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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 15.06.2007
Aktenzeichen: 2 Ws 360/07
Rechtsgebiete: StPO, StGB
Vorschriften:
StPO § 458 Abs. 1 | |
StGB § 67c Abs. 1 |
2. Unzulässig ist der Vollzug jedenfalls dann, wenn sich der Verurteilte aufgrund vermeidbarer Verzögerungen bereits mehr als zwei Jahre im Maßregelvollzug befindet, ohne daß die Entscheidung nach § 67c Abs. 1 StGB getroffen worden ist. Eine Abwägung mit der aktuellen Gefährlichkeit des Verurteilten findet bei einer derartig starken Verzögerung nicht mehr statt.
KAMMERGERICHT Beschluß
Geschäftsnummer: 2 Ws 360/07 2 Ws 373/07 2 Ws 374/07 2 Ws 375/07 2 Ws 376/07 2 Ws 377/07 2 Ws 381/07
In der Strafsache gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
hat der 2. (ehemals 5.) Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 15. Juni 2007 beschlossen:
Tenor:
1. a) Auf die sofortigen Beschwerden des Verurteilten werden die Beschlüsse des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 2. Mai 2007 und vom 4. Juni 2007 aufgehoben, soweit sie die Einwendungen des Untergebrachten gegen die Zulässigkeit der Vollstreckung der faktisch vollzogenen Sicherungsverwahrung betreffen.
b) Die Vollstreckung der faktisch vollzogenen Sicherungsverwahrung ist bis zur Entscheidung darüber, ob der Zweck der Maßregel die Unterbringung noch erfordert (§ 67c StGB), unzulässig.
c) Die Unterbrechung der Vollstreckung der Sicherungsverwahrung wird angeordnet (§ 458 Abs. 3 Satz 1 StPO).
d) Insoweit hat die Landeskasse Berlin die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Beschwerdeführer in diesem Rechtszug entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
2. a) Die sofortigen und einfachen Beschwerden gegen die weiteren in dem Beschluß des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 2. Mai 2007 getroffenen Entscheidungen werden als unzulässig verworfen.
b) Insoweit hat der Beschwerdeführer die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht Berlin hat den Beschwerdeführer am 1. Oktober 1998 wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt und die anschließende Sicherungsverwahrung angeordnet. Die Freiheitsstrafe war am 27. Februar 2005 vollstreckt. Als Ablaufdatum von zehn Jahren der Sicherungsverwahrung ist (unter Berücksichtigung des während der Strafhaft entstandenen Arbeitszeitguthabens nach § 43 Abs. 9 StVollzG) der 20. Februar 2015 vermerkt.
A.
Die nach § 67c Abs. 1 StGB vor dem Ende des Vollzugs der Strafe gebotene Prüfung, ob der Zweck der Maßregel die Unterbringung noch erfordert, ist nicht abgeschlossen; der Beschwerdeführer befindet sich seit mehr als zwei Jahren in sogenannter faktischer Sicherungsverwahrung.
Der Senat hat mit Beschluß vom 12. April 2007 - 2 Ws 186/07 - der Untätigkeitsbeschwerde des Untergebrachten stattgegeben und dem Landgericht eine Frist zur Entscheidung bis zum 12. Juni 2007 gesetzt. Zur Frage der Fortdauer der Unterbringung hat er ausgeführt:
"Der Senat ist auf die in der Beschlußformel niedergelegten Entscheidungen beschränkt. Die Verletzung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG führt nicht automatisch zur Entlassung des Beschwerdeführers aus der Sicherungsverwahrung (vgl. BVerfGK 4, 176 = NStZ-RR 2005, 92, 94). Die Prüfung durch die Strafvollstreckungskammer ist im Streitfall zwar in weitaus größerem Maße verzögert worden als in dem von dem Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall. Ferner hat eine gerichtlich verschuldete Verzögerung von zehn Monaten schon einmal zu einer Unterbrechung der Vollstreckung der Sicherungsverwahrung geführt, weil die Abwägung der Grundrechte des Verurteilten gegenüber dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit den Vorrang der Grundrechte ergab (vgl. OLG Düsseldorf NJW 1993, 1087). Die Unterbrechung der Sicherungsverwahrung darf aber nur in dem für sie vorgesehenen Verfahren angeordnet werden. Sie wäre nur nach § 458 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz StPO möglich. Voraussetzung dafür wäre, daß der Senat mit einer sofortigen Beschwerde (§ 462 Abs. 3 Satz 1 StPO) gegen eine Entscheidung der Strafvollstreckungskammer in einem Verfahren nach § 458 Abs. 1 StPO befaßt wäre (vgl. Senat, Beschluß vom 26. Juli 1996 - 5 Ws 383/96 -). Das ist hier nicht der Fall. Der Verurteilte hat zu keinem Zeitpunkt gegenüber der Vollstreckungsbehörde die Unzulässigkeit der Vollstreckung geltend gemacht."
