040,33 DM seit dem 21. April 1999.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des am 07. Juni 1999 verkündeten Urteils des Landgerichts Berlin verwiesen. Das Landgericht hat durch das Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe ebenfalls verwiesen wird, die Beklagte antragsgemäß verurteilt.

Gegen dieses ihr am 04. August 1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 02. September 1999 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Auf einen am 29. September 1999 eingegangenen Antrag ist die Berufungsbegründungsfrist bis zum 15. November 1999 verlängert worden. Die Berufungsbegründung ist am 12. November 1999 eingegangen.

Die Beklagte wendet sich gegen die angefochtene Entscheidung insgesamt und erstrebt Klageabweisung.

Sie trägt u.a. vor, ein etwaiger Ausgleichsanspruchs des Klägers sei nach § 89b Abs. 4 Satz 2 HGB verfristet. Bei der hier gegebenen gesetzlichen Ausschlussfrist müsse der Handelsvertreter seinen Anspruch eindeutig und unmissverständlich geltend machen. Das Schreiben des jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 09. November 1999 entspreche insbesondere auch vor dem Hintergrund der zulässigen Vereinbarung einer vorweggenommenen Ausgleichszahlung vom 07. April 1995 den Anforderungen insoweit nicht.

Ein Anspruch des Klägers sei ferner verwirkt.

Die Beklagte bestreitet weiter die Höhe des Ausgleichsanspruches. Es sei von einer letzten Jahresprovision von nur 131.875,00 DM auszugehen. Der Anteil werbender Tätigkeit des Klägers betrage unter Berücksichtigung einer für die Tankstelle /erliegenden Untersuchung maximal 55 %. Der Stammkundenanteil könne nicht anhand der Untersuchung aus dem Jahre 1988 mit 90 % festgestellt werden. Auch nach Aussagen der Fa. aus dem Jahre 1996 sei der Stammkundenanteil auf bis dahin 73 % zurückgegangen. Er betrage hier allenfalls 70 %.

Im vorliegenden Fall müsse zudem eine Billigkeitsprüfung hinzutreten. Der Kläger habe keine eigenen besonderen verkaufsfördernden Maßnahmen vortragen können. Entscheidend seien die günstige Lage der von ihm betriebenen Tankstelle, ihre, der Beklagten, Werbung und die Sogwirkung der Marke gewesen.

Die Beklagte bestreitet den Zinsanspruch nach Grund und Höhe.

Sie beantragt,

das Urteil des Landgerichts Berlin vom 7. Juni, Aktenzeichen 99 O 238/98, aufzuheben und die Klage abzuweisen, eine eigene Sicherheitsleistung durch selbstschuldnerische, unbefristete und unbedingte Bankbürgschaft der Dresdner Bank AG erbringen zu können.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und das Urteil des Landgerichts vom 07.06.99 mit der Maßgabe zu bestätigen, dass die Zahlung an seinen Prozessbevollmächtigten zu erfolgen hat.

Der Kläger verlangt nach Sicherungsabtretung des Ausgleichsanspruches an seine Mutter in deren Einverständnis nunmehr Zählung an seinen Prozessbevollmächtigten.

Der Kläger ist der Auffassung, dass sein Ausgleichsanspruch nicht verfristet sei. Er habe ihn auch selbst bei Vertragsbeendigung gegenüber dem Bezirksleiter D der Beklagten geltend gemacht.

Der Anspruch sei der Höhe nach gerechtfertigt. Er habe praktisch keine auftragsverwaltende Tätigkeit für die Beklagte ausgeübt. Der Stammkundenanteil könne auf der Grundlage der Studie geschätzt werden. Eine Billigkeitsprüfung zu Gunsten der Beklagten komme schon wegen der mit Blick auf ihre Werbemaßnahmen niedrig angesetzten Provisionen nicht in Betracht. Hingegen müsse berücksichtigt werden, dass die Beklagte unentgeltlich in den Genuss der den wesentlichen Teil des Geschäfts ausmachenden Kundenstämme des Shops und der Serviceleistungen komme.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen. Eine Abschrift des Urteils des erkennenden Senats vom 28. April 1998 - 14 U 7537/97 - lag in der mündlichen Verhandlung vor und war Gegenstand der mündlichen Erörterung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch in der Hauptsache aus § 89b Abs. 1 HGB in Höhe von 85.361,51 DM zu.

