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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 13.08.2007
Aktenzeichen: 2 Ws 401/07 Vollz
Rechtsgebiete: StVollzG


Vorschriften:

StVollzG § 159
Eine Vollzugsplankonferenz ist in erster Linie eine Dienstbesprechung von Vollzugsmitarbeitern. Externe Personen, wie der Verteidiger oder auswärtige Therapeuten können, müssen aber nicht hinzugezogen werden.
Geschäftsnummer: 2 Ws 401/07 Vollz

In der Strafvollzugssache

wegen Vollzugsplans

hat der 2. (ehemals 5.) Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 13. August 2007 beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde des Gefangenen gegen den Beschluß des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 18. Mai 2007 wird als unzulässig verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten der Rechtsbeschwerde zu tragen.

Damit erledigt sich sein Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung.

Der Antrag des Gefangenen auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Gefangene verbüßt eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten mit Anordnung anschließender Sicherungsverwahrung wegen Vergewaltigung eines dreizehn Jahre alten Mädchens in der Justizvollzugsanstalt Tegel. Im Mai 2004 wurde er in die Sozialtherapeutische Anstalt (SothA) verlegt, im Dezember 2004 aus in seiner Person liegenden Gründen wieder herausverlegt, so daß er jetzt in der TA III untergebracht ist. Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung wendet er sich gegen die in der Vollzugsplankonferenz vom 8. März 2007 erarbeiteten Ergebnisse, die ihren Niederschlag in der Vollzugsplanfortschreibung vom selben Tage gefunden haben. Wegen des Inhalts der Fortschreibung verweist der Senat auf den angefochtenen Beschluß. Die Konferenz habe nicht unter Beteiligung aller wesentlich mit der Behandlung des Gefangenen befaßten Personen stattgefunden. Ihre Ergebnisse seien aufgrund von Aufklärungs- und Beurteilungsmängeln auch inhaltlich falsch und verstießen gegen die gesetzlichen Bestimmungen. Mit dem angefochtenen Beschluß hat die Strafvollstreckungskammer den Antrag verworfen. Mit seiner Rechtsbeschwerde rügt der Gefangene die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das form- und fristgerecht eingelegte Rechtsmittel bleibt ebenso ohne Erfolg wie die Anträge des Gefangenen auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe und den Erlaß einer einstweiligen Anordnung.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil sie die Voraussetzungen des § 116 Abs. 1 StVollzG nicht erfüllt.

1. Die Verfahrensrüge ist als Aufklärungsrüge entgegen § 118 Abs. 2 Satz 2 StVollzG nicht ausreichend ausgeführt und schon deshalb unzulässig. Sie erschöpft sich in der Mitteilung, die Strafvollstreckungskammer unterliege der Aufklärungspflicht und in der Verweisung auf die Ausführungen zur Sachrüge sowie - unzulässig - auf den Akteninhalt.

Zu Unrecht beanstandet der Gefangene auch, die Kammer habe nicht deutlich gemacht, ob sie seinen Antrag als unzulässig oder als unbegründet zurückgewiesen hat. Seite 4 der Beschlußausfertigung beginnt mit den Worten: "Der zulässige Antrag ist nicht begründet."

2. Zur Fortbildung des Rechts wäre die Rechtsbeschwerde mit der Sachrüge zulässig, wenn der Einzelfall Anlaß gäbe, bei der Auslegung von Rechtssätzen und der rechtsschöpferischen Ausfüllung von Gesetzeslücken Leitsätze aufzustellen und zu festigen (vgl. BGHSt 24, 15, 21; HansOLG Bremen ZfStrVO 1991, 309; Senat, Beschluß vom 26. Januar 2007 - 2/5 Ws 702/06 Vollz -; Calliess/Müller-Dietz, StVollzG 10. Aufl., § 116 Rdn. 2; Arloth/Lückemann, StVollzG, § 116 Rdn. 3, jew. mit weit. Nachw.). Das Rechtsbeschwerdegericht soll die Möglichkeit haben, seine Rechtsauffassung in einer für die nachgeordneten Gerichte richtunggebenden Weise zum Ausdruck zu bringen oder durch die Vorlage nach § 121 Abs. 2 GVG an den Bundesgerichtshof dessen Grundsatzentscheidung herbeizuführen. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, daß die in Rede stehende Rechtsfrage von praktischer Bedeutung, entscheidungserheblich und klärungsbedürftig ist, also offen, zweifelhaft oder bestritten (vgl. OLG Düsseldorf VRS 85, 373, 374 mit weit. Nachw.). Derartige klärungsbedürftige Rechtsfragen deckt die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung nicht auf.

