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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 13.09.2002
Aktenzeichen: 14 W 150/02
Rechtsgebiete: EGZPO, ZPO, GVG
Vorschriften:
EGZPO § 26 Ziffer 10 | |
ZPO § 3 | |
ZPO § 91 Abs. 1 | |
ZPO § 91 a | |
ZPO § 91 a Abs. 1 | |
ZPO § 91 a Abs. 2 | |
ZPO § 97 Abs. 1 | |
ZPO § 100 Abs. 3 | |
ZPO § 256 Abs. 1 | |
ZPO § 269 Abs. 3 S. 3 n. F. | |
ZPO § 348 | |
ZPO § 348 a | |
ZPO § 349 | |
ZPO § 349 Abs. 2 | |
ZPO § 349 Abs. 4 | |
ZPO § 568 Abs. 1 | |
ZPO § 569 Abs. 1 S. 1 | |
ZPO § 571 Abs. 4 S. 1 | |
ZPO § 574 Abs. 2 | |
ZPO § 1032 Abs. 1 | |
GVG § 22 Abs. 1 | |
GVG § 75 | |
GVG § 105 |
KAMMERGERICHT Beschluss
In der Beschwerdesache
hat der 14. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin durch den Richter am Kammergericht Jaeschke am 13. September 2002 beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 24. April 2002 - 94 O 195/01 - abgeändert und neu gefasst:
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits und dieses Beschwerdeverfahrens.
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 24. April 2002 - 94 O 195/01 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Der Wert der Beschwerdeverfahren beträgt jeweils bis zu 1.200,00 Euro.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe:
I.
Der Kläger und Herr waren Geschäftsführer und Gesellschafter mit jeweils 50 % an Stimmrechten in der beklagten Gesellschaft. Am 02. und 22. Oktober 2001 fanden Gesellschafterversammlungen der Beklagten statt, über deren Ergebnis zwischen den Parteien Streit besteht. Die Beklagte vertrat die Auffassung, der Kläger sei wirksam aus wichtigem Grund als Geschäftsführer abberufen worden.
Dagegen richtete sich die vom Kläger am 06. November 2001 eingereichte Klage mit einer am 23. November 2001 eingegangenen Klageerweiterung, mit der dieser die Feststellung der Nichtigkeit der evtl. Abberufungsbeschlüsse begehrt hat, hilfsweise hat er Anträge auf Nichtigkeitserklärung wegen der Beschlüsse angekündigt. Mit Rücksicht auf vorangegangene Vereinbarungen haben der Kläger und der Mitgesellschafter ihre Ämter als Geschäftsführer zum 30. November 2001 niedergelegt und neue Geschäftsführer bestellt. Der Kläger hat für die vorliegende Klage, sodann nach Aufforderung am 18. Dezember 2001 den Gebührenvorschuss eingezahlt. Nach Zustellung der Klage haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.
Mit Beschluss vom 24. April 2002 hat das Landgericht Berlin die Kosten des Rechtsstreits den Parteien je zur Hälfte auferlegt. Auf den Beschluss des Landgerichts wird Bezug genommen.
Gegen diesen, der Beklagten am 08. Mai 2002 und dem Kläger am 10. Mai 2002 zugestellten Beschluss haben die Beklagte am 22. Mai 2002 und der Kläger am 24. Mai 2002 sofortige Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat durch Beschluss vom 07. Juli 2002 der sofortigen Beschwerde des Klägers aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses nicht abgeholfen.
II.
Nach § 26 Ziffer 10 EGZPO finden für die Anfechtung des Beschlusses des Landgerichts Berlin vom 24. April 2002 die ab dem 01. Januar 2002 geltenden Rechtsmittelvorschriften Anwendung (vgl. allg. BGH Beschluss vom 23. Juli 2002, VI ZB 37/02).
Danach sind die nach § 91 a Abs. 2 ZPO statthaften sofortigen Beschwerden zulässig, insbesondere fristgerecht nach § 569 Abs. 1 S.1 ZPO und wirksam gemäß § 571 Abs. 4 S.1 ZPO eingelegt worden.
