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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 24.09.2004
Aktenzeichen: 18 UF 36/04
Rechtsgebiete: BGB, KostO, ZPO, FGG


Vorschriften:

BGB § 1671 Abs. 2 Ziff. 2
BGB § 1671
KostO § 30 Abs. 2
KostO § 30 Abs. 3
KostO § 131 Abs. 3
ZPO § 574
FGG § 13 a Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 18 UF 36/04

In der Familiensache

betreffend die Regelung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für die Kinder

hat der 18. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Kammergerichts durch die Richterin am Kammergericht Steuerwald-Schlecht als Einzelrichterin am 24. September 2004 beschlossen:

Tenor:

1. Die befristete Beschwerde des Vaters gegen den Beschluß des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom 2. Februar 2004 - 127 F 15403/02 - wird zurückgewiesen.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Der Vater hat der Mutter die im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000.- EUR festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die zulässige, insbesondere form- und fristgemäß eingelegte Beschwerde des Vaters ist nicht begründet.

Gemäß § 1671 Abs. 2 Ziff. 2 BGB ist die gemeinsame elterliche Sorge insgesamt oder eines Teils davon dann aufzuheben, wenn dies sowie deren (teilweise) Übertragung auf einen Elternteil allein dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Dabei ist es von Verfassungs wegen nicht geboten, der gemeinsamen Sorge gegenüber der alleinigen Sorge den Vorrang einzuräumen (vgl. BVerfG, 1 BvR 1140/03 vom 18. Dezember 2003 m.w.N., auf der Internet-Seite des BVerfG abrufbar); ein solcher ist auch nicht in der Regelung des § 1671 BGB enthalten. Genauso wenig kann vermutet werden, daß die gemeinsame Sorge nach der Trennung der Eltern im Zweifel die für das Kind beste Form der Wahrnehmung elterlicher Verantwortung sei (BVerfG, a.a.O., m.w.N.). Die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge setzt in aller Regel eine tragfähige soziale Beziehung der Eltern voraus. Dabei kommt es insbesondere darauf an, daß eine Verständigung der Eltern über wichtige Sorgerechtsfragen überhaupt noch in einer Art und Weise möglich ist, die auch bei Meinungsverschiedenheiten der Eltern eine dem Kindeswohl dienliche Entscheidung gewährleistet. Denn elterliche Gemeinsamkeit läßt sich weder vom Gesetzgeber noch von den Gerichten verordnen; streiten sich Eltern bei Fortbestehen der gemeinsamen Sorge fortwährend über die das Kind betreffenden Angelegenheiten, kann dies zu Belastungen führen, die mit dem Wohl des Kindes nicht vereinbar sind (vgl. BGH FamRZ 1999, 1646, 1647).

Vorliegend können sich die Eltern nicht darüber einigen, bei welchem Elternteil die Kinder leben sollen. Insoweit bestehen auch nach der Anhörung der Eltern durch den Senat unüberbrückbare Meinungsverschiedenheiten der Eltern, die nicht in der Lage waren, hierüber eine Einigung zu erzielen. Unter diesen Umständen ist das Aufenthaltsbestimmungsrecht als Teil der elterlichen Sorge auf einen Elternteil allein zu übertragen.

Das Amtsgericht hat vorliegend zu Recht der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht allein übertragen. Der Senat schließt sich insoweit der Beurteilung des Amtsgerichts nach eigener Anhörung der Eltern und des Kindes Tnn Onnn an und nimmt insoweit Bezug auf die Ausführungen im Beschluß vom 13. April 2004, Seite 2 und 3.

Die Anhörung der Eltern hat zu keiner abweichenden Beurteilung geführt. Die Eltern haben übereinstimmend angegeben, dass seit der Übersiedlung der Kinder nach Dresden der Umgang zwischen dem Vater und den Kindern reibungslos verläuft. Insoweit sind die Eltern imstande, den Umgang ohne gerichtliche Hilfe zu regeln. Die Eltern haben auch übereinstimmend angegeben, dass beide Kinder in den Sommerferien vier Wochen beim Vater in Berlin verbracht haben. Der Vater hält weiter an der Auffassung fest, dass die Kinder bei ihm besser untergebracht seien, weil durch ihn und seine nicht erwerbstätige Lebensgefährtin eine durchgehende persönliche Betreuung beider Kinder im Haushalt gewährleistet ist. Dem gegenüber ist die Mutter der Meinung, die Kinder seien bei ihr besser aufgehoben; sie arbeite nur 87 Stunden pro Monat und könne in der Zeit eventueller beruflicher Abwesenheit die Betreuung beider Kinder durch die Hilfe der Großeltern mütterlicher- wie väterlicherseits sowie gelegentlich eines Babysitters bestens gewährleisten.

