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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 29.08.2007
Aktenzeichen: 2 Ws 66/07 Vollz
Rechtsgebiete: StPO, StVollzG, StGB, PsychKG, UBG, Hess. MaßrVollzG, MRVG NRW, BGB


Vorschriften:

StPO § 126 a
StPO § 473 Abs. 1 Satz 1
StVollzG § 109 Abs. 1
StVollzG § 121 Abs. 2 Satz 2
StVollzG § 121 Abs. 4
StVollzG § 136
StVollzG § 138 Abs. 1 Satz 1
StVollzG § 138 Abs. 3
StGB § 63
PsychKG § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b
PsychKG § 30 Abs. 2
PsychKG § 30 Abs. 2 Satz 1
PsychKG § 30 Abs. 3
PsychKG § 30 Abs. 4
PsychKG § 46
UBG § 8 Abs. 2 Satz 2
UBG § 15 Abs. 1
Hess. MaßrVollzG § 7 Abs. 1 Satz 2
MRVG NRW § 15 Abs. 1
MRVG NRW § 15 Abs. 2 Satz 2
MRVG NRW § 17 Abs. 2
BGB §§ 1896 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Beschluß

Geschäftsnummer: 2 Ws 66/07 Vollz

In der Maßregelvollzugssache

des Untergebrachten

wegen Zwangsmedikation

hat der 2. (ehemals 5.) Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 29. August 2007 beschlossen:

Tenor:

1. Die Rechtsbeschwerde des Untergebrachten gegen den Beschluß des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 8. Dezember 2006 wird verworfen, soweit sie den Antrag auf Feststellung betrifft, daß die Zwangsmedikation rechtswidrig war.

2. Das Verfahren wird für erledigt erklärt, soweit es den Antrag betrifft, das Krankenhaus des Maßregelvollzugs zu verpflichten, die Zwangsmedikation einzustellen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Durch Urteil vom 12. August 1998 ordnete das Landgericht Berlin die Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychia-trischen Krankenhaus an, weil er im Zustand der Schuldunfähigkeit aufgrund einer paranoid-halluzinatorischen Psychose einen Totschlag begangen hatte. Bereits seit dem 5. März 1998 war er gemäß § 126 a StPO einstweilen untergebracht. Die behandelnden Ärzte im Maßregelvollzug diagnostizierten eine paranoide Schizophrenie mit episodischen Verlauf und aktuell stabilem Residuum (ICD 10: F 20.02) sowie eine kontinuierlich deliktbezogene Alkoholabhängigkeit bei gegenwärtiger Abstinenz in beschützender Umgebung (ICD 10: F 10.21). Der Untergebrachte hält sich für psychisch gesund. Von einer Krankheits- und Behandlungseinsicht ist er dem Votum seiner behandelnden Ärzte zufolge weit entfernt. Deswegen ist der Untergebrachte nicht bereit, dauerhaft freiwillig Medikamente einzunehmen. Die Ärzte des Krankenhauses des Maßregelvollzuges hielten - und halten - jedoch eine antipsychotische Medikation für erforderlich, damit der Untergebrachte in einen psychischen Zustand gerät, in dem er seine Erkrankung als solche wahrnehmen kann. Nur so bestehe die Chance, daß langfristig ein therapeutisches Bündnis zustande komme, aus dem heraus Rehabilitationsbemühungen erfolgreich sein könnten.

Sie holten daher von dem damaligen gesetzlichen Betreuer des Untergebrachten am 31. August 2006 die Genehmigung ein, ihrem Patienten dauerhaft in zweiwöchigem Abstand, auch gegen den Willen des Patienten, das Depot-Präparat Fluanxol(r), ein Neuroleptikum, zu verabreichen. Am 6. und 20. September 2006 sowie am 4. und 19. Oktober 2006 setzten Mitarbeiter des Krankenhauses des Maßregelvollzuges dem Untergebrachten nach vorangegangener Fixierung gegen seinen Willen Spritzen mit dem Präparat Fluanxol(r), welches bei dem Untergebrachten auch unerwünschte Nebenwirkungen verursachte. Gegen diese Behandlung wandte sich der Beschwerdeführer mit seinen Anträgen auf gerichtliche Entscheidung (§§ 109 Abs. 1, 138 Abs. 3 StVollzG)

1. festzustellen, daß die Zwangsmedikationen unzulässig waren und

2. das Krankenhaus des Maßregelvollzuges zu verpflichten, künftig eine Behandlung gegen seinen Willen zu unterlassen.

Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Berlin hat die Anträge durch den angefochtenen Beschluß vom 8. Dezember 2006 als unbegründet zurückgewiesen. Mit seiner hiergegen gerichteten Rechtsbeschwerde verfolgt der Untergebrachte seine Anliegen weiter. Er rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Während des Verfahrens über die Rechtsbeschwerde ist der bisherige Betreuer abberufen worden. Der nunmehrige Betreuer hat die Zustimmung zur Zwangsmedikation am 30. März 2007 widerrufen. Daraufhin haben die Ärzte des Krankenhauses des Maßregelvollzugs die Zwangsmedikation eingestellt.

Die Rechtsbeschwerde ist teils unbegründet, teils erledigt.

A.

Die form- und fristgemäß eingelegte Rechtsbeschwerde ist zulässig, um die Fortbildung des Rechts zu ermöglichen (§§ 116 Abs. 1, 138 Abs. 3 StVollzG).

Der Einzelfall gibt Anlaß, bei der Auslegung von Rechtssätzen Leitsätze aufzustellen und zu festigen (vgl. BGHSt 24, 15, 21; HansOLG Bremen ZfStrVO 1991, 309; Senat, Beschluß vom 26. Januar 2007 - 2/5 Ws 702/06 Vollz -; Calliess/Müller-Dietz, StVollzG 10. Aufl., § 116 Rdn. 2; Arloth/Lückemann, StVollzG, § 116 Rdn. 3, jew. mit weit. Nachw.). Bislang hat zu der Frage der zwangsweisen Verabreichung von Neuroleptika an einen Untergebrachten im Einvernehmen mit dessen gesetzlichem Vertreter erst ein Oberlandesgericht im Verfahren nach §§ 109 Abs. 1, 138 Abs. 3 StVollzG Stellung genommen (vgl. OLG Hamm NStZ 1987, 144). Das Kammergericht hat sich mit der Zwangsmedikation zu Behandlungszwecken zwar in seinem Beschluß vom 20. Juni 1997 - 5 Ws 122/97 Vollz - (NStZ-RR 1997, 351 = StV 1998, 209) auseinandergesetzt. Über den Fall, daß der Betreuer des Untergebrachten der Medikation zustimmt, hat der Senat indes ausdrücklich nicht entschieden (vgl. Senat aaO, S. 352). Der Fortbildung des Rechts dient ein Beschluß auch dann, wenn zu einer Rechtsfrage erst ein Oberlandesgericht Stellung genommen hat und die Äußerung eines anderen Oberlandesgerichts zu derselben Frage geeignet ist, die Rechtsprechung zu festigen oder fortzuentwickeln. Zudem ist der Maßregelvollzug im Bundesland Berlin durch ein anderes Landesgesetz geregelt als im Bundesland Nordrhein-Westfalen.

In der Sache hat die Rechtsbeschwerde hinsichtlich des Feststellungsantrages keinen Erfolg. Der Antrag auf Verpflichtung hat sich durch den Widerruf der Zustimmung durch den Betreuer erledigt.

B.

I. Feststellungsantrag

1. Verfahrensvoraussetzungen

Der Feststellungsantrag ist zulässig, und er hat sich durch die Absetzung der Zwangsmedikation nicht erledigt. Im Hinblick auf die in Art. 19 Abs. 4 GG verankerte Rechtsschutzgarantie ist anerkannt, daß ein derartiger Antrag zur Füllung eventueller Rechtsschutzlücken zulässig sein muß, obwohl das Strafvollzugsgesetz diese Antragsart nicht regelt (vgl. OLG Frankfurt am Main NStZ-RR 2004, 29 = ZfStrVO 2004, 106; NJW 2003, 2843, 2844; Senat, Beschluß vom 14. März 2007 - 2/5 Ws 325/05 Vollz -; jew. mit weit. Nachw.). Ganz überwiegend, so auch vom beschließenden Senat, wird zwar angenommen, daß ein solcher Antrag neben einer Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage subsidiär ist (vgl. OLG Frankfurt am Main aaO; Senat, Beschluß vom 28. Juli 2006 - 5 Ws 426/06 Vollz -; Kamann/Volckart § 109 StVollzG Rdn. 32; a.A: OLG Karlsruhe ZfStrVO 2005, 299). Bei der Zwangsmedikation handelt es sich um eine den Gefangenen belastende Maßnahme, gegen die er sich mit einem auf Unterlassung gerichteten Verpflichtungsantrag wehren kann. Die bereits durchgeführten Zwangsbehandlungen haben aber bereits in das durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Recht auf körperliche Unversehrtheit eingegriffen, was der Rechtfertigung durch ein Gesetz bedurfte (Art. 2 Abs. Satz 3 GG). Durch ein etwaiges Verbot weiterer Behandlungen wäre der bereits geschehene Eingriff nicht ausreichend kompensiert. Der Gefangene hat deswegen neben einer Verpflichtungsklage ein rechtliches Interesse an der Feststellung, die bisherige Behandlung sei vom Vollzugsrecht nicht gedeckt, das auch nach der Absetzung des Arzneimittels fortdauert (vgl. BVerfGE 96, 27 ff. = NJW 1997, 2163; Senat NStZ-RR 1997, 351 = StV 1998, 209; Wagner R&P 2002, 190).

