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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 07.05.2002
Aktenzeichen: 17 U 95/01
Rechtsgebiete: BGB, BörsG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 607 Abs. 1 a. F.
BGB § 762
BGB § 762 Abs. 1
BGB § 762 Abs. 1 Satz 1
BGB § 764
BGB § 764 Satz 1
BGB § 764 Satz 2
BörsG § 58
BörsG § 58 Satz 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 2
ZPO § 543 Abs. 1 Ziff. 1
ZPO § 543 Abs. 2 Ziff. 1
ZPO § 543 Abs. 2 Ziff. 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 17 U 95/01

Verkündet am: 7. Mai 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 17. Zivilsenat des Kammergerichts durch die Vorsitzende Richterin am Kammergericht Henze, den Richter am Landgericht Bigge und den Richter am Kammergericht Lettau auf die mündliche Verhandlung vom 26. März 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 14. August 2001 verkündete Urteil der Zivilkammer 19 des Landgerichts Berlin - 19.O.535/00 - geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin ist ein börsennotiertes französisches Kreditinstitut, das ihren Kunden ohne Beratungsleistungen oder eine allgemeine Vermögensverwaltung die Ausführung von Börsentermningeschäften anbietet. Am 31. Januar 2000 beantragte der Beklagte bei ihr die Eröffnung eines Wertpapierdepots sowie eines zugehörigen Kontos und unterzeichnete eine "Vereinbarung über die Ausführung von Wertpapier- und Termingeschäften. In der Folgezeit tätigte der Beklagte eine Vielzahl von Wertpapiergeschäften. Diese führten per 31. Mai 2000 zu einem Minussaldo von 21.163,13 € (= 41.391,48 DM). Mit Schreiben vom 24. Mai 2000 forderte die Klägerin den Beklagten zum Ausgleich dieses Kontos bis zum 2. Juni 2000 auf. Nach fruchtlosem Fristablauf kündigte sie das durch die Überziehung zustande gekommene Darlehen fristlos.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie DM 41.391,48 nebst 15% Zinsen hieraus seit dem 1. Juni 2000 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat behauptet, das von der Klägerin zur Verrichtung der Wertpapiergeschäfte zur Verfügung gestellte Computerprogramm "GTS V" sei fehlerhaft gewesen, da es am 19. April 2000 ein Positivsaldo des Kontos ausgewiesen habe, obwohl in Wirklichkeit ein Minussaldo bestanden habe. Da die Klägerin keinen Überziehungskredit gewähre, würden Aufträge nur ausgeführt, wenn ein entsprechendes Positivsaldo auf dem Konto bestünde. Er hätte den Auftrag nicht erteilt, wenn ihm das Negativsaldo bekannt gewesen wäre.

Das Landgericht hat der Klage bis auf die Zinshöhe stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klägerin einen Anspruch auf Ausgleich des Kontokorrentsaldos aus der Vereinbarung vom 31. Januar 2000 habe, dem der Beklagte einen Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung nicht entgegenhalten könne. Für den behaupteten Fehler des von der Klägerin zur Verfügung gestellten Computerprogramms sei der Beklagte beweisfällig geblieben. Auch träfe die Klägerin an einem etwaigen Fehler kein Verschulden. Weiterhin bestünde ein weit überwiegendes Mitverschulden des Beklagten, da es seine Aufgabe sei, den Überblick über seine Transaktionen zu bewahren und im eigenen Interesse jederzeit seinen aktuellen Kontostand zu kennen. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die Klägerin verpflichtet gewesen wäre, bei einem etwaigen Minussaldo keine Einkäufe mehr zuzulassen. Schließlich fehle es an der Kausalität.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der er sein erstinstanzliches Vorbringen vertieft und ergänzt. Er ist der Ansicht, dass hinsichtlich der Klageforderung der Differenzeinwand gemäß §§ 764, 762 Abs. 1 BGB greife, der durch § 58 Börsengesetz nicht ausgeschlossen sei. Hinsichtlich seines Gegenanspruchs behauptet er, das GTS-System habe vor. den in der Zeit vom 17. bis 20. April 2000 getätigten Wertpapierkäufen jeweils ein ausreichendes Kontoguthaben im Bying-Power-Fenster angezeigt. Bei unzureichendem Guthaben habe das GTS-System keine Wertpapierkäufe ausgeführt. Bereits aus dem Umstand, dass er trotz negativen Saldos an den Folgetagen noch Spekulationsgeschäfte in erheblichem Umfang eröffnen konnte, folge die Fehlerhaftigkeit des Computerprogramms. Eine manuelle parallele Buchführung über seine Wertpapiergeschäfte sei ihm nicht zuzumuten gewesen. Er ist der Ansicht, dass die Klägerin angesichts der durch Äußerungen weiterer Kunden bestätigten Systemfehler deren Nichtvorhandensein hätte beweisen müssen. Auch hätte sie ihn über die Fehler aufklären müssen. Die Grundsätze zur Produzentenhaftung wären anwendbar. Auch hinsichtlich der Kausalität komme es zu einer Beweislastumkehr. Allein aus der Bereitschaft zur Durchführung von Börsentermingeschäften folge keine unbegrenzte Risikobereitschaft.

