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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 07.11.2008
Aktenzeichen: 2 Ws 554/08
Rechtsgebiete: GVG


Vorschriften:

GVG § 178
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Beschluß

Geschäftsnummer: 1 AR 1295/08 - 2 Ws 554/08

In der Strafsache

wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung u.a.

hat der 2. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 7. November 2008 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluß des Landgerichts Berlin vom 8. Oktober 2008 wird verworfen.

Gründe:

I.

Gegen den Beschwerdeführer und weitere Angeklagte findet zur Zeit vor dem Landgericht Berlin die erstinstanzliche Hauptverhandlung statt. Mit Beschluß vom 8. Oktober 2008, am 15. Verhandlungstag, hat die Strafkammer gegen ihn ein Ordnungsgeld in Höhe von 200 Euro wegen Ungebühr festgesetzt und für den Fall der Nichtbeitreibung Ordnungshaft von vier Tagen angeordnet.

Die hiergegen gerichtete zulässige und rechtzeitig erhobene Beschwerde (§ 181 Abs. 1 GVG) des Angeklagten hat keinen Erfolg.

1. Die Voraussetzungen des § 178 Abs. 1 Satz 1 GVG liegen vor.

a) Aus der Begründung des Ordnungsmittelbeschlusses in Verbindung mit der Sitzungsniederschrift ergibt sich mit ausreichender Deutlichkeit der zugrunde liegende Sachverhalt, so daß der Senat zur Nachprüfung des Grundes und der Höhe der Sanktion in der Lage ist. Danach fallen dem Angeklagten die in der Sitzungsniederschrift wie folgt wiedergegebenen Vorgänge zur Last:

"Der Angeklagte P------ unterhält sich scherzend fortwährend mit dem Angeklagten V--------. Der Vorsitzende fasst dies als Missachtung des Gerichts auf und droht dem Angeklagten P----- ein Ordnungsgeld von 200,- Euro, ersatzweise 5 Tage Haft im Wiederholungsfalle an.

Der Angeklagte P------ erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme".

Nach Fortsetzung der Hauptverhandlung ist - mehrere Stunden später - im Zusammenhang mit der Vernehmung eines Zeugen vermerkt:

"Der Angeklagte P------ hat sich während der Zeugenvernehmung wiederholt mit dem Angeklagten V------- unterhalten und lautstark gelacht.

Der Vorsitzende gab dem Angeklagten P--------- Gelegenheit, sein Verhalten zu erklären, worauf dieser äußerte: ,Was ist los, darf ich nicht lachen?'

Der Vorsitzende beabsichtigt, gegen den Angeklagten P------- ein Ordnungsgeldbeschluss (gemeint ist: Ordnungsgeld) in Höhe von 200,- Euro festzusetzen.

Der Angeklagte P------- erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme." Sodann wurde der mit Gründen versehene Ordnungsgeldbeschluß der Kammer verkündet.

b) Hiernach sind die formellen Voraussetzungen erfüllt. Die Kammer ist der Protokollierungspflicht (§ 182 GVG) nachgekommen, hat dem Beschwerdeführer ausreichend rechtliches Gehör (§ 33 Abs. 1 StPO) gewährt und die Verhängung von Ordnungsmitteln angedroht.

c) Auch die sachlichen Voraussetzungen sind gegeben. Ungebühr ist ein vorsätzliches Verhalten in der Sitzung, das geeignet ist, die Würde des Gerichts erheblich zu verletzen, oder die Ruhe und Ordnung einer gerichtlichen Verhandlung gröblich zu stören (vgl. KG, Beschluß vom 6. November 2007 - 4 Ws 140/07 -; Senat, Beschluß vom 25. Juni 1999 - 5 Ws 295/99 - m.w.N. [juris]). Mit Ordnungsmitteln sollen auch verbale Störungen abgewehrt werden, die den ordnungs- und gesetzmäßigen Ablauf der Verhandlung und die Wahrheitsfindung behindern oder gefährden (vgl. OLG Stuttgart NJW 1969, 627) und die Autorität des Gerichts angreifen; sie können insbesondere als Antwort auf grobe Achtungsverletzungen und bewußte Provokationen eingesetzt werden (vgl. Diemer in KK-StPO, 6. Aufl., § 178 GVG Rdn. 1, 2). So ist etwa anerkannt, daß wiederholte, nach Ermahnung fortgesetzte Zwischenrufe oder mehrfaches Dazwischenreden regelmäßig als ungebührliches Verhalten anzusehen sind (vgl. Senat, Beschluß vom 15. November 2004 - 5 Ws 130/04 - m.w.N.).

