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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 17.11.2008
Aktenzeichen: 2 AR 51/08
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 281 Abs. 2 S. 4 |
Kammergericht Beschluss
Geschäftsnummer: 2 AR 51/08
17.11.2008
In dem Rechtsstreit
hat der 2. Zivilsenat des Kammergerichts am 17. November 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Dr. Hawickhorst und die Richter am Kammergericht Franck und Dittrich
beschlossen:
Tenor:
Das Landgericht Berlin wird als das sachlich zuständige Gericht bestimmt.
Gründe:
I.
Der Kläger war der Steuerberater des Beklagten. Mit zwei Mahnbescheidsanträgen jeweils vom 31.12.2007 hat er Honorare geltend gemacht (zum einen 4.288,38 EUR für zwei Rechnungen vom 31.12.2006 und eine Rechnung vom 10.02.2007 sowie zum anderen 1.151,42 EUR für eine Rechnung vom 31.12.2006). Nach Widerspruch des Beklagten jeweils vom 26.02.2008 und Abgabe beider Verfahren an das Amtsgericht Wedding -Prozessabteilung- hat der Kläger seine Ansprüche jeweils mit Schriftsätzen vom 19.05.2008 begründet. Mit Beschluss vom 10.07.2008 sind beide Prozessverfahren gemäß § 147 ZPO verbunden worden. Nach Hinweis des Amtsgerichts vom 10.07.2008, dass kein Grund für die Beantragung zweier Mahnbescheide ersichtlich sei und daher Bedenken gegen die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts bestünden, hat der Kläger unter dem 17.07.2008 Verweisung des Rechtsstreits an das sachlich zuständige Landgericht Berlin beantragt. Mit Schriftsatz vom 17.07.2008 hat sich der Beklagte einem erwarteten Verweisungsantrag angeschlossen.
Mit Beschluss vom 30.07.2008 hat sich das Amtsgericht für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit auf Antrag des Klägers an das Landgericht verwiesen, und zur Begründung (unter Hinweis auf Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 66. Aufl., § 2 Rn 7) ausgeführt, dass nach den Umständen die Aufteilung nur dem Zweck gedient habe, die Zuständigkeit des Amtsgerichts zu erlangen, weshalb eine Verweisung nach Verbindung zulässig sei.
Das Landgericht hat sich nach entsprechendem Hinweis an die Parteien vom 10.09.2008 mit Beschluss vom 09.10.2008 für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit wieder an das Amtsgericht verwiesen. Dieses hat die Sache sodann dem Senat zur Zuständigkeitsbestimmung vorgelegt.
II.
Das Kammergericht ist nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zur Bestimmung des zuständigen Gerichts berufen. Denn sowohl das Amtsgericht Wedding als auch das Landgericht Berlin haben mit jeweils unanfechtbarem Beschluss und damit "rechtskräftig" i.S. der Vorschrift (vgl. BGH NJW 1988, 1794 f.; NJW-RR 1997, 1161) ihre Zuständigkeit verneint.
Das Landgericht Berlin ist auf Grund der bindenden Verweisung des Amtsgerichts Wedding zuständig (§ 281 Abs. 2 S. 4 ZPO).
Objektive Willkür, die die Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses ausnahmsweise entfallen lässt, setzt voraus, dass die Verweisung nicht bloß unrichtig ist, sondern sich bei der Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsnormen so weit von dem diese beherrschenden Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt, dass sie nicht mehr zu rechtfertigen ist. Dies ist der Fall, wenn sie nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (s. BVerfGE 29, 45, 49; BGH NJW-RR 2008, 1309; NJW 2003, 2990, 2991; NJW 2003, 3201 f.). Diese Ausnahmevoraussetzungen liegen hier nicht vor.
Ob und unter welchen Voraussetzungen eine Verweisung des Amtsgerichts an das Landgericht nach Verbindung (§ 147 ZPO) zulässig ist, wird nicht einheitlich beurteilt. Während teilweise -auf Grund des Ausnahmecharakters des § 506 ZPO gegenüber § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO (vgl. BGH NJW-RR 1996, 891) schwerlich vertretbar- angenommen wird, dass jede Verbindung eine Verweisung analog § 506 ZPO erlaube (so AG Neukölln MDR 2005, 772; Wieczorek, ZPO, 2. Aufl., 1976, § 506 Anm. D II), wird von anderen eine Verweisungsbefugnis nach Verbindung auch unter dem Aspekt der zu verhindernden Erschleichung der amtsgerichtlichen Zuständigkeit grundsätzlich abgelehnt, da seit dem 01.01.2002 auch gegen amtsgerichtliche Urteile die Revision möglich sei (so Roth in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 1 Rn 14). Die herrschende Meinung geht demgegenüber -nach wie vor- davon aus, dass eine Verbindung nach § 147 ZPO an sich zwar keine Zuständigkeitsveränderung bewirke (§ 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO), dies jedoch anders sei, wenn der Kläger die amtsgerichtliche Zuständigkeit durch Erhebung mehrerer den Zuständigkeitsstreitwert von 5.000,00 EUR jeweils nicht übersteigender (Teil-)Klagen "erschleiche" (vgl. Hartmann in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 66. Aufl., § 2 Rn 7, 8 auch für den Fall einer der Prozesswirtschaftlichkeit zuwiderlaufenden "objektiven" Erschleichung; ferner -insbesondere für die Zerlegung eines einheitlichen Anspruchs in verschiedene Teilklagen- Wagner in: MüKO, ZPO, 3. Aufl., § 147 Rn 13 und Deubner a.a.O., § 506 Rn 6; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 16. Aufl., § 32 Rn 3; Vollkommer in: Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 1 Rn 23; s.a. LG Gießen MDR 1996, 527; ferner LG Frankfurt/Oder, mitgeteilt in BGH NJW-RR 2006, 930).
Der Senat vermag bei dieser Ausgangslage nicht festzustellen, dass die vom verweisenden Amtsgericht zugrunde gelegte, mit Hartmann in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Harmann, ZPO, § 2 Rn. 7 begründete Auffassung gänzlich unvertretbar und damit willkürlich sei. Er befindet sich mit dieser Beurteilung in Übereinstimmung mit der Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 21.04.2004 -15 AR 5/04, OLGR 2005, 174 ff, welches in einem gleich liegenden Fall die unter Berufung auf Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann erfolgte Verweisung durch das Amtsgericht nach Verbindung verschiedener Werklohnklagen ebenfalls als jedenfalls nicht willkürlich angesehen hat. Die Annahme eines objektiven, prozessunwirtschaftlichen Erschleichens der amtsgerichtlichen Zuständigkeit ist zwar recht weitgehend und auch in der Literatur nur vereinzelt vertreten, aber nicht deshalb bereits willkürlich.
Auch in tatsächlicher Hinsicht ist der Beschluss des Amtsgerichts Wedding nicht willkürlich. Für die gesonderte Verfolgung der gleichartigen Zahlungsansprüche aus der langfristigen Leistungsbeziehung der Parteien durch am gleichen Tag beantragte Mahnbescheide über 4.288,38 EUR und 1.151,42 EUR ist in der Tat kein vernünftiger Grund zu erkennen. Ein solcher ist auch vom Kläger auf den Hinweis des Amtsgerichts vom 10.07.2008 nicht dargetan worden. Vielmehr hat der Kläger kommentarlos die Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht beantragt und damit zu erkennen gegeben, dass er dem Vorhalt des Amtsgerichts nichts entgegen zu setzen hat.
Ende der Entscheidung
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