Der Beklagte beantragt,

unter teilweiser Abänderung des am 14. August 2001 verkündeten Urteils des Landgerichts Berlin - 19.O.535/00 - die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil, das sie für richtig hält. Es handele sich vorliegend um Börsentermingeschäfte, bei denen der Differenzeinwand nicht in Betracht käme. Die Chatroom-Beiträge seien nicht geeignet, das Vorhandensein eines Fehlers am Computerprogramm und deren Kenntnis durch die Beklagte zu beweisen. Das vom Beklagten verwandte System sei fehlerfrei. Der Kontostand des Beklagten habe stets zwischen Soll und Haben geschwankt. Seinen eingezahlten Geldbetrag habe er durch Spekulationen innerhalb eines Monats aufgebraucht. Auch bei überzogenem Konto habe er weiterhin Kaufaufträge erteilt und Geschäfte getätigt. Es sei für ihn einfach gewesen, den Überblick zu behalten. Angesichts der Handelstätigkeit des Beklagten und der damit verbundenen Kontoentwicklung erscheine es als ausgeschlossen, dass er am 20. April 2000 von einem Guthaben ausgegangen sei. Er habe versucht, mit dem letzten riskanten Geschäft seine bisherigen ihm bekannten Verluste auszugleichen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst den diesen Schriftsätzen beigefügten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet, mithin zulässig. Sie ist auch begründet.

Nach Art. 27 Abs. 1 EGBGB i. V. m. § 18 der zwischen den Parteien am 31. Januar 2000 getroffenen Vereinbarung ist deutsches Recht anzuwenden.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen durchsetzbaren Anspruch gemäß § 607 Abs. 1 BGB a. F. auf Ausgleich der Debotsalden. Die Wertpapiergeschäfte, die die Parteien abgeschlossen haben, sind gemäß §§ 764, 762 Abs. 1 Satz 1 BGB unverbindlich. Denn bei den geschlossenen Geschäften handelt es sich um verdeckte Differenzgeschäfte, die dem Differenzeinwand des § 764 BGB unterliegen.

§ 764 Satz 1 BGB erfasst seinem Wortlaut nach zwar nur den Fall, dass ein auf Lieferung von Waren oder Wertpapieren lautender Vertrag in der Absicht geschlossen wird, ihn nicht zu erfüllen, sondern nur die Differenz zwischen dem vereinbarten Preis und dem Börsenpreis im festgelegten Lieferzeitpunkt auszugleichen. Er findet nach seinem Sinn und Zweck, der volkswirtschaftlich sinnlosen Differenzspekulation, die ohne Beziehung zum tatsächlichen Güterumsatz des Wirtschaftslebens nur aus den Schwankungen des Marktes Gewinn erzielen will (RGZ 117, 267, 269; BGHZ 58, 1, 2), die rechtliche Anerkennung zu versagen, auch auf sog. verdeckte Differenzgeschäfte Anwendung (BGHZ 58, 1, 2; Häuser/Welter, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts 2. Aufl. § 16 Rn. 173 ff.; Kienle, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch 2. Aufl. § 106 Rn. 77; Schwark, BörsG 2. Aufl. § 58 Rn. 5; Erman/Terlau, BGB 10. Aufl. § 764 Rn. 3; Müller-Deku, Daytraiding zwischen Termin- und Differenzeinwand, WM 2000, 1029, 1034).

