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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 06.11.2008
Aktenzeichen: 2 W 11/08
Rechtsgebiete: ZPO, RVG, RVG VV


Vorschriften:

ZPO § 103
ZPO § 104
RVG § 2 Abs. 2 S. 1 Anl. 1 Teil 3
RVG VV Vorbem. 3 Abs. 3
RVG VV Nr. 3104
Wird die Terminsgebühr aufgrund einer telefonischen Besprechung geltend gemacht, die mehrere Parallelverfahren einbezogen hat, ist die Gebühr der Höhe nach begrenzt. In den angesprochenen Prozessen entstehen durch dieselbe Handlung zwar jeweils Terminsgebühren. Der Höhe nach fällt aber die Gebühr nur einmal aus dem addierten Wert aller betroffenen Verfahren an. Jedem Verfahren ist der Gebührenanteil zuzuordnen, der dem Anteil des Verfahrens am Gesamtstreitwert entspricht.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 2 W 11/08

06.11.2008

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Dr. Hawickhorst und die Richter am Kammergericht Franck und Steinecke am 6. November 2008 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Berlin vom 30. November 2007 - 38 O 14/07 - abgeändert:

Die nach dem Beschluss des Landgerichts vom 18. September 2007 - 38 O 14/07 - von dem Kläger an die Beklagte zu 3. zu erstattenden Kosten werden auf 2.548,59 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. September 2007 festgesetzt.

Der weitergehende Kostenfestsetzungsantrag vom 24. September 2007 wird zurückgewiesen.

Im Übrigen wird das Rechtsmittel zurückgewiesen.

Eine Beschwerdegebühr (KV 1812) wird nicht erhoben.

Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Beklagte zu 3) 61 % und der Kläger 39 % zu tragen.

Der Gegenstandswert wird auf 1.713,60 Euro festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger machte Ansprüche auf Zahlung von Schadensersatz und Feststellung gegen die Beklagten zu 1) bis 3) geltend und nahm die Klage später wieder zurück. Mit Beschluss vom 18. September 2007 auferlegte das Landgericht dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits und setzte den Streitwert auf insgesamt 65.075,72 € fest.

Mit Antrag vom 24. September 2007 hat die Beklagte zu 3) beantragt, die ihr zu erstattenden Kosten festzusetzen und hat dabei unter anderem eine 1,2 Terminsgebühr geltend gemacht, die die Rechtspflegerin beim Landgericht auch festgesetzt hat, so dass sich der gesamte Erstattungsbetrag auf 3.593,80 € belief. Gegen die Festsetzung der Terminsgebühr richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers, mit der er geltend macht, dass sich das zwischen den Prozessbevollmächtigten der Parteien am 25. Mai 2007 geführte Telefongespräch nicht auf das vorliegende Verfahren bezogen habe.

II.

Dass nach § 104 Abs. 3 ZPO i. V. m. § 11 Abs. 1 RPflG statthafte Rechtsmittel ist zulässig. In der Sache hat die sofortige Beschwerde nur zum Teil Erfolg, denn das Landgericht hat der Beklagten zu 3) grundsätzlich die geltend gemachte Gebühr nach Nummer 3104 VV RVG zu Recht zugesprochen. Der Höhe nach war diese Gebühr aber auf einen Betrag von 561,67 € zu begrenzen. Das weitergehende Rechtsmittel war daher zurückzuweisen.

Zu Gunsten der Beklagten zu 3) war gemäß § 2 Abs. 2 RVG, Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3 in Verbindung mit Nummer 3104 VV eine 1,2-fache Terminsgebühr für die Mitwirkung an auf die Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts angefallen, denn wie überwiegend wahrscheinlich ist, hat es zwischen den Prozessbevollmächtigten der Parteien am 25. Mai 2007 dementsprechende Verhandlungen gegeben. Für den Anfall der außergerichtlichen Terminsgebühr sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Die Gebühr entsteht bereits dann, wenn sich der Gegner auf das Gespräch - wobei ein fernmündlicher Kontakt genügt - einläßt, indem er die ihm unterbreiteten Vorschläge zur Kenntnis nimmt und deren Prüfung zusagt. Den Erfolg einer gütlichen Einigung setzt der Gebührentatbestand nicht voraus (BGH, Beschluss vom 20. November 2006 - II ZB 9/06 - NJW-RR 2007, 286). Dabei kann es gerade bei komplexen Sachverhalten und mehreren Parallelverfahren für das Entstehen der Terminsgebühr ausreichend sein, wenn bestimmte Rahmenbedingungen für eine mögliche Einigung abgeklärt oder unterschiedliche Vorstellungen für die Erledigung der Verfahren unter Einschluss des streitigen Verfahrens ausgetauscht werden (BGH, Beschluss vom 27. Februar 2007 - XI ZB 39/05 - NJW-RR 2007, 1578).

