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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 27.10.2008
Aktenzeichen: 16 WF 73/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 727
Eine Titelumschreibung nach § 727 ZPO kommt nur für diejenigen Ansprüche in Betracht, die der (neue) Gläubiger nach Rechtshängigkeit des dem Titel zugrunde liegenden Verfahrens erworben hat. Für Titel, deren Erstellung eine Rechtshängigkeit nicht vorangegangen ist (z.B. vollstreckbare Urkunden oder bei einem gerichtlichen Vergleich, in dem zuvor nicht streitgegenständliche Positionen mitgeregelt werden) ist auf den Zeitpunkt der Titelerrichtung abzustellen (BGHZ 120, 387 ff.). Ist der umzuschreibende Titel eine einstweilige Anordnung, ist zu differenzieren: Ist dem Erlass des Titels eine Rechtshängigkeit nicht vorangegangen, ist auf den Zeitpunkt des Erlasses abzustellen. Ging dem Erlass des Titels jedoch eine Zustellung des Antrags und damit ein der Rechtshängigkeit vergleichbarer, sicher bestimmbarer Zeitpunkt voraus, durch den das Prozessrechtsverhältnis zum Gegner begründet wurde, ist auf diesen Zeitpunkt abzustellen.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 16 WF 73/08

27.10.2008

In der Familiensache

hat der 16. Zivilsenat des Kammergerichts als Senat für Familiensachen durch die Vorsitzende Richterin am Kammergericht Scheer, die Richterin am Kammergericht Gernoth-Schultz und den Richter am Kammergericht Helmers beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss des Amtsgerichts Pankow/Weißensee vom 26. Februar 2008 wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlussbeschwerde des Gläubigers wird diesem bei teilweiser Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Pankow/Weißensee vom 26. Februar 2008 und unter Zurückweisung seines weitergehenden Anschlussrechtsmittels eine vollstreckbare Teilausfertigung des Beschlusses des Amtsgerichts Pankow/Weißensee vom 3.6.2004 in Höhe von 6.440,20 Euro für die Zeit vom 1.12.2003 bis 31.12.2004 zum Zwecke der Zwangsvollstreckung erteilt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben der Gläubiger zu 3/16 und der Schuldner zu 13/16 zu tragen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 7.926,40 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die ehemalige Gläubigerin war die Ehefrau des Schuldners. Die Ehe wurde zwischenzeitlich geschieden.

Die ehemalige Ehefrau des Schuldners begehrt vom Schuldner, ihrem damals von ihr getrennt lebenden Ehemann, Zahlung von Trennungsunterhalt. Gleichzeitig mit der am 27.8.2003 eingereichten Stufenklage beantragte sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Zahlung monatlichen Trennungsunterhalts. Die Stufenklage mit dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung wurde dem Schuldner am 15.11.2003 zugestellt. Am 3.6.2004 erließ das Amtsgericht Pankow/Weißensee eine einstweilige Anordnung, die den Schuldner verpflichtete, an seine damalige Ehefrau ab dem 27.8.2003 einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 675,- Euro zu zahlen.

Im Zeitraum vom 1.9.2003 bis zum 31.12.2004 erhielt die frühere Ehefrau des Schuldners vom Gläubiger Sozialhilfeleistungen in Höhe von monatlich 495,40 Euro, mithin insgesamt 7.926,40 Euro. Mit der dem Schuldner am 11.9.2003 zugestellten Anzeige vom 8.9.2003 leitete der Gläubiger die Ansprüche der früheren Ehefrau des Schuldners für den vorgenannten Zeitraum in Höhe der erbrachten Leistungen auf sich über. Unter dem 8.9.2005 schlossen der Gläubiger und die frühere Ehefrau des Schuldners eine privatrechtliche Vereinbarung nach § 91 Abs. 4 Satz 1 BSHG, derzufolge der auf den Gläubiger übergegangene Unterhaltsanspruch zwecks gerichtlicher Geltendmachung an die frühere Ehefrau des Schuldners zurückübertragen wurde. Gemäß Ziffer 4. der Vereinbarung tritt die Ehefrau des Schuldners den an sie rückübertragenen Unterhaltsanspruch an den Gläubiger ab, wobei die Abtretung an dem Tage wirksam werden sollte, der der Erhebung der Klage bei Gericht (Rechtshängigkeit) folgt.