Die Sicherungsabtretung des Ausgleichsanspruchs an Frau I S vom 30. Juli 1999 hat keinen Einfluss auf den anhängigen Rechtsstreit, § 265 Abs. 2 S. 1 ZPO. Nach dem Inhalt der Abtretungserklärung bestehen auch keine Bedenken gegen den auf Zahlung an den Prozessbevollmächtigten des Klägers umgestellten Klageantrag. Denn insoweit hat die nunmehr sachlich forderungsberechtigte Frau S im Eigeninteresse des Klägers an einem geordneten Forderungseinzug unter Berücksichtigung der Honoraransprüche seines Prozessbevollmächtigten dem Kläger zulässig weitere Einziehungsermächtigung erteilt (vgl. allg. Thomas-Putzo, ZPO, 22. Auflage 1999, § 265 Rn. 13, Zöller, 22. Auflage 2001, Vor § 50 Rn. 52f.) und den Prozessbevollmächtigten als Zahlstelle benannt, so dass die Verurteilung auf Leistung an den Kläger zu Händen seines Prozessbevollmächtigten lauten kann. Die Beklagte hat dagegen keine Einwände erhoben.

In der Sache hat der Kläger den Ausgleichsanspruch gemäß § 89b Abs. 4 S. 2 HGB innerhalb der ein Jahr betragenden Ausschlussfrist, die hier mit dem Ende des Handelsvertreterverhältnisses zwischen den Parteien am 30. Juni 1995 zu laufen begann, geltend gemacht.

Nach dem schriftsätzlichen Klägervorbringen und dem Ergebnis auch der mündlichen Verhandlung kann allerdings nicht festgestellt werden, dass er den Anspruch fristwahrend gegenüber dem Bezirksleiter der Beklagten mündlich geltend gemacht hat. Der Ausgleichsanspruch kann zwar zulässig auch schon vor Vertragsende angemeldet werden (Münchener Kommentar zum HGB, 1996, § 89b Rn. 206). Der Kläger trägt indes nicht substanziiert vor, dass dies noch nach dem Abschluss der Vereinbarung vom 06./07. April 1995 geschehen sein soll. Das wäre hier aber notwendig gewesen, weil die Vereinbarung selbst die Formulierung enthält, der Kläger werde weitergehende Forderungen nicht geltend machen. Er musste wegen dieser Formulierung von da an also jedenfalls die Verfolgung des Ausgleichsanspruchs deutlich machen, bereits früher vorgebrachte Forderungen nach Ausgleich genügten nun nicht mehr. Es kann nach dem Parteivorbringen des Klägers mangels Mitteilung näherer Tatsachen auch nicht angenommen werden, die Beklagte habe im weiteren Ablauf bereits aus der Verweigerung der Unterschrift unter das Tankstellenübergabeprotokoll ersehen müssen, der Kläger wolle jetzt Ausgleich verlangen.

Eine Verfristung scheidet aber aus, weil die Beklagte vor dem Hintergrund der Vereinbarung vom 06./07. April 1995 das Schreiben des jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 09. November 1995 nur als Geltendmachung des Ausgleichsanspruches auffassen konnte.

Es ist Sinn der Frist des § 89b Abs. 4 S. 2 HGB, dass der Unternehmer alsbald Klarheit darüber erhalten soll, ob der Handelsvertreter einen Ausgleichsanspruch geltend machen will, damit er im Fall der Beendigung des Handelsvertretervertrages die erforderlichen Dispositionen treffen kann (BGH NJW-RR 1987, S. 157, Münchener Kommentar, a.a.O., § 89b Rn. 203), die Geltendmachung des Anspruchs muss ausdrücklich und unmissverständlich sein (Röhricht u.a., HGB, 1998, § 89b Rn. 96).

Das ist hier im Schreiben vom 09. November 1995 der Fall.

