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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 05.11.2004
Aktenzeichen: 15 W 105/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 46 Abs. 2
ZPO § 529 Abs. 2
ZPO § 545 Abs. 1
ZPO § 512
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT

Beschluss

Geschäftsnummer: 15 W 105/04

In dem Rechtsstreit

hat der 15. Zivilsenat des Kammergerichts durch die Vorsitzende Richterin am Kammergericht Forkel, die Richtern am Kammergericht Gerlach und den Richter am Landgericht Dr. Vossler als Einzelrichter am 5. November 2004 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts vom 17. September 2004 - 32 O. 296/04 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens entspricht dem der Hauptsache.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin macht gegen die Beklagte Zahlungsansprüche aus einem Gewerbemietvertrag geltend. Das Landgericht hat nach Durchführung des schriftlichen Vorverfahrens mit Verfügung vom 10. August 2004 Haupttermin zur mündlichen Verhandlung auf den 1. Oktober 2004 bestimmt. Mit Schriftsatz vom 13. August 2004 hat die Beklagte unter Hinweis auf die Verhinderung ihres Prozessbevollmächtigten die Verlegung des Termin beantragt, worauf das Landgericht den Termin mit Verfügung vom 24. August aufgehoben und auf den 21. September 2004 verlegt hat. Darauf hin hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 26. August 2004 mit gleicher Begründung auch die Verlegung dieses Termins beantragt und eine Terminierung am 24. September 2004 angeregt. Nachdem eine telefonische Anfrage des Gerichts bei den Prozessbevollmächtigten der Klägerin ergab, dass diese an dem von der Beklagten vorgeschlagenen Ausweichtermin ebenfalls verhindert waren, hat das Landgericht den Verlegungsantrag der Beklagten mit Schreiben vom 3. September 2004 zurückgewiesen. Im Hinblick auf diese Entscheidung hat die Beklagte am 14. September 2004 den als Einzelrichter amtierenden Vorsitzenden Richter am Landgericht Dnnn wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnt. Mit Beschluss vom 17. September 2004, der der Beklagten am 20. September 2004 zugestellt worden ist, hat der abgelehnte Richter das Ersuchen selbst als rechtsmissbräuchlich zurückgewiesen. Gegen den zurückweisenden Beschluss hat die Beklagte am 20. September 2004 sofortige Beschwerde erhoben. Im folgenden Termin zur mündlichen Verhandlung unter Vorsitz des abgelehnten Richters hat das Gericht der Klage in vollem Umfang stattgeben und zugleich beschlossen, der Beschwerde aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht abzuhelfen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist unzulässig.

Zwar ist das Rechtsmittel dem Grunde nach statthaft (§§ 46 Abs. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Insbesondere steht der Zulässigkeit der Beschwerde trotz des insoweit missverständlichen Wortlauts von § 46 Abs. 2 ZPO nicht entgegen, dass das Landgericht das Ablehnungsersuchen nicht für unbegründet erklärt, sondern als unzulässig zurückgewiesen hat (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl., Rdnr. 6). Darüber hinaus ist die sofortige Beschwerde auch in der gesetzlich vorgesehenen Form und Frist (§ 569 ZPO) eingelegt. Jedoch fehlt es für seine Zulässigkeit an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis.

Soweit das Rechtsschutzinteresse für ein Ablehnungsersuchen nachträglich wegfällt, muss sich dies grundsätzlich auch im Beschwerdeverfahren auswirken. Sinn und Zweck des Ablehnungsverfahrens und damit auch der Beschwerde ist es nämlich, die weitere Tätigkeit des zu Recht abgelehnten oder ausgeschlossenen Richters zu verhindern. Kommt eine solche Tätigkeit ohnehin nicht mehr in Betracht, etwa weil der Richter aus dem betreffenden Spruchkörper ausgeschieden ist, so ist eine sachliche Entscheidung über die Beschwerde nach allgemeiner Auffassung unzulässig, da ein schutzbedürftiges Interesse hieran nicht besteht (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 46 Rdnr 18 m. w. N.)