Auf den Antrag des Gläubigers auf Titelumschreibung vom 22.2.2006 erteilte das Amtsgericht dem Gläubiger als Rechtsnachfolger der ehemaligen Ehefrau des Schuldners unter dem 6.3.2007 eine vollstreckbare Teilausfertigung der einstweiligen Anordnung vom 3.6.2004 zum Zwecke der Zwangsvollstreckung in Höhe von 6.935,60 Euro für die Zeit vom 15.11.2003 bis 31.12.2004. Der Schuldner erhob gegen die Erteilung der vollstreckbaren Teilausfertigung "sofortige Erinnerung". Nachdem die Rechtspflegerin beim Amtsgericht der Erinnerung nicht abgeholfen hatte (Beschluss vom 15.5.2007), hat der Amtsrichter mit dem angefochtenen Beschluss vom 26.2.2008 der Erinnerung insoweit abgeholfen, als die Vollstreckbarerklärung zugunsten des Gläubigers auf eine Unterhaltsforderung in Höhe von 4.680,- Euro für den Zeitraum vom 3.6.2004 bis 31.12.2004 begrenzt wurde. Im Übrigen hat er die Erinnerung zurückgewiesen.

Die Entscheidung wurde beiden Parteien am 28.2.2008 zugestellt. Der Schuldner wendet sich gegen die Entscheidung des Amtsrichters mit der am 12.3.2008 beim Kammergericht eingegangenen sofortigen Beschwerde, der Gläubiger mit der am 11.4.2008 eingegangenen Anschlussbeschwerde.

Der Schuldner beantragt,

die Beschlüsse des Amtsgerichts Pankow/Weißensee vom 26.2.2008 (Richter) und vom 6. März 2007 (Rechtspfleger) - 15 F 5155/03 - aufzuheben und den Antrag des Gläubigers auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Beschlusses vom 3.6.2004 insgesamt zurückzuweisen.

Der Gläubiger beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Im Wege der Anschlussbeschwerde beantragt er,

den Beschluss vom 26.2.2008 (Richter) und den Beschluss vom 6.3.07 (Rechtspfleger) insoweit abzuändern, als das Amtsgericht die Zwangsvollstreckung aus den übertragenen Ansprüchen nur teilweise für zulässig erklärt hat und die Zwangsvollstreckung in dem beantragten Umfang (vom 27.8.03 bis 31.12.04) für zulässig zu erklären.

Der Schuldner beantragt,

die Anschlussbeschwerde zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Parteien wird auf die im Beschwerdeverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen die - teilweise - Zurückweisung der Erinnerung gegen die Erteilung der vollstreckbaren Teilausfertigung vom 6.3.2007 ist gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, mithin zulässig. Sie ist jedoch unbegründet.

Die zulässige Anschlussbeschwerde des Gläubigers ist dagegen teilweise begründet.

Das Amtsgericht (Rechtspfleger) hat dem Gläubiger die vollstreckbare Teilausfertigung vom 6.3.2007 im Wesentlichen (mit Ausnahme des Zeitraums 15.11.- 30.11.2003) zu Recht erteilt.

Der Gläubiger ist mit der Zahlung der Leistungen nach dem BSHG an die frühere Ehefrau des Schuldners in Höhe der monatlichen Leistungen von 495,40 EUR durch die Überleitungsanzeige vom 8.9.2003, zugestellt an den Schuldner am 11.9.03, Rechtsnachfolger der früheren Ehefrau des Schuldners geworden (gesetzlicher Forderungsübergang nach § 91 BSHG).

Der Umstand, dass der Gläubiger in dieser Überleitungsanzeige die damalige Ehefrau des Schuldners ermächtigt hat, das Unterhaltsverfahren auch wegen der Ansprüche des Sozialamtes im eigenen Namen zu führen, steht als gewillkürte Prozessstandschaft (vgl. dazu Zöller-Vollkommer, ZPO, 25. Aufl. Vor § 50 Rdnr. 42: Geltendmachung eines fremden Rechtes im eigenen Namen kraft Ermächtigung) der Rechtsnachfolge des Gläubigers nicht entgegen. Eine Rückübertragung der Ansprüche an die frühere Ehefrau des Schuldners erfolgte in dieser Überleitungsanzeige vom 8.9.2003 nicht, sie hätte auch nur zwischen dem Gläubiger und der früheren Ehefrau des Schuldners vereinbart werden können, nicht zwischen dem Gläubiger und Schuldner.