2. Verfahrensrüge

Mit der zulässig erhobenen (§ 118 Abs. 2 Satz 2 StVollzG) Verfahrensrüge beanstandet der Beschwerdeführer, daß die Strafvollstreckungskammer nicht aufgeklärt habe, ob er tatsächlich einwilligungsunfähig sei und ob die bei ihm durch das Präparat Fluanxol(r) hervorgerufenen Nebenwirkungen durch die Verabreichung anderer, verträglicherer Medikamente hätten gelindert oder beseitigt werden können. Die Strafvollstreckungskammer sei davon ausgegangen, die Einwilligung des Betreuers genüge. Dies sei jedoch zweifelhaft, da die Betreuerbestellung und Begutachtung längere Zeit zurücklägen. Der Spruchkörper hätte diese Sachverhalte durch die Einholung eines weiteren, "externen" Gutachtens überprüfen müssen. Dieses Vorbringen genügt, um die Zulässigkeit der Aufklärungsrüge zu begründen. Zwar legt der Untergebrachte nicht genau dar, welche konkreten Tatsachen die Strafvollstreckungskammer durch weitere Aufklärung hätte ermitteln sollen (vgl. Kamann/Volckart in AK-StVollzG 5. Aufl., § 118 Rdn. 9); die verständige Auslegung seines gesamten Vorbringens ergibt jedoch, daß er die Feststellungen anstrebt, er sei gesundheitlich in der Lage, selbst wirksame Erklärungen zur Einwilligung oder Verweigerung seiner Behandlung abzugeben und es gebe ein anderes, besser bekömmliches Medikament. Die Rüge hat aber keinen Erfolg; denn auf diese Feststellungen kam es im Verfahren vor der Strafvollstreckungskammer nicht an, was aus der im Rahmen der Sachrüge zu erörternden sachlichen Rechtslage folgt (siehe unten II.).

3. Sachrüge

Die Sachrüge ist nicht begründet, denn durch den angefochtenen Beschluß wurde materielles Recht nicht verletzt.

Die Ärzte des Krankenhauses des Maßregelvollzugs haben die Zwangsmedikation auf vollzugsrechtlich rechtmäßiger Grundlage vorgenommen. Ihre Handlungsweise war durch die Zustimmung des Betreuers gedeckt.

a) Allein der Umstand, daß der Beschwerdeführer nach § 63 StGB untergebracht ist, berechtigt nicht zur Anwendung der Zwangsmedikation. Denn weder § 63 StGB noch § 136 StVollzG enthalten eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage (vgl. Senat NStZ-RR 1997, 351, 352; Pollähne in AK-StVollzG 5. Aufl., § 136 Rdn. 9; Rotthaus/Freise in Schwind/Böhm/Jehle, StVollzG 4. Aufl., § 136 Rdn. 4; Wagner in Kammeier, Maßregelvollzugsrecht 2. Aufl., Rdnrn. D 13, D 18; a.A. OLG Hamm NStZ 1987, 144). Zu Recht hat die Strafvollstreckungskammer das Berliner Gesetz für psychisch Kranke (PsychKG) angewendet, das gemäß § 138 Abs. 1 Satz 1 StVollzG, § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b und § 46 PsychKG für im Maßregelvollzug Untergebrachte gilt. Ermächtigungsgrundlage für die Behandlung des Untergebrachten mit dem Medikament Fluanxol(r) ist § 30 Abs. 2 PsychKG. Ohne jede Einwilligung sind danach nur unaufschiebbare Maßnahmen erlaubt, die sich auf die Erkrankung beziehen, die zu der Unterbringung geführt haben(§ 30 Abs. 2 Satz 2 PsychKG). Unaufschiebbar waren die streitgegenständlichen Maßnahmen nicht; sondern sie dienten der Therapie der Anlaßerkrankung, ohne daß zuvor eine akute Gefahrenlage entstanden war. Die Behandlungsmaßnahmen durften mithin gemäß § 30 Abs. 2 Satz 1 PsychKG nur im Einvernehmen mit dem Untergebrachten oder seinem gesetzlichen Vertreter durchgeführt werden. § 30 Abs. 3 oder 4 PsychKG sind für die hier zu treffende Entscheidung ohne Bedeutung. Denn die Behandlung mit einem Neuroleptikum ist ungeachtet seiner möglichen Nebenwirkungen und nicht auszuschließender Spätfolgen nicht mit einer Lebensgefahr oder einer erheblichen Gefahr für die Gesundheit verbunden; sie verändern die Persönlichkeit auch nicht im Kernbereich (vgl. Senat NStZ-RR 1997, 351, 352).

