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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 12.04.2001
Aktenzeichen: 19 WF 67/01
Rechtsgebiete: BVormVG, FGG


Vorschriften:

BVormVG § 1
FGG § 50
FGG § 50 Abs. 5
FGG § 67 Abs. 3
FGG § 50 Abs. 3
FGG § 56 Abs. 5
FGG § 13 a Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Beschluss

19 WF 67/01

In der Familiensache

hier: Beschwerde des Verfahrenspflegers gegen die Festsetzung seiner Vergütung

hat der 19. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin als Senat für Familiensachen durch die Vorsitzende Richterin am Kammergericht Rinder sowie die Richter am Kammergericht Härtung und Feskorn am 12. April 2001 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Verfahrenspflegers wird der Beschluss des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom 28. August 2000 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert:

Die dem Verfahrenspfleger nach seinem Antrag vom 4. August 2000 zu gewährende Vergütung wird auf 756 DM zuzüglich 7,80 DM Auslagen festgesetzt.

Der weitergehende Festsetzungsantrag wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 2.230,24 DM.

Die weitere Beschwerde wird zugelassen

Gründe: Der Beschwerdeführer wurde vom Familiengericht in einem Scheidungsverfahren mit Beschluss vom 8.1.1999 zum Verfahrenspfleger bestellt. Er übersandte dem Gericht unter dem 29. 4. 1999 und 29.11.1999 als Sachstandsmitteilung bezeichnete Stellungnahmen. Auf seinen Antrag vom 4.8.2000 wurde eine Vergütung des Verfahrenspflegers nebst Auslagen von insgesamt 655,80 DM festgesetzt.

Gegen diesen ihm nicht förmlich zugestellten Beschluss hat der Verfahrenspfleger am 30.10.2000 "Erinnerung" eingelegt, mit dem er die volle Vergütung entsprechend seinem Antrag vom 4.8.2000 bei einem um 10 % reduzierten Stundensatz begehrt.

Das gemäß §§ 50 Abs. 5, 67 Abs. 3, 56 Abs. 5 FGG als sofortige Beschwerde statthafte Rechtsmittel ist als rechtzeitig eingelegt anzusehen, da der Beschluss nicht förmlich zugestellt wurde. Es hat in der Sache nur im Umfang von 108 DM Erfolg.

Hinsichtlich der Aufgaben des Verfahrenspflegers, für die er Vergütung beanspruchen kann, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschluss vom 6. Juni 2000 - 19 WF 2735/ 00, KG-Report 2000, 277 = NJW-RR 2001, 73) von folgenden Grundsätzen auszugehen:

Dem Verfahrenspfleger steht nach §§ 50 Abs. 5, 67 Abs. 3 FGG ein Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen und eine Vergütung entsprechend § 1 BVormVG zu. Dies gilt aber naturgemäß nur für die Zeiten und Aufwendungen, die auf die vom Gesetz dem Verfahrenspfleger zugewiesenen Tätigkeiten entfallen. Dies hat der Gesetzgeber in seiner Begründung zu dem Betreuungsrechtsänderungsgesetz ausdrücklich betont (BT-Drs. 13/7158, S. 15) und in dem Wortlaut von § 1 BVormVG "für die Führung der Vormundschaft erforderliche Zeit" zum Ausdruck gebracht.

Der Einführung des § 50 FGG lag die Erwägung des Gesetzgebers zugrunde, dass im Einzelfall trotz der Bestimmungen, die eine Entscheidung entsprechend dem Wohl des Kindes sichern sollen, Defizite bei der Wahrung der Interessen der betroffenen Kinder auftreten können (vgl. BT-Drs. 13/4899, S. 129). Es sollte dem Kind die Möglichkeit gegeben werden, vergleichbar seinen Eltern, die regelmäßig durch Verfahrensbevollmächtigte vertreten seien, auf das Verfahren Einfluss nehmen zu können (aaO). Das Gericht hat den Verfahrenspfleger daher an den Verfahrenshandlungen zu beteiligen, es hat ihm insbesondere Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben und ihn zu den Anhörungsterminen (§ 50 a, b FGG) zu laden (vgl. nur Engelhardt in : Keidel/Kuntze/Winkler, 14. Auflage § 50 Rn 22). Auf diese verfahrensrechtliche Stellung beschränkt sich die Aufgabe des Verfahrenspflegers.