a) Die Frage, welche Personen zwingend an einer Vollzugsplankonferenz beteiligt werden müssen, ist obergerichtlich geklärt. Das sind gemäß § 159 StVollzG diejenigen Personen, die maßgeblich an der Behandlung des Gefangenen beteiligt sind. Eine Vollzugsplankonferenz ist, wie der Standort der sie regelnden Vorschrift im mit "Vollzugsbehörden" überschriebenen Vierten Abschnitt des Strafvollzugsgesetzes ausweist, in erster Linie eine Dienstbesprechung von Vollzugsmitarbeitern (vgl. OLG Stuttgart NStZ 2001, 392). Diejenigen Mitarbeiter aus dem so bestimmten Kreis sind es, deren Teilnahme an der Konferenz unabdingbar ist, um sie in die Lage zu versetzen, eine rechtsbeständige Entscheidung über den künftigen Vollzugsverlauf zu treffen (vgl. OLG Frankfurt am Main NStZ-RR 2007, 191). Externe Personen - etwa der Verteidiger oder auswärtige Therapeuten - können hinzugezogen werden. Darauf hat aber weder der Untergebrachte, noch der Dritte einen Anspruch (vgl. BVerfG NStZ-RR 2002, 25; OLG Stuttgart NStZ 2001, 392; Feest in AK-StVollzG 5. Aufl., § 159 Rdn. 4 - jew. mit weit. Nachw.). Auf das Fehlen externer Betreuer (...) kann die Rechtsbeschwerde mithin nicht gestützt werden.

Der bei der Psychotherapeutischen Beratungs- und Behandlungsstelle (PTB) beschäftigte Diplom-Psychologe S. hat zu Recht nicht an der Konferenz teilgenommen. Denn er ist kein an der Behandlung des Gefangenen im Sinne des § 159 StVollzG beteiligter Mitarbeiter. Nach dem Konzept der PTB, die eine Einrichtung des Krankenhauses der Berliner Vollzugsanstalten ist, dient sie der Beratung der Gefangenen. Soweit sie therapeutische Angebote macht und einsetzt, unterliegen die Mitarbeiter der Schweigepflicht. Ihre Erkenntnisse fließen nicht in die Kriminalprognose ein; sie nehmen strukturbedingt keinerlei Einfluß auf die Vollzugsbelange.

Auch das Fehlen eines Mitarbeiters des Psychologischen Dienstes ist nicht zu beanstanden, da dieser Dienst nur punktuell mit dem Beschwerdeführer befaßt war. Mit der Fehlen eines psychologischen Einzelbetreuers (vgl. OLG Frankfurt am Main NStZ-RR 2007, 191) läßt sich deren Stellung nicht vergleichen.

b) Obergerichtlich ist geklärt, daß der Gefangene einen Anspruch auf gerichtliche Entscheidung über die in einer Vollzugsplanfortschreibung getroffenen Feststellungen zur Eignung für Vollzugslockerungen hat, und zwar auch dann, wenn er gegenüber der Vollzugsanstalt noch keinen Antrag auf Gewährung einer konkreten Lockerung gestellt hatte (vgl. BVerfG, Beschluß vom 3. Juli 2006 - 2 BvR 1383/03 - juris, StraFO 2006, 429; BVerfG NJW 1993, 3188; OLG Karlsruhe ZfStrVO 2005, 246) und welche inhaltlichen Anforderungen an den Vollzugsplan und seine Fortschreibungen gestellt werden (vgl. BVerfG StraFO 2006, 512; OLG Karlsruhe aaO; Senat, Beschluß vom 15. September 2000, teilweise veröffentlicht in NStZ 2001, 410 bei Matzke).

