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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 05.04.2001
Aktenzeichen: 19 WF 9748/00
Rechtsgebiete: BGB, BVormVG, FGG


Vorschriften:

BGB § 1666
BVormVG § 1
FGG § 50
FGG § 50 Abs. 3
FGG § 50 Abs. 5
FGG § 67 Abs. 3
FGG § 56 Abs. 5
FGG § 13 a Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Beschluss

19 WF 9748/00

In der Familiensache

betreffend das minderjährige Kind

hier: Beschwerde der Verfahrenspflegerin gegen die Festsetzung ihrer Vergütung

hat der 19. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin als Senat für Familiensachen durch die Vorsitzende Richterin am Kammergericht Rinder sowie die Richter am Kammergericht Härtung und Feskorn am 5. April 2001 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Verfahrenspflegerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Pankow/Weißensee vom 2. November 2001 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert:

Die der Verfahrenspflegerin nach ihrem Antrag vom 26. Juni 2000 zu gewährende Vergütung wird auf 117 DM zuzüglich 2,20 DM Auslagen festgesetzt. Der weitergehende Festsetzungsantrag wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 353 DM.

Die weitere Beschwerde wird zugelassen

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführerin wurde in einem vom Familiengericht nach § 1666 BGB eingeleiteten Verfahren mit Beschluss vom 31.8.1999 zur Verfahrenspflegerin bestellt, da eine Entziehung der Personensorge in Betracht kam. Sie übersandte dem Gericht unter dem 28.10 1999 einen Bericht, in dem neben den Äußerungen und Wünschen des am 1.3.1986 geborenen Kindes u.a. auch die ihr gegenüber geäußerten Ansichten des Vaters sowie eine eigene Einschätzung der familiären Verhältnisse unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohls enthalten waren. Eine von ihr als Abschlussbericht bezeichnete weitere Stellungnahme übersandte die Verfahrenspflegerin am 27.1.2000 und verband dies mit der Bitte um Entpflichtung, der vom Familiengericht nicht entsprochen wurde.

Auf ihren Antrag vom 27.1.2000 wurde eine Vergütung der Verfahrenspflegerin von 2119,50 DM nebst Auslagen von 253 DM festgesetzt. Die von ihr gegen die vorgenommenen Absetzungen von insgesamt 259,50 DM eingelegte Erinnerung wurde von dem Richter des Amtsgerichts zurückgewiesen. Nach Erstellung eines weiteren Berichts am 30.5.2000, der sich neben Gesprächen mit dem Kind auf solche mit dem Vater, dessen Lebensgefährtin und dem Klassenlehrer stützt, hat die Verfahrenspflegerin unter dem 26.6.2000 die Zahlung einer weiteren Vergütung von 470 DM nebst Auslagen von 35,60 DM begehrt. Die Rechtspflegerin des Amtsgerichts hat die Vergütung auf 99,20 DM nebst Auslagen von 2,20 DM unter Zurückweisung des weitergehenden Antrages festgesetzt, da die Gespräche mit Dritten nicht in den Aufgabenbereich des Verfahrenspflegers fallen würden.

Gegen diesen ihr am 13.11.2000 zugestellten Beschluss hat die Verfahrenspflegerin am 23.11.2000 Beschwerde eingelegt. Sie begründet diese im Wesentlichen damit, dass zum einen der Rechtspflegerin ein Rechenfehler unterlaufen sei, zum anderen angesichts der Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen ihr und dem Kind nur durch die gerügten Gespräche eine Überprüfung möglich gewesen sei, ob Maßnahmen im Interesse des Kindeswohls geboten seien. Außerdem sei die vorgenommene Kürzung des Stundensatzes um 10 % nicht gerechtfertigt, da sie ihren Wohnsitz nicht im Beitrittsgebiet habe und nur 1/3 der Tätigkeit in den Räumen im ehemaligen Ostteil Berlins geleistet worden sei.

II.