Die Beklagte musste zunächst bereits aufgrund der Vereinbarung vom 06./07. April 1995 davon ausgehen, dass der Kläger zwar im Zeitpunkt der Unterzeichnung den Ausgleichsanspruch nicht geltend machte, auf ihn aber auch nicht verzichtet hatte, sondern das Verlangen nach Ausgleich weiterhin im Räume stand. Denn anders kann aus objektiver Sicht der Beteiligten die Formulierung in der Vereinbarung nicht zu verstehen sein, dass der Kläger sich die Zahlung der 90.000,00 DM "auf den Ausgleich" anrechnen lassen wird. Damit konnte die Beklagte nicht nur nicht von einem nach § 89 Abs. 4 S. 1 HGB ohnehin ausgeschlossenen abschließenden Forderungsverzicht des Klägers ausgehen, mit der Geltendmachung des Anspruchs war vielmehr in der Folgezeit zu rechnen, sonst wäre die Anrechnungsvereinbarung sinnlos gewesen. Wenn bei diesem auf Seiten der Beklagten vorauszusetzenden Verständnis der jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers der Beklagten dann im Schreiben vom 09. November 1995 unter Bezugnahme auf die Vereinbarung mitteilen lässt, dass er sich wegen der "übrigen Vertragsabwicklung" mit ihr noch gesondert in Verbindung setzen werde, dann ist dies hinreichende Anspruchsanmeldung. Denn als Gegenstand der "Vertragabwicklung" ist in dem Schreiben neben der im Vordergrund stehenden Frage der Übernahme eines Leasingvertrages nur der Vertragsinhalt der auf einen Ausgleichsanspruch anzurechenden Zahlung von 90.000,00 DM beschrieben. Insoweit musste die Beklagte mit Sicherheit davon ausgehen, dass der Kläger nunmehr unter Abzug der erwähnten 90.000,00 DM den Handelsvertreterausgleich beansprucht. Einen anderen Sinn kann die Erwähnung des Ausgleichsanspruches und der darauf anzurechnenden 90.000,00 DM in einem Schreiben, das sich recht eigentlich ansonsten nur mit einer Frage befasst, die in keinem Zusammenhang mit dem Ausgleichsanspruch steht, auch aus objektiver Sicht der Beklagten nicht haben.

Es tritt hinzu, dass die im Schlusssatz des Schreibens angesprochene (von der Frage der Leasingvertragsübernahme abgesehen) "übrige Vertragsabwicklung" sich auch nach den Begleitumständen nur auf den Ausgleichsanspruch beziehen konnte, weil keine der Parteien vorgetragen hat, dass im Zeitpunkt des Schreibens sonstige Fragen zwischen ihnen noch offen gewesen sind.

Im Ergebnis konnte die Beklagte aufgrund des Schreibens vom 09. November 1995 sich nun auf die weitere Geltendmachung des Ausgleichsanspruches im Sinne des § 89b Abs. 4 S. 2 HGB einrichten, dessen Bezifferung innerhalb der Ausschlussfrist im Übrigen nicht notwendig ist (Röhricht u.a., a.a.O., § 89b, Rn. 48).

Demgegenüber kann sich die Beklagte auch nicht auf die von ihr angeführte Entscheidung des BGH in DB 1969, S. 2077 berufen. In jenem Fall hatte der Handelsvertreter auf den schriftlichen Hinweis des Unternehmers, ein Ausgleichsanspruch bestehe nicht, geantwortet, er sei mit dem Inhalt des Schreibens nicht einverstanden und behalte sich weitere Schritte vor. Im vorliegenden Fall behielt sich der Kläger durch das Sachreiben vom 09. November 1995 nicht nur ganz allgemein weitere Schritte vor, er nahm vielmehr konkret auf den im Ergebnis ausdrücklich zuvor nicht abschließend geregelten Ausgleichsanspruch bzw. dessen vertraglich vorgesehene Berechnungsweise Bezug und kündigte insoweit an, sich gesondert mit der Beklagten in Verbindung zu setzen. Damit blieb aber die Forderung nach dem Handelsvertreterausgleich nicht in der Schwebe, wie es der Fall ist, wenn man sich allgemein lediglich weitere Schritte vorbehält, so dass der Unternehmer letztlich nicht weiß, ob er sich auf den Anspruch einrichten soll oder nicht.

Der Anspruch des Klägers ist im Weiteren nicht gemäß § 242 BGB verwirkt, weil der Kläger drei Jahre mit der gerichtlichen Durchsetzung der zuvor fristgerecht geltend gemachten Forderung zugewartet hat. Denn insoweit ist auch ansatzweise nicht ersichtlich, inwieweit durch welches Verhalten des Klägers die Beklagte darauf vertrauen konnte, dass dieser, vom Zeitablauf allein abgesehen, sein Recht nicht mehr würde geltend machen.

Gegen die Höhe des Ausgleichsanspruchs bestehen im Ergebnis keine durchgreifenden Bedenken. Der Senat legt dabei die Entscheidungen des BGH in NJW 1998, S. 66ff. und 71ff. zugrunde, er sieht anhand der Gegebenheiten des vorliegenden Falles auf der Grundlage des Vertrags der Parteien auch keinen Anlass von seiner im Urteil vom 28. April 1998 - 14 U 7537/97 - (rechtskräftig durch Nichtannahmebeschluss des BGH v. 19. Mai 1999 - VIII ZR 133/98 -) zusammengefassten Rechtsprechung abzuweichen.

