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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 12.05.2005
Aktenzeichen: 2 Ss 57/05 - 5 Ws (B) 180/05
Rechtsgebiete: RBerG
Vorschriften:
RBerG Art. 1 § 8 Abs. 1 Nr. 1 | |
RBerG Art. 1 § 8 Abs. 3 |
2 Ss 57/05 - 5 Ws (B) 180/05
In der Bußgeldsache gegen
wegen Zuwiderhandlung gegen das Rechtsberatungsgesetz
hat der 5. Senat für Bußgeldsachen des Kammergerichts in Berlin durch die Richterin am Kammergericht .... als Einzelrichterin am 12. Mai 2005 beschlossen:
Tenor:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 11. Januar 2005 aufgehoben.
Der Betroffene wird freigesprochen.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen hat die Landeskasse Berlin zu tragen.
Gründe:
Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin verurteilte den Betroffenen am 11. Januar 2005 wegen vorsätzlicher Zuwiderhandlung gegen Art. 1 § 8 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 RBerG zu einer Geldbuße von 500 Euro. Die dagegen eingelegte Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat mit der Sachrüge Erfolg; sie führt zur Freisprechung des Betroffenen. Auf die ebenfalls erhobenen Verfahrensrügen kommt es damit nicht mehr an.
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts sandte der Betroffene - der keine Erlaubnis zur Rechtsberatung hat - unter dem Briefkopf der S..... Gesellschaft für Wirtschaftsdienste mbH - Unternehmensberatung, Firmenrepräsentanz mit Datum vom 2. Juli 2002 ein Schreiben folgenden Wortlautes an die Rechtsanwälte S...:
"Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt,
wir beraten die Firma a... A... R.... Tischlermeister GmbH in wirtschaftlichen Angelegenheiten. In diesem Zusammenhang hat uns Herr R... Ihr Schreiben vom 22.4.2002 übergeben. Wir machen keinen Hehl daraus, daß der Inhalt ihres Schreibens den Straftatbestand der Nötigung beinhaltet, so daß wir Frau R... empfehlen werden unter Einschaltung eines Rechtsanwaltes gegen Sie Strafanzeige zu erstatten und auch die Rechtsanwaltskammer einzuschalten. Es ist das legitime Recht Ihres Mandanten, mit Hilfe eines Rechtsanwaltes bestehende Forderungen auf dem Rechtswege durchzusetzen. Sie versuchen aber unter Androhung eines empfindlichen Übels Zahlungen vorzunehmen, obwohl Sie wissen, daß dieser Weg unter keinen Umständen akzeptiert werden kann. Sollten wir in den nächsten fünf Tagen nichts von Ihnen hören, so gehen wir davon aus, daß sie die Ansprüche Ihres Mandanten gegebenenfalls auf dem Wege einer Zivilklage geltend machen werden, andernfalls wir die oben erwähnten Schritte für unausweichlich halten."
Weitere Feststellungen enthält das angefochtene Urteil nicht.
Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat zu dem Rechtsmittel wie folgt Stellung genommen:
"Die Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils tragen die Verurteilung des Betroffenen wegen einer Zuwiderhandlung nach Artikel 1 § 1 Abs. 1, § 8 Abs. 1 Nr. 1 RBerG nicht.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist zur Abgrenzung erlaubnisfreier Geschäftsbesorgung von erlaubnispflichtiger Rechtsbesorgung auf den Kern und den Schwerpunkt der Tätigkeit abzustellen, weil eine Besorgung wirtschaftlicher Belange vielfach auch mit rechtlichen Vorgängen verknüpft ist. Eine - erlaubnispflichtige - Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten im Sinne des Artikel 1 § 1 Abs. 1 RBerG liegt vor, wenn eine geschäftsmäßige Tätigkeit darauf gerichtet und geeignet ist, konkrete fremde Rechtsangelegenheiten zu verwirklichen oder konkrete fremde Rechtsverhältnisse zu gestalten. Es ist daher zu fragen, ob die Tätigkeit überwiegend auf wirtschaftlichem Gebiet liegt und die Wahrnehmung wirtschaftlicher Belange bezweckt oder ob die rechtliche Seite der Angelegenheit im Vordergrund steht und es