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Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 14.10.2004
Aktenzeichen: 16 UF 60/04
Rechtsgebiete: BGB, ZPO
Vorschriften:
BGB § 1572 Nr. 1 | |
BGB § 1573 Abs. 2 | |
BGB § 1573 Abs. 5 | |
BGB § 1578 | |
ZPO § 323 Abs. 2 |
Kammergericht Im Namen des Volkes
Geschäftsnummer: 16 UF 60/04
verkündet am: 14.10.2004
In dem Rechtsstreit
hat der 16. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 14.10.2004 durch die Vorsitzende Richterin am Kammergericht Scheer als Einzelrichterin
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 10. März 2004 verkündete Anerkenntnis-Teil- und Schlussverbundurteil hinsichtlich der Entscheidung Folgesache nachehelicher Unterhalt teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Antragsteller wird verurteilt, ab Rechtskraft der Ehescheidung der Antragsgegnerin nachehelichen Unterhalt von monatlich 392,-- Euro zu zahlen.
Der Antrag auf Zahlung eines höheren nachehelichen Unterhalts wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Antragsgegner 5% und der Antragsteller 95% zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand und
Entscheidungsgründe:
I.
Durch Verbundurteil vom 10. März 2004, auf das Bezug genommen wird, hat das Familiengericht die am 1. November 1986 geschlossene Ehe zwischen dem 1960 geborenen Polizeibeamten und der 1961 geborenen Pädagogin -nach Aussetzung der Folgesache Versorgungsausgleich- geschieden und der Antragsgegnerin einen nachehelichen Unterhalt von 391,56 EUR zuerkannt, befristet auf die Dauer von 3 Jahren.
Das Ehescheidungsurteil ist rechtskräftig.
Der am 16. Dezember 1986 geborene Sohn der Parteien Dnnn ist wirtschaftlich selbständig.
Mit ihrer Berufung wendet sich die Antragsgegnerin in erster Linie gegen die Befristung des nachehelichen Unterhalts, aber auch gegen die ihrer Auffassung nach zu gering bemessene Höhe.
Die Antragsgegnerin beantragt,
Das Anerkenntnisteil- und Schlussurteil des Amtsgericht Pankow-Weißensee hinsichtlich der Entscheidung zur Folgesache nachehelicher Unterhalt abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, nachehelichen Unterhalt monatlich im Voraus von 445 EUR an die Antragsgegnerin zu zahlen.
Der Antragsteller beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
II.
Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
Abgesehen von der unterlassenen Aufrundung des rechnerisch gefundenen Ergebnisses (vgl. Nr. 24 der Leitlinien des Kammergerichts) von 391,56 EUR auf 392 EUR ist die Höhe des der Beklagten gemäß § 1573 Abs. 2 BGB zuerkannten Aufstockungsunterhalts nicht zu beanstanden. Die Einkommenszahlen für den Antragsteller gehen von den überreichten Gehaltsbescheinigungen von 2002/2003 aus und berücksichtigen eine weitere Reduzierung des Weihnachtsgeldes im Berliner öffentlichen Dienst. Nicht zu beanstanden ist weiter der Abzug der Kreditrate von 180 EUR monatlich, die der Antragsteller jetzt an seine Lebensgefährtin zahlt. Mit dem von der Lebensgefährtin erhaltenen Darlehen hat der Antragsteller den gemeinsamen Kredit der Parteien bei der SEB Bank abgelöst, der noch in Höhe von rund 5.600 EUR valutierte. Damit ist auch die Antragsgegnerin von ihrer Haftung gegenüber der Bank befreit. Die an die Bank zu zahlenden Raten waren höher als die jetzigen Tilgungsraten, die der Beklagte durch den nachgewiesenen Dauerauftrag und die Vorlage einzelner Abbuchungsbelege (Januar bis Mai 2004) nachgewiesen hat. Durch die vorzeitige Ablösung des Kredits steht die Antragsgegnerin nicht schlechter, als sie bei dessen Fortbestehen stünde.
Zu Recht wendet sich die Antragsgegnerin allerdings gegen die Befristung des nachehelichen Unterhaltsanspruchs auf 3 Jahre.
Die Ehezeit war mit 17 Jahren (Tag der Eheschließung 1. November 1986 bis zur Volljährigkeit des Sohnes Dnnn am 16. Dezember 2003, § 1573 Abs. 5 Satz 2 BGB) lang.