Im Ausgangspunkt ist bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs von der letzten Jahresprovision netto auszugehen. Die Beklagte hat die entsprechenden Berechnungen des Klägers nur allgemein bestritten, insbesondere keine abweichenden Angaben zu einzelnen Provisionen und daraus evtl. folgender anderweitiger Gesamtprovisionshöhe für die hier zu betrachtenden Zeiträume dargelegt. Zu ihren Gunsten soll aber die gegenüber den Klägerangaben niedrigere Jahresprovision für die Zeit vom 01. Juli 1994 bis zum 30. Juni 1995 von 131.875,00 DM zugrunde gelegt werden. Diese Zahl folgt aus den ursprünglich auch vom Kläger als zutreffend angeführten Teilbeträgen von 72.851,00 DM für das erste Halbjahr 1995 und von 59.024,00 DM für das zweite Halbjahr 1994. Sachlich bestreitet die Beklagte, dass die vom Kläger angeführten weiteren 8.851,00 DM Provision ausschließlich für das zweite Halbjahr 1994 zu verbuchen sind. Der zunächst darlegungspflichtige Kläger hat insoweit in der Tat nicht im Einzelnen dargelegt, warum die Provisionen nicht auch ganz oder zumindest teilweise für das erste Halbjahr 1994 zu verbuchen waren.

Wegen der besonderen Fluktuation des Kundenkreises beim Tankstellenbetrieb ist nur der Teil der letzten Jahresprovision des Tankstellenhalters zu berücksichtigen, den er für Umsätze mit von ihm neu geworbenen Stammkunden erhalten hat, weil nur mit diesen Kunden eine Geschäftsverbindung im Sinne des § 89 b Abs. 1 Satz 1 HGB besteht. Weder der Kläger noch die Beklagte tragen Anhaltspunkte für einen relevanten Altstammkundenanteil vor. Der Senat geht nach der vom Kläger mit der Anlage 7a zur Klageschrift einbezogenen Untersuchung des Instituts für Demoskopie A für die Fa. aus dem Jahre 1987 von einem hier zu berücksichtigenden (Neu-) Stammkundenanteil von 84 % aus, wie er rechnerisch auch der vorstehend zitierten Senatsentscheidung letztlich zugrunde liegt. Die Berücksichtigung der Studie zur Anspruchsberechnung ist nach § 287 Abs. 2 ZPO hier geboten, weil ansonsten für den Tankstellenbetrieb des Klägers zeit- und kostenaufwendige Erhebungen durchzuführen wären, deren Aussagekraft u.a. angesichts des Zeitabstandes zum hier fraglichen Zeitraum bis 1995 zweifelhaft bleiben müsste.

Die Beklagte hat neue, entscheidende Gesichtspunkte gegen die Verwendbarkeit der Studie nicht vorgebracht. Soweit sie sich auf die von ihr mit der Anlage B 7 (Blatt 177 d. A.) angeführte sogenannte M Studie im Auftrag der Fa. aus dem Jahre 1996 bezieht, ist auf die durchgreifenden Bedenken zu verweisen, die bereits im vorzitierten Senatsurteil festgehalten wurden. Es ist nicht ersichtlich, dass mit der Bezugnahme auf "Stammtankstellen" der Stammkundenbegriff im Sinne der vorzitierten Rechtsprechung des BGH bei der Studie zugrunde gelegt wurde. Als Stammkunden sind alle Mehrfachkunden anzusehen, d.h. Kunden, die in einem überschaubaren Zeitraum, in dem üblicherweise mit Nachbestellungen zu rechnen ist, mehr als nur einmal ein Geschäft mit dem Unternehmer abgeschlossen haben oder voraussichtlich abschließen werden. Es kommt also nicht auf die Häufigkeit der Tankvorgänge des einzelnen Stammkunden und auf das evtl. Tanken bei anderen Tankstellen an.