I. 1. Daraufhin beantragte der Verteidiger des Beschwerdeführers mit Schriftsatz vom 18. April 2007 - unter Setzung einer Frist von drei Tagen - bei dem Landgericht Berlin - Strafvollstreckungskammer - die Unterbrechung der Vollstreckung "gemäß § 458 Abs. 3 Satz 1 StPO". Zur Begründung führte er aus, daß die weitere Vollstreckung der Unterbringung aus den Gründen des vorgenannten Beschlusses des Senats unzulässig sei. Mit Schriftsatz vom 24. April 2007 wiederholte er diesen Antrag - einschließlich der Fristsetzung. Das Landgericht, dem das Vollstreckungsheft nicht vorlag, erforderte dessen Übersendung und wartete ab, bis es am 30. April 2007 bei ihm eintraf. Mit dem angefochtenen Beschluß vom 2. Mai 2007 hat es den Antrag auf Unterbrechung der faktischen Sicherungsverwahrung abgelehnt; die Staatsanwaltschaft war mit dem Antrag bis dahin nicht befaßt.
2. Mit Schriftsatz vom 10. Mai 2007 wandte sich der Verteidiger nunmehr an die Vollstreckungsbehörde und beantragte, die Vollstreckung zu beenden; sie sei aus den Gründen des Beschlusses des Senats unzulässig. Mit Verfügung vom 16. Mai 2007 lehnte die Staatsanwaltschaft den Antrag ab. Die Einwendungen des Verteidigers gegen diese Entscheidung hat die Strafvollstreckungskammer mit dem ebenfalls - insoweit - angefochtenen Beschluß vom 4. Juni 2007 zurückgewiesen.
3. Die sofortigen Beschwerden (§ 462 Abs. 3 Satz 1 StPO in Verbindung mit §§ 458 Abs. 1 Satz 2, 462 Abs. 1 Satz 1 StPO) gegen diese Entscheidungen sind zulässig - diejenige gegen den Beschluß vom 2. Mai 2007 deshalb, weil er inhaltlich nicht nur einen Antrag nach § 458 Abs. 3 Satz 1 StPO ablehnt (vgl. zur Unanfechtbarkeit insoweit OLG Nürnberg NStZ 2003, 390; Senat, Beschluß vom 12. Mai 2005 - 5 Ws 218/05 -), sondern auf die gegenläufigen Antragsgründe des Beschwerdeführers hin die fortdauernde Zulässigkeit der Vollstreckung feststellt. Die Rechtsmittel sind auch begründet.
II. Der Verurteilte persönlich hat (soweit hier Gegenstand des Beschwerdeverfahrens) seit dem Beschluß des Senats vom 12. April 2007 folgende Anträge gestellt:
1. am 22. April 2007: Beauftragung des Arztes Dr. L... als weiteren Sachverständigen (Nr. III im Beschluß der Strafvollstreckungskammer),
2. am 23. April 2007: Ablehnung des Arztes Prof. Dr. Dr. B... als Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit (Nr. V),
3. am 23. April 2007: Ablehnung des Psychologen Sch... als Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit (Nr. IV),
4. am 27. April 2007: Ablehnung des Vorsitzenden Richters am Landgericht G..., des Richters am Landgericht L... und der Richterin am Landgericht B... wegen der Besorgnis der Befangenheit (Nr. I),
5. am 27. April 2007: Beschwerde wegen Untätigkeit der Kammer hinsichtlich des Antrages nach § 458 Abs. 3 StPO (Nr. VI).
Die Strafvollstreckungskammer wies diese Anträge mit den angefochtenen Entscheidungen in dem Beschluß vom 2. Mai 2007 sämtlich zurück, die Beschwerde zu II. 5. im Wege der Nichtabhilfe. Die sofortigen Beschwerden zu den Punkten 1. und 4. und die (einfachen) Beschwerden zu 2. und 3. sind unzulässig.