Zur Entscheidung ist gemäß § 568 Abs. 1 ZPO der originäre Einzelrichter berufen, nachdem der im ersten Rechtszug allein entscheidende Vorsitzende der Kammer für Handelssachen der Beschwerde "des Klägers" ausdrücklich nicht abgeholfen hat und dabei durch vollständige bestätigende Bezugnahme auf seine Begründung der angefochtenen Entscheidung in der Sache zugleich auch der ihm vorliegenden Beschwerde der Beklagten nicht abgeholfen hat.
§ 568 Abs. 1 ZPO greift auch im Falle der hier vorliegenden erstinstanzlichen Entscheidung des Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen nach § 349 Abs. 2 ZPO ein. Es ist unschädlich, dass der Gesetzgeber in § 568 Abs. 1 ZPO neben dem Begriff des Einzelrichters nicht noch gesondert vom allein entscheidenden Vorsitzenden Richter einer Kammer für Handelssachen im Sinne des § 349 ZPO spricht.
Mangels sonstiger spezialgesetzlicher Regelung kann für den in § 568 Abs. 1 ZPO verwendeten Begriff des Einzelrichters (der Ausgangsentscheidung) auf die grundlegenden gerichtsverfassungsrechtlichen Regelungen zurückgegriffen werden.
Danach bestehen Gerichte entweder aus allein entscheidenden Richtern, also Einzelrichtern, die etwa den Amtsgerichten vorstehen, § 22 Abs. 1 GVG. Oder es werden Spruchkörper mit mehreren Richtern gebildet, also Kammern und Senate. Für das Landgericht sehen die gleichgelagerten Bestimmungen der §§ 75 und 105 GVG innerhalb der Kammern und Kammern für Handelssachen die nach Maßgabe der Prozessgesetze bestehende Möglichkeit des innerhalb der Kammer allein entscheidenden Richters; mithin sachlich eines Einzelrichters vor. Wenn in § 105 GVG der danach in der Kammer für Handelsachen allein entscheidende Richter nicht auch noch zusätzlich "Einzelrichter" genannt wird, sondern sogleich mit seiner Funktion als Vorsitzender bezeichnet ist, dann geht dies auf die spezifische Eigenheit der im Übrigen mit ehrenamtlichen Richtern besetzten Kammer für Handelssachen zurück, bei der die ehrenamtlichen Richter nicht allein entscheidende Einzelrichter sein sollen, ändert aber nichts daran, dass der im Gesetz in diesem Zusammenhang genannte Vorsitzende Richter begrifflich und systematisch auch als "Einzelrichter" anzusehen ist.
Im Anschluss daran ist es sinnvoll, wenn § 349 Abs. 4 ZPO klarstellt, dass die wegen des Einzelrichters bei den Zivilkammern gegebenen Vorschriften nicht auch für den allein entscheidenden Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen gelten. Die Vorschrift wäre ganz überflüssig, wenn schon begrifflich scharf zwischen dem Einzelrichter der Zivilkammer und dem allein entscheidenden Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen zu unterscheiden wäre.
Bei diesen eher begriffsjuristischen Erwägungen fällt sodann entscheidend ins Gewicht, dass es keinerlei Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Gesetzgeber des Zivilprozessreformgesetzes den allein entscheidenden Vorsitzenden Richter einer Kammer für Handelssachen nicht in den Anwendungsbereich des § 568 Abs. 1 ZPO einbeziehen wollte. In der Gesetzesbegründung ist nicht etwa nur vom Einzelrichter der Zivilkammer gemäß den §§ 348, 348a ZPO die Rede, sondern allgemein vom landgerichtlichen Einzelrichter; Sinn der Einführung des originären Einzelrichters in der Beschwerdeinstanz ist es, den personellen Aufwand einer Entscheidung durch drei Richter des Beschwerdegerichts einzusparen, wenn im ersten Rechtszug der Einzelrichter nach den einschlägigen Bestimmungen vorwiegend insbesondere nicht so bedeutende oder eilbedürftige Verfahren erledigt (Bundestagsdrucksache 14/3750, S. 81f.). Das trifft auf den Katalog der Neben- bzw. Abschlussentscheidungen des § 349 Abs. 2 ZPO eindeutig zu.