b) Die erforderliche Zustimmung des Untergebrachten zu einer psychopharmakologischen Behandlung kann nach § 30 Abs. 2 Satz 1 PsychKG durch die Zustimmung des Betreuers als des gesetzlichen Vertreters ersetzt werden. Dessen Entscheidung stellt für die behandelnden Ärzte eine ausreichende Rechtsgrundlage dar (unten aa). Ihre Rechtmäßigkeit kann nicht vom Vollzugsgericht, sondern nur vom Vormundschaftsgericht nachgeprüft werden (unten bb).

aa) Der Gesetzgeber darf anordnen, daß und unter welchen Voraussetzungen die höchstpersönliche Entscheidung des Untergebrachten durch diejenige der Ärzte oder seines gesetzlichen Vertreters ersetzt werden kann (vgl. Volckart/Grünebaum, Maßregelvollzug 6. Aufl., D 1.3.3.2, S. 164). Die abweichende Auffassung, wonach eine Zwangsbehandlung prinzipiell gegen das in der Verfassung verankerte Übermaßverbot verstoße (vgl. Rinke NStZ 1988, 10, 15 und die Nachweise bei Volckart/Grünebaum aaO), hat in der Rechtsprechung keine Zustimmung gefunden. Die Bundesländer haben den ihnen im Maßregelvollzugsrecht aufgrund ihrer Gesetzgebungskompetenz zustehenden Spielraum zu unterschiedlichen Lösungen genutzt. Im wesentlichen gibt es zwei Methoden, den Interessen des Patienten Geltung zu verschaffen. In der überwiegenden Zahl der Bundesländer (vgl. zu den "alten" Ländern Rinke NStZ 1988, 10) ist die Zwangsbehandlung unmittelbar im Gesetz erlaubt und durch Kautelen eingeschränkt, unter denen sie zugelassen ist (vgl. Volckart/Grünebaum aaO, D 1.3.3.2.2, S. 167 und D 1.3.3.10.1, S. 173 ff). So erlauben zum Beispiel §§ 8 Abs. 2 Satz 2, 15 Abs. 1 UBG des Landes Baden-Württemberg (vgl. LG Heidelberg, Beschluß vom 20. April 2004 - 7 StVK 79/04 - juris) und § 7 Abs. 1 Satz 2 des Hessischen MaßrVollzG die Zwangsbehandlung nach ärztlichen Gesichtspunkten zur Therapie der Anlaßkrankheit. In einigen Bundesländern knüpft das Gesetz demgegenüber an den Willen des Patienten an und verschafft den Ärzten anstatt eines originär hoheitlichen Eingriffsrechts die Befugnis, dessen Willen durch denjenigen des gesetzlichen Vertreters zu ersetzen. Diese Möglichkeit haben die Gesetzgeber in Nordrhein-Westfalen und in Berlin gewählt. In der zum Zeitpunkt des Beschlusses des OLG Hamm in NJW 1987, 144 geltenden Vorschrift des § 15 Abs. 1 des Nordrhein-Westfälischen Maßregelvollzugsgesetzes vom 18. Dezember 1984 (GV.NW.1985 S. 14), jetzt durch § 17 Abs. 2 MRVG NRW gleichen Inhalts ersetzt, sind Zwangsmaßnahmen ohne jede Einwilligung nur bei Lebensgefahr oder schwerwiegender Gefahr für die Gesundheit anderer Personen oder des Patienten selbst zulässig (§ 15 Abs. 3 MRVG NRW 1984); die Ersetzungsbefugnis durch den gesetzlichen Vertreter hängt davon ab, ob der Patient die Bedeutung und Tragweite der Behandlung einzusehen in der Lage ist (§ 15 Abs. 2 Satz 2 MRVG NRW 1984).

In Berlin ist die Eingriffserlaubnis zur Gefahrenabwehr ähnlich (wenn auch nicht gleich) geregelt wie in Nordrhein-West-falen (§ 30 Abs. 2 Satz 2 PsychKG). Ein entscheidender Unterschied besteht indes hinsichtlich der Ersetzungsbefugnis durch den gesetzlichen Vertreter. Denn Einschränkungen dergestalt, daß die Vollzugsbehörde die Entscheidungsbefugnis des Betreuers und den Entscheidungsinhalt selbstverantwortlich nachprüfen müßte, finden sich in § 30 Abs. 2 Satz 1 PsychKG ebensowenig wie ein gesetzliches Erfordernis, daß der Betreute entscheidungsunfähig sein muß, um die Ersetzungsbefugnis auszulösen. Gemäß § 30 