B.
I.
1. Der Beschluß des Landgerichts vom 2. Mai 2007 muß schon deshalb aufgehoben werden, weil die Strafvollstreckungskammer das gebotene Verfahren nicht eingehalten hat, bevor sie den Antrag zurückgewiesen hat.
a) Eine Unterbrechung der Vollstreckung nach § 458 Abs. 3 StPO ist auch von Amts wegen möglich; sie setzt nicht notwendig einen Antrag nach dieser Vorschrift, jedoch immer das Vorhandensein eines Verfahrens nach § 458 Abs. 1 oder 2 StPO voraus. Ein auf § 458 Abs. 3 StPO gestützter Antrag - wie der vom 18. April 2007 - hätte keine sachliche Grundlage, wenn sein Gegenstand nicht in einem der beiden anderen Absätze der Vorschrift wurzelte. In Betracht kam hier - dessen Begründung zufolge eindeutig - eine Einwendung gegen die Zulässigkeit der Vollstreckung. Als solche - und nicht ausschließlich nach § 458 Abs. 3 StPO - hätte sie auch behandelt werden müssen. Diese Einwendung ist gemäß § 458 Abs. 1 Satz 2 StPO aber als "Einwendung gegen die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde" ausgestaltet. Der Verurteilte muß sich also zunächst immer an diese wenden. Geschieht das nicht, so muß das Gericht, bei dem der Antrag eingeht - hier: das Landgericht -, den Antrag zunächst der Vollstreckungsbehörde zuleiten, um dieser deren Entschließung zu ermöglichen. Zuvor ist es nicht zur Entscheidung berufen; denn es handelt sich bei seinem Beschluß um eine Überprüfungsentscheidung (vgl. OLG Stuttgart OLGSt § 458 StPO Nr. 1; Die Justiz 1984, 288; OLG Koblenz RPfleger 1978, 148; Fischer in KK-StPO 5. Aufl., § 458 Rdn. 3; Stöckel in KMR, § 458 Rdn. 15). Diese Zusammenhänge haben sowohl der Antragsteller als auch das Gericht verkannt. Die Strafvollstreckungskammer hat auf die Rückkehr des Vollstreckungshefts von der Staatsanwaltschaft gewartet, anstatt ihr zunächst den Antrag des Verteidigers zuzuleiten. Dem Beschluß vom 2. Mai 2007 liegt mithin keine Entschließung der Staatsanwaltschaft zugrunde.
b) Zur Entscheidung berufen war die Strafvollstreckungskammer jedoch bei ihrem Beschluß vom 4. Juni 2007, nachdem zuvor das vorgeschriebene Verfahren eingehalten worden war.
2. Die Vollstreckung der faktischen Sicherungsverwahrung ohne eine Entscheidung nach § 67c Abs. 1 StGB ist unzulässig geworden.
a) Das gesetzliche Leitbild des Verfahrens über die nach § 67c Abs. 1 StGB gebotene Prüfung sieht grundsätzlich vor, daß rechtzeitig vor dem Ende der zugleich mit der Anordnung der Maßregel verhängten Strafe rechtskräftig über den Beginn der Sicherungsverwahrung entschieden wird (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl., § 67c Rdn. 4 mit weit. Nachw.). Für die zeitliche Komponente des Beginns der Prüfung und ihrer Durchführung sind zwei Begrenzungen von Bedeutung: Zum einen soll nicht zu früh vor dem Ende der Strafe entschieden werden, weil sonst möglicherweise ein Teil der Entscheidungsgrundlage fehlt (vgl. BVerfGE 42, 1 = NJW 1976, 1736, 1737; BVerfG NStZ-RR 2003, 169; OLG Stuttgart NStZ 1988, 45). Zum anderen birgt das zu nahe Heranrücken der Entscheidung an das Strafende die Gefahr, die Entscheidung aus verfahrenstechnischen Gründen nicht mehr rechtzeitig treffen zu können. Wegen der Unwägbarkeiten des Verfahrens, insbesondere der Verfahrenshandlungen des Verurteilten, auf die das Gericht keinen Einfluß hat (etwa die Geltendmachung seiner Verhandlungsunfähigkeit oder eine unüblich hohe Anzahl von Anträgen; vgl. Senat, Beschluß vom 19. Januar 2007 - 2/5 Ws 688/06 -), sind die Strafvollstreckungskammern nicht immer in der Lage, ihre Entscheidung rechtzeitig vor dem Strafende zu treffen. Die Allgemeine Verfügung der Senatsverwaltung für Justiz über die Mitwirkung der Justizvollzugsanstalten bei Entscheidungen der Strafvollstreckungskammern (gemäß § 6 Abs. 2 b AZV) vom 5. Dezember 2000 sehen daher in § 4 Abs. 1 Buchstabe a) vor, daß die Justizvollzugsanstalt der Staatsanwaltschaft die erforderlichen Unterlagen neun Monate vor dem voraussichtlichen Strafende vorlegt, was der Senat für sachgerecht hält.