Eine derartige Terminsgebühr kann auch im Kostenfestsetzungsverfahren festgesetzt werden, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen für den Anfall der Gebühr zwischen den Parteien streitig sind (BGH, Beschluss vom 10. Mai 2007 - VII ZB 110/06 - MDR 2007, 1160). Auch ist es nicht erforderlich, dass sich die für die Festsetzung der beantragten Gebühr maßgeblichen Tatsachen ohne weitere Erhebung aus den Gerichtsakten ergeben oder unstreitig sind. Nach § 104 Abs. 2 S. 1 ZPO genügt zur Berücksichtigung eines Ansatzes, dass er glaubhaft gemacht ist. Hierfür ist es lediglich erforderlich, dass die tatsächlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Kostentatbestandes mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststehen müssen (BGH, Beschluss vom 4. April 2007 - III ZB 79/06 - NJW 2007, 2493).

Dass es derartige Kontakte zwischen den Prozessbevollmächtigten der Parteien tatsächlich gegeben hat, ist nach dem Vortrag der Parteien im Kostenfestsetzungsverfahren überwiegend wahrscheinlich. Hierzu hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu 3) im Einzelnen dargelegt, dass es zu dem fraglichen Telefongespräch unter Einbeziehung des vorliegenden Rechtsstreits gekommen ist und hat dies durch die Vorlage des den Inhalt des Telefongespräches zusammenfassenden Schreibens vom 25. Mai 2007 belegt. Den diesbezüglichen Vortrag hat der Beklagtenvertreter anwaltlich versichert. Das im Betreff dieses Schreibens ein anderes Aktenzeichen des Prozessbevollmächtigten des Klägers benannt ist, vermag hieran nichts zu ändern, denn aus der unmittelbar folgenden Formulierung "Klagen der von Ihnen vertretenen Anleger gegen die M GmbH vor dem Landgericht Berlin" ergibt sich eindeutig, dass eine Mehrzahl von Verfahren einschließlich des vorliegenden mit diesem Schreiben angesprochen werden sollte, wofür auch der weitere Inhalt des Schreibens spricht. Ziel der Bemühungen des Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 3) war dabei, eine möglichst baldige Beendigung der Rechtsstreite zu erreichen, was schließlich aufgrund der Klagerücknahme auch Erfolg hatte.

Wird die Terminsgebühr aufgrund einer telefonischen Besprechung geltend gemacht, die mehrere Parallelverfahren einbezogen hat, ist die Gebühr aber der Höhe nach begrenzt. Nach der Rechtsprechung des Senates entstehen in den angesprochenen Prozessen durch dieselbe Handlung zwar jeweils Terminsgebühren. Der Höhe nach fällt aber die Gebühr nur einmal aus dem addierten Wert aller betroffenen Verfahren an. Jedem Verfahren ist der Gebührenanteil zuzuordnen, der dem Anteil des Verfahrens am Gesamtstreitwert entspricht (a.A. im Gegensatz zur Vorauflage: Gerold/Schmidt - Müller-Rabe, RVG, 18. Auflage, VV 3104 Rn. 98). An dieser Rechtsprechung (vergleiche Beschluss vom 25. Januar 2007 - 2 W 153/06 -) hält der Senat nach erneuter Überprüfung fest.

