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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 07.02.2008
Aktenzeichen: 2 U 5/05
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, HGB


Vorschriften:

ZPO § 767
BGB § 389
BGB § 422 Abs. 1 Satz 2
BGB § 428
BGB § 429 Abs. 2 Satz 1
BGB § 719 Abs. 2
HGB § 128
1) Zur Parteifähigkeit von im Handelsregister gelöschten Handelsgesellschaften, die über Forderungen gegenüber vermögenslosen Schuldnern verfügen.

2) Zur Auslegung des Rubrums von Kostenfestsetzungsbeschlüssen, welche zu Gunsten von Gesellschaftern einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ergangen sind, bei denen die Gesellschafter im Hauptverfahren auf Beklagtenseite standen und die Klage vor Änderung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Teilrechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts erhoben wurde.


Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 2 U 5/05

verkündet am: 7. Februar 2008

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg, Elßholzstr. 30-33, 10781 Berlin, durch den Richter am Kammergericht Dr. Glaßer als Einzelrichter auf die mündliche Verhandlung vom 17. Januar 2008 unter Berücksichtigung des nachgelassenen Schriftsatzes der Beklagten vom 28. Januar 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 7. Dezember 2004 verkündete Urteil der Zivilkammer 35 des Landgerichts Berlin - 35 O 310/04 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht vor der Vollstreckung die Klägerin Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten - auch in zweiter Instanz - darüber, ob die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen die Klägerin aus dem landgerichtlichen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 6. April 2004 in Folge der Aufrechnung der Klägerin mit einem Anspruch gegen den Beklagten zu 1. für unzulässig zu erklären ist.

Das Landgericht hat der Klage durch das angefochtene Urteil in vollem Umfang stattgegeben. Wegen der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand dieses Urteils Bezug genommen. Ergänzend ist hinzuzufügen:

Für die Klägerin wurde zwischenzeitlich ein Nachtragsliquidator gerichtlich bestellt. Dieser erteilte den Rechtsanwälten Lnnnn und Partner eine Vollmacht zur Führung des Rechtsstreits und genehmigte vorsorglich sämtliche Prozesshandlungen, die Rechtsanwalt Dr. Snnnnn, auch für die Rechtsanwälte Lnnnn und Partner, in diesem Rechtsstreit bereits vorgenommen hat.

Die Beklagten sind weiterhin der Auffassung, die Klägerin sei vermögenlos und daher nicht parteifähig. Die Forderungen der Klägerin gegen den Beklagten zu 1. stünde dem nicht entgegen, weil die Forderungen wegen der Vermögenlosigkeit des Schuldners wirtschaftlich wertlos seien. Im Übrigen vertiefen die Beklagten insbesondere ihre Rechtsauffassung, dass die Gläubiger des Kostenerstattungsanspruches nicht in Gesamtgläubigerschaft zueinander stehen.

Die Beklagten beantragen,

das am 7. Dezember 2004 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 35 O 310/04 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene und vertieft insbesondere ihre Rechtsauffassung, dass die Gläubiger des Kostenerstattungsanspruches in Gesamtgläubigerschaft zueinander stehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

II.

Die Berufung bleibt ohne Erfolg, weil das Landgericht im Ergebnis zu Recht - und im Wesentlichen mit zutreffender Begründung - die Klage für zulässig und begründet angesehen hat.

1.

Die Klage ist zulässig.

a) Die Klägerin ist parteifähig. Denn sie verfügt über eine Forderung gegen den Beklagten zu 1.. Nach allgemeiner Meinung genügt dieser Umstand - worauf das Landgericht zu Recht hingewiesen hat - um der Klägerin trotz Löschung ihrer Firma im Handelsregister die Parteifähigkeit zuzuerkennen. Eine abweichende Beurteilung ist nicht etwa deshalb gerechtfertigt, weil die Forderung gegen einen Schuldner gerichtet ist, der mutmaßlich seinerseits vermögenlos ist, und sie daher wirtschaftlich keinen Wert mehr hätte. Denn zum einen hat der Beklagte zu 1. eine Forderung gegen die Klägerin - nämlich die Forderung aus dem streitgegenständlichen Kostenfestsetzungsbeschluss -, so dass die Forderung der Klägerin immerhin dazu dienen kann, mit ihr die Aufrechnung gegen die Forderung des Beklagten zu 1. zu erklären. Die Forderung der Klägerin hat daher unter wirtschaftlichem Blickwinkel durchaus einen gewissen Wert. Zum anderen macht die Klägerin - im Hauptsacheverfahren (Landgericht Berlin, 5 O 347/02; Kammergericht, 2 U 65/04) - Ansprüche in beträchtlicher Höhe gegen die Beklagten geltend. Diese sind, wie die mündliche Verhandlung vor dem Senat am 12. November 2007 ergeben hat, auch nicht völlig aus der Luft gegriffen, so dass sich die Beklagten veranlasst sahen, der Klägerin eine vergleichsweise Zahlung von immerhin 350.000 EUR anzubieten (vgl. Vollkommer in Zöller, 26. Aufl. 2007, § 50 Rdnr. 4b).