Kommt es nicht rechtzeitig zu einer rechtskräftigen Entscheidung, so ist der Untergebrachte allerdings aufgrund der Fortwirkung der im Urteil angeordneten Sicherungsverwahrung zunächst in faktischer Sicherungsverwahrung zu halten. Grundsätzlich begründet § 67c Abs. 1 StGB keine gesetzliche Pflicht, den Verurteilten auf freien Fuß zu setzen, falls die Strafvollstreckungskammer (geschweige denn das Beschwerdegericht) nicht rechtzeitig zum Strafende entscheiden. Das Bundesverfassungsgericht hat in dem vorgenannten Beschluß vom 9. März 1976 - 2 BvR 618/75 - (BVerfGE 42, 1 = NJW 1976, 1736, 1737) zu Recht darauf hingewiesen, daß die Auslegung, eine nicht rechtzeitige Entscheidung führe automatisch zur Unzulässigkeit der weiteren Vollstreckung mit den Interessen einer geordneten Strafrechtspflege nicht vereinbar wäre. Denn aus Sicht des Verurteilten böte sich diesem ein verstärkter Anreiz zur Verfahrensverzögerung, während das Gericht sich zunehmend der Versuchung ausgesetzt sähe, unter Hintanstellung sachlicher Erwägungen auf jeden Fall zeitgerecht zu entscheiden (vgl. BVerfG aaO). Gegen den Vollzug der Sicherungsverwahrung bestehen bei nicht zeitgerechter Entscheidung mithin nur dann verfassungsrechtliche Bedenken, wenn die Strafvollstreckungskammer entweder bei Strafende noch nicht mit der Prüfung begonnen oder aber trotz rechtzeitigen Beginns aufgrund vermeidbarer Fehler oder Verzögerungen nicht binnen angemessener Frist entschieden hat (vgl. BVerfG aaO). Ferner führt selbst die Verletzung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG durch die vermeidbare Verzögerung der Entscheidung (nach § 67c Abs. 1 StGB oder im Verfahren nach § 67e StGB) nicht automatisch zur Freilassung des Untergebrachten. Denn das mit dem Maßregelvollzug verfolgte Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit vor zu erwartenden Rechtsgutverletzungen tritt noch nicht zurück, wenn das grundrechtlich gebotene Verfahren nur um einige Monate verzögert wurde (vgl. BVerfGK 4, 176 = RuP 2005, 198 mit Anm. Pollähne = NStZ-RR 2005, 92, 93).
b) Unter Anwendung dieser Grundsätze läßt sich die Vollstreckung der faktischen Sicherungsverwahrung gegen den Beschwerdeführer nicht mehr rechtfertigen. Dieser Zustand war bereits erreicht, als der Senat am 12. April 2007 die Untätigkeitsbeschwerde des Verurteilten für begründet erachtete, mangels einer passenden Verfahrenslage aber keine Entscheidung nach § 458 Abs. 1 oder 3 StPO treffen konnte. Der Verfahrensgang nach dem vorbezeichneten Beschluß des Senats, der sich durch verstärkte Bemühungen der Strafvollstreckungskammer einerseits sowie ein äußerst reges Antragsverhalten und eine im bisherigen Verfahrensverlauf nicht vorhanden gewesene Verweigerungshaltung des Verurteilten andererseits auszeichnet, ändert daran nichts mehr. Daher ist es für die Beurteilung der Ursachen der Verfahrensverzögerung auch ohne Belang, daß es der Strafvollstreckungskammer nicht gelungen ist, die von dem Senat gesetzte Frist zur Entscheidung einzuhalten; denn daran ist sie - seit April 2007 - nicht durch eigenes Verschulden gehindert gewesen.
