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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 11.09.2001
Aktenzeichen: 18 WF 198/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 127 Abs. 2 Satz 1
BGB § 242
BGB § 1610 Abs. 1
BGB § 1603 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 18 WF 198/01

In der Familiensache

hat der 18. Zivilsenat des Kammergerichts - Senat für Familiensachen - unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Kammergericht Erich und der Richterinnen am Kammergericht Steuerwald-Schlecht und Dr. Ehinger am 11. September 2001 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Pankow/Weißensee vom 19. April 2001 geändert:

Der Klägerin wird unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten, Rechtsanwalt H V Prozesskostenhilfe für den Antrag im Schriftsatz vom 19. März 2001 bewilligt.

Gründe:

Die 11 jährige Klägerin, deren Eltern die elterliche Sorge gemeinsam ausüben und sie hälftig betreuen, beantragt Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Zahlung von Barunterhalt gegen den Vater in Höhe der Hälfte des Tabellenbetrags abzüglich des hälftigen Kindergeldes. Der Beklagte bezieht das Kindergeld und zahlt die Hälfte an die Mutter. Er lehnt eine Zahlung von Barunterhalt ab, da er wegen der hälftigen Betreuung durch beide Eltern von einer Verrechnung der wechselseitig für die Zeit der Betreuung durch den anderen Elternteil bestehenden Barunterhaltsansprüche ausgeht.

Er meint, er schulde auch keinen höheren Unterhalt als die Mutter, da er wegen der Betreuung der Klägerin mit seiner vollschichtigen Tätigkeit teilweise überobligatorisch erwerbstätig sei, so dass ein Betreuungsbonus abzuziehen sei. Ferner müsse der Mutter ein fiktives Einkommen zugerechnet werden, da sie mit Rücksicht auf die Unterhaltspflicht gegenüber der Klägerin nicht studieren dürfe, sondern ebenfalls erwerbstätig sein müsse. Das Amtsgericht hat den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin, die durch einen bestellten Ergänzungspfleger vertreten wird.

Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 1 ZPO zulässige Beschwerde hat Erfolg.

Die Klägerin hat Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, da sie bedürftig ist und die tatsächlichen Voraussetzungen ihres Anspruchs auf Barunterhalt gemäß § 1610 Abs. 1 BGB gegenüber dem Beklagten schlüssig dargelegt hat.

1.

Der Klägerin steht gegenüber dem Beklagten ein Anspruch auf Barunterhalt zu, denn dieser teilt sich ihre Betreuung hälftig mit der Mutter.

Teilen sich die Eltern eines minderjährigen Kindes die Betreuung hälftig, hat das Kind gegen jeden Elternteil einen Barunterhaltsanspruch für die Zeit, in der es von dem anderen Elternteil betreut wird. Bei hälftiger Betreuung durch die Eltern ist die Gewährung des bei der Betreuung geleisteten Naturalunterhalts bei der Bemessung des Kindesunterhalts pauschal mit der Hälfte des geschuldeten Barunterhalts abzusetzen (vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 1999, 1530). Der Bedarf der Klägerin richtet sich vorliegend allein nach dem Einkommen des Beklagten, das ca. 3.326 DM beträgt ( 3.231,69 *13 / 12 = 3.500,99 -175,04 Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen = 3.326 DM) und somit nach der Einkommensgruppe 3, Altersstufe 2 der Düsseldorfer Tabelle zu bestimmen ist. Maßgeblich ist die aktualisierte nunmehr gültige Tabelle vom 1. Juli 2001, da die Zahlung ab Klagezustellung beantragt wird.

Schlüssig dargelegt ist bisher nur ein Einkommen des Beklagten in Höhe von 3.326 DM, da konkrete Angaben zur Höhe von Steuererstattungen fehlen. Das Einkommen des Beklagten ist nicht zu mindern um den Abzug eines Betreuungsbonus. Zwar kann in den Fällen, in denen ein Elternteil vollschichtig erwerbstätig ist, obwohl er wegen der Betreuung eines Kindes dazu nicht verpflichtet wäre, aus Billigkeitsgründen der Abzug eines Betreuungsbonus vom Einkommen in Betracht kommen (BGH FamRZ 1982, 779, 780; FamRZ 1983, 569, 570 und zuletzt NJW 2001, 975), was insbesondere bei der Berechnung von Ehegattenunterhalt eine Rolle spielen kann. Vorliegend geht es aber um die Berechnung von Unterhalt für ein minderjähriges Kind, so dass andere Maßstäbe gelten (OLG Schleswig FamRZ 1990, 657= DAVorm 1990, 253-254). Denn dem Beklagten obliegt gegenüber dem minderjährigen Kind gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB eine gesteigerte Unterhaltspflicht, die zur Folge hat, dass alle verfügbaren Mittel für den Kindesunterhalt zur Verfügung zu stellen sind, wozu auch Einkünfte aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit gehören (Wendl/Scholz, Unterhaltsrecht, 5. Aufl., § 2 Rn 312). Anhaltspunkte dafür, dass aus Billigkeitsgründen eine abweichende Handhabung geboten ist, sind nicht ersichtlich, zumal die Mutter des Kindes offenbar nicht leistungsfähig ist.