b) Die Wirksamkeit der Klageerhebung und der sonstigen Prozesshandlungen der Rechtsanwälte Dr. Snnnnn pp. steht seit Erteilung der Prozessvollmacht und der nachträglichen Genehmigung durch den Nachtragsliquidator außer Frage.

c) Für die Klage besteht auch hinreichendes Rechtsschutzbedürfnis. Hierfür ist bei Vollstreckungsgegenklagen - worauf das Landgericht zu Recht hingewiesen hat - im Grundsatz ausreichend, dass ein vollstreckbarer Titel vorliegt. Zwar wird das Rechtsschutzbedürfnis ausnahmsweise dann verneint, wenn die Vollstreckung aus dem Titel unzweifelhaft nicht droht (vgl. Herget in Zöller, 26. Aufl. 2007, § 767 Rdnr. 8, m.Rspr.N.). Ein solcher Fall ist jedoch vorliegend nicht gegeben. Denn zum einen mag die Klägerin zukünftig - nach einem etwaigen (Teil-)Erfolg im Hauptsacheverfahren - wieder zu Vermögen gelangen, so dass die Beklagten dann einen wirtschaftlichen Anreiz haben, aus dem Titel vorzugehen. Zum anderen haben die Beklagten in der mündlichen Verhandlung auf diesbezügliche Nachfrage durch den Senat zum Ausdruck gebracht, in einem solchen Fall die Vollstreckung zumindest aus heutiger Sicht nicht gänzlich ausschließen zu wollen.

2.

Die Klage ist gemäß § 767 ZPO begründet. Denn der durch den Kostenfestsetzungsbeschluss titulierte Kostenerstattungsanspruch ist in Folge der Aufrechnung mit dem Anspruch gegen den Beklagten zu 1. gemäß § 389 BGB erloschen.

a.) Der Kostenerstattungsanspruch und der Anspruch gegen den Beklagten zu 1. stehen sich in der Person des Beklagten zu 1. und in der Person der Klägerin gemäß §§ 389, 719 Abs. 2 BGB einander gegenüber. Insbesondere ist der Kostenfestsetzungsbeschluss nicht etwa dahingehend auszulegen, dass Gläubigerin des durch ihn titulierten Kostenerstattungsanspruches in Wahrheit nur die Wnnnn & Partner GbR oder eine andere Gesellschaft wäre, an der der Beklagte zu 1. als Gesellschafter beteiligt ist.

aa.) Für letzteres spricht im Ausgangspunkt der Wortlaut des Kostenfestsetzungsbeschlusses, in dessen Rubrum der Beklagte zu 1. ausdrücklich aufgeführt ist und in dem von der Wnnnn & Partner GbR oder einer andere Gesellschaft keine Rede ist.

bb.) Hierfür sprechen auch die Besonderheiten, die bei der Auslegung von Kostenfestsetzungsbeschlüssen zu beachten sind. Zwar mag der Kostenfestsetzungsbeschluss im Lichte des Rubrums des Urteils in der Hauptsache (Landgericht Berlin vom dem 9. Januar 2004, Geschz. 5 O 347/02) auszulegen sein, weil der Kostenfestsetzungsbeschluss seiner Funktion nach lediglich den durch das Urteil dem Grunde nach bereits festgestellten Kostenerstattungsanspruch beziffert und der Form nach auf dieses Urteil auch Bezug nimmt. Jedoch sind auch im Rubrum des Urteils nur die Beklagten, nicht aber eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts aufgeführt. Vor dem Hintergrund, dass bei der Auslegung des Kostenfestsetzungsbeschlusses der nach außenhin erkennbare Erklärungswille der den Beschluss erlassenden Rechtspflegerin maßgeblich ist, die Rechtspflegerin aber zur Überprüfung des Rubrums des Urteils weder veranlasst noch befugt ist und in aller Regel auch nicht über die ausreichenden Informationen zur Durchdringung gesellschaftsrechtlicher Beteiligungsverhältnisse verfügt, bestehen schon erhebliche Zweifel, ob selbst dann, wenn das Rubrum des Urteils abweichend von seinem Wortlaut auszulegen wäre, dies für die Auslegung des Kostenfestsetzungsbeschlusses überhaupt maßgeblich sein könnte (verneinend: VGH München, Urtl. v. 5. Juli 2006, 2 A 05.1873, zit. nach Juris, Rdnr. 21).

cc.) Jedoch hält der Senat auch bei Maßgeblichkeit der zuletzt aufgeworfenen Frage dafür, dass das Rubrum des Urteils nicht dahingehend auszulegen ist, dass anstelle der Beklagten alleine die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Gesellschafter die Beklagten sind, Partei des Rechtsstreits war.