Der Senat hält daran fest, dass die Kinder nunmehr bei der Mutter in Dresden verbleiben sollen. Der Grundsatz der Kontinuität, der die erstinstanzlich beauftragt gewesene Sachverständige dazu bewogen hatte, sich für einen Verbleib beim Vater auszusprechen, war schon nicht mehr eingehalten worden, nachdem der Vater im November 2003 von Bnnn -Mnnn nach Bnnn -nnnn verzogen war und deshalb Tn Onnn umgeschult werden und Snn den Kindergarten wechseln musste. Nachdem die Mutter nunmehr die Kinder mit an ihren Wohnort in Dresden mitgenommen hat, wurde für beide Kinder ein erneuter Wechsel erforderlich, so dass Tn Onnn innerhalb seines ersten Schuljahres drei verschiedene Schulen besucht hat und Snn in drei verschiedenen Kindergärten betreut wurde. Gleichwohl hat Tnn Onnn akzeptable schulische Leistungen gezeigt und sich in Dresden erneut in die Klassengemeinschaft eingelebt, ebenso wie er und Snnn sich nach den Ermittlungen des Jugendamtes Dresden generell schnell an die neue Umgebung gewöhnt haben. Im Interesse der Kinder, die endlich dauerhaft zur Ruhe kommen müssen, soll es nun dabei verbleiben.

Der Senat verkennt hierbei nicht, dass auch der Vater eine liebevolle und fürsorgliche Beziehung zu beiden Kindern hat und ebenso wie die Mutter in der Lage wäre, beide Kinder zu betreuen. Dies hat sich schon bei der freudigen Begrüßung vor dem Saal durch beide Kinder gezeigt. Ebenso ist hierfür nicht allein entscheidend, dass sich Tn Onnn anlässlich seiner persönlichen Anhörung von sich aus und ohne ausdrückliches Befragen zweimal deutlich dafür ausgesprochen hat, bei der Mutter verbleiben zu wollen. Wie der Vater in seiner Beschwerdebegründung zutreffend ausführt, fehlt einem acht Jahre alten Kind möglicherweise noch die Reife, um einen Sachverhalt von solcher Tragweite zu überblicken. Allerdings ist aber auch deutlich erkennbar geworden, dass es für Tnn Onnn ein Anliegen gewesen ist, dem Gericht seine Wünsche zu übermitteln, denn er hat dies ohne ausdrückliches Befragen anlässlich einer Unterhaltung über andere Themen zweimal von sich aus getan, in dem er erklärt hat, er wolle bei Mama leben "und basta". In diesem Zusammenhang kann allerdings offen bleiben, ob diese Äußerung nicht eher darauf beruht, dass Tnn Onnn sich beim Vater durch den Sohn der Lebensgefährtin gestört fühlt, mit dem er den Vater teilen muß, während er die Mutter für sich und die Schwester allein zur Verfügung hat. Denn Tnn Onnn hat sich im übrigen keineswegs negativ über den Vater geäußert oder gar den Eindruck hinterlassen, am Vater weniger als an der Mutter zu hängen. Aus den bereits dargestellten Gründen sollten die Kinder nunmehr bei der Mutter in Dresden verbleiben.

Soweit der Vater des weiteren beanstandet hat, dass sich die Mutter nicht hinreichend um die von ihm für notwendig erachtete logopädische Betreuung Tn Onnn kümmere, hat diese den Verdacht hinreichend durch das vorgelegte Attest der Logopädin Wnnn vom 15. September 2004 widerlegt, bei der Tnn Onnn bereits mehrere Sitzungen hatte. Nach dem Bericht des Jugendamtes Dresden wird Tnn Onnn ferner ergotherapeutisch betreut.

Danach ist die Beschwerde des Vaters zurückzuweisen. Der Senat hat hierbei im Einvernehmen mit den Eltern davon abgesehen, auch die erst vier Jahre alte Snnn persönlich anzuhören.

Die Entscheidung ergeht gemäß § 131 Abs. 3 KostO gerichtsgebührenfrei. Die Anordnung zur Erstattung der notwendigen außergerichtlichen Kosten folgt aus der zwingenden Vorschrift des § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG. Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf § 30 Abs. 2 und 3 KostO. Eine Heraufsetzung des Regelwertes war auch bei zwei Kindern nicht veranlasst, denn über die Beschwerde konnte einheitlich entschieden werden. Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, denn die Voraussetzungen des § 574 ZPO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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