c) Feste zeitliche Grenzen zur Entscheidung der Frage, von welchem Grad der Überschreitung des in § 67c Abs. 1 StGB vorgegebenen Zeitpunkts die Vollstreckung unzulässig wird, gibt es nicht. Das OLG Düsseldorf hat in dem Beschluß vom 28. Juli 1992 - 2 Ws 303/92 - (NJW 1993, 1087) die Auffassung Horstkottes (vgl. LK-StGB 10. Aufl., § 67c Rdn. 28) nicht übernommen, dies sei immer nach drei Monaten der Fall. Es hat jedoch eine zehnmonatige Überschreitung, die ausschließlich im Bereich der Justiz zu verantworten war, für unvereinbar mit der weiteren Vollstreckung erachtet, ohne daß es eine prognostische Abwägung mit der Gefährlichkeit des Verurteilten getroffen hat. Der Senat teilt die Auffassung, daß die Zulässigkeit der weiteren Vollstreckung nicht von festen Zeiträumen oder Zeitpunkten abhängen kann. Die Unwägbarkeiten des Verfahrensverlaufs sind zu groß; dem Verurteilten stehen Verfahrensrechte wie dasjenige auf ausreichende Gewährung des rechtlichen Gehörs, die Ablehnung von Gerichtspersonen oder die Verteidigung durch den von ihm gewählten Rechtsanwalt zu, die eine Bestimmung der zeitlichen Abläufe ausschließlich durch das Gericht nicht zulassen. Die Geschehnisse seit dem Beschluß des Senats vom 12. April 2007 geben dafür ein beredtes Beispiel. Die Überschreitung des vom Gesetz vorgesehenen Zeitpunkts ist deshalb umso mehr von einem Verurteilten hinzunehmen, je mehr er selbst oder sein Verteidiger zu der Verzögerung beigetragen haben (vgl. Beschlüsse des Senats vom 6. Juni 2007 - 2 Ws 327/07 - und 19. Januar 2007 - 2/5 Ws 688/06 -). Hingegen kann die Zulässigkeit der weiteren Vollstreckung nicht von einer Abwägung mit der Gefährlichkeitsprognose abhängen. Ob Verfahrensmängel die Grundrechte des Untergebrachten in einer Weise verletzt haben, aus denen sich der Zwang zur (ggf. vorübergehenden) Freilassung ergibt, ist eine verfahrensrechtliche Frage, die von der sachlich-rechtlichen der Gefährlichkeitsprognose zu scheiden ist. Insoweit liegen die Dinge ähnlich wie im Verfahren nach §§ 121, 122 StPO, in dem Bearbeitungsmängel ebenfalls auch dann zur Aufhebung des Haftbefehls führen, wenn der Beschuldigte gefährlich ist.
d) Im vorliegenden Fall ist die Fortdauer der Unterbringung ohne Entscheidung in der Sache auf keinen Fall mehr vertretbar. Eine Verfahrensdauer von mehr als zwei Jahren hat der Senat in Rechtsprechung und Schrifttum bislang nicht finden können. Sie ist extrem ungewöhnlich und rechtfertigt den Schluß, die Strafvollstreckungskammer habe die zeitlichen Grenzen der Prüfung nach § 67c Abs. 1 StGB und deren grundrechtliche Bedeutung grundlegend aus den Augen verloren (vgl. BVerfGK 4, 176). Dafür, daß es bei einer Verfahrensdauer ab zwei Jahren keiner vertieften Abwägung mehr bedarf, spricht der gesetzliche Auftrag, nach zwei Jahren bereits die turnusmäßige Überprüfung der Unterbringung vorzunehmen (§ 67e StGB). Daraus läßt sich zwar keine starre Regel ableiten, daß nach zwei Jahren - unabhängig von dem Verschulden an der Verzögerung, das ja theoretisch vollständig bei einem Verurteilten liegen kann - der weitere Vollzug immer unzulässig wäre. Denn die Zwei-Jahres-Frist beginnt erst mit der Rechtskraft der Entscheidung nach § 67c Abs. 1 StGB. Der Gedanke des Gesetzgebers eines regelmäßigen Prüfungsturnus von zwei Jahren gibt aber einen Hinweis darauf, daß die Fortdauer einer nur faktischen Unterbringung über diese Zeitspanne hinaus einen ganz ungewöhnlichen, durch massive Verfahrenssabotage des Verurteilten geprägten, Verfahrensverlauf voraussetzt. Davon kann hier - jedenfalls bis zum April 2007, worauf es hier ankommt - keine Rede sein.