Die gemäß §§ 50 Abs. 5, 67 Abs. 3, 56 Abs. 5 FGG statthafte und rechtzeitig eingelegte sofortige Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg, da der Rechtspflegerin des Amtsgerichts ein Rechenfehler unterlaufen ist.

Hinsichtlich der Aufgaben des Verfahrenspflegers, für die er Vergütung beanspruchen kann, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschluss vom 6. Juni 2000 - 19 WF 2735/ 00, KG-Report 2000, 277 = NJW-RR 2001, 73) von folgenden Grundsätzen auszugehen:

Dem Verfahrenspfleger steht nach §§ 50 Abs. 5, 67 Abs. 3 FGG ein Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen und eine Vergütung entsprechend § 1 BVormVG zu. Dies gilt aber naturgemäß nur für die Zeiten und Aufwendungen, die auf die vom Gesetz dem Verfahrenspfleger zugewiesenen Tätigkeiten entfallen. Dies hat der Gesetzgeber in seiner Begründung zu dem Betreuungsrechtsänderungsgesetz ausdrücklich betont (BT-Drs. 13/7158, S. 15) und in dem Wortlaut von § 1 BVormVG "für die Führung der Vormundschaft erforderliche Zeit" zum Ausdruck gebracht.

Der Einführung des § 50 FGG lag die Erwägung des Gesetzgebers zugrunde, dass im Einzelfall trotz der Bestimmungen, die eine Entscheidung entsprechend dem Wohl des Kindes sichern sollen, Defizite bei der Wahrung der Interessen der betroffenen Kinder auftreten können (vgl. BT-Drs. 13/4899, S. 129). Es sollte dem Kind die Möglichkeit gegeben werden, vergleichbar seinen Eltern, die regelmäßig durch Verfahrensbevollmächtigte vertreten seien, auf das Verfahren Einfluss nehmen zu können (aaO). Das Gericht hat den Verfahrenspfleger daher an den Verfahrenshandlungen zu beteiligen, es hat ihm insbesondere Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben und ihn zu den Anhörungsterminen ( § 50 a, b FGG) zu laden (vgl. nur Engelhardt in : Keidel/Kuntze/Winkler, 14. Auflage § 50 Rn 22). Auf diese verfahrensrechtliche Stellung beschränkt sich die Aufgabe des Verfahrenspflegers.

Insbesondere obliegt ihm nicht eine Erforschung der dem objektiven Kindeswohl am besten dienenden Entscheidung (ebenso z.B. SchlHOLG, OLGR 2000, 177 ff). Dies ist Aufgabe des Gerichts, das sich dazu ggf. der Hilfe des Jugendamtes und/oder eines Sachverständigen bedienen kann. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich kein Hinweis darauf, dass mit dem Verfahrenspfleger eine weitere dem objektiven Kindeswohl verpflichtete Institution geschaffen werden sollte (ebenso SchlHOLG aaO). Der Verfahrenspfleger ist - anstelle seiner Eltern, die wegen möglicher Interessenkollisionen in dem Fall der Bestellung des Verfahrenspflegers nicht als geeignet angesehen werden - subjektiver Interessenvertreter für das Kind (vgl. BT-Drs. 13/4899, S. 129 f), er soll dem Gericht die Wünsche des Kindes soweit wie möglich nahe bringen. Seine Aufgabenstellung in dem Verfahren ist ähnlich der eines Rechtsanwalts als Verfahrensbevollmächtigter. Daher hat der Gesetzgeber in § 50 Abs. 3 FGG auch bestimmt, dass die Bestellung eines Verfahrenspfleger dann unterbleiben oder aufgehoben werden soll, wenn die Interessen des Kindes von einem Rechtsanwalt oder einem anderen Verfahrensbevollmächtigten angemessen vertreten werden. Die Betonung der verfahrensbezogenen Stellung des Verfahrenspflegers kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass nach dem Willen des Gesetzgebers neben z.B. Sozialarbeitern und Sozialpädagogen auch Rechtsanwälte oder engagierte Laien, wie z.B. Verwandte des Kindes, zu Verfahrenspflegern bestellt werden können (aaO, S. 130); dies wäre mit einer Obliegenheit zur Erforschung des objektiven Kindeswohls - vergleichbar einem Sachverständigen - angesichts der fehlenden Qualifikation kaum vereinbar.