Bei der sodann vorzunehmenden Abgrenzung der werbenden von der nur verwaltenden und insoweit den Ausgleichsanspruch nicht stützenden Tätigkeit muss vom Vorbringen des Klägers ausgegangen werden, wonach 10 % seiner Tätigkeit nicht-werblicher Natur sind. Den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien ist eine Regelung über die Größe der Anteile werbender und verwaltender Tätigkeit nicht zu entnehmen. Enthält der Agenturvertrag keine klare Regelung über den Anteil der auf die vermittelnde und die verwaltende Tätigkeit entfallenden Vergütung und hat der Handelsvertreter vorgetragen, der Anteil an verwaltender Tätigkeit betrage 10 %, ist nach der eingangs zitierten BGH-Rechtsprechung das vertretene Unternehmen für einen von ihm behaupteten höheren Verwaltungsanteil darlegungs- und beweispflichtig. Die Beklagte hat hier aber keinerlei konkrete Beschreibung des Geschäftsbetriebs der ehemaligen Tankstelle des Klägers oder sonstige annähernd auf den konkreten Fall zu beziehenden Umstände vorgetragen. Insbesondere ist wegen der Darlegungen der Beklagten zu Erhebungen an einer Tankstelle in Neuss, bei der der Anteil werbender Tätigkeit mit nur 55 % festzustellen gewesen sein soll, auf die Ausführungen des Senats im oben zitierten Urteil zu verweisen, mit denen u.a. eine mangelnde Plausibilität der Erhebungen begründet wird.

Im Weiteren ist zwischen den Parteien der mit 200 % anzusetzende Provisionsverlust nicht umstritten und zugrunde zu legen, ebenso die Zinsmethode nach Gillardon (Gillardon, Multifaktoren, 1976).

Aus den zutreffenden Erwägungen der angefochtenen Entscheidung (§ 543 Abs. 1 ZPO) kommt sodann ein Abzug aus Billigkeitserwägungen nicht in Betracht. Der Senat nimmt auch insoweit ausdrücklich weiter auf die entsprechenden allgemeinen Erwägungen in seiner vorstehend angeführten Entscheidung vom 28. April 1998 Bezug. Die Beklagte trägt im vorliegenden Fall keine die hier fragliche Tankstelle konkret betreffenden, sich spezifisch dort auswirkenden überplanmäßigen Werbe- oder sonstige Objektinvestitionen vor. Eine zu Gunsten der Beklagten zu berücksichtigende Sogwirkung ihres Firmen- bzw. Produktnamens, die dem Kläger anspruchsmindernd aus Gründen der Billigkeit entgegengehalten werden könnte, vermag der Senat auf Grund der verhältnismäßig weit reichenden Gleichwertigkeit der (relativ wenigen) namhaften Anbieter auf dem hier maßgeblichen Mineralölmarkt für Endkunden in sachlicher Übereinstimmung mit seiner Entscheidung vom 28. April 1998 nicht zu erkennen, zumal konkretes Zahlenmaterial für eine Schätzung wegen der hier betroffenen Tankstelle insoweit auch nicht vorgetragen und ersichtlich ist.

Im Ergebnis berechnet sich der Anspruch des Klägers damit wie folgt

Jahresnettoprovision 131.875,00 DM davon Stammkundenanteil 84 % 110.775,00 DM davon werbende Tätigkeit 90 % 99.697,50 DM Provisionsverlust 200 % 199.395,00 DM Abzinsung (Provisiionsverlust geteilt durch 48 x 40,9619; Gillardon, a.a.O., S. 49) 170.158,29 DM

Die Kappungsgrenze nach § 89b Abs. 2 HGB beträgt entsprechend dem Klägervorbringen 164.243,40 DM. Die Beklagte hat die darin enthaltenen 8.851,00 DM sachlich nicht bestritten, sondern nur ihre Anrechnung auf die zweite Jahreshälfte 1994 in Zweifel gezogen. Die Berechnung des Klägers geht damit zu Recht vom Betrag der 164.243,40 DM aus, auf den nach Abzug der vertraglich vorgesehenen 90.000,00 DM aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung (§ 543 Abs. 1 ZPO) die Mehrwertsteuer hinzuzusetzen ist, so dass es bei dem vom Landgericht ausgeurteilten Betrag bleibt.

Schließlich ist wegen des bestrittenen Zinssatzes ebenfalls auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Landgerichtsurteils und weiter auf die dem zugrunde liegende vorbenannte Senatsentscheidung zu verweisen; mit Rücksicht auf den hier anzuwendenden § 288 BGB a.F. ist nicht nur bei der Abzinsung der Klageforderung, sondern auch bei der Verzinsung von 8 % auszugehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, ZPO. Der Wert der Beschwer war gemäß § 546 Abs. 2 S. 1 ZPO festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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