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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 31.03.2005
Aktenzeichen: 19 UF 10/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1612 Abs. 2 S. 1
BGB § 1612 Abs. 2 S. 2
BGB § 1618 a
Zu den Kriterien der Änderung der Unterhaltsbestimmung gegenüber einem volljährigen Kind.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 19 UF 10/05

In der Familiensache

hat der 19. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin als Senat für Familiensachen durch die Vorsitzende Richterin am Kammergericht Rinder sowie die Richter am Kammergericht Hartung und Feskorn am 31. März 2005 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom 5. Januar 2005 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3000 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige befristete Beschwerde des Vaters hat in der Sache keinen Erfolg.

Gemäß § 1612 Abs. 2 Satz 1 BGB können Eltern, die einem unverheirateten Kind Unterhalt zu gewähren haben, bestimmen, in welcher Art der Unterhalt geleistet werden soll. Das gilt auch für die Unterhaltsgewährung nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes (BGH NJW 1988, 1974). Die von einem Elternteil getroffene Unterhaltsbestimmung kann auf Antrag des Kindes nach § 1612 Abs. 2 S. 2 BGB aus besonderen Gründen geändert werden. Hierunter sind solche Gründe zu verstehen, die im Einzelfall die Interessen des Unterhaltsberechtigten als schwerer wiegend erscheinen lassen als die Gründe, derentwegen das Gesetz den Eltern das Bestimmungsrecht über die Art der Unterhaltsgewährung eingeräumt hat.

Nicht nur das unterhaltsbedürftige Kind hat nach § 1618 a BGB auf die wirtschaftlichen Interessen der Eltern angemessene Rücksicht zu nehmen, indem es den leichter aufzubringenden Naturalunterhalt entgegennimmt; auch die Eltern haben auf die Belange des Kindes die gebotene Rücksicht zu nehmen, was in § 1612 Abs. 2 Satz 1 BGB ausdrücklich hervorgehoben wird. Die sich aus § 1618 a BGB ergebenden gegenseitigen Verpflichtungen sind nicht einheitlich zu bestimmen, sondern richten sich nach den jeweiligen konkreten Umständen. Insbesondere muss für die anzulegenden Maßstäbe zwischen minderjährigen und volljährigen Kindern unterschieden werden (vgl. z.B BayObLG FamRZ 1987, 1298; 2000, 976).

Das Bestimmungsrecht nach § 1612 Abs. 2 Satz 1 BGB hat auch gegenüber volljährigen Kindern seine Grundlage darin, dass die enge verwandtschaftliche Beziehung und die Wahrung des Familienzusammenhalts eine Rücksichtnahme des trotz seiner Volljährigkeit noch unterhaltsbedürftigen, unverheirateten Kindes auf seine Eltern gebietet (BayObLGZ 1977, 22; FamRZ 2000, 976). Dem Gesichtspunkt einer Einflussnahme auf das mit den Unterhaltsleistungen geförderte Berufs- und Ausbildungsziel kommt hier nach dem Vorbringen des Vaters keine Bedeutung zu.

Hier ist die Entscheidung des Amtsgerichts, den Interessen des Antragstellers den Vorrang einzuräumen, nicht zu beanstanden. Zum einen ist zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass er bereits mehrere Jahre volljährig ist und seit Dezember 2002 in einer eigenen Wohnung lebt (vgl. zu diesem Kriterium Wendl/Scholz, Unterhaltsrecht, 5. Auflage, § 2 Rn 40 m.w.N.). Entscheidendes Gewicht kommt aber folgendem Gesichtspunkt zu:

Der Gesetzgeber hatte bei der Schaffung des Bestimmungsrechts die intakte Familie mit ihren wechselseitigen - erhaltenswerten - Bindungen im Auge (BayObLG FamRZ 2000, 976). Dem kommt keine maßgebliche Bedeutung zu, wenn es, wie hier, nicht darum gehen würde, eine noch bestehende Gemeinschaft zwischen Eltern und Kind aufrechtzuerhalten oder wieder herzustellen, sondern die Lebenssituation des unterhaltsberechtigten Kindes einschneidend zu verändern (BayObLG FamRZ 2000, 976).

Die Eltern des Antragstellers haben sich im Jahr 1987 getrennt, also als er vier Jahre alt war. Seit dieser Zeit haben er und sein Vater - mit Ausnahme der in erster Instanz thematisierten zwei Wochen im Jahr 1989 - nicht mehr zusammen gelebt, gewohnt und gewirtschaftet. Auch aus den - streitigen - Schilderungen des Antragsgegners ist nur zu entnehmen, dass zwischen ihnen ein - guter - Kontakt bestand, der aber über den üblichen Umgangskontakt nicht wesentlich hinausgegangen ist. Insbesondere hat es auch keine gemeinsamen Urlaube gegeben, in denen zumindest zeitweise eine Situation wie bei einem gemeinsamen Wohnen bestanden hätte. Die von dem Antragsgegner geschilderten Besuche usw. sind damit nicht vergleichbar.

Der Senat teilt die Auffassung des Amtsgerichts, dass angesichts dessen das wirtschaftliche Interesse des Antragsgegners, den Unterhalt in einer für ihn finanziell günstigeren Form zu leisten, hinter den Interessen des Antragstellers zurücktreten muss. Zwischen den Parteien besteht trotz der Kontakte in Folge der langjährigen Trennung der Eltern keine familiäre Situation, wie sie der Gesetzgeber vor Augen hatte. Dies kommt auch in der schriftlichen Antwort des Antragsgegners vom Juli 2004 auf die Unterhaltsforderung seines Sohnes zum Ausdruck. Weder Inhalt noch Diktion lassen ein gedeihliches Zusammenleben erwarten.

Dieser Gesichtspunkt wiegt schwerer als die Frage der eingeschränkten Leistungsfähigkeit, auf die sich der Antragsgegner beruft. Diese muss bei der Bemessung des zu zahlenden Barunterhalts berücksichtigt werden.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG, 30 Abs. 2 KostO.

Ende der Entscheidung

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