Der Verfahrenspfleger hat also die eigenständigen Interessen des Kindes gegenüber dem Gericht zum Ausdruck zu bringen (so auch OLG Frankfurt FamRZ 1999, 1293 f; SchlHOLG aaO). Er hat ferner darauf hinzuwirken, dass das Verfahren - soweit dies möglich ist -"kindgerecht" gestaltet wird, und dem Kind in dem Verfahren bei Bedarf "zur Seite" zu stehen (vgl. BT-Drs. 13/4899, S. 130).

Es ist hingegen - zumindest dann, wenn sich das Kind ihm gegenüber hinreichend artikulieren kann, wie hier - nicht seine Aufgabe, weitergehende Ermittlungen anzustellen (ebenso z.B. OLG Frankfurt; SchlHOLG aaO). Zwar gehört es - neben der Kenntnisnahme von dem Inhalt der Gerichtsakten und der Teilnahme an den Anhörungsterminen - nach Auffassung des Senats zu den Aufgaben des Verfahrenspflegers, sich intensiv mit dem Kind zu befassen, um dessen Willen zu erkennen und auch kindliche Pauschalurteile möglicherweise hinterfragen zu können (ebenso z.B. Dormann/Spangenberg, FamRZ 1999, 1294, Schwab-Maurer, Handbuch des ScheidungsR 4. Auflage Rn 1 418). Er wird sich ggf. auch über die Darstellungen beider Elternteile zu Konfliktpunkten informieren müssen, um Äußerungen des Kindes über einen Elternteil ggf. einordnen zu können. Diese ergeben sich aber regelmäßig bereits aus den Gerichtsakten, so dass Gespräche mit den Eltern allenfalls in Ausnahmefällen erforderlich sind, um den Willen des Kindes gegenüber dem Gericht artikulieren zu können.

Diesen Grundsätzen entspricht die Entscheidung der Rechtspflegerin. Sie hat lediglich übersehen, dass die Kontakte mit dem Kind einen Zeitaufwand von 2 Stunden 10 Minuten ausgemacht haben. Da es an einer Regelung (wie z.B. in § 3 Abs. 2 Satz 3 ZSEG) fehlt, dass die letzte angefangene Stunde voll anzusetzen wäre, kann die Verfahrenspflegerin 130 Minuten vergütet verlangen.

Zutreffend hat die Rechtspflegerin den Zeitaufwand für das Gespräch mit dem Klassenlehrer für nicht erstattungsfähig angesehen, da derartige Ermittlungen nicht zu den verfahrensbezogenen Aufgaben des Verfahrenspflegers gehören. Wie oben näher ausgeführt, obliegt die Prüfung, ob eine Sachlage, hier v.a. der Verbleib des Sorge- oder Aufenthaltsbestimmungsrechts beim Vater, dem Kindeswohl entspricht, dem Gericht, das sich ggf. der Hilfe eines Sachverständigen bedienen kann. Dem Verfahrenspfleger obliegt die subjektive Interessenvertretung für das Kind in dem Verfahren; er kann insbesondere bestimmte Ermittlungen des Gerichts zur Frage der dem Kindeswohl am besten entsprechenden Regelung anregen. Eigene Ermittlungen dieser Art gehören hingegen nicht zu seinen Aufgaben.

Aus denselben Grund ist auch das Gespräch mit dem Vater (2 Stunden) nicht erstattungsfähig. Denn dieses diente nach der ausdrücklichen Begründung der Verfahrenspflegerin in ihrer Beschwerdeschrift der Überprüfung, ob durch den Aufenthalt bei dem Vater ein Gefährdung des Kindeswohls zu besorgen gewesen sei. Dies ist von der subjektiven Interessenwahrnehmung eines Verfahrenspflegers aus den genannten Gründen nicht umfasst. Daher kann auch das denselben Zwecken dienende Gespräch mit der Lebensgefährtin des Vaters nicht berücksichtigt werden.

