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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 29.06.2005
Aktenzeichen: 2 W 6/05
Rechtsgebiete: ZPO, AktG


Vorschriften:

ZPO § 93
ZPO § 349 Abs. 2
ZPO § 568 S. 1
AktG § 246 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 2 W 6/05

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Kammergerichts am 29. Juni 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Weiß und die Richter am Kammergericht Franck und Gröning

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen die Kostenentscheidung in dem am 21. Dezember 2004 verkündeten Anerkenntnisteil- und Schlussurteil der Kammer für Handelssachen 96 des Landgerichts Berlin wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die Anwendbarkeit von § 93 ZPO, nachdem die beklagte Gesellschaft mit beschränkter Haftung die vom Kläger begehrte Feststellung der Unwirksamkeit von Gesellschafterbeschlüssen sofort anerkannt hat. Dem liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der Kläger hält einen Geschäftsanteil von 15.000,- EUR an der mit einem Stammkapital von 300.000,- EUR ausgestatteten Beklagten. Mehrheitsgesellschafterin ist die n . n . GmbH, mit einem Geschäftsanteil von 257.000,- EUR; die übrigen Geschäftsanteile halten die Z. GmbH (1.000,- EUR), W. S. 1(15.000,- EUR), T. St. und N. A. (jeweils 6.000,- EUR).

Die Gesellschafter erhielten Einladungen zu einer Gesellschafterversammlung am 25. Juni 2004 in den Konferenzräumen der Gesellschafterin Z. GmbH in Singen/Hohentwiel wurde mit unter anderem den Tagesordnungspunkten "Geschäftsordnung der Z. C. GmbH" (Beklagte) und "Festlegung eines Geschäftsverteilungsplanes". Gegen den Protest und die Stimmen des Klägers und der beiden Minderheitsgesellschafter E. St. und W. S. wurden auf dieser Gesellschafterversammlung eine im Rohentwurf vorgelegte Geschäftsordnung ebenso beschlossen, wie eine Zuordnung von bestimmten Aufgaben in der Geschäftsführung an einzelne Mitgeschäftsführer.

Der Kläger hat ohne Weiteres mit dem Antrag Klage erhoben, festzustellen, dass der in der Gesellschafterversammlung zu diesen beiden Tagesordnungspunkten gefasste Gesellschafterbeschluss unwirksam ist. Auf das sofortige Anerkenntnis der Beklagten hat das Landgericht die beantragte Feststellung ausgesprochen und ihr die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Dagegen wendet die Beklagte sich mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde, mit der sie geltend macht, keine Veranlassung zur Klageerhebung im Sinne von § 93 ZPO gegeben zu haben.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde, über die der Senat in Vollbesetzung zu entscheiden hat, weil der nach § 349 Abs. 2 ZPO entscheidende Vorsitzende der Kammer für Handelssachen nicht Einzelrichter im Sinne von § 568 S. 1 ZPO ist (BGHZ 156, 320 ff.), hat in der Sache keinen Erfolg.

Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 14. Oktober 1999 (2 W 6870/99, MDR 2000, 594) die Ansicht vertreten, dass sich ein Gesellschafter, der einen Gesellschafterbeschluss bekämpfen will, über die Notwendigkeit eines Prozesses regelmäßig erst dann Klarheit verschafft, wenn er den möglichen Prozessgegner die Rechtswidrigkeit dessen Tuns und die beabsichtigte Klageerhebung in einem Abmahnschreiben nochmals ausdrücklich vor Augen geführt hat. Eine derartige Abmahnung ist grundsätzlich unter anderem nur dann ausnahmsweise entbehrlich, wenn sie für den Kläger unzumutbar wäre. So verhält es sich hier.