Die Auffassung der Vollstreckungsbehörde, das Verteidigungsverhalten des Beschwerdeführers habe maßgeblich zu der Verzögerung beigetragen, teilt der Senat nicht.
Wegen des Ablaufs des Verfahrens nimmt der Senat auf die Darstellung in seinem Beschluß vom 12. April 2007 - 2 Ws 186/07 - Bezug, den er an dieser Stelle nicht in Gänze wiederholt. Besonders starke Verzögerungen traten durch folgende Abläufe ein:
aa) Zwischen der Anhörung am 27. Oktober 2004, nach der Einigkeit bestand, daß zur Entscheidung ein neues Gutachten erstellt und herangezogen werden müsse, dauerte es bis zum 17. Dezember 2004, daß die Kammer den Sachverständigen Prof. Dr. Dr. B... mit der Begutachtung des Verurteilten beauftragte. Eine vorherige Absprache über die zeitliche Gestaltung der Gutachtenerstattung fand nicht statt.
bb) Erst am 15. September 2005 lag das Gutachten vor, obwohl der Verurteilte sich der Begutachtung gestellt hatte. Die Begründung, die Verzögerung sei dadurch verursacht worden, daß der Gutachter längere Zeit auf die Zustimmung des Beschwerdeführers zu einem Gespräch mit dessen Mutter gewartet habe, rechtfertigt die Verzögerung nicht; denn die Endgültigkeit der Weigerung stand recht früh fest. Das Gericht sah von der Leitung des Gutachters in zeitlicher Hinsicht ausdrücklich ab.
cc) Am 22. September 2005 leitete der Vorsitzende das Gutachten dem Verteidiger und der Staatsanwaltschaft zu. Der Verteidiger bat am 4. Oktober 2005 erfolgreich um Fristverlängerung, beantragte am 21. Oktober 2005 Akteneinsicht und die Beiziehung weiterer Akten. Am 12. Dezember 2005 nahm er umfangreich Stellung. Er setzte sich inhaltlich kritisch mit dem Gutachten auseinander und beantragte die Erstellung eines weiteren Gutachtens. Nachdem die Justizvollzugsanstalt Tegel am 11. Januar 2006 erneut über den Verurteilten berichtet hatte, beschloß die Strafvollstreckungskammer am 1. Februar 2006, der Gutachter solle sachverständig - wegen der Eilbedürftigkeit bevorzugt - zu den Einwendungen des Verteidigers Stellung nehmen, was Prof. Dr. Dr. B... am 20. April 2006 in einer umfangreichen Schrift tat. Hierzu äußerte sich der Verteidiger am 14. Juni 2006.
Zu dieser insgesamt neunmonatigen Dauer der schriftlichen Auseinandersetzung mit dem Gutachten haben die ungewöhnlich langen Einlassungsfristen für den Verteidiger nur mit vier Monaten beigetragen. Daß er dem Gutachten mit eingehenden Ausführungen entgegengetreten ist, rechtfertigt nicht die Bewertung durch die Vollstreckungsbehörde, daß derjenige, der sich intensiv verteidigt, Verzögerungen hinnehmen müsse.
dd) Am 29. Juli 2006, knapp anderthalb Jahre nach dem Strafende, griff erstmals der Verurteilte schriftlich ins Verfahren ein. Er erhob eine Untätigkeitsbeschwerde, die er am 8. August 2006 ergänzte. Ebenfalls am 29. Juli 2006 lehnte er mit einem weiteren Schreiben die Richter der Strafvollstreckungskammer wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Über das Ablehnungsgesuch entschied die Kammer erst fast fünf Monate später, am 16. Dezember 2006. Die Bearbeitung der Untätigkeitsbeschwerde dauerte noch länger:
Am 22. Januar 2007 beschloß die Kammer, der Beschwerde nicht abzuhelfen. Erst am 9. März 2007 ging sie bei dem Senat ein.
