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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 25.08.2005
Aktenzeichen: 2 U 1/05 Kart
Rechtsgebiete: GWB


Vorschriften:

GWB § 33 Satz 1 1. Halbsatz
GWB § 19 Abs. 1
GWB § 19 Abs. 3
GWB § 19 Abs. 4 Nr.1
GWB § 20 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Geschäftszeichen: 2 U 1/05 Kart

25.08.2005

Richter am Kammergericht Gröning als Vorsitzender,

Richter am Kammergericht Franck

Richter am Kammergericht Buck

als beisitzende Richter,

In dem Rechtsstreit

Die Formalien des Rechtsmittels sind geprüft worden; Beanstandungen haben sich nicht ergeben.

Rechtsanwalt Dr. M-------- nimmt Bezug auf den Antrag aus der Berufungsschrift.

Rechtsanwalt Dr. B-------- beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt wird, Floristen, die der Antragsgegnerin als Partner angeschlossen sind, durch die Ausübung von wirtschaftlichem Druck von einer Zusammenarbeit mit der Antragstellerin abzuhalten oder dieses zu versuchen, insbesondere durch die Nichtberücksichtigung der Partnerfloristen bei der Vermittlung von Aufträgen der F.-Zentrale oder der Androhung einer solchen Nichtberücksichtigung.

V. u. g.

Am Schluss der Sitzung, nach nichtöffentlicher Beratung, wurde folgendes, mit den Angaben nach § 313 Abs. 1 Nrn. 1-4 ZPO als Anlage zum Protokoll genommenes Urteil verkündet:

Tenor:

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil der Kammer für Handelssachen 91 des Landgerichts Berlin vom 4. März 2005 - in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses des Landgerichts vom 3. Mai 2005 - wird auf ihre Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor der einstweiligen Verfügung der Zivilkammer 16 des Landgerichts Berlin vom 26. November 2004 zu Ziffer 1 lit. a) wie folgt neu gefasst wird:

Der Antragsgegnerin wird unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den Mitgliedern ihres Vorstandes, untersagt, Floristen, die bei der Antragsgegnerin als Partner angeschlossen sind, durch die Ausübung von wirtschaftlichem Druck von einer Zusammenarbeit mit der Antragstellerin abzuhalten oder dies zu versuchen, insbesondere durch die Nichtberücksichtigung der Partnerfloristen bei der Vermittlung von Aufträgen der F.-Zentrale oder der Androhung einer solchen Nichtberücksichtigung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Wegen des Sachverhalts und der Anträge wird auf das erstinstanzliche Urteil - in der Fassung des landgerichtlichen Berichtigungsbeschlusses vom 3. Mai 2005 -, wegen der Berufungsanträge auf den vorstehenden Inhalt des Protokolls Bezug genommen.

II.

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und begründete, mithin zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg; die Kammer für Handelssachen hat die einstweilige Verfügung der Zivilkammer 16 vom 26. November 2004 - in der Sache - zur Recht hinsichtlich seiner Ziffer 1 lit. a) bestätigt.

1.

Da nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein Unterlassungsantrag in Ansehung von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und eine darauf beruhende Verurteilung nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO nicht derart undeutlich gefasst sein darf, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht mehr klar umrissen ist, sich der in Anspruch Genommene deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was verboten ist, war eine Konkretisierung des Unterlassungsantrages durch die Antragstellerin - wie in der Berufungsinstanz geschehen - geboten (vgl. BGH GRUR 2003, 886 "Erbenermittler").

2.

Der Antragstellerin steht gegen die Antragsgegnerin ein Unterlassungsanspruch nach § 33 Satz 1, 1. Hs. GWB i.V.m. § 19 Abs. 1, Abs.3, Abs.4 Nr.1 GWB und § 20 Abs.1 GWB zu. Die Antragstellerin gehört als Wettbewerberin der Antragsgegnerin zu den von beiden Bestimmungen geschützten Unternehmen (vgl. BGH WuW/E 1829 ff. - Original-VW-Ersatzteile II; 2875,2880 - Herstellerleasing).