Ein verdecktes Differenzgeschäft liegt insbesondere vor, wenn die Parteien zunächst nur ein die Spekulation eröffnendes Geschäft schließen, die tatsächliche Erfüllung dieses Geschäfts durch den Bankkunden aber nicht erfolgen soll, sondern sofort oder in einem günstiger erscheinenden späteren Zeitpunkt ein Gegengeschäft auf denselben Termin abgeschlossen und im Ergebnis nur die Differenz der Preise aus beiden Geschäften ausgeglichen werden soll (vgl. Häuser/Welter a.a.O. Rn. 174; Schefold, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch 2. Aufl. § 116 Rn. 264). Neben solchen Geschäften mit einem hinausgeschobenen Fälligkeitstermin unterliegen dem Differenzeinwand aber auch nicht ernstgemeinte Kassageschäfte, bei denen die Parteien, ohne einen hinausgeschobenen Erfüllungstermin zu vereinbaren, durch Nebenabreden oder die tatsächliche Art der Vertragsdurchführung den sofortigen Leistungsaustausch als das Charakteristische des Kassageschäfts (Staudinger/Engel, BGB 13. Bearb. § 764 Rn. 21) ausschließen, in Wahrheit keine Lieferung beabsichtigen, sondern Spekulationsgewinne durch Gutschriften aus gleichartigen Geschäften erzielen wollen (MüKo/Habersack, BGB 3. Aufl. § 764 Rn. 16; Palandt/Sprau, BGB 61. Aufl. § 764 Rn. 6).

Die Annahme eines verdeckten Differenzgeschäfts ist zwar nur unter strengen Voraussetzungen gerechtfertigt. Es reicht nicht aus, dass der Käufer bereits bei Abschluss des Eröffnungsgeschäfts die dem Vertragspartner bekannte Absicht hat, mit den gekauften Waren oder Wertpapieren zu spekulieren und diese umgehend, gegebenenfalls sogar noch am gleichen Tage vor Erlangung des Eigentums, wieder mit Gewinn an einen Vertragspartner seiner Wahl zu verkaufen. Eine solche Weiterveräußerung, die sich im Rahmen marktwirtschaftlichen Handelns bewegt, setzt grundsätzlich den Erwerb der freien Verfügungsmöglichkeit über die Waren, Wertpapiere oder Devisen und damit eine Durchführung des Erstgeschäfts voraus. Ein verdecktes Differenzgeschäft kommt vielmehr erst dann in Betracht, wenn der Käufer, im Einvernehmen mit seinem Vertragspartner, keine unbeschränkte Verfügungsbefugnis über die Waren oder Wertpapiere anstrebt und zu ihrer Bezahlung weder eigenes Kapital noch vor Abschluss des Geschäfts vertraglich fest vereinbarte Kreditmittel, sondern den Erlös aus einem von vornherein beabsichtigten Gegengeschäft einsetzen will. Voraussetzung eines verdeckten Differenzgeschäfts ist ferner, dass das Gegengeschäft mit dem Vertragspartner des Erstgeschäfts geschlossen wird und mit dem Erstgeschäft im wesentlichen übereinstimmt (vgl. BGH, WM 2002, 283).