Auch die weiteren Telefonate mit dem Kindesvater von 45 Minuten erachtet der Senat zusätzlich zu der bereits durch Beschluss des Amtsgerichts vom 7.2.2000 zugebilligten Vergütung für die vier persönlichen Gespräche für nicht erstattungsfähig. Denn ausweislich der Stellungnahme vom 30.5. 2000 hat Marcel deutlich seine Einschätzung der aktuellen Lage und seinen Willen zu einem Verbleib im Haushalt des Vaters geäußert. Irgendwelche Konfliktpunkte, über deren gegensätzliche Ansichten die Verfahrenspflegerin sich hätte informieren müssen, um die Äußerungen des Kindes nachvollziehen zu können, sind nicht ersichtlich. Allein die Wiedergabe der Standpunkte des Vaters oblag ihr nicht. Sofern das Gericht an seiner Sichtweise interessiert gewesen wäre, hätte es den Vater selbst zu einer Äußerung auffordern können.

Die vom Amtsgericht für den Bericht vorgenommene Kürzung ist aus o.g. Gründen nicht zu beanstanden. Die teilweise nicht anerkannten Aufwendungen werden ausweislich der Beschwerdebegründung nicht angegriffen.

Der Senat folgt auch dem Amtsgericht in seiner Ansicht, dass der Stundensatz gemäß Art. 4 BtÄndG um 10 % zu reduzieren ist. Voraussetzung dafür ist, dass die Verfahrenspflegerin ihren Wohnsitz oder Sitz im Beitrittsgebiet hat. Hier ist mit dem Amtsgericht davon auszugehen, dass sie ihren geschäftlichen Sitz im ehemaligen Ostteil Berlins hat. Unter dieser Anschrift tritt sie nach außen auf, unter ihr hat sie - vor Hinweis auf die vergütungsrechtliche Problematik - korrespondiert. Es handelt sich auch nicht lediglich um eine "Briefkastenanschrift", da sie in den dort befindlichen Räumen auch einen Teil ihrer Tätigkeit wahrnimmt, nämlich die Gespräche führt, soweit sie nicht bei den jeweiligen Beteiligten stattfinden. Ob und in welchem Umfang sie daneben noch von ihrem Wohnsitz aus tätig wird, ist unerheblich. Der Senat teilt die vom Richter des Amtsgerichts in seinem Beschluss vom 14. November 2000 vertretene Ansicht, dass es für die Frage der Höhe der Vergütung eines unkompliziert zu handhabenden Kriteriums bedarf. Ebenso wird z.B. bei der Beurteilung, ob ein Rechtsanwalt einen Abschlag auf seine Vergütung (Anlage I Kap. III Sachgebiet A Abschnitt III Ziff. 26 a zum Einigungsvertrag) hinzunehmen hat, auf den Sitz seiner Kanzlei abgestellt, ohne dass zu ermitteln ist, ob und in welchem Umfang er Tätigkeiten auch von seinem Wohnsitz aus vorgenommen hat. Der Hinweis der Verfahrenspflegerin auf den Beschluss des OLG Dresden vom 18.8.1999 (15 W 1302/99) ist für den Senat unverständlich. Dieser dem beschließenden Senat vorliegende Beschluss enthält keinerlei Aussage in der von der Verfahrenspflegerin behaupteten Richtung.

Für die Anordnung einer Kostenerstattung nach § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG sieht der Senat keine Veranlassung. Der Wert bemisst sich nach dem von dem Beschwerdeführer zusätzlich begehrten Betrag. Der Senat lässt die weitere Beschwerde gemäß §§ 56 Abs. 5, 67 Abs. 3, 56 Abs. 5 FGG zu, um eine Vereinheitlichung der Rechtsprechung zur Vergütung der Verfahrenspfleger zu ermöglichen.

Ende der Entscheidung

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