Insbesondere obliegt ihm nicht eine Erforschung der dem objektiven Kindeswohl am besten dienenden Entscheidung (ebenso z.B. SchlHOLG, OLGR 2000, 177 ff). Dies ist Aufgabe des Gerichts, das sich dazu ggf. der Hilfe des Jugendamtes und/oder eines Sachverständigen bedienen kann. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich kein Hinweis darauf, dass mit dem Verfahrenspfleger eine weitere dem objektiven Kindeswohl verpflichtete Institution geschaffen werden sollte (ebenso SchlHOLG aaO). Der Verfahrenspfleger ist - anstelle seiner Eltern, die wegen möglicher Interessenkollisionen in dem Fall der Bestellung des Verfahrenspflegers nicht als geeignet angesehen werden - subjektiver Interessenvertreter für das Kind (vgl. BT-Drs. 13/4899, S. 129 f), er soll dem Gericht die Wünsche des Kindes soweit wie möglich nahe bringen. Seine Aufgabenstellung in dem Verfahren ist ähnlich der eines Rechtsanwalts als Verfahrensbevollmächtigter. Daher hat der Gesetzgeber in § 50 Abs. 3 FGG auch bestimmt, dass die Bestellung eines Verfahrenspfleger dann unterbleiben oder aufgehoben werden soll, wenn die Interessen des Kindes von einem Rechtsanwalt oder einem anderen Verfahrensbevollmächtigten angemessen vertreten werden. Die Betonung der verfahrensbezogenen Stellung des Verfahrenspflegers kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass nach dem Willen des Gesetzgebers neben z.B. Sozialarbeitern und Sozialpädagogen auch Rechtsanwälte oder engagierte Laien, wie z.B. Verwandte des Kindes, zu Verfahrenspflegern bestellt werden können (aaO, S. 130); dies wäre mit einer Obliegenheit zur Erforschung des objektiven Kindeswohls - vergleichbar einem Sachverständigen - angesichts der fehlenden Qualifikation kaum vereinbar.

Der Verfahrenspfleger hat also die eigenständigen Interessen des Kindes gegenüber dem Gericht zum Ausdruck zu bringen (so auch OLG Frankfurt FamRZ 1999, 1293 f; SchlHOLG aaO). Er hat ferner darauf hinzuwirken, dass das Verfahren - soweit dies möglich ist -"kindgerecht" gestaltet wird, und dem Kind in dem Verfahren bei Bedarf "zur Seite" zu stehen (vgl. BT-Drs. 13/4899, S. 130).

Es ist hingegen - zumindest dann, wenn sich das Kind ihm gegenüber hinreichend artikulieren kann, wie hier - nicht seine Aufgabe, weitergehende Ermittlungen anzustellen (ebenso z.B. OLG Frankfurt; SchlHOLG aaO). Zwar gehört es - neben der Kenntnisnahme von dem Inhalt der Gerichtsakten und der Teilnahme an den Anhörungsterminen - nach Auffassung des Senats zu den Aufgaben des Verfahrenspflegers, sich intensiv mit dem Kind zu befassen, um dessen Willen zu erkennen und auch kindliche Pauschalurteile möglicherweise hinterfragen zu können (ebenso z.B. Dormann/Spangenberg, FamRZ 1999, 1294, Schwab-Maurer, Handbuch des ScheidungsR 4. Auflage Rn l 418), ggf. auch sein Interaktionsverhalten mit den Eltern zu beobachten. Er wird sich ggf. auch über die Darstellungen beider Elternteile zu Konfliktpunkten informieren müssen, um Äußerungen des Kindes über einen Elternteil ggf. einordnen zu können. Diese ergeben sich aber regelmäßig bereits aus den Gerichtsakten, so dass Gespräche mit den Eltern allenfalls in Ausnahmefällen erforderlich sind, um den Willen des Kindes gegenüber dem Gericht artikulieren zu können.

Diesen Grundsätzen entspricht die Entscheidung der Rechtspflegerin.

