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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 30.03.2007
Aktenzeichen: 2 Ws 151/07 Vollz
Rechtsgebiete: GKG


Vorschriften:

GKG § 52 Abs. 1
Der Streitwert in Strafvollzugssachen ist angesichts der geringen finanziellen Leistungsfähigkeit der meisten Gefangenen eher niedrig festzusetzen, um zu gewährleisten, dass die Anrufung des Gerichts für den Betroffenen nicht mit einem unzumutbar hohen Kostenrisiko verbunden ist. Der in § 52 Abs. 2 GKG genannte Betrag von 5.000,-- EUR hat hier regelmäßig außer Betracht zu bleiben, da er nur ein subsidiärer Ausnahmewert ist.
Geschäftsnummer: 2 Ws 151/07 Vollz

In der Strafvollzugssache

des Strafgefangenen

wegen Verlegung

hat der 2. (ehemals 5.) Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 30. März 2007 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Rechtsanwalts H. gegen die Streitwertbestimmung in dem Beschluß des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 2. Februar 2007 wird verworfen.

Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Der Beschwerdewert beträgt 207,29 EUR.

Gründe:

Der Beschwerdeführer hat als Verfahrensbevollmächtigter des Strafgefangenen, der sich bis voraussichtlich dem 13. Dezember 2007 in Strafhaft befinden wird, Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid des Leiters der Justizvollzugsanstalt Plötzensee vom 3. August 2006 gestellt, mit dem er die Zulassung des Gefangenen zum offenen Vollzug abgelehnt hatte. Das Landgericht Berlin - Strafvollstreckungskammer - hat durch Beschluß vom 2. Februar 2007 den Bescheid aufgehoben und den Leiter der Justizvollzugsanstalt Plötzensee verpflichtet, den Antragsteller neu zu bescheiden. Gleichzeitig hat es Rechtsanwalt H. im Wege der Prozeßkostenhilfe dem Gefangenen beigeordnet, dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens auferlegt und den Streitwert auf 1000,-- EUR festgesetzt.

Der Verfahrensbevollmächtigte legte gegen die Streitwertbestimmung im eigenen Namen Beschwerde ein, mit der er die Heraufsetzung des Streitwerts auf 5.000,-- EUR erstrebt. Die Strafvollstreckungskammer hat die Beschwerde dem Senat vorgelegt; abgeholfen hat sie ihr nicht.

1. Die Streitwertbeschwerde ist zulässig.

a) Das Rechtsmittel ist als "isolierte" Streitwertbeschwerde - unabhängig von den Überprüfungsmöglichkeiten hinsichtlich der Sachentscheidung selbst - statthaft (vgl. OLG Hamm, Beschluß vom 18. Mai 2004 - 1 Vollz (Ws) 75/04 - bei www.burhoff.de und NStZ 1989, 495 = ZfStrVo 1990, 252; KG NStE Nr. 2 zu § 48 a GKG). Der Verfahrensbevollmächtigte ist aus eigenem Recht zur Einlegung des Rechtsmittels befugt, da er durch die Streitwertfestsetzung beschwert ist (vgl. KG aaO). Die Streitwertbeschwerde ist auch rechtzeitig erhoben worden (§§ 68 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1, 63 Abs. 3 Satz 2 GKG).

b) Das Rechtsmittel erreicht den nach §§ 1 Nr. 1 j, 68 Abs. 1 Satz 1 GKG erforderlichen Beschwerdewert von 200,-- EUR. Dieser bemißt sich nicht nach dem Unterschied des verlangten zum festgesetzten Gegenstandswert, sondern nach dem Unterschiedsbetrag der Gesamtvergütung, die sich jeweils nach der bisher festgesetzten und nach der verlangten Bewertung errechnet (vgl. Senat, Beschlüsse vom 16. Juni 2006 - 5 Ws 263/06 Vollz - und 18. Juli 2005 - 5 Ws 256/05 -).

Der Beschwerdeführer hat zu der Frage, ob der Beschwerdewert erreicht ist, nichts ausgeführt. Die Begründung der Streitwertbeschwerde läßt darauf schließen, daß der Beschwerdeführer eine streitwertabhängige Gebührenfestsetzung nach Nr. 3100 VV begehrt, der seinem Antrag zufolge ein Wert von 5.000,-- EUR zugrundegelegt werden sollte. Danach ist der Beschwerdewert für den Senat errechenbar und der Vortrag des Beschwerdeführers für die Zulässigkeit noch als ausreichend anzusehen (vgl. LAG Bremen NZA 2004, 1179). Der erforderliche Beschwerdewert wird erreicht.

Die begehrte Vergütung errechnet sich wie folgt:

 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV, §§ 13, 49 RVG (Streitwert 5.000,-- EUR)284,70 EUR
Post- und Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV20,00 EUR
Zwischensumme netto304,70 EUR
19% Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV57,89 EUR
Gesamtbetrag362,59 EUR.

Auf der Grundlage des festgesetzten Gegenstandswerts ergibt sich folgende Gegenrechnung:

 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV, §§ 13, 49 RVG (Streitwert 1.000,-- EUR)110,50 EUR
Post- und Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV20,00 EUR
Zwischensumme netto130,50 EUR
19% Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV24,80 EUR
Gesamtbetrag155,30 EUR.

Der Unterschiedsbetrag zu der festgesetzten Vergütung beträgt 207,29 EUR und übersteigt daher den sich aus § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG ergebenden Betrag von 200,-- EUR.

