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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 07.07.2006
Aktenzeichen: 15 W 43/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 227 Abs. 2 Satz 1
Die Zurückweisung eines Terminsverlegungsantrags kann eine Besorgnis der Befangenheit nur rechtfertigen, wenn erhebliche Gründe im Sinne von § 227 Abs. 2 Satz 1 ZPO für eine Verlegung des Termins vorlagen und darüber hinaus mit der Ablehnung des Antrags eine augenfällige Ungleichbehandlung der Prozessparteien zum Ausdruck kommt.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 15 W 43/06

07.07.2006

In Sachen

hat der 15. Zivilsenat des Kammergerichts durch die Präsidentin Nöhre und die Richter am Kammergericht Groth und Dr. Vossler am 7. Juli 2006 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 16. Juni 2006 - 3 O 509/05 - wird auf ihre Kosten als unbegründet zurückgewiesen.

Der Wert der Beschwerde entspricht dem der Hauptsache.

Gründe:

I.

Die Kläger nehmen die Beklagte auf einen Vorschuss zur Beseitigung von Baumängeln in Anspruch. Mit Verfügung vom 13. Januar 2006 hat das Landgericht die Durchführung des schriftlichen Vorverfahrens und die Zustellung der Klage angeordnet. Vor Ablauf der insgesamt vierwöchigen Klageerwiderungsfrist hat es diese Frist auf Antrag der Beklagten um drei weitere Wochen verlängert. Nachdem auch innerhalb der verlängerten Frist keine Klageerwiderung eingegangen war, hat das Landgericht mit Verfügung vom 16. März Haupttermin zur mündlichen Verhandlung bestimmt. Mit Schriftsatz vom 28. März hat die Beklagte die Verlegung dieses Termins auf einen späteren Zeitpunkt beantragt, da ihr Prozessbevollmächtigter aufgrund einer Terminskollision verhindert sei. Diesen Antrag hat das Landgericht nach Anhörung der Kläger mit Verfügung vom 29. März 2006 zurückgewiesen, worauf die Beklagte den erkennenden Richter mit Schriftsatz vom 10. April 2006 als befangen ablehnte. Den Befangenheitsantrag hat die zuständige Zivilkammer des Landgerichts mit Beschluss vom 15. Mai 2006 zurückgewiesen, der der Beklagten am 23. Mai 2006 zugestellt worden ist. Gegen den das Ablehnungsersuchen zurückweisenden Beschluss wendet sich die Beklagte nunmehr mit ihrer am 6. Juni 2006 eingegangenen Beschwerde, der das Landgericht nicht abgeholfen hat.

II.

1. Die gemäß §§ 45 Abs. 2, 569 ff. ZPO zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

2. Das Landgericht hat mit der angefochtenen Entscheidung das gegen den Richter am Landgericht Dr. Mnnn gerichtete Ablehnungsgesuch zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen, auf die in entsprechender Anwendung von § 540 ZPO Bezug genommen wird, zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde gibt lediglich zu folgenden ergänzenden Bemerkungen Anlass:

a. Eine Ablehnung gemäß § 42 Abs. 2 ZPO kann grundsätzlich nicht erfolgreich auf die Rechtsauffassung oder auf eine Verfahrenshandlung gestützt werden, weil es im Ablehnungsverfahren allein um eine mögliche Parteilichkeit des Richters und nicht um die Richtigkeit seiner Handlungen und Entscheidungen geht, deren Überprüfung ausschließlich mit den hierfür vorgesehenen Rechtsmitteln zu erfolgen hat. Lediglich im Ausnahmefall sind Verfahrensweise und Rechtsauffassung Grund für die Ablehnung, wenn die richterliche Handlung ausreichender gesetzlicher Grundlage völlig entbehrt und so grob rechtswidrig ist, dass sie als Willkür erscheint, oder wenn die fehlerhafte Begründung eindeutig erkennen lässt, dass sie auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber der Partei beruht (vgl. KG, NJW 2005, 2104 [2104]; Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 42 Rdnr. 24 ff., insbes. 28 m. w. N.). Ein derartiger Ausnahmefall liegt jedoch - wie das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend dargelegt hat - nicht vor.

Nach herrschender Meinung und ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats kann die Zurückweisung eines Terminsverlegungsantrags ein Befangenheitsersuchen nach § 42 Abs. 2 ZPO nur dann rechtfertigen, wenn die Gründe für den Verlegungsantrag erheblich im Sinne von § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO sind und darüber hinaus mit der Ablehnung des Antrags eine augenfällige Ungleichbehandlung der Prozessparteien zum Ausdruck kommt (vgl. KG, MDR 2005, 708; KGR Berlin 2005, 140; OLG Brandenburg, NJW-RR 1999, 1291 [1292]; OLG Köln, MDR 2003, 170; OLGR 2004, 404 [405]; NJW-RR, 2000, 591 [592]; OLG Zweibrücken MDR 1999, 113; OLG Schleswig, NJW 1994, 1227; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 64. Aufl., § 42 Rdnr. 50; Müko/Feiber, ZPO, 2. Aufl., § 42 Rdnr. 29 f.; Musielak/Heinrich, ZPO, 4. Aufl., § 42 Rdnr. 10).