In der Sache hat im vorliegenden Fall nur die sofortige Beschwerde des Klägers Erfolg. Die sofortige Beschwerde der Beklagten war zurückzuweisen. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91 a Abs. 1 ZPO zu tragen, weil dies billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Streitstandes entspricht.
Nach dem Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der übereinstimmenden Erledigungserklärung war die Klage zulässig und begründet.
Die Klage war insbesondere zulässig auch soweit § 15 des Gesellschaftsvertrages der Beklagten eine Schiedsgerichtsklausel enthält. Dabei kann dahinstehen, ob die vorliegende Feststellungsklage zur Klärung des Vorliegens und der Wirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses zur Geschäftsführerabberufung von einer Schiedsgerichtsklausel erfasst werden kann. Denn § 15 der von der Klägerin nur vorgelegten "Rahmensatzung" sieht die Regelung der Zuständigkeit des Schiedsgerichts in einer gesonderten Urkunde vor. Über eine derartige notwendige Ausführungsregelung tragen die Parteien nichts weiter vor. Deshalb kann allein schon wegen des Wortlautes der Schiedsgerichtsklausel nicht gesagt werden, dass die vorliegende Klage Gegenstand der Schiedsgerichtsvereinbarung ist. Die Beklagte hat auch bis zum Anschluss an die Erledigungserklärung die Einrede aus § 1032 Abs. 1 ZPO nicht erhoben.
Ein spezielles Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO ist für Klagen der vorliegenden Art (Uneinigkeit über das Ergebnis bei fehlender Ergebnisfeststellung bzw. nicht bestelltem Abstimmungsleiter) allgemein anerkannt (Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Auflage 2000, § 38 Rn. 21 a, 30 m. w. Nachweisen).
Soweit man von einem Wegfall des allgemeinen Rechtschutzbedürfnisses ausgehen wollte, weil der Kläger zum 30. November 2001 das Geschäftsführeramt von sich aus niederlegte und neue Geschäftsführer bestellt wurden, hat der Kläger die daraus gebotene prozessuale Konsequenz gezogen und das ursprüngliche Klageziel durch Erledigungserklärung aufgegeben.
In der Sache selbst war die Feststellungsklage vor der übereinstimmenden Erledigungserklärung der Parteien nach dem bis dahin vorgetragenen Sachverhalt begründet, insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss zur materiellen Begründetheit der Klage mangels durchgreifender Abberufungsgründe verwiesen.
Der weitere Vortrag der Beklagten in ihrem Beschwerdevorbringen kann zu keinem anderen Ergebnis führen. Eine weitere Sachaufklärung zu den Abberufungsgründen kommt nach der übereinstimmenden Erledigungserklärung nicht mehr in Betracht. Denn die Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO ist vom Gericht auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstandes zu treffen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung ist der Eintritt der Erledigungswirkung, im schriftlichem Verfahren der Eingang der letzten Erklärung, im vorliegenden Fall also der Eingang der Erklärung der Beklagten (allg. Zöller, ZPO, 23. Auflage 2002, § 91 a Rn. 26). Bis zu diesem Zeitpunkt war ein wichtiger Grund zur Abberufung des Klägers nicht dargelegt. Dem Beschwerdevorbringen können insoweit auch keine Umstände entnommen werden, die eine erfolgreiche Darlegung eines wichtigen Grundes hätten ausfüllen können. Dies gilt insbesondere für das von der Beklagten vorgelegte Rechtsgutachten wegen einer Abberufung des Klägers aufgrund seines Verhaltens bis zum November 2000. Dieses Gutachten ist ersichtlich durch nachfolgende Vereinbarungen überholt.
Die Beklagte wird wegen der Annahme einer materieellen Begründetheit der Klage vor der übereinstimmenden Erledigungserklärung auch vom Verfahren her nicht unbillig benachteiligt, weil sie mit dem Erfordernis ihrer Zustimmung zur Erledigungserklärung des Klägers den maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung und damit den zu berücksichtigenden Sach- und Streitstand faktisch selbst bestimmen konnte. Es hätte ihr freigestanden, Klageabweisung gegenüber der dann einseitig gebliebenen Erledigungserklärung des Klägers anzustreben.
