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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 22.12.2008
Aktenzeichen: 2 U 6/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 20
1) a) Die Zuständigkeit nach § 20 ZPO ist begründet, wenn sich der Beklagte irgendwann im Laufe des Rechtsstreits für längere Zeit zur Erreichung eines bestimmten Zweckes im Bezirk des angerufenen Gerichtes aufgehalten hat.

b) Zum Nachweis eines Aufenthalts i. S. d. § 20 ZPO.

2) Zum Gebührenstreitwert des Berufungsverfahrens nach teilweiser Erledigterklärung sowie Prozessurteil in 1. Instanz.


Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 2 U 6/07

verkündet am: 22. Dezember 2008

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg, Elßholzstr. 30-33, 10781 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 24. November 2008 durch den Richter am Kammergericht Dr. Glaßer als Einzelrichter

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 18. Dezember 2006 verkündete Urteil der Zivilkammer 11 des Landgerichts Berlin - 11 O 187/06 - aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - an die 11. Zivilkammer des Landgerichts Berlin zurückverwiesen.

2. Der Gebührenstreit des Berufungsverfahrens wird auf 255.421,12 EUR festgesetzt.

Gründe:

Nachdem der Berufungsbeklagte in der mündlichen Verhandlung am 24. November 2008 auf Rechtsmittel gegen das ihm angekündigte Urteil verzichtet hat und das Urteil nur wegen des Wunsches der Parteien, zusätzliche Zeit für den Versuch einer vergleichsweisen Einigung zu erhalten, nicht sogleich verkündet wurde, wird zur Urteilsbegründung lediglich kurz das Folgende ausgeführt (die Möglichkeit eines vollständigen Absehens von Urteilsgründen sehen die §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 2 ZPO in dieser Situation nicht vor):

1.

Das Landgericht ist gemäß § 20 international und örtlich zuständig. Hierfür genügt, dass sich der Beklagte irgendwann im Laufe des Rechtsstreits, nicht notwendigerweise bei Klageerhebung (vgl. Vollkommer in Zöller, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 12 Rdnr. 15; Greger in Zöller, § 261 Rdnr. 12 a.E.), für längere Zeit zur Erreichung eines bestimmten Zweckes in Berlin aufgehalten hat (Vollkommer in Zöller, § 20 Rdnr. 5, m.Rspr.N.). Dabei ist unerheblich, ob und ggf. wo der Beklagte seinen Wohnsitz hat. Denn die Vorschrift des § 20 ZPO entfaltet - gegenüber den §§ 12, 13 ZPO - gerade dann Bedeutung, wenn Wohnsitz und Aufenthaltsort auseinanderfallen.

Auf Grund der unstreitigen bzw. vom Beklagten selbst vorgetragenen Tatsachen steht ein längerer Aufenthalt des Beklagten zu Zwecken der geschäftlichen Betätigung in Berlin fest. Hierfür sprechen zum einen die bereits erstinstanzlich bekannten Tatsachen, nämlich die Anmeldung eines Handelsgewerbes des Beklagten zum Handelsregister Dresden mit Berliner Anschrift, seine Wohnungsanmietung in Berlin, seine polizeiliche Meldung in Berlin, seine Kreditkartenbeantragung mit Berliner Anschrift, seine Rechtsanwaltsbevollmächtigung mit Berliner Anschrift sowie seine unstreitigen Geschäftsreisen nach Berlin. Hinzutreten die zweitinstanzlich bekannt gewordenen Tatsachen, nämlich zum einen, dass der Beklagte seit Beginn des Rechtsstreits kontinuierlich etwa 15 mal im Jahr nach Deutschland, und davon ganz überwiegend nach Berlin, einreist und dort häufig für eine oder mehrere Wochen verbleibt. Dieses Verhalten wäre bei einem einfachen Geschäftsreisenden, der der Beklagte vorträgt zu sein, unerklärlich. Zum anderen spricht auch die Tatsache, dass der Beklagte seine Passangelegenheiten über das türkische Konsulat in Berlin regelt (vgl. Seite 13 des in Kopie eingereichten Passes des Beklagten) und nicht über die zuständige türkische Behörde in seiner Heimatstadt Istanbul, für einen längeren, verfestigten Aufenthalt des Beklagten in Berlin, wenn nicht gar für einen Berliner Wohnsitz. Schließlich ist der Beklagte in Besitz einer unbefristeten Aufenthaltsgenehmigung gemäß § 9 AufenthG. Auch dies spricht für das Bestehen zumindest eines Aufenthaltes, wenn nicht gar Wohnsitzes in Deutschland. Erklärungen, warum bei alledem gleichwohl nie ein längerer Aufenthalt in Berlin bestanden haben soll, oder Indizien, die gegen einen längeren Berliner Aufenthalt sprechen, hat der Beklagte nicht vorgetragen.

Da das Landgericht nicht in der Sache entschieden, sondern die Klage durch Prozessurteil mangels Zuständigkeit abgewiesen hat, hat der Senat - gemäß dem Antrag der Berufungsklägerin - von der Möglichkeit der Zurückverweisung des Rechtsstreits gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO Gebrach gemacht.

2.

Die Festsetzung des Gebührenstreitwertes beruht auf §§ 3 ZPO, 48 Abs. 1 GKG.

Dabei war zu berücksichtigen, dass sich die Berufung gegen die erstinstanzliche Abweisung des Zahlungsantrages (254.060,02 EUR) und des Antrages auf Feststellung des teilweisen Hauptsacheerledigung richtete. Letzteres Begehren hat der Senat mit 815,10 EUR bewertet. Dieser Betrag entspricht der Differenz zwischen den Kosten (drei Gerichtsgebühren und zwei antwaltliche 1,3-Verfahrensgebühren zzgl. MwSt.), die aus dem ursprünglichen Streitwert (283.334,12 EUR) entstanden sind, und den entsprechenden Kosten, die aus einem Streitwert von 254.060,02 EUR entstanden wären. Denn Ziel der teilweisen Hauptsacheerledigung ist es, die Differenz dieser, bis zur Erledigterklärung (dies war kurz vor der mündlichen Verhandlung in erster Instanz) angefallenen Kosten auf den Beklagten abzuwälzen (vgl. BGH WuM 2008, 35; Herget in Zöller, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 3 Rdnr. 16 "einseitige Erledigterklärung", m.w.N.).

Nicht von Bedeutung hingegen war der Vortrag der Berufungsklägerin in der mündlichen Verhandlung am 24. November 2008, wonach sich die Höhe der noch offenen Klageforderung im Laufe des Berufungsverfahrens auf "bis zu 175.000,00 EUR" reduziert habe. Denn der Gebührenstreitwert richtet sich nicht nach den Begründetheitsaussichten der Klage, sondern nach der Höhe des Klageantrages. Diesen hat die Berufungsklägerin im Berufungsverfahren nicht verändert; insbesondere hat sie es unterlassen, eine weitere teilweise Hauptsachenerledigung zu erklären. Selbst wenn in dem o.g. Vortrag der Berufungsklägerin eine stillschweigende, teilweise Hauptsachenerledigterklärung zu sehen wäre - wovon der Senat allerdings nicht ausgeht -, hätte diese auf den Gebührenstreitwert im Berufungsverfahren keine Auswirkung, weil der Vortrag erst nach der Antragstellung in der mündlichen Verhandlung erfolgte.

Ende der Entscheidung

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