Mit dem Landgericht ist es als überwiegend wahrscheinlich anzusehen, dass die Marktbeherrschungsvermutung des § 19 Abs.3 GWB zu Lasten der Antragsgegnerin greift, sie mithin auf dem (bundesweiten) Markt der Blumengrußvermittlung über einen Marktanteil von mindestens einem Drittel verfügt; dabei kann - ebenfalls dem Landgericht folgend - dahingestellt bleiben, ob der Blumendistanzhandel auch die Versendung der Blumen per Post oder mit sonstigen Kurierdiensten oder nur die unverpackt durch einen Boten persönlich überbrachten Blumen umfasst. Denn es ist überwiegend wahrscheinlich, dass die Marktbeherrschungsvermutung gleichwohl greift.

Zu Recht hat das Landgericht zur Frage der Marktmacht der Antragsgegnerin zunächst auf die Feststellungen des Bundeskartellamtes für die Marktverhältnisse im Jahre 1998 aus dessen Beschluss vom 9. Juli 1999 hinsichtlich der Verlängerung einer Freistellung "der F.-Vereinigung als Rationalisierungskartell" zurückgegriffen (WuW DE-V 127), da den Feststellungen des Bundeskartellamtes aus dem Jahre 1998 auch jetzt noch eine erhebliche Indizwirkung beigemessen werden kann. Trotz des Zeitablaufes sind die Feststellungen noch geeignet, Schlussfolgerungen auf die gegenwärtige Lage zu erlauben; dies schon deshalb, weil der Umsatz der Antragsgegnerin (einschließlich der ihrer Tochtergesellschaft a.) mit ca. 68 Mio. Euro im Jahre 2003 im Vergleich zu 1998 mit 156 Mio. DM (= 79,76 Mio. Euro) zwar nicht unerheblich gesunken ist, sich jedoch noch in einem Rahmen bewegt, der eine anhaltende Marktmacht nahe legt. Eine gänzliche Neustrukturierung des Marktes der Blumengrußvermittlung - und auch eine damit einhergehende Veränderung des gesamten Marktvolumens - ist nicht ersichtlich.

Demgemäß ist es nicht zu beanstanden, wenn das Landgericht als Grundlage für seine Feststellungen auf die vom Bundeskartellamt ermittelten Werte für das Jahr 1998 zurückgreift und diese zugunsten der Antragsgegnerin durch eine (fiktive) Erhöhung des Gesamtvolumens um 30% auf 199 Mio. Euro zu aktualisieren sucht.

Hinzu tritt, dass das Bundeskartellamt die Antragsgegnerin gemäß seinen Erkenntnissen auf dem Stand des Schreibens vom 21.Dezember 2004 immer noch für (deutlich) marktbeherrschend angesehen hat und dass sich an dieser Einschätzung auch danach nichts Wesentliches geändert haben dürfte (Anlage BBK 1).

Wie sich demgegenüber die von der GfK Panel Services Consumer Research GmbH ermittelten Zahlen, die für 2001 unterhalb der Feststellungen des Bundeskartellamtes für 1998 liegen, in den beiden Folgejahren jedoch eine rasante Steigerung auf 238,4 Mio. Euro benennen, errechnen, ist nicht ersichtlich. Insoweit ist lediglich anzumerken, dass laut Berufungsbegründung 14% der Aufträge in der F.-Zentrale eingehen sollen (Seite 5 = Bl. 184 d. A.); aus dem Direktvertrieb will die Antragsgegnerin einen Umsatz in Höhe von 11,9 Mio. Euro erzielt haben (Seite 9 = Bl. 188 oben). Entsprechen folglich 14% der Aufträge einem Wert von 11,9 Mio. Euro, dann müsste sich der Gesamtumsatz der Antragsgegnerin schon insoweit auf 85 Mio. Euro belaufen, was bei einem Marktvolumen von 199 Mio. Euro einem Marktanteil von 42,5% und bei einem Marktvolumen von 238,4 Mio. Euro einem Marktanteil von 35,7 % gleichkäme. Die glaubhaft gemachte Marktbeherrschung der Antragsgegnerin ist jedenfalls nicht erschüttert.