Eine solche restriktive Auslegung der Vorschrift ist nicht nur deshalb angezeigt, weil es nicht der gesetzlichen Intention entspricht, einzelne im Laufe eines Rechtsstreits zu treffende Entscheidungen des erkennenden Gerichts im Verfahren nach § 42 Abs. 2 ZPO inhaltlich nachzuprüfen. Hinzu kommt ein weiterer durchschlagender Gesichtspunkt. Nach der in § 227 Abs. 4 Satz 3 ZPO getroffenen Entscheidung des Gesetzgebers ist die Ablehnung eines Antrags auf Vertagung oder Terminsverlegung grundsätzlich unanfechtbar. Würde es für einen erfolgreichen Befangenheitsantrag ausreichen, dass der abgelehnte Richter einem Terminverlegungsantrag abgelehnt hat, obwohl nach Auffassung des für die Entscheidung über den Ablehnungsantrag zuständigen Gerichts erhebliche Gründe im Sinne von § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO vorlagen (so aber wohl Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 42 Rdnr. 23), wäre diese Entscheidung des Gesetzgebers hinfällig.

b. Wie in dem angefochtenen Beschluss zu Recht ausgeführt wird, bestehen vorliegend bereits Zweifel, ob die Beklagte tatsächlich erhebliche Gründe im Sinne von § 227 Abs. 1 ZPO für die beantragte Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung vom 12. April 2006 vorgebracht hat. Zwar gehen Rechtsprechung und Schrifttum überwiegend davon aus, dass im Falle einer Terminskollision des Prozessbevollmächtigten einer Partei erhebliche Gründe für eine Terminsverlegung in der Regel zu bejahen sind (vgl. Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 227 Rdnr. 9 m. w. N.; a. A. aber etwa Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a. a. O., § 227 Rdnr. 23). Allerdings bestehen im vorliegenden Fall Besonderheiten, die ein Abweichen von dieser Regel durchaus plausibel erscheinen lassen. Obwohl der Beklagten die Klage bereits vor mehr als fünf Monaten zugestellt und das schriftliche Vorverfahren angeordnet worden ist, hat sie bis heute nicht erkennen lassen, ob und gegebenenfalls mit welchen konkreten Einwendungen sie sich gegen den erhobenen Anspruch verteidigen will. Vor diesem Hintergrund kann mit Recht bezweifelt werden, ob die Beklagte mit ihrem Terminverlegungsantrag tatsächlich berechtigte Interessen verfolgte oder ob ihr nicht schlicht daran gelegen war, die Titulierung des geltend gemachten Anspruchs so lange wie möglich hinauszuzögern.

Letztlich kann die Frage, ob tatsächlich erhebliche Gründe für eine Terminsverlegung bestanden, aber offen bleiben. Selbst wenn man dies unterstellte, würde es - wie in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt wird - an einer greifbaren Ungleichbehandlung der Parteien fehlen. Entgegen dem Beschwerdevorbringen lässt sich eine solche augenfällige Ungleichbehandlung auch nicht mit einer unterbliebenen Ermessensausübung begründen. Zwar hat der abgelehnten Richter die Zurückweisung des Terminverlegungsantrags ausweislich seiner Verfügung vom 29. März 2006 zunächst nur damit begründet, dass die Klägerin einer Verlegung des Termins widersprochen habe. In seiner dienstlichen Stellungnahme vom 11. April 2006 hat er indessen ergänzend ausgeführt, dass eine Terminsverlegung deshalb nicht in Betracht komme, weil die Klägerin angesichts des Verfahrensstandes einen Anspruch auf zügige Sachbearbeitung habe, der dem Interesse der Beklagten an einer Terminsverlegung vorgehe. Hierzu verweist der Richter auf den Umstand, dass die Beklagte trotz der Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens und der Bestimmung eines Haupttermins zum betreffenden Zeitpunkt noch immer keine Klageerwiderung vorgelegt hatte.

Zwar wäre es wünschenswert gewesen, wenn die zuletzt genannten Gesichtspunkte bereits mit der Zurückweisung des Terminverlegungsantrags mitgeteilt worden wären, da § 227 Abs. 4 S. 2 ZPO ausdrücklich eine - wenn auch kurze - Begründung der Entscheidung vorsieht. Gerade im Fall sich widersprechender Anträge sollte den Parteien mitgeteilt werden, welche Gesichtspunkte für die Entscheidung des Gerichts ausschlaggebend waren (Stein/Jonas/Roth, a. a. O., § 227 Rdnr. 39; Zöller/Stöber, a. a. O., § 227 Rdnr. 26). Allerdings vermag auch dieses Versäumnis Zweifel an der Unparteilichkeit des abgelehnten Richters nicht zu rechtfertigen. Denn nach den Umständen des Falles lag es ganz offensichtlich auf der Hand, dass sich die bislang unterbliebene Prozessförderung seitens der Beklagten auch auf die Entscheidung über den Terminverlegungsantrag auswirken musste, so dass die Beklagte von der Berücksichtigung dieser ihr bekannten Umstände nicht überrascht sein durfte.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, diejenige zur Wertfestsetzung auf §§ 47 GKG i. V. m. 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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