2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, da die durch die Strafvollstreckungskammer vorgenommene Streitwertfestsetzung nicht zu beanstanden ist.

a) Der Auffassung des Beschwerdeführers, im vorliegenden Fall sei gemäß § 52 Abs. 2 GKG ein Streitwert von 5.000,-- EUR anzusetzen, kann nicht gefolgt werden. § 52 Abs. 2 GKG, der gemäß § 60 GKG auf die Streitwertfestsetzung in gerichtlichen Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz entsprechende Anwendung findet, ist nur dann einschlägig, wenn der Sach- und Streitstand keine genügenden Anhaltspunkte bietet, um den Streitwert nach der Grundregel des nach § 60 GKG in Strafvollzugsverfahren ebenfalls anwendbaren § 52 Abs. 1 GKG zu bestimmen (vgl. zu § 13 GKG a.F. OLG Hamm, Beschluß vom 18. Mai 2004 - 1 Vollz (Ws) 75/04 - bei www.burhoff.de und NStZ 1989, 495; KG NStE Nr. 2 zu § 48 a GKG). Andernfalls ist der Wert nach der sich aus dem Antrag des Gefangenen für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (vgl. KG aaO; std. Rspr.). Eine Bemessung nach der Bedeutung der Sache für den Gefangenen aber ist hier möglich.

b) Bei der Streitwertbemessung nach § 52 Abs. 1 GKG sind die Tragweite der Entscheidung und die Auswirkungen zu berücksichtigen, die ein Erfolg des Antrags für den Gefangenen gehabt hätte (vgl. KG NStZ-RR 2002, 62). Der in § 52 Abs. 2 GKG genannte Betrag von 5.000,-- EUR hat hier außer Betracht zu bleiben; denn er ist ein subsidiärer Ausnahmewert, kein Ausgangswert, an den sich die Festsetzung nach Abs. 1 anzulehnen hätte (vgl. KG NStZ-RR 2002, 62; NStE Nr. 2 zu § 48 a GKG; Hartmann, Kostengesetze 37. Aufl., § 52 GKG Rdn. 17). Vielmehr ist der Streitwert in Strafvollzugssachen angesichts der geringen finanziellen Leistungsfähigkeit der meisten Gefangenen eher niedrig festzusetzen, da die Bemessung des Streitwerts aus rechtsstaatlichen Gründen nicht dazu führen darf, daß die Anrufung des Gerichts für den Betroffenen mit einem unzumutbar hohen Kostenrisiko verbunden ist (vgl. OLG Hamm, Beschluß vom 18. Mai 2004 - 1 Vollz (Ws) 75/04 - bei www.burhoff.de; OLG Nürnberg ZfStrVo 1986, 61; KG NStZ-RR 2002, 62; Kamann/ Volckart in AK-StVollzG 5. Aufl., § 121 Rdn. 9 f.; Arloth/ Lückemann, StVollzG, § 121 Rdn. 1; Calliess/Müller-Dietz, StVollzG 10. Aufl., § 121 Rdn. 1). Andererseits ist darauf zu achten, daß die gesetzlichen Gebühren hoch genug sein müssen, um die Tätigkeit des Verteidigers wirtschaftlich vertretbar erscheinen zu lassen und dem Gefangenen so die Inanspruchnahme anwaltlichen Beistandes zu ermöglichen (vgl. Kamann/Volckart, § 121 StVollzG Rdn. 10).

c) Die beantragte Rückverlegung in den offenen Vollzug einschließlich der mit ihm zuvor einhergehenden Vollzugslockerungen waren für den Gefangenen unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falles von einiger Bedeutung. Es ist zu berücksichtigen, daß die Gewährung von Vollzugslockerungen, die häufig den Verbleib im offenen Vollzug voraussetzen, und ihr beanstandungsfreier Verlauf regelmäßig für die Frage der Reststrafenaussetzung bedeutsam sind (vgl. KG NStE Nr. 2 zu § 48 a GKG); Lockerungen bieten einem Verurteilten die Möglichkeit, Tatsachen zu schaffen, die auf die Wahrscheinlichkeit künftiger Straffreiheit schließen lassen (vgl. Senat, Beschluß vom 29. Mai 2006 - 5 Ws 262/06 -). Von Bedeutung ist, daß das voraussichtliche Strafende etwas mehr als zwei Jahre - vom Zeitpunkt der Verlegung ab gerechnet - vor dem Gefangenen lag. Danach ist die Bestimmung des Streitwerts auf 1000,-- EUR nicht zu beanstanden. Denn sie entspricht der Streitwertfestsetzung in vergleichbaren Fällen (vgl. Kamann/ Volckart, § 121 StVollzG Rdn. 11) und trägt damit auch dem Grundsatz Rechnung, daß eine möglichst einheitliche Praxis der Gerichte bei der Streitwertbemessung anzustreben ist, um das Kostenrisiko für den Gefangenen überschaubar zu machen (vgl. OLG Hamm NStZ 1989, 495, 496; KG NStZ-RR 2002, 62, 63). Daß der Gefangene mit seinem Antrag nach § 109 Abs. 1 StVollzG nun schon zum zweiten Mal Erfolg hatte, wirkt sich auf den Gegenstandswert nicht aus. Der Abstand zum voraussichtlichen Ende der Strafhaft hat sich seither auf weniger als ein Jahr vermindert. Wenn die Strafvollstreckungskammer gleichwohl den Streitwert wiederum auf 1000,-- EUR festgesetzt hat, hat sie damit bereits der gehobenen Bedeutung für den Gefangenen Rechnung getragen, die darin bestand, daß er während der Lockerungen wirtschaftlich als Liquidator tätig war.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 68 Abs. 3 GKG.



Ende der Entscheidung

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