(1.) Hierfür spricht zum einen, dass das Urteil zu einem Zeitpunkt erlassen wurde, als die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts längst durch den Bundesgerichtshof anerkannt war (BGH NJW 2001, 1056), so dass in Betracht zu ziehen ist, dass die Kammer des Landgerichts bewusst die Beklagten und nicht die Gesellschaft bürgerlichen Rechts in das Rubrum ihres Urteil aufgenommen hat, mit der Folge, dass das Urteil in diesem Punkt möglicherweise rechtlich unzutreffend, nicht aber auslegungsfähig ist. Denn Maßstab für die Auslegung von Urteilen ist, wie auch sonst, der nach außenhin erkennbare Wille des Erklärenden, hier der Kammer.

(2.) Aber selbst wenn eine bewusste Entscheidung der Kammer im Hinblick auf das Rubrum ihres Urteils nicht vorlag, wäre eine korrigierende Auslegung nicht angezeigt.

Zwar hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass im Falle von Aktivprozessen, die Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts vor dem Zeitpunkt der Änderung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Rechtsfähigkeit dieser Gesellschaft erhoben haben, das Rubrum solcher Klagen dahingehend auszulegen ist, dass in Wahrheit die Gesellschaft klagt (BGH NJW 2003, 1043). Jedoch ist diese Entscheidung nicht auf Passivprozesse von Gesellschaftern zu übertragen. Denn bei der Auslegung der Klage ist der Erklärungswille des Klägers maßgebend; d.h. entscheiden ist, gegen wen der Kläger seine Klage erhoben hätte, wenn er im Zeitpunkt der Klageeinreichung von der geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts gewusst hätte. Im Zweifel ist insofern anzunehmen, dass der Kläger die Klage sowohl gegen die Gesellschafter als auch gegen die Gesellschaft erhoben hätte, nicht aber gegen die Gesellschaft alleine. Denn nur so hat er die Möglichkeit, im Falle seines Obsiegens auch in das private, nicht gesamthänderisch gebundene Vermögen der Gesellschafter zu vollstrecken. Gründe, warum die Klägerin vorliegend anders gehandelt hätte, sind nicht ersichtlich. Die Entscheidung des OLG Düsseldorf (BauR 2006, 1153), in der für Passivprozesse von Wohnungseigentümergemeinschaften eine korrigierende Auslegung des Rubrums seit der Zuerkennung der Teilrechtsfähigkeit solcher Verbände bejaht wird, steht dem nicht entgegen. Denn das OLG Düsseldorf begründet seine Entscheidung mit der Überlegung, dass Wohnungseigentümer nicht persönlich für Verbindlichkeiten des Verbandes einzustehen hätten. Für die Gesellschaften bürgerlichen Rechts trifft diese Überlegung - wegen der analogen Anwendung von § 128 HGB - indessen nicht zu.

Vorliegend ergibt sich - entgegen der Auffassung der Beklagten - auch nichts Abweichendes daraus, dass in dem Urteil des Landgerichts u.a. auch über eine Widerklage der Beklagten entschieden wurde und die Widerklage nach der o.g. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH NJW 2003, 1043) in Wahrheit wohl von der Gesellschaft bürgerlichen Rechts erhoben wurde. Denn die Widerklage ändert nichts daran, dass jedenfalls auch der Beklagte zu 1. Partei des Rechtsstreits (als Gegner der Klage) war und damit Gläubiger des in dem Urteil festgestellten Kostenerstattungsanspruches ist. Nachdem das Landgericht innerhalb seiner Kostengrundentscheidung nicht gesondert über die Kosten der Klage einerseits und die Kosten der Widerklage andererseits entscheiden hat, ist der Beklagte zu 1. Gläubiger des gesamten Kostenerstattungsanspruches geworden, nicht aber etwa nur desjenigen Anspruchteiles, der die durch die Klage ausgelösten Kosten betrifft.

b) Die Aufrechnung hat nicht nur das Erlöschen des Kostenerstattungsanspruches des Beklagten zu 1., sondern gemäß §§ 428, 429 Abs. 2 Satz 1, 422 Abs. 1 Satz 2 BGB auch das Erlöschen des Kostenerstattungsanspruches aller anderen Beklagten zur Folge. Denn die Beklagen und die etwaig im Wege der Auslegung zu erkennenden sonstigen Gläubiger des Kostenerstattungsanspruches - etwa die Wnnnn & Partner GbR - sind im Hinblick auf den Kostenerstattungsanspruch als Gesamtgläubiger anzusehen, nicht als bloße Teilschuldner (vgl. BGH MDR 1986, 321 [322]; VGH München, a.a.O.).

3.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

4.

Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht zuzulassen. Denn weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes zur Fortbildung des Rechts oder die Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erforderlich. Auch wenn das vorliegende Urteil in gewissem Umfang - zur Rubrumsauslegung in Passivprozessen von Gesellschaften bürgerlichen Rechts - verallgemeinerungsfähig sein mag, ging es in dem Rechtsstreit letztlich um die doch vergleichsweise spezielle Frage der Auslegung eines Kostenfestsetzungsbeschlusses. Zudem ist der verallgemeinerungsfähig Teil des Urteils nur für Übergangsfälle von Bedeutung, welche die künftige Rechtsprechung zunehmend seltener beschäftigen werden wird.

Ende der Entscheidung

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