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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 22.11.2000
Aktenzeichen: 2 Ss 261/00 - 3 Ws (B) 559/00
Rechtsgebiete: StVO, StVG, BKatV, OWiG
Vorschriften:
StVO § 37 Abs. 2 | |
StVO § 37 Nr. 1 Satz 7 | |
StVO § 49 | |
StVO § 49 Abs. 3 Nr. 2 | |
StVO § 25 Abs. 1 Satz 1 | |
StVO § 25 Abs. 2 a | |
StVG § 24 | |
BKatV § 1 | |
OWiG § 79 Abs. 6 |
KAMMERGERICHT Beschluß
Geschäftsnummer: 2 Ss 261/00 - 3 Ws (B) 559/00 341 OWi 1687/00
In der Bußgeldsache gegen
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit
hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Kammergerichts in Berlin am 22. November 2000 beschlossen:
Tenor:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 9. August 2Ö00 im Rechtsfolgenausspruch mit den diesbezüglichen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Gründe:
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Zuwiderhandlung gegen §§ 37 Abs. 2 (zu ergänzen: Nr. 1 Satz 7), 49 (Abs. 3 Nr. 2) StVO nach § 24 StVG zu einer Geldbuße von 250,-- DM verurteilt, gegen ihn gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG ein einmonatiges Fahrverbot verhängt und insoweit gemäß § 25 Abs. 2 a StVG eine Bestimmung über das Wirksamwerden desselben getroffen. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit derer die Verletzung materiellen Rechts rügt, und deren Auslegung ergibt, daß das Rechtsmittel auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt ist, hat (vorläufig) Erfolg.
Nach den Feststellungen befuhr der Betroffene mit seinem Pkw den linken Abbiegestreifen der Greifswalder Straße Richtung Michelangelostraße, um in diese nach links abzubiegen. Da er sich durch einen vor ihm auf der Linksabbiegespur fahrenden Pkw behindert fühlte, wechselte er auf die rechts neben der von ihm befahrenen Spur verlaufende Geradeausspur, die mit entsprechenden Richtungspfeilen gekennzeichnet war, überfuhr die Haltelinie der dortigen Lichtzeichenanlage bei länger als einer Sekunde abstrahlendem Rotlicht und bog nach links in die Michelangelostraße ab (UA S. 2). Das Amtsgericht hat Buße und Fahrverbot entsprechend Nr. 34.2 der Anlage zu § 1 BKatV festgesetzt. Der Rechtsfolgenausspruch ist nicht frei von Rechtsfehlern.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme insoweit folgendes ausgeführt:
"Die in Nr. 34.2 BKat vorgesehene Ahndung ist ... nicht bereits bei jedem Rotlichtverstoß, der nach über einer Sekunde nach Beginn der Rotlichtphase begangen wird, indiziert (vgl. OLG Köln VRS 92, 228, 229), wovon auch das Amtsgericht grundsätzlich ausgegangen ist (UA S. 3). Denn die in Nr. 34.2 BKat geschaffene Regelung will den Kraftfahrer erfassen, der - häufig im Zusammenhang mit überhöhter Geschwindigkeit - das Wechsellichtzeichen mißachtet und die Haltelinie passiert, obwohl sich bei schon länger als einer Sekunde andauernder Rotphase bereits Querverkehr in dem durch Rotlicht gesperrten Fahrbahnbereich. befindet (vgl. Kammergericht, Beschlüsse vom 3. Juni 1997 - 3 Ws (B) 276/97 -; 31. März 1999 - 3 Ws (B) 138/99 - und 4. August 1999 - 3 Ws (B) 402/99 -), und daher im Regelfall eine abstrakte Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer zu unterstellen ist (vgl. Kammergericht, VRS 87, 52, 53; Beschluß vom 9. November 1998 - 3 Ws (B) 555/98 -). Demnach kommt der der Nr. 34.2 BKat zu Grunde liegende Gesichtspunkt des Schutzes insbesondere des Querverkehrs dann nicht zum Tragen, wenn es zu einer solchen abstrakten Gefährdung von vornherein nicht kommen konnte (vgl. Kammergericht VRS 87, 52; OLG Celle VerkM 1996, S. 67; Deutscher NZV 2000, 105, 107). Eine solche ist ausgeschlossen, wenn zum Zeitpunkt des Rotlichtverstoßes andere Verkehrsteilnehmer ebenfalls nicht in den geschützten Bereich der Kreuzung eindringen durften, weil die Fahrspuren für den Querverkehr bzw. auch die Fußgängerfurten gesperrt waren (vgl. Kammergericht VRS 99, 210, 212). Dies wäre dann unter Umständen der Fall, wenn der für Linksabbieger vorgesehene Fahrstreifen der Greifswalder Straße in Richtung Michelangelostraße durch grünes Licht freigegeben gewesen wäre, wieder Betroffene behauptet hat (UA S. 2).
Hierzu hat das Amtsgericht jedoch keine eindeutigen Feststellungen getroffen. Ob es der Einlassung des Betroffenen gefolgt ist, ergibt sich aus ihnen nicht. Vielmehr ist den Urteilsgründen lediglich zu entnehmen, daß eine solche Situation durchaus gegeben gewesen sein könnte (UA S. 3). Daß das Verhalten des Beschwerdeführers zu einer konkreten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer geführt hat, ist nicht festgestellt worden. Es ist daher zu besorgen, daß das Amtsgericht etwaige besondere Umstände des Falles nicht bedacht und deshalb nicht berücksichtigt hat: Soweit die Tatrichterin demnach angenommen hat, daß der vorliegende Sachverhalt ... keine erheblichen Abweichungen vom Normalmaß aufweise (UA S. 3); kann angesichts der lückenhaften Feststellungen nicht geprüft werden, ob die dazu angestellten Erwägungen vollständig sind, so daß Fehler in der Ermessensausübung nicht auszuschließen sind und der Rechtsfolgenausspruch daher keinen Bestand haben kann.
Da zu erwarten ist, daß insoweit (z. B.) anhand des Ampelschaltplanes noch weitere Feststellungen getroffen werden können, ist es dem Rechtsbeschwerdegericht nicht möglich, über den Rechtsfolgenausspruch gemäß § 79 Abs. 6 OWiG selbst zu entscheiden."
Diese zutreffenden Erwägungen macht sich der Senat zu eigen.
Er verweist die Sache daher gemäß § 79 Abs. 6 OWiG zu neuer Verhandlung und Entscheidung an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts zurück; es bestand keine Veranlassung, vom Regelfall abzuweichen.
Ende der Entscheidung
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