Danach sind die Wertpapiergeschäfte der Parteien als Differenzgeschäfte anzusehen. Indizien können ein auffälliges Missverhältnis zwischen dem Vermögen des Bankkunden und dem Umfang des geschlossenen Geschäfts, die Zurverfügungstellung eines (Sicherheits-)Betrages, der nicht den Wert des Erstgeschäfts, sondern allenfalls einen Verlust in Höhe der Differenz zwischen Erst- und Gegengeschäft abdeckt, das Fehlen einer Beziehung der erworbenen Waren oder Wertpapiere zum Geschäfts- oder Berufskreis des Käufers, der Charakter der Waren, Wertpapiere oder Devisen als typische Spekulationsobjekte sowie der häufige An- und Verkauf derselben Waren, Wertpapiere oder Devisen bei fortgesetzter Unterlassung effektiver Erfüllung sein (vgl. Staudinger/Engel, a.a.O. Rn. 16). Hier dienten die Geschäfte nicht dem effektiven Austausch von Wertpapieren und Kaufpreis, sondern der Erzielung von Spekulationsgewinnen in Form von Differenzen zwischen An- und Verkaufspreis. Die Klägerin hat die Wertpapiere zwar dem Konto des Beklagten gutgeschrieben und damit ihre Verschaffungspflicht erfüllt. Der Beklagte konnte über sie aber nur im Rahmen weiterer Geschäfte gerade mit der Klägerin, nicht aber in sonstiger Weise, etwa durch Transferierung auf ein Konto bei einer anderen Bank, verfügen. Hieran war er auch nicht interessiert, weil er für Wertpapiere in der erworbenen Menge, die in keiner Beziehung zu seinem Geschäftsbetrieb als Kfz-Meister standen, abgesehen vom Abschluss spekulativer Wertpapiergeschäfte, keine Verwendung hatte. Die unbeschränkte Verfügungsbefugnis des Beklagten hätte auch dem Sicherungsinteresse der Klägerin widersprochen. Die dem Konto gutgeschriebenen Wertpapiere dienten bis zur Weiterveräußerung der Sicherung der Kaufpreisansprüche der Klägerin. Der Umstand, dass die Gegengeschäfte mit den Erstgeschäften nicht immer völlig deckungsgleich waren, ändert nichts. Soweit die Wertpapiere nach einem Kursverfall als Sicherheit nicht mehr ausreichten, hatte der Beklagte die Differenz durch Bareinzahlungen auszugleichen. Diese Anlage der Geschäfte sowie der häufige und schnell aufeinanderfolgende, oft am selben Tag durchgeführte, Kauf und Verkauf der Wertpapiere, die ein typisches Objekt von Differenzspekulationen sind, zeigen, dass die einzelnen Umsatzgeschäfte nur das technische Mittel zur Erzielung der zu Spekulationszwecken angestrebten Differenz waren. Wie die Klägerin selbst in ihrer Berufungserwiderung vortragen lässt, wurden die Wertpapierkäufe und -verkäufe nicht effektiv durch den Austausch von Wertpapieren und Kaufpreis, den der Beklagte mit eigenen Mitteln gar nicht erbringen konnte, durchgeführt, sondern auf den Konten des Beklagten nur entsprechend verbucht und am Ende in einem Differenzbetrag aufgelöst. Ausdrücklich heisst es dort: "... Auf diese Weise werden keine Wertpapierpositionen zu Lasten des laufenden Girokontos aufgebaut, sondern es verändert sich das laufende Geldkonto kontinuierlich um die kurzfristig aus den Spekulationsgeschäften erzielten Gewinne...". Darin besteht jedoch das Wesen des Differenzgeschäfts (BGH, WM 1978, 1203, 1204).

Dass nur der Beklagte, nicht aber die Klägerin die Absicht hatte, aus den Wertpapiergeschäften Differenzgewinne zu ziehen, während die Klägerin daran vor allem ein Provisionsinteresse hatte, steht der Annahme verdeckter Differenzgeschäfte nicht entgegen. Nach § 764 Satz 2 BGB reicht es aus, dass die Klägerin von der Differenzabsicht des Beklagten Kenntnis hatte oder haben musste (BGH, WM 2002, 283). Das steht hier außer Frage: Denn die Klägerin selbst trägt in ihrer Berufungserwiderung vor, dass es sich bei dem Beklagten um einen typischen kurzfristigen Spekulanten gehandelt hat, der eine Spekulationsposition, nachdem er sie geöffnet hat, kurzfristig - häufig taggleich - mit mehr oder weniger geringem Gewinn bzw. Verlust wieder schloss. Spätestens die tatsächliche Handhabung durch den Beklagten, wie sie sich etwa aus den Kontobewegungen ausweislich des Kontoauszuges vom 28. April 2000 mit der Vielzahl von Käufen und Verkäufen ablesen lässt, verschaffte der Klägerin die notwendige Kenntnis von der Differenzabsicht des Klägers.