Die gebotene Gesamtbetrachtung des Verhaltens des Beschwerdeführers ergibt, daß dieses als Angriff auf die Autorität und die Würde des Gerichts und damit als Ungebühr gemäß § 178 Abs. 1 GVG zu bewerten ist. Er hat seine die Hauptverhandlung störenden Unterhaltungen mit dem Mitangeklagten trotz Ermahnung fortgesetzt. Hierbei handelte es sich nicht etwa um einmalige, kurze Verhaltensweisen, sondern jeweils um "fortwährende" bzw. "wiederholte". Solcherart Verhalten ist ungebührlich; es hat insbesondere einen anderen Charakter und ein stärkeres Gewicht als beispielsweise einzelne spontane Äußerungen, die einem Betroffenen in einer für ihn angespannten Situation - etwa als Reaktion auf Erklärungen anderer Beteiligter oder prozessuale Vorgänge - unterlaufen. Eine solche Grundlage hatte das vorliegend zu bewertende Verhalten des Beschwerdeführers nicht. Der provokante Charakter seines Gebarens wird nicht nur aus dem Umstand deutlich, daß er sich "scherzend" unterhielt, sondern insbesondere aus seiner Äußerung gegenüber dem Kammervorsitzenden: "Was ist los, darf ich nicht lachen?". Eine solche Äußerung in einem Gerichtssaal gegenüber dem Gerichtsvorsitzenden ist unangemessen; es stellte vorliegend schon für sich einen Grund für die Anwendung von Ordnungsmitteln dar. Hinzu kommt, daß der Angeklagte durch seine wiederholten Unterredungen mit dem Mitangeklagten schon von Anfang an bewußt gegen die ihm bekannte Sicherungsverfügung verstieß. Diese untersagt den Angeklagten infolge der angeordneten strikten Trennung auch, miteinander zu sprechen. Durch die Ermahnung des Vorsitzenden wurde der Beschwerdeführer erneut daran erinnert. Nach allem kommt es nicht darauf an, daß nach der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft zu der Beschwerde die entsprechenden Zuwiderhandlungen der Angeklagten schon "häufig" zu beobachten gewesen und sie "immer wieder" darauf hingewiesen worden seien, daß Gespräche untereinander "nicht statthaft" seien.

Das Beschwerdevorbringen führt zu keiner anderen Betrachtung. Denn es geht nach dem Dargelegten nicht (nur) darum, daß der Angeklagte während der Vernehmung des Zeugen an einer Stelle - wie auch andere Verfahrenbeteiligte - kurz "laut auflachte". Gegen die Richtigkeit des vielmehr zu betrachtenden, im Hauptverhandlungsprotokoll niedergelegten und im wesentlichen auch in der Beschlußbegründung enthaltenen Gesamtsachverhalts hat die Beschwerde nichts eingewandt. 2. Die Höhe des verhängten Ordnungsgeldes ist angesichts des aufgezeigten Verhaltens des Angeklagten nicht zu beanstanden. Bei einem gesetzlichen Rahmen für das Ordnungsgeld von bis zu 1.000 Euro (§ 178 Abs. 1 Satz 1 GVG) ist ein Ordnungsgeld von 200 Euro eine angemessene Sanktion für das Verhalten des Beschwerdeführers und auch unter Berücksichtigung seines wirtschaftlichen Leistungsvermögen verhältnismäßig.

3. Die Anordnung der ersatzweise zu vollstreckenden Ordnungshaft von vier Tagen begegnet angesichts des Höchstmaßes von einer Woche ebenfalls keinen Bedenken.

II.

Eine Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens war nicht veranlaßt, weil das Gerichtsverfassungsgesetz in § 1 GKG nicht aufgeführt ist; die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Ende der Entscheidung

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