wesentlich um die Klärung rechtlicher Verhältnisse geht (vgl. BHG NJW 2002 2879 f. - bei Juris -). Entscheidend ist, ob die Tätigkeit überwiegend auf wirtschaftlichem Gebiet liegt und die Wahrnehmung wirtschaftlicher Belange bezweckt oder ob die rechtliche Seite der Angelegenheit im Vordergrund steht und es wesentlich um die Klärung rechtlicher Verhältnisse geht. Für die Einstufung als erlaubnispflichtige Rechtsbesorgung kann in Anbetracht der Tatsache, dass nahezu alle Lebensbereiche rechtlich durchdrungen sind und kaum eine wirtschaftliche Betätigung ohne rechtsgeschäftliches Handeln möglich ist oder ohne rechtliche Wirkung bleibt, nicht allein auf die rechtlichen Formen und Auswirkungen des Verhaltens abgestellt werden. Es bedarf vielmehr einer abwägenden Beurteilung des jeweils beanstandeten Verhaltens danach, ob es sich hierbei um Rechtsbesorgungen handelt, oder ob es um eine Tätigkeit geht, welche von anderen Dienstleistern erfüllt werden kann, ohne dass die Qualität der Dienstleistungen oder die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege und die zu ihrer Aufrechterhaltung benötigten Rechtsberater beeinträchtigt werden (vgl. BGH aaO m.w.N.). Nicht unberücksichtigt bleiben darf darüber hinaus, dass bei der Auslegung des Rechtsberatungsgesetzes zu berücksichtigen ist, dass dieses Gesetz - wie andere Gesetze auch - einem Alterungsprozess unterworfen ist (vgl. BVerfG NJW 2004 2662 f. - bei Juris -). Das Rechtsberatungsgesetz steht in einem Umfeld sozialer Verhältnisse und gesellschaftspolitischer Anschauung, mit deren Wandel sich auch der Norminhalt ändern kann. Dabei ist unter Anwendung der allgemeinen anerkannten Auslegungsmethoden zu prüfen, ob die gesetzliche Regelung zwischenzeitlich lückenhaft geworden ist (vgl. BVerfG aaO). Zu prüfen ist im Einzelfall, ob durch die konkreten Umstände der Tätigkeit die Schutzzwecke des Rechtsberatungsgesetzes berührt werden.
Dies ist vorliegend nicht der Fall. Dabei kann dahinstehen, ob das Urteil insoweit an einem Darlegungsmangel leidet, als der Inhalt des Schreibens der Rechtsanwälte S... und Partner vom 22. April 2002, auf das der Betroffene mit dem inkriminierten Schreiben vom 2. Juli 2002 reagierte (UA S. 2) nicht mitgeteilt wird. Denn unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt das Schreiben des Betroffenen keine erlaubnispflichtige Rechtsbesorgung dar. Nach den knapp gehaltenen Urteilsfeststellungen war der Betroffene für die Firma a... A... R... Tischlermeister GmbH in wirtschaftlichen Angelegenheiten tätig. Mit dem Schreiben entgegnete er lediglich auf den o.g. Schriftsatz der Rechtsanwälte S... und Partner, der offenbar eine mit einer Sanktionsandrohung verbundene Zahlungsaufforderung enthielt. Es verhielt sich lediglich zu der Form. Ausführungen zu dem geltend gemachten Anspruch wurden nicht gemacht.
Darüber hinaus kündigte der Betroffene evtl. rechtliche Schritte seiner Mandantin erst nach Beratung durch einen Rechtsanwalt an. Soweit das Amtsgericht diese Formulierung als "mehr oder weniger lediglich ... nichtssagende Floskel" bezeichnet hat (UA S. 3), stellt dies lediglich eine bloße Vermutung dar.
Da der Betroffene bereits mit der Sachrüge Erfolg hat, braucht auf die ebenfalls eingelegte Rüge formellen Rechts nicht mehr eingegangen zu werden.
Da in einer eventuellen neuen Hauptverhandlung keine über die bisherigen Feststellungen hinausgehenden Feststellungen zu erwarten sind, ist der Betroffene freizusprechen."
Diese Ausführungen treffen zu. Der Senat, der nach § 80a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 OWiG in der Besetzung mit einem Richter entscheidet, schließt sich ihnen an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 1 OWiG, § 467 Abs. 1 StPO.
Ende der Entscheidung
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