Der Differenzeinwand ist nicht gemäß § 58 Satz 1 BörsG ausgeschlossen. Die Geschäfte der Parteien sind keine Börsentermingeschäfte. Börsentermingeschäfte sind standardisierte Geschäfte, die erst zu einem späteren Zeitpunkt, dem Ende der Laufzeit, zu erfüllen sind und einen Bezug zu einem Terminmarkt haben (BGHZ 92, 317, 320; BGHZ 142, 345, 350; BGH, WM 2002, 803, 804). Diese Voraussetzungen erfüllen die Geschäfte der Parteien nicht, weil sie nicht zu einem späteren, hinausgeschobenen Zeitpunkt, sondern sofort binnen der für Kassageschäfte üblichen Frist von zwei Tagen (vgl. BGHZ 103, 84, 87) zu erfüllen waren. Denn der Beklagte hat beim Kauf der Wertpapiere sogleich die Verfügungsmöglichkeit über die erworbenen, aber noch nicht gelieferten Wertpapiere erhalten, zugleich aber die Verfügungsmöglichkeit über den Kaufpreis verloren, weil dieser ebenfalls sofort dem Konto belastet wurde. Beim Verkauf von Wertpapieren, kann er den noch nicht eingegangenen Erlös zwar sogleich wieder nutzen, er verliert im Gegenzug aber sofort die Verfügungsmöglichkeit über die Wertpapiere. Der Kunde wird von der Bank gewissermaßen so gestellt, als würden Wertpapiergeschäfte des täglichen Lebens abgewickelt: Sofortiger Austausch von Geld und Ware. Diese Bargeschäftssimulation beseitigt den beim herkömmlichen Wertpapiergeschäft vorhandenen hinausgeschobenen Erfüllungszeitpunkt und entzieht damit der Annahme eines Terminelements die Grundlage (vgl. Müller-Deku, a. a. O., S. 1031).

Die Wertpapiergeschäfte der Parteien können nicht ungeachtet des Fehlens eines hinausgeschobenen Erfüllungszeitpunkts allein aufgrund der mit ihnen verfolgten Spekulationsabsicht und der mit ihnen verbundenen Verlustrisiken als Börsentermingeschäfte angesehen werden. Börsentermingeschäfte sind durch eine spezifische, mit dem hinausgeschobenen Erfüllungszeitpunkt untrennbar verbundene Gefährlichkeit gekennzeichnet. Sie verleiten zur Spekulation auf eine günstige, aber ungewisse Entwicklung des Marktpreises in der Zukunft, die die Auflösung des Terminengagements ohne Einsatz eigenen Vermögens durch ein gewinnbringendes Glattstellungsgeschäft ermöglichen soll (BGHZ 103, 84, 88; WM 2001, 1714, 1715; WM 2002, 803, 804). Das damit verbundene Risiko tritt bei Geschäften, die innerhalb der für Kassageschäfte üblichen Frist von zwei Tagen zu erfüllen sind, allenfalls in geringem Maße auf, selbst wenn diese Geschäfte in Spekulationsabsicht und auf Kredit abgeschlossen werden. Dass bei volatilen Märkten und EDV-gestütztem Handeln auch die Ausführungsfrist von zwei Tagen Spekulationsmöglichkeiten eröffnet, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Das in der Literatur in diesem Zusammenhang angesprochene echte Daytrading (Müller-Deku, a. a. O.) macht sich nicht die zweitägige Ausführungsfrist zunutze, sondern Kursschwankungen innerhalb eines Tages und beruht wesentlich darauf, daß eine Veräußerung gekaufter Wertpapiere bereits vor deren Lieferung zugelassen wird.

Daß der termingeschäftsfähige Beklagte Börsentermingeschäfte verbindlich abschließen, aber gleichwohl die Unverbindlichkeit der Differenzgeschäfte mit der Klägerin geltend machen kann, bedeutet keinen nicht hinnehmbaren Wertungswiderspruch, sondern entspricht der eindeutigen Gesetzeslage. § 58 BörsG schließt den Differenzeinwand nur bei hier nicht vorliegenden Börsentermingeschäften aus. Bei anderen Geschäften kann der Einwand aus den §§ 762, 764 BGB erhoben werden (BGH, WM 2002, 283).

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO, § 97 Abs. 2 ZPO findet keine Anwendung. Denn der Beklagte hat nicht aufgrund neuen Vorbringens, das er im ersten Rechtszug hätte geltend machen können, obsiegt. Das Landgericht hätte den Differenzeinwand von Amts wegen zu berücksichtigen gehabt (BGH NJW 1981,1897, Palandt/Sprau, BGB, 61. Auflage, § 764 Rn. 7; Müller-Deku, a. a. O., S. 1033).

Die Revision ist nicht zuzulassen, § 543 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO. Denn die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, weil keine klärungsbedürftige Rechtsfrage vorliegt, die von allgemeiner Bedeutung ist, § 543 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO. Auch erfordert weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs, § 543 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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