Grundsätzlich wird das Maß des Unterhalts durch die ehelichen Lebensverhältnisse (§ 1578 BGB) geprägt. Erzielt ein Ehegatte ein höheres Einkommen als der andere, folgt aus der geschuldeten nachehelichen Solidarität die Verpflichtung des Besserverdienenden, den geschiedenen Ehegatten weiter bis hin zum Maß des § 1578 BGB wirtschaftlich zu unterstützen.
§ 1573 Abs. 5 BGB eröffnet die Möglichkeit der Befristung des Unterhalts, wenn nach Dauer und Art der Ehegestaltung eine unbeschränkte Unterhaltsgewährung unbillig wäre, weil die Teilhabe am ehelichen Lebensstandard nicht mehr gerechtfertigt ist (BGH NJW 2001, 2254, 2258). Diese Vorschrift begrenzt die nacheheliche Solidarität zeitlich, wenn besondere Billigkeitsgründe dies im Einzelfall erfordern. Eine starre Grenze, von der ab der Unterhaltsanspruch nicht mehr zeitlich begrenzt werden darf, ist nicht normiert. Ab 20 Jahren Ehezeit (BGH NJW 1994, 935) wird eine Begrenzung jedoch nicht mehr in Betracht kommen. Auch bei einer Ehedauer von über 10 Jahren ist die Begrenzung die Ausnahme (BGH NJW 1990, 2810), die Ehedauer erhält dann als Billigkeitskriterium im Rahmen der Abwägung aller Umstände des Einzelfalls immer mehr Gewicht.
Gründe, die bei der hier mit 17 Jahren gegebenen langen Ehezeit aus Billigkeitserwägungen für eine Befristung streiten, sind nicht ersichtlich. Die Annahme des Familiengerichts, die Antragsgegnerin könne binnen der drei Jahre zuerkanntem Unterhalt -für die Dauer der Befristung enthält das Urteil auch keine Begründung- "ihre Erwerbstätigkeit ausdehnen und für ihren Lebensunterhalt vollständig selbst sorgen", steht erklärungslos im Raum. Das Urteil erwähnt zwar den angespannten Arbeitsmarkt als Ursache für den Konkurs des früheren Arbeitgebers der Antragsgegnerin und die Notwendigkeit, sich selbständig zu machen, berücksichtigt die schwierige wirtschaftliche Lage andererseits aber nicht bei der Prognose über die Geschäftsentwicklung der GmbH der Antragsgegnerin. Die wirtschaftliche Selbständigkeit bietet zwar andere Chancen als der Beamtenstatus des Antragstellers, aber auch andere Risiken. Bei der derzeitigen Arbeitsmarktlage überwiegen allerdings die Risiken.
Sollte die Antragsgegnerin tatsächlich in der Lage sein, in Zukunft die Erträge ihrer GmbH und damit auch ihr Arbeitseinkommen zu steigern, hat der Antragsteller die Möglichkeit, die Antragsgegnerin in Abständen (§§ 1580, 1605 Abs. 2 BGB) zur Auskunft über die Höhe ihres Einkommens aufzufordern und sodann, sofern die Voraussetzungen des § 323 Abs. 2 ZPO erfüllt sind, Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts zu verlangen.
Für eine Befristung des nachehelichen Unterhalts ist über das vorstehend Gesagte hier auch deshalb kein Raum, weil die Antragsgegnerin - dies allerdings erst im Termin vom 14. Oktober 2004- durch Überreichung einer ärztlichen Bescheinigung vorgetragen hat, dass bei ihr am 28. September 2004 eine inzwischen bereits operativ entfernte Tumorerkrankung diagnostiziert wurde, der jedoch noch eine Strahlen- und Chemotherapie folgen müssen. Diese Erkrankung war mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit bereits vor dem Ende der Ehezeit (die Scheidung ist rechtskräftig seit dem 9. August 2004) im Sinne des § 1572 Nr. 1 BGB angelegt, so dass auch Unterhaltsansprüche der Antragsgegnerin aus anderen Rechtsgründen in Betracht kommen, die eine Befristung aus Billigkeitsgründen ausschließen.
Die Nebenentscheidungen folgen aus § 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Ende der Entscheidung
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