c) Weiterhin ist obergerichtlich geklärt, daß der Vollzugsbehörde bei der Einschätzung, ob im Einzelfall Flucht- oder Mißbrauchsgefahr besteht (§ 11 Abs. 2 StVollzG), ein Beurteilungsspielraum zusteht, dessen Einhaltung gerichtlich nur nach den Maßstäben des § 115 Abs. 5 StVollzG überprüfbar ist (vgl. BGHSt 30, 320, 324, 327; OLG Frankfurt am Main ZfStrVo 2003, 243; OLG Zweibrücken ZfStrVo 1998, 179, 180; OLG Karlsruhe ZfStrVo 1985, 245; Senat NStZ 2006, 695; 1993, 100, 102 und Beschlüsse vom 20. Oktober 2006 - 5 Ws 521-523/06 Vollz - und vom 16. April 2007 - 2 Ws 226/07 Vollz -; Calliess/Müller-Dietz, § 11 StVollzG Rdn. 15ff mit weit. Nachw.).

d) Soweit sich der Beschwerdeführer auf die Kommentierung von Calliess/Müller-Dietz, zu § 9 Rdn. 9 StVollzG beruft, ist jedenfalls die diesem Text zugrundeliegende Vorschrift nicht auf ihn anwendbar, da er sich nicht in einer Sozialtherapeutischen Anstalt befindet, sondern rechtmäßig aus ihr herausverlegt worden ist. Weiterhin ist rechtskräftig entschieden, daß es auch rechtens war, ihn - jedenfalls bislang - nicht wieder dorthin zurückzuverlegen (vgl. Senat, Beschluß vom 20. Juni 2007 - 2 Ws 385/07 Vollz -). Wenn auch die von dem Gefangenen zitierten Ausführungen einer Beschreibung seiner Persönlichkeitsprobleme nahe zu kommen scheinen, obliegt es doch der Beurteilung durch die Vollzugsbehörde, ob sie den Gefangenen, der schon einmal das therapeutische Bündnis nicht geschlossen hat, für fähig hält, den Anforderungen einer Sozialtherapie zu genügen.

Daß der Beschwerdeführer seine eigenen Defizite mit anderen Ergebnissen diagnostiziert und bewertet (z.B. überwiegende Tatursache: Drogen- und Alkoholmißbrauch) als die Anstaltsmitarbeiter (überwiegende Neigung zu gewaltsamer Durchsetzung sexueller Wünsche gegenüber jungen Mädchen unter 14 Jahren) oder der Sachverständige im Erkenntnisverfahren (fest eingewurzelte Neigung, straffällig zu werden, aufgrund einer kombinierten Persönlichkeitsstörung), begründet keinen rechtlichen Mangel der angefochtenen Entscheidung. Denn die Anstalt (und nicht er) ist es, der insoweit die Beurteilungskompetenz zukommt und der ein Beurteilungsspielraum (§ 115 Abs. 5 StVollzG) zur Verfügung steht. Er wird nicht dadurch eingeschränkt, daß der Gefangene, wie seine zahlreichen zu den Akten gegebenen Schreiben ausweisen, seine Bedürfnisse anders und im wesentlichen gegen die Bewertungen der Anstalt formuliert.

3. Zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung ist eine Rechtsbeschwerde zulässig, wenn vermieden werden soll, daß schwer erträgliche Unterschiede zwischen gerichtlichen Entscheidungen entstehen oder fortbestehen. Im Streitfall ist die Einheitlichkeit nicht gefährdet; denn die Strafvollstrekkungskammer hat sich an die obergerichtliche Rechtsprechung gehalten. Der Vollzugsplan befaßt sich ausführlich mit der Persönlichkeit des Gefangenen. Die Mißbrauchsgefahr ist nicht nur mit dem Fehlen der Straftataufarbeitung begründet.

Soweit der Beschwerdeführer Fehler in der Beurteilung seiner Persönlichkeit beanstandet, handelte es sich allenfalls um Fehler im Einzelfall, welche die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde gerade nicht begründen können (§ 116 Abs. 1 StVollzG).

Der Beiziehung anderer Akten bedarf es nicht.

III.

Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung erledigt sich durch diese Entscheidung.

Aus den vorstehenden Gründen konnte auch der Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe keinen Erfolg haben (§ 120 Abs. 2 StVollzG, § 114 ZPO).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 4 StVollzG, § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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