Im Übrigen rechtfertigt auch der bisher vorgetragene Sachverhalt nicht die Beurteilung, dass es sich bei der Ausübung einer vollschichtigen Tätigkeit bei nur zeitweise ausgeübter Betreuung eines 11 jährigen Kindes um eine überobligatorische Erwerbstätigkeit handelt. Für die Berechnung des Barunterhaltsbedarfs ist hier allein das vom Beklagten erzielte Einkommen maßgeblich.

Zwar wird man in Fällen, in denen die Eltern sich die Betreuung hälftig teilen und eine beiderseitige Barunterhaltspflicht in Betracht kommt, den Bedarf nach dem gemeinsamen Einkommen der Eltern bestimmen können ( so OLG Düss FamRZ 1999, 1530 f; JAmt 01, 299), für den die Eltern dann anteilig nach ihrem Leistungsvermögen haften. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn nur ein Elternteil leistungsfähig ist, selbst wenn diesem wegen Nichterfüllung einer Erwerbsobliegenheit für die Bedarfsberechnung eine fiktives Einkommen zuzuordnen wäre. Denn ein minderjähriges Kind, für das beide Eltern barunterhaltspflichtig sind, muss sich dann nicht auf eine quotenmäßige Haftung des anderen Elternteils verweisen lassen, wenn ein Teil des Bedarfs auf der Basis fiktiver Einkünfte errechnet wird (vgl. OLG Hamm vom 5.3.1999 sowie Schleswig-Holsteinisches OLG v. 23.4.1998, Juris Familienrecht, 12. Aufl.).

Es bedarf hier deshalb keiner Entscheidung, ob die Mutter der Klägerin verpflichtet wäre, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und ob an sich in Fällen gemeinsamer elterlicher Sorge bei Barunterhaltsansprüchen gegenüber beiden Eltern, dem Kind im Falle der Geltendmachung von Barunterhalt gegenüber einem Elternteil gemäß § 242 BGB eine Verrechung der Ansprüche entgegengehalten werden könnte, wie der Beklagte es sich vorstellt.

Somit ergibt sich folgenden Bedarf:

Altersstufe 2

Gruppe 3 (2940 - 3330 DM) 507,00 DM Hälfte 253,50 DM 135% des Regelbetrags 600 DM / 2 300,00 DM

Der Klägerin steht gegenüber dem Beklagten nach dessen Einkommen ein Tabellenunterhalt in Höhe von 507 DM zu, der aber um die Hälfte, also auf 253,50 DM zu reduzieren ist, denn sie lebt zur Hälfte auch beim Vater, der mit der hälftigen Betreuung des Kindes seiner Unterhaltspflicht gleichwertig zum Barunterhalt nachkommt ( § 1606 Abs. 3 BGB). Da der Vater das Kindergeld bezieht, ist aus dem auf ihn entfallenden Anteil des Kindergeldes der geschuldete Unterhalt um weitere 6,50 DM aufzustocken, denn eine Anrechnung des Kindergeldes unterbleibt, soweit der Unterhaltspflichtige außerstande ist, Unterhalt in Höhe von 135% des Regelbetrags zu zahlen. 135% des Regelbetrags sind 600 DM, so dass dem Kind die Hälfte, also 300 DM als Barunterhalt zur Verfügung stehen sollen. Mit dieser Regelung soll bezweckt werden, dass dem Kind das Existenzminimum, das der Gesetzgeber mit 135 % des Regelbetrags bestimmt hat, zur Verfügung stehen sollte. Kann ein Elternteil dieses nicht aus seinem Einkommen abdecken, ist er gehalten das auf ihn entfallende Kindergeld für den fehlenden Betrag zur Verfügung zu stellen.

Keiner weitergehenden Prüfung und Entscheidung im Prozesskostenhilfeverfahren bedarf die Frage, ob die Klägerin im Rahmen ihrer Klageforderung einen darüber hinausgehenden Kindergeldausgleich zugunsten der teilweise betreuenden und teilweise barunterhaltspflichtigen Mutter, die zur Zahlung von Barunterhalt für die Zeit der Betreuung durch den Vater nicht leistungsfähig ist, geltend machen könnte, denn sie verlangt nur die Zahlung von mtl. 223,50 DM.

2.

Der Klägerin ist Rechtsanwalt V als Anwalt beizuordnen, obwohl er zu ihrem Ergänzungspfleger bestellt worden ist.

Ist ein Anwalt zum Pfleger bestellt, hängt die Entscheidung über seine Beiordnung davon ab, ob ein als Pfleger bestellter Nichtjurist die Vertretung in diesem Prozess allein bewältigen könnte. Angesichts der in diesem Prozess zu entscheidenden schwierigen Rechtsfragen ist die anwaltliche Beiordnung gerechtfertigt (Zöller/Philippi, ZPO, 22. Aufl., § 121 Rn. 1).

Ende der Entscheidung

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