Zu Recht hat das Landgericht auch einen Behinderungsmissbrauch durch die Antragsgegnerin festgestellt. Denn sie hat gemäß § 19 Abs.4 Nr.1 GWB den Wettbewerb zum Nachteil der Antragstellerin beschränkt, indem sie auf einen Partnerfloristen eingewirkt hat, um ihn dazu zu bewegen, ausschließlich mit ihr und (damit) nicht (auch) mit der Antragstellerin zusammenzuarbeiten und damit eine Ausschließlichkeitsbindung faktisch umzusetzen. In der Folge hat sie diesen Floristen von der Vergabe der in ihrer Zentrale eingehenden Aufträge, für deren Ausführung er infrage gekommen wäre, kategorisch ausgeschlossen und damit i. S. v. § 20 Abs. 1 GWB ungleich im Verhältnis zu anderen Partnerfloristen behandelt.

Diese Maßnahmen dienten der Durchsetzung einer Ausschließlichkeitsbindung der Partnerfloristen an ihr, der Antragsgegnerin, Vertriebssystem, für die es unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes keinen sachlich gerechtfertigten Grund i. S. v. § 19 Abs. 4 Nr. 1 und 20 Abs. 1 GWB gibt. Diese Maßnahmen sind geeignet, den Marktzutritt der Antragstellerin ungerechtfertigt erheblich zu behindern. Die Antragsgegnerin verfolgt das Ziel, sämtliche Partnerfloristen von einer Zusammenarbeit mit der Antragstellerin abzuhalten. Ihre Maßnahmen sind geeignet und bezwecken letztlich, alle ihr angeschlossenen Partnerfloristen von einer Zusammenarbeit mit der Antragstellerin abzuhalten. Wegen der Vielzahl der potenziell betroffenen - und leistungskräftigen - Vertragspartner werden damit die Wettbewerbsmöglichkeiten der Antragstellerin empfindlich behindert. Die Antragstellerin kann auch nicht mit Erfolg auf die Existenz von mindestens 22.000 Blumengeschäften in Deutschland und die damit verbundenen Ausweichmöglichkeiten verwiesen werden. Abgesehen davon, dass in dieser Zahl die Partnerfloristen der Antragsgegnerin enthalten sind, kommen nicht alle übrigen Blumenhändler für eine Zusammenarbeit im Blumendistanzhandel gleichermaßen infrage, weil sie entweder an diesem Marktsegment gar nicht interessiert oder dafür nicht hinreichend ausgerüstet sind.

Die Antragsgegnerin kann sich zur Rechtfertigung - zumal gegenüber der Antragstellerin als behindertem Unternehmen - nicht darauf berufen, die Nichtberücksichtigung der mit Wettbewerbern kooperierenden Floristen diene der Kompensation von deren Mehreinnahmen. Die Antragsgegnerin übernähme damit eine den Wettbewerb regulierende Rolle, die jedenfalls einem Marktteilnehmer mit der Marktmacht der Antragsgegnerin nicht zugebilligt werden kann, sondern die dem Wettbewerb selbst zu überlassen ist. Im Übrigen ist die Einbeziehung der ausschließlich gebundenen Partnerfloristen in die Vergabe der über die F.-Zentrale vergebenen Aufträge als Gegenleistung für die Ausschließlichkeitsbindung keine wettbewerbsrechtlich akzeptable Rechtfertigung der abverlangten exklusiven Bindung.

Der angestrebte Vorteil, durch die Ausschließlichkeitsbindung bestimmten Werbemaßnahmen - andere als F.-Unternehmenskennzeichnungen an Kleidung und Lieferfahrzeug - der Partnerfloristen zu verhindern, ist ebenfalls wettbewerbsrechtlich nicht anerkennenswert. Die Befürchtung der Marktverwirrung ist rein hypothetisch, insbesondere bei der Werbung auf dem Lieferfahrzeug, das die Empfänger von Blumengrüßen meistens gar nicht wahrnehmen werden. Im Übrigen ist nichts dafür ersichtlich, dass die Verbraucher entweder Lieferungen von F. deren Wettbewerbern oder umgekehrt zuordnen und inwieweit der Antragsgegnerin daraus substanziell verifizierbare Nachteile drohen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs. 1 ZPO; 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO; die Konkretisierung des Antrages hat keine Reduzierung des Unterlassungsbegehrens zur Folge, rechtfertigt also auch keine anteilige Kostenlast der Antragstellerin.

Ferner beschossen und verkündet:

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 125.000 EURO festgesetzt.



Ende der Entscheidung

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