Zu Recht weist der Schuldner allerdings darauf hin, dass auf Grund der Verweisung auf § 325 ZPO in § 727 ZPO eine Titelumschreibung nur für diejenigen Ansprüche in Betracht kommt, die der (neue) Gläubiger nach Rechtshängigkeit des dem Titel zugrundeliegenden Verfahrens erworben hat. Dies ist unstreitig, soweit der Titel im Klageverfahren erstritten wurde (BGH VIII ZR 218/91, Rdnr. 19, abgedruckt BGHZ 120, 387 ff). Für Titel, deren Erstellung eine Rechtshängigkeit nicht vorangegangen ist (vollstreckbare Urkunden, § 794 Abs. 1 ZPO oder bei einem gerichtlichen Vergleich, in dem zuvor nicht streitgegenständliche Positionen mitgeregelt werden, dazu BGH aaO) ist auf den Zeitpunkt der Titelerrichtung abzustellen. Für einstweilige Verfügungen, Arreste und einstweilige Anordnungen ist zu differenzieren: Ist dem Erlass des (umzuschreibenden) Titels eine Rechtshängigkeit nicht vorangegangen, ist auf den Zeitpunkt des Erlasses abzustellen. Ging dem Erlass des Titels jedoch eine Zustellung des Antrags und damit ein der Rechtshängigkeit vergleichbarer, sicher bestimmbarer Zeitpunkt, durch den das Prozessrechtsverhältnis zum Prozessgegner begründet wurde (ein solcher Zeitpunkt war in dem Verfahren vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf - vgl. dazu auch OLG Düsseldorf, DAV 1983, 672, 675 - nicht gegeben) voran, ist kein Grund ersichtlich, von § 325 ZPO abzuweichen (ebenso BGH aaO vom 9.12.1992).

Eine Verlegung des Rechtshängigkeitszeitpunkts auf einen noch früheren Termin als die Zustellung des Antrags kommt hingegen entgegen der Auffassung des Gläubigers nicht in Betracht. Denn gemäß Ziffer 4. der zwischen dem Gläubiger und der ehemaligen Ehefrau des Schuldners getroffenen Vereinbarung vom 8.9.2005 - gegen deren Wirksamkeit keine Bedenken bestehen - hat letztere den an sie gemäß Ziffer 1. rückübertragenen Unterhaltsanspruch an den Gläubiger abgetreten, wobei die Abtretung allerdings erst an dem Tage wirksam werden sollte, der der Erhebung der Klage bei Gericht (Rechtshängigkeit) folgt. Die Stufenklage wurde am 15.11.2003 rechtshängig, so dass dem Gläubiger der Anspruch erst ab dem 16.11.2003 wieder zustand und eine Titelumschreibung für früher entstandene Unterhaltsansprüche deshalb nicht erfolgen kann.

Für die Zeit vor dem 16.11.03 sind die Ansprüche bei der ehemaligen Ehefrau des Schuldners verblieben. Die Auffassung des Gläubigers, dass titulierte Ansprüche aus der Zeit vom 27.8.03 bis Dezember 03 weder von ihm noch von der früheren Ehefrau des Schuldners vollstreckt werden könnten, ist mithin irrig.

Rechtshängigkeit des der Titelerstellung zugrundeliegenden Verfahrens ist am 15.11.2003 eingetreten. Eine Titelumschreibung kommt mithin für alle diejenigen Ansprüche in Betracht, die der Gläubiger zeitlich danach erworben hat.

Entgegen der Auffassung des Schuldners ist der Gläubiger nicht bereits mit der Überleitungsanzeige vom September 2003 materiell Berechtigter aller künftigen Unterhaltsforderungen der früheren Ehefrau des Schuldners in Höhe von monatlich 495,40 EUR geworden. Denn der Übergang der Unterhaltsforderung auf den Sozialhilfeträger findet jeweils erst in dem Moment statt, in dem die Behörde Zahlung an den Unterhaltsgläubiger leistet, also jeden Monat neu. Der Unterhaltsanspruch geht mit der Leistung der Sozialhilfe auf den Sozialhilfeträger über, und zwar für die Zeit, für die Hilfe gewährt wird. Der Anspruchsübergang verwirklicht sich daher erst mit der Auszahlung der Sozialhilfe an den Sozialhilfeempfänger (vgl. Scholz in Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 7. Aufl. § 8 Rdnr. 77).

Hinsichtlich aller ab dem 1.12.2003 erfolgten Zahlungen ist die Rechtsnachfolge des Gläubigers erst nach Rechtshängigkeit eingetreten, so dass der Titel umgeschrieben werden kann.

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

Ende der Entscheidung

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