Die über das von der Rechtspflegerin anerkannte Erstgespräch mit den Eltern hinausgehenden Gespräche sind (einschl. der Fahrtkosten) nicht erstattungsfähig. Denn diese dienten nach der ausdrücklichen Begründung des Verfahrenspflegers in der Beschwerdeschrift der Ermittlung der dem objektiven Kindeswohl am besten dienenden Entscheidung. Dies ist von der subjektiven Interessenwahrnehmung eines Verfahrenspflegers aus den genannten Gründen nicht umfasst. Der Verfahrenspfleger bezeichnet in seiner Stellungnahme vom 29.4.1999 diese Gespräche selbst als "Explorationen", wie sie ggf. einem Sachverständigen, nicht aber einem Interessenvertreter obliege. Auch der in der Erläuterung des Verfahrenspflegers vom 4.8.2000 angeführte Versuch einer Intervention bei der Kindesmutter, um sie zur Ermöglichung eines Umgangs zu bewegen, ist nicht von den Aufgaben des Verfahrenspflegers gedeckt. Die Vermittlung zwischen den Eltern oder zwischen Kind und einem Elternteil, mag sie auch im Interesse des Kindes liegen, gehört nicht zu der Vertretung des Kindes in dem Verfahren (ebenso z.B. OLG Frankfurt; SchlHOLG aaO), sondern ist ggf. vom Jugendamt oder dem Familiengericht vorzunehmen.

Keinesfalls von den Aufgaben eines Verfahrenspflegers gedeckt ist die Begleitung oder Anbahnung des Umgangs, wie sie vom Verfahrenspfleger mit 12 Stunden abgerechnet wird. Dies ist eine verfahrensfremde Aufgabe, die mit der Interessenwahrnehmung für das Kind, wie sie bereits in der Bezeichnung als "Pfleger für ein seine Person (das Kind) betreffendes Verfahren" (§ 50 Abs. 1 FGG) zum Ausdruck kommt, nichts zu tun hat. Der Hinweis des Verfahrenspflegers in seiner Beschwerde auf einen entsprechenden gerichtlichen Auftrag rechtfertigt keine andere Beurteilung. Zum einen handelt es sich bei der Regelung vom 7. Oktober 1999 (der Vergleich vom 11. April 2000 betrifft nicht den Abrechnungszeitraum) nicht um einen gerichtlichen Beschluss, sondern um eine zwischen den Parteien getroffene Einigung. Zum anderen sind weder die Parteien noch das Gericht befugt, den Aufgabenkreis des Verfahrenspflegers über den vom Gesetzgeber vorgegebenen Umfang zu erweitern. Auch dem Beschwerdeführer, der sich zutreffend selbst als Verfahrenspfleger bezeichnet, musste bewusst sein, dass ihm nur eine Tätigkeit in dem Verfahren und nicht allgemein eine Förderung der Interessen des Kindes oblag.

Lediglich den vom Amtsgericht für die als Sachstandsmitteilungen bezeichneten Stellungnahmen vorgenommenen Kürzungen vermag der Senat nicht zu folgen. Die Abfassung derartiger Stellungnahmen bedarf neben der Formulierung einer nicht unerheblicher gedanklicher Vorbereitung, so dass dem Senat hier die Gesamtzeit von 4 Stunden nicht übersetzt erscheint. Zwar trifft es zu, dass weder die Referierung des Akteninhalts noch die Wiedergabe der - dem Gericht hinreichend bekannten - Standpunkte der Eltern dem Verfahrenspfleger oblag. Da aber der Gesamtaufwand nach der ergänzenden Erläuterung des Verfahrenspflegers vom 4.8.2000 insgesamt 4 Stunden 20 Minuten betrug und der Zeitaufwand für die überflüssigen Tätigkeiten im Verhältnis zu den übrigen Äußerungen des Verfahrenspflegers eher als gering anzusehen ist, hält der Senat eine Kürzung nicht für gerechtfertigt.

Somit ergibt sich bei einer Gesamtzahl von 14 vergütungsfähigen Stunden und einem Stundensatz von 54 DM eine Gesamtvergütung von 756 DM zuzüglich 7,80 DM Auslagen.

Für die Anordnung einer Kostenerstattung nach § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG sieht der Senat keine Veranlassung. Der Wert bemisst sich nach dem von dem Beschwerdeführer zusätzlich begehrten Betrag. Der Senat lässt die weitere Beschwerde gemäß §§ 56 Abs. 5, 67 Abs. 3, 56 Abs. 5 FGG zu, um eine Vereinheitlichung der Rechtsprechung zur Vergütung der Verfahrenspfleger zu ermöglichen.

Ende der Entscheidung

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