Inwiefern von einem Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses auch dann auszugehen ist, wenn - wie vorliegend - die Instanz unter Mitwirkung des abgelehnten Richters vollständig abgeschlossen worden ist, wird in Rechtssprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt (vgl. ausführlich zum Streitstand Günther, MDR 1989; 691 ff.; G. Vollkommer, Der ablehnbare Richter, 2001, S. 164 ff.). Einige Gerichte gehen in diesen Fällen grundsätzlich von einem fortbestehenden Rechtsschutzbedürfnis für die sofortige Beschwerde gegen die Ablehnungsentscheidung aus (KG, 11. Zivilsenat, Beschluss vom 1. Dezember 1987, 11 W 6384/87, MDR 1988, 237; OLG Karlsruhe, OLGZ 1978, 224; Rosenberg/Schwab/Gottwald; Zivilprozessrecht, 16. Aufl., § 24 Rdnr. 23; Schellhammer, Zivilprozess, 10. Aufl., Rdnr. 1336; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 21. Aufl., § 46 Rdnr. 3a; ebenso für den Fall, dass gegen die Hauptsacheentscheidung ein Rechtsmittel nicht statthaft ist, OLG Koblenz, NJW-RR 1992, 1464; ähnlich Thomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl., § 46 Rdnr. 8). Nach der Gegenauffassung erlischt das Rechtsschutzinteresse stets mit Erlass der Instanz beendenden Entscheidung (OLG Frankfurt, MDR 1985, 1032; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 46 Rdnr. 15; Feiber, in: Münchener Kommentar, ZPO, 2. Aufl., § 47 Rdnr. 5; Zimmermann, ZPO, 6. Aufl., § 47 Rdnr. 6). Von einer vermittelnden Meinung wird demgegenüber vertreten, dass das Rechtsschutzinteresse für die Beschwerde gegen die Befangenheitsentscheidung jedenfalls dann entfällt, wenn gegen die Sachentscheidung ebenfalls ein Rechtsmittel statthaft ist (Musielak/Heinrich, ZPO, 4. Aufl., § 46 Rdnr. 7; Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 46 Rdnr 18 ff.; G. Vollkommer, a. a. O., S. 350 ff.; im Ergebnis wohl ebenso Günther, MDR 1989, 691 [698]).

Der Senat nimmt den hier zur Entscheidung stehenden Sachverhalt zum Anlass, sich der zuletzt genannten Auffassung anzuschließen (noch offen gelassen im Senatbeschluss vom 25. Mai 2004 - 15 W 73/04), wonach der Ablehnungsgrund in den genannten Fällen mit dem gegen das abschließende Urteil statthaften Rechtsmittel geltend zu machen ist. Für eine solche Verfahrensweise spricht zunächst, dass ein Berufungs- bzw. Revisionsverfahren ohnehin durchgeführt werden muss, um die instanzbeendende Entscheidung gegebenenfalls aufzuheben oder abzuändern (vgl. Günther, MDR 1989, 691 [698]; Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 46 Rdnr 18a). Darüber hinaus verhindert diese Auslegung der prozessualen Bestimmungen eine unnötige Aufsplitterung des Verfahrens und die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen. Schließlich ist eine Überprüfung möglicher Ablehnungsgründe im Rechtmittelverfahren in gleicher Weise geeignet, einen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten wie dies bei einer Fortführung des Beschwerdeverfahrens der Fall wäre.

Wirkt ein Richter, der wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden ist, dennoch bei der instanzbeendenden Entscheidung mit, kann dies einen im Rechtmittelverfahren beachtlichen Verfahrensfehler gemäß § 529Abs. 2 ZPO bzw. § 545 Abs. 1 ZPO darstellen. Das Berufungs- oder Revisionsgericht hat daher inzident zu prüfen, ob der behauptete Ablehnungsgrund bei Erlass der angefochtenen Entscheidung tatsächlich vorgelegen hat (vgl. BGH, NJW 2001, 1502 [1503]). Die Bestimmung des § 512 ZPO steht dem im Berufungsverfahren nicht entgegen (so aber Stein/Jonas/Bork, a. a. O., § 46 Rdnr. 3a). Nach der genannten Vorschrift sind dem Urteil vorausgegangene Zwischenentscheidungen der Nachprüfung durch das Berufungsgericht entzogen, sofern sie selbständig anfechtbar sind. In der vorliegenden Konstellation kann dies jedoch schon deshalb nicht gelten, weil es wegen der prozessualen Überholung des Ablehnungsverfahrens an einer verbindlichen Entscheidung über den Ablehnungsgrund fehlt (G. Vollkommer, a. a. O., S. 263; Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 46 Rdnr 18a). Aus den dargelegten Gründen erscheint es daher prozessökonomischer, in dem ohnehin durchzuführenden Berufungsverfahren auch die gebotene Prüfung geltend gemachter Ablehnungsgründe vorzunehmen, anstatt parallel das Beschwerdeverfahren fortzusetzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 574 Abs. 3 Satz 1 ZPO zuzulassen, da der Sache grundsätzliche Bedeutung zukommt und die Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO).



Ende der Entscheidung

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