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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 17.01.2005
Aktenzeichen: 16 UF 144/04
Rechtsgebiete: Brüssel-V-VO


Vorschriften:

Brüssel-V-VO Art. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 16 UF 144/04

17.01.2005

In dem Sorgerechtsverfahren

betreffend die Kinder

nnnnnnnn , geboren am 22.11.1995, nnnnnnnnn , geboren am 16.09.1997,

hat der 16. Zivilsenat des Kammergerichts durch die Vorsitzende Richterin am Kammergericht Scheer, den Richter am Kammergericht Dr. Prange und die Richterin am Kammergericht Gernoth-Schultz am 17. Januar 2005 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Vaters wird der Beschluss des Amtsgerichts Pankow-Weißensee (Familiengericht) vom 23. Januar 2004 -18 F 7711/03- aufgehoben.

Das Verfahren wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten dieses Beschwerdeverfahrens- an das Familiengericht zurückverwiesen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 3.000 EUR

Gründe:

I.

Die Eltern leben seit September 2002 dauernd getrennt, die Kinder leben bei der Mutter.

Im Januar 2003 hatte der Vater die Regelung seines Umgangsrecht mit den Kindern angestrebt (18 F 425/03 Amtsgericht Pankow-Weißensee). Nachdem die Mutter im dortigen Verfahren im Termin vom 18. Juni 2003 erklärt hatte, mit den Kindern für die Dauer von 3 Jahren nach England übersiedeln zu wollen, hat das Familiengericht nach Anhörung der Eltern und der Kinder der Mutter mit Beschluss vom 11. August 2003 antragsgemäß das Aufenthaltsbestimmungsrecht für beide Kinder übertragen.

Der Beschluss ist bestandskräftig geworden.

Ende August 2003 ist die Mutter mit den Kindern nach England gezogen. Sie verweigert die Bekanntgabe ihrer Anschrift.

Mit am 19. September 2003 eingegangenem Antrag begehrt der Vater die Abänderung der Entscheidung vom 11. August 2003 -18 F 425/03- dahin, dass ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht zusteht. Er begehrt ferner die Herausgabe der Kinder.

Mit Beschluss vom 23. Januar 2004 hat das Familiengericht den Antrag des Vaters mit der Begründung zurückgewiesen, dass Gründe für eine Abänderung (§ 1696 Abs. 1 BGB) nicht vorgetragen seien. Dass die Mutter mit den Kindern nach England ausreisen wollte, sei schon im Ausgangsverfahren bekannt gewesen.

II.

Die hiergegen gerichtete -zulässige- sofortige Beschwerde des Vaters (§ 621 e ZPO) führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung des Verfahrens an das Familiengericht.

Entgegen der Auffassung des Familiengerichts kommt eine wesentliche Änderung der Sachlage (§ 1696 Abs. 1 BGB) gegenüber dem Sachverhalt zum Zeitpunkt der Ausgangsentscheidung am 11. August 2003 bereits deshalb in Betracht, weil die Mutter dem Vater die Kinder - und umgekehrt, den Kindern auch ihren Vater- seit nunmehr fast 1 1/2 Jahren vorenthält. Seit dem Wegzug der Mutter haben keinerlei Kontakte mehr stattgefunden, nicht einmal mehr brieflich oder telefonisch. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass dies im Interesse der Kinder liegt. Mithin war die Einleitung weiterer Ermittlungen auch von Amts wegen (§ 12 FGG) geboten.

Das erstinstanzliche Verfahren leidet an einem wesentlichen Mangel, weil das Familiengericht von einer Anhörung der Mutter und der Kinder (§§ 50 a und b FGG) abgesehen hat.

Es wird nicht verkannt, dass es erstinstanzlich nicht gelungen war, eine Anschrift der Mutter zu ermitteln, unter der sie und die Kinder zu einer Anhörung (etwa auch im Wege der Rechtshilfe durch ein Gericht in England) hätten geladen werden können. Allerdings finden sich nach Aktenlage auch keine Bemühungen, bei dem vom Vater als Bevollmächtigten der Mutter benannten Rechtsanwalt nnn nachzufragen, ob dieser auch in dem Sorgerechtsabänderungsverfahren vertritt.

Jedenfalls aber jetzt sind weitere Gesichtspunkte bekannt geworden, die die Ermittlung der Anschrift der Mutter erwarten lassen, so dass die gebotenen Anhörungen nachgeholt werden können. Denn die Ehefrau hat im August 2004 nunmehr ihrerseits in England (District Judge at Staines Country Court in Middlesex, TW 18 IX, Aktenzeichen nnnnnn n ) einen Ehescheidungsantrag (und einen Antrag auf Zahlung von Kindesunterhalt) gestellt. Diesem Antrag ist eine Anschrift der Mutter zwar ebenfalls nicht zu entnehmen, insofern kommen aber weitere Ermittlungen, insbesondere Nachfragen bei dem Gericht in England nach Einschaltung der Zentralen Behörde in Betracht.

Der Antrag des Vaters auf Ehescheidung -18 F 6003/03 Amtsgericht Pankow-Weißensee- ist bei dem Familiengericht Pankow-Weißensee eingegangen zeitlich vor dem Eingang des Scheidungsantrags der Ehefrau vom August 2004 in Middlesex, England.

Dass der Scheidungsantrag des Vaters nicht zugestellt werden konnte, gereicht ihm nicht zum Nachteil. § 11 Abs. 4 a der Brüssel-II Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 des Rates) bestimmt, dass ein Gericht als "angerufen" (iSd Art 11 der VO) zu dem Zeitpunkt gilt, zu dem das verfahrenseinleitende Schriftstück bei Gericht eingereicht worden ist, sofern der Antragsteller es in der Folge nicht versäumt hat, die ihm obliegenden Maßnahmen zu treffen, um die Zustellung des Schriftstücks an den Antragsgegner zu bewirken. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt (vgl. dazu den Beschluss vom heutigen Tage 16 WF 206/04).

Eine ausschließliche Zuständigkeit (Art 7 Brüssel-II) des englischen Gerichts zur Entscheidung über den Sorgerechtsabänderungsantrag ergibt sich mithin nicht aus Art 3 Abs. 1 Brüssel-II der VO. Ob eine Zuständigkeit des deutschen Gerichts zur Entscheidung über die elterliche Verantwortung nach Art 3 Abs. 2 Brüssel-II verbleibt, kann erst nach Abschluss weiterer Ermittlungen (zu Art 3 Abs. 2 b Brüssel-II VO) entschieden werden.

Die Wertfestsetzung folgt aus § 30 KostO



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