Das sind Bearbeitungszeiten, die mit einem geordneten Verfahrensgang grundlegend unvereinbar sind, wenn es um die Fortdauer einer freiheitsentziehenden Maßregel geht. Die Begründung der Strafvollstreckungskammer in ihrem Beschluß vom 2. Mai 2007, die Vorlage der Untätigkeitsbeschwerde an den Senat binnen der in § 306 Abs. 2 2. Halbsatz StPO sei nicht möglich gewesen, weil zunächst über das Ablehnungsgesuch hätte entschieden werden müssen, bevor sicher gewesen wäre, welche Richter zur Entscheidung über die Abhilfe berufen gewesen wären, ist nicht vertretbar. Sieht man die Abhilfeentscheidung als Eilentscheidung an, dann sind die abgelehnten Richter dafür zuständig. Vertritt man die Gegenansicht, so müssen die zur Vertretung Berufenen über die Abhilfe beschließen. Auf keinen Fall aber kann der gesetzliche Befehl des § 306 Abs. 2 2. Halbsatz StPO durch das Vorhandensein eines Ablehnungsgesuchs (dessen Zurückweisung dann auch noch mehr als vier Monate gedauert hat) beseitigt werden.
Diese Verfahrensgestaltung war insgesamt so ungewöhnlich verzögerlich, daß das Maß der Verletzung des Grundrechts des Verurteilten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG zur Unzulässigkeit der Vollstreckung der faktischen Sicherungsverwahrung führt.
Der Senat hebt daher die angefochtenen Beschlüsse insoweit auf und trifft die erforderliche Anordnung nach § 458 Abs. 3 Satz 1 StPO.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 467 Abs. 1, 473 Abs. 3 StPO.
II.
Die übrigen Rechtsmittel sind unzulässig.
1. Antrag auf Bestellung des Arztes Dr. L... als weiteren Sachverständigen: Die sofortige Beschwerde (richtig wäre: <einfache> Beschwerde) ist unzulässig; denn vorbereitende Entscheidungen und Verfügungen eines erkennenden Gerichts können nach § 305 StPO Satz 1 StPO grundsätzlich nicht und nach § 305 Satz 2 StPO nur dann mit der Beschwerde angefochten werden, wenn sie Verhaftungen, die einstweilige Unterbringung, Beschlagnahmen, die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis, das vorläufige Berufsverbot oder die Festsetzung von Ordnungs- oder Zwangsmitteln betreffen. Die Strafvollstreckungskammer ist ein erkennendes Gericht; denn sie hat die für ihre Entscheidung bedeutsamen Umstände in eigener Verantwortung zu ermitteln (vgl. ThürOLG Jena NJW 2006, 3794, 3796; OLG Düsseldorf NStZ-RR 1999, 29 = StraFO 1998, 429 = StV 1998, 670 Ls; StV 1987, 30, 31; OLG Hamm NStZ 1987, 93; KG NStZ 2001, 448; Beschlüsse vom 19. April 2006 - 5 Ws 105/06 -; 9. März 2001 - 5 Ws 104-105/01 - und 20. März 2000 - 5 Ws 207/00 -; Fischer in KK-StPO, § 454 Rdn. 34; Meyer-Goßner, StPO 49. Aufl., § 454 Rdn. 43). Eine der in § 305 Abs. 2 StPO aufgeführten Ausnahmen liegt nicht vor. Die Bestellung eines Sachverständigen und dessen Auswahl sind Entscheidung, durch welche die endgültige sachliche Bewertung vorbereitet wird und die daher der gesonderten Anfechtung nicht unterliegen (vgl. OLG Düsseldorf NStE Nr. 1 zu § 28 StPO = NStZ-RR 1999, 29 = StraFO 1998, 429 = StV 1998, 670 Ls; MDR 1986, 256 = JMBlNW 1987, 70 = StV 1987, 30; JMBlNW 1986, 32; OLG Hamm NStZ 1987, 93; KG aaO).
2. und 3. Soweit der Verurteilte die Zurückweisung seiner Ablehnungsgesuche gegen die Sachverständigen Prof. Dr. Dr. B... und den Psychologen Sch... angreift, ist die Beschwerde ebenfalls aus denselben Gründen wie zu 1. nach § 305 StPO unzulässig (vgl. Meyer-Goßner, § 74 StPO Rdn. 20 mit weit. Nachw.).