Dabei ist zu beachten, dass die Einigungsbemühungen sich auf verschiedene Angelegenheiten im Sinn des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes bezogen. Dies ist der Grund dafür, dass auch in jeder einzelnen Angelegenheit eine Terminsgebühr entsteht. Die entscheidende Frage ist aber, in welcher Höhe sie entsteht. Insoweit hat der Senat die Parallele zur Einigungsgebühr herangezogen, bei der nach h. M. grundsätzlich eine Addition der Werte erfolgt (Gerold/Schmidt - Müller-Rabe, RVG, 18. Auflage, VV 1003, 1004, Rn. 66). Dies erscheint deshalb als interessengerecht, weil die hier behandelte besondere Form der Terminsgebühr von ihren tatbestandlichen Voraussetzungen her deutliche Parallelen zu der Einigungsgebühr aufweist. Während die Einigung direkt an den Erfolg anknüpft, entsteht die Terminsgebühr bereits bei dem qualifizierten Bemühen um diesen Erfolg. Während sich die Besonderheit bei der Einigungsgebühr daraus rechtfertigt, dass die Parteien durch die Verbindung mehrerer Ansprüche in einer Einigung zum Ausdruck bringen, dass sie die in ihnen geregelten unterschiedlichen Angelegenheiten hinsichtlich der Einigungsgebühr als eine Einheit behandeln wollen (Gerold /Schmidt - Müller-Rabe, aaO. VV 3104 Rn. 98), verbinden die Prozessbevollmächtigten der Parteien durch ihre auf die Vermeidung oder Erledigung der Verfahren gerichteten Besprechungen diese in ähnlicher Weise. Hieraus ergibt sich nach Auffassung des Senates die von Müller-Rabe (aaO.) vermisste Klammer, die es auch rechtfertigt, diese besondere Situation anders zu behandeln, als die, dass zwei Verfahren gleichzeitig terminiert und in beiden gleichzeitig verhandelt wird, wo für beide Verfahren nach zutreffender Ansicht (Müller-Rabe, aaO VV 3104 Rn. 92 ff.) jeweils eine Terminsgebühr anfällt.

Sowohl im Fall der Einigungsgebühr als auch im Fall der hier behandelten Terminsgebühr geht es im Ergebnis um eine angemessene und sinnvolle Begrenzung des gesamten Gebührenaufkommens, das durch lediglich eine Tätigkeit des Rechtsanwaltes ausgelöst wird. Der Grundsatz der Wertaddition wird auch dann angewendet, wenn mehrere Rechtsstreitigkeiten mit verschiedenen Parteien in einem Verfahren durch einen Gesamtvergleich erledigt werden (OLG Köln MDR 1973, 324). Gelangt man aber zu dem Ergebnis, dass auch hier die Gegenstandswerte der im Zusammenhang behandelten Angelegenheiten zu addieren sind, kann ein Rechtsanwalt insgesamt nur eine Gebühr beanspruchen, die nach dem addierten Wert zu berechnen ist. Die nach dem Gesamtwert anfallende Gebühr ist dann jedem Verfahren der Quote entsprechend zuzuordnen, die seinem Anteil am Gesamtgegenstandswert entspricht. Insoweit handelt es sich nur um eine rechnerische Operation, die dem Zweck dient, die ihrer Höhe nach begrenzte Gebühr in jedem der Verfahren zu ermitteln.

Dies führt selbst bei einer Vielzahl von betroffenen Verfahren nicht zu unlösbaren Problemen. Die Gebühr entsteht bereits, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 RVG, Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3 in Verbindung mit Nummer 3104 VV erfüllt sind. Für die Berechnung ist lediglich die Kenntnis des Streitwertes erforderlich, der entweder bereits bekannt oder festsetztbar ist. Nicht erforderlich ist, dass die anderen Angelegenheiten bereits abgeschlossen sind oder in absehbarer Zeit abgeschlossen werden. Insbesondere kommt es nicht darauf an, welche Kostenquote in den einzelnen Verfahren festgesetzt wird, denn dies hat lediglich Auswirkungen auf den Erstattungsanspruch, nicht aber auf die Berechnung einer einzelnen Gebühr.

Da eine den dargelegten Erfordernissen genügende Darlegung durch die Beklagte zu 3) hilfsweise erfolgt ist, konnte die (anteilige) Terminsgebühr der Höhe nach mit 561,67 € netto ermittelt werden. Insoweit wird auf die Darlegungen des Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 3) im Schriftsatz vom 4. September 2008 verwiesen. Die erfolgte Festsetzung (3.593,80 €) war um die Differenz der geltend gemachten zur tatsächlich begründeten Terminsgebühr (1.440,00 € abzüglich 561,67 € = 878,33 € zuzüglich 19% Mehrwertsteuer von 166,88 € = 1045,21 €) zu verringern, so dass sich der neue Festsetzungsbetrag auf 2.548,59 € beläuft.

Die Entscheidung über die Beschwerdegebühr folgt aus der Anmerkung zu KV Nr. 1812. Im Übrigen ergibt sich die Kostenentscheidung aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde war zuzulassen, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO), denn der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 27. Februar 2007 (XI ZB 39/05) zwar nicht ausdrücklich zur Feststellung der Höhe in derartigen Fällen Stellung genommen, in dem dort gegebenen vergleichbaren Fall aber die Terminsgebühr in voller Höhe festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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