Für die Frage, ob einem Gesellschafter, der einen in der Gesellschafterversammlung gefassten Beschluss angreifen will, eine Abmahnung zumutbar ist, sind mehrere Gesichtspunkte im Rahmen einer Gesamtabwägung zu berücksichtigen. Vorab und stets ist zu bedenken, dass dem sich beschwert fühlenden Gesellschafter nur ein enger Fristenrahmen für die zulässigerweise zu erhebende Anfechtungklage gesetzt ist. Nach der ständigen Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs hat dafür die Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG - von eng begrenzten Ausnahmen abgesehen - als Maßstab zu gelten (BGH Urteil vom 18. April 2005 - II ZR 151/03). Alsdann und vor allem - und eng mit diesem engen Fristenkorsett zusammenhängend - ist die Gesellschafterstruktur, insbesondere die Größe des Gesellschafterkreises, von Einfluss darauf, ob dem Kläger vor Klageerhebung eine Abmahnung zumutbar ist. Es ist nämlich zu bedenken, dass diese Abmahnung sich nicht an die Gesellschaft als den späteren Prozessgegner zu richten hat, sondern an die Gesellschafter in ihrer Gesamtheit, weil nur sie den potenziellen Kläger vorprozessual klaglos stellen können. Insoweit ist der oben zitierte Satz aus der Senatsentscheidung vom 14. Oktober 1999, dem möglichen Prozessgegner müsse die Rechtswidrigkeit seines Tuns und die beabsichtigte Klageerhebung in einem Abmahnschreiben nochmals ausdrücklich vor Augen geführt werden, zu relativieren. Hinreichenden Schutz erlangt der sich beschwert fühlende Gesellschafter, abgesehen von der gerichtlichen Gestaltung - nur durch einen neuerlichen Beschluss der Gesellschafterversammlung, mit dem der beanstandete Beschluss aufgehoben oder mit dem die Abstandnahme von dessen Vollzug zugesagt wird (vgl. OLG Naumburg, NJW-RR 1998, 1195, 1196).

Für die Zumutbarkeit einer Abmahnung ist es nach Ansicht des Senats von erheblicher Bedeutung, ob es sich um eine aus zwei Gesellschaftern bestehende Gesellschaft handelt - so verhielt es sich sowohl in dem vom Senat am 14. Oktober 1999 entschiedenen Fall, als auch bei dem Sachverhalt, der der Entscheidung des OLG Naumburg a.a.O. zugrunde lag - oder ob der Gesellschafterkreis größer ist. In der aus zwei Gesellschaftern stehenden Gesellschaft in die Kommunikation und Willensbildung ungleich einfacher als bei größerem Gesellschafterkreis. Der anfechtungswillige Gesellschafter hat im ersteren Fall nur einen Ansprechpartner, mit dem er sich gegebenfalls schnell und einfach auf prozessvermeidende Maßnahmen verständigen kann. Anders verhält es sich in einer Gesellschaft mit einer Gesellschafterstruktur, wie im vorliegenden Fall. So wäre der Kläger gehalten gewesen, eine Gesellschafterversammlung einzuberufen, die nach den Verhältnissen der Gesellschaft indes mit einem unverhältnismäßigen Kostenaufwand verbunden wäre. Die Gesellschaft hat nämlich ihren Sitz in Berlin, während sich der Sitz der Mehrheitsgesellschafterin und der Z. GmbH in Singen befinden und der Kläger beispielsweise in Mainz wohnhaft ist. Unter solchen Voraussetzungen muss der Schutzzweck der Prozesswirtschaftlichkeit des § 93 ZPO in Beziehung gesetzt werden zu den Kosten, deren Auslösung ansonsten droht.

Abgesehen von der Einberufung einer Gesellschafterversammlung hätte der Kläger nur noch die Möglichkeit gehabt, auf eine Beschlussfassung im Wege von § 9 Abs. 1 S. 2 und 3 der Satzung hinzuwirken. Danach können Gesellschafterbeschlüsse, außerhalb von Gesellschafterversammlungen regelmäßig auch auf schriftlichem, fernschriftlichem, telegraphischem oder mündlichem, auch fernmündlichem Wege gefasst werden, wenn alle Gesellschafter damit einverstanden sind. Über jeden außerhalb von Gesellschafterversammlungen gefassten Beschluss ist unverzüglich eine Niederschrift anzufertigen und jedem Gesellschafter abschriftlich zu übersenden. Um dieses Verfahren einzuhalten hätte es dem Kläger oblegen, zunächst Einvernehmen mit allen übrigen Gesellschaftern über die Wahl der Form der Beschlussfassung herzustellen, um anschließend einen entsprechenden Beschluss auf die Weise zu fassen, auf die man sich dabei verständigt hätte, um anschließend noch die Niederschrift dieses Beschlusses zu bewirken und sie jedem Gesellschafter abschriftlich zu übersenden. Dieses Verfahren unter der Geltung der einmonatigen Klageerhebungsfrist einzuhalten, erscheint nach den gesamten Umständen des Falles nicht zumutbar. Dabei können auch nicht Gegenstand und Art und Weise der streitgegenständlichen Beschlussfassungen außer Acht bleiben. Sie sind durch eine unübersehbare Überrumpelungsstrategie bei in der Sache einschneidenden Modifikationen bei der Geschäftsführung gekennzeichnet.

Nach alledem weist sich die angefochtene Kostenentscheidung im landgerichtliche Urteil als richtig und die sofortige Beschwerde war mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens und des Unterliegens der Beklagten bemisst sich nach der Höhe der im ersten Rechtszug angefallenen Kosten des Rechtsstreits.

Ende der Entscheidung

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