4. Beschlüsse, mit denen Anträge auf Ablehnung von Richtern einer Strafvollstreckungskammer wegen der Besorgnis der Befangenheit zurückgewiesen worden sind, können nur zusammen mit der Endentscheidung angefochten werden, weil die Strafvollstreckungskammer im Vollstreckungsverfahren ein erkennendes Gericht ist (vgl. OLG Brandenburg NStZ 2005, 296; OLG Düsseldorf JMBlNW 1987, 70 = NStZ 1987, 290 mit abl. Anm. Chlosta NStZ 1987, 292; Senat NStZ 2001, 448 und Beschluß vom 22. Januar 2003 - 5 Ws 39-40/03 -; a.A. OLG Saarbrücken, Beschluß vom 6. Februar 2007 - 1 Ws 18/07 - juris; OLG München, Beschluß vom 18. März 1988 - 2 Ws 87/88 -; weit. Nachw. bei Meyer-Goßner, § 28 Rdn. 6). Die Rechtslage mag anders zu beurteilen sein, wenn die Strafvollstreckungskammer ausschließlich mit einem Verfahren nach § 458 Abs. 1 StPO befaßt ist. Denn dann ist ihr eine Überprüfungsentscheidung aufgegeben, die eine eigenständige Ermittlung eines Lebenssachverhalts nicht notwendig erfordert. Das kann hier aber dahingestellt bleiben; denn die Kammer war während ihrer Befassung mit in § 458 StPO geregelten Rechtsfragen gleichzeitig immer erkennendes Gericht, weil das Verfahren nach § 67c StGB bei ihr anhängig war und eine Trennung der Ablehnungsgründe nach beiden Verfahrensarten nicht möglich ist.
5. Der Verurteilte hat mit der Untätigkeitsbeschwerde keinen Erfolg. Auch dieses Rechtsmittel ist unzulässig.
Denn die Unterlassung einer rechtlich gebotenen Entscheidung kann zwar ebenso angefochten werden, wie eine für den Beschwerdeführer ungünstige Entscheidung (vgl. Meyer-Goßner, StPO 49. Aufl., § 304 Rdn. 3). Da bei einer Beschwerde gegen eine Unterlassung eine nachprüfbare Entscheidung fehlt, findet das Beschwerdegericht aber nur dann einen Verfahrensgegenstand vor, über den es entscheiden könnte, wenn das Untätigbleiben einer beschwerdefähigen stillschweigenden (ablehnenden) Entscheidung gleichkommt (vgl. OLG Frankfurt am Main NStZ-RR 2002, 188; Meyer-Goßner, § 309 StPO Rdn. 5). So ist es hier nicht. Denn die Strafvollstreckungskammer hat mit der Entscheidung auf die Anträge "nach § 458 Abs. 3 StPO" nur zugewartet, weil sie auf die Akten wartete. Nach deren Eintreffen hat sie sogleich ihren Beschluß gefaßt. Daß sie dabei eine gesetzlich gebotene Reihenfolge des Prozedierens nicht eingehalten hat, begründet keine stillschweigende ablehnende Entscheidung. Die Untätigkeitsbeschwerde wäre ferner dann zulässig, wenn die Säumnis zwar nicht einer endgültigen Entscheidung gleichkommt, die durch die Säumnis möglicherweise verursachte Verletzung eines Grundrechts aber von gleichem Gewicht wie eine endgültige Ablehnung ist (vgl. BVerfGK 4, 176 = NStZ-RR 2005, 92, 94; ThürOLG Jena NJW 2006, 3794, 3796). Angesichts dessen, daß es hier um wenige Tage ging, trifft auch diese Begründung der Zulässigkeit im Streitfall nicht zu. Hinsichtlich der Förderung des Verfahrens nach § 67c Abs. 1 StGB hat die Strafvollstreckungskammer nach dem Beschluß des Senats vom 12. April 2007 - 2 Ws 186/07 - die erforderliche Zügigkeit an den Tag gelegt. Daß sie noch nicht zu einer Sachentscheidung gefunden hat, lag nicht an ihrer Säumnis.
6. Die Kostenentscheidung folgt in diesem Teil der Entscheidung aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
Ende der Entscheidung
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