Demgegenüber ist der Kläger nicht nach billigem Ermessen mit anteiligen Kosten des Rechtsstreits zu belasten, wobei ihm ggfls. überdies auch anstelle einer pauschalen Kostenbelastung nach dem Maßstab etwa des § 100 Abs. 3 ZPO genau bezeichnete Kostenteile hätten aufgebürdet werden müssen.
Denn eine Verpflichtung des Klägers, nach dem 30. November 2001 das vorliegende Verfahren nicht mehr weiter zu betreiben oder die Klage zurückzunehmen, bestand nicht. Es handelt sich hier um einen Fall des Eintritts eines erledigenden Ereignisses vor Zustellung und damit Rechtshängigkeit der Klage. § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO n. F. gilt für das vorliegende Verfahren nicht, § 26 Ziffer 2 EGZPO. Seit der Ausgangsentscheidung des Bundesgerichtshofes zur fehlenden Möglichkeit der Erledigungsfeststellung in diesen Fällen (BGHZ 83, S. 12 ff) ist zwar umstritten, in welcher Weise dem in möglichst prozessökonomischer Weise Rechnung getragen werden kann. Eine Fortsetzung des (einsitig) "erledigten" Rechtsstreits mit einem Übergang zur Feststellungsklage wegen der letzthin geltenden Kostentragungspflicht ist aber in der Rechtsprechung zugelassen worden, eine allgemeine Verpflichtung zur Klagerücknahme aus Kostengründen ist ersichtlich so nicht vertreten worden (vgl. zur alten Rechtslage zusammenfassend etwa Thomas-Putzo, ZPO, 23. Auflage, § 91 a Rn. 36, 39). Bei diesem Stand in Rechtsprechung und Rechtsliteratur hatte auch der Kläger keine billigerweise zu berücksichtigende Handlungspflicht zur Zurücknahme seiner Klage, die wegen der aus seiner Sicht unberechtigten Abberufungsbeschlüsse dann nur zu einer neuen Klage wegen der verauslagen Kosten des vorliegenden Verfahrens hätte führen müssen. Bei alledem ist unterstellt worden, dass hier durch die Niederlegung der eigenen Geschäftsführertätigkeit das Rechtsschutzbedürfnis weggefallen ist. Das ist aber bereits wegen der evtl. tatsächlich weitreichenden mit der Organstellung eines Geschäftsführers verbundenen Rechte und Pflichten zweifelhaft, so dass auch aus dieser Sicht der Kläger mindestens zunächst auf Klärung der Gültigkeit der umstrittenen Beschlüsse bestehen und das Verfahren durch Gebühreneinzahlung nach Amtsniederlegung fortsetzen durfte. Der Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses ist zwar z.B. dann anerkannt, wenn der Geschäftsführer nach einem zunächst rechtswidrigen Abberufungsbeschluss freiwillig sein Amt aufgibt und damit einen ansonsten rechtmäßig herbeizuführenden Beschluss bewusst von sich aus überflüssig macht (OLG Saarbrücken NJW-RR 2001, S. 612). So lag der Fall hier indes nicht.
Die Kostenentscheidung entspricht bei der sofortigen Beschwerde des Klägers § 91 Abs. 1 ZPO, bei der sofortigen Beschwerde der Beklagten § 97 Abs. 1 ZPO, die Wertfestsetzung beruht jeweils auf § 3 ZPO, wobei die Kosten des ersten Rechtzuges als streitwertbestimmend zugrundegelegt sind.
Die Rechtsbeschwerde war zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO insoweit vorliegen, als es um die Grundsatzfrage der Entscheidungszuständigkeit des originären Einzelrichters geht und die vorliegende Entscheidung dazu von den Entscheidungen der Oberlandesgerichte Karlsruhe und Zweibrücken (NJW 2002, S. 1962 bzw. S. 2722) abweicht. Eine höchstrichterliche Entscheidung ist in diesem Zusammenhang hier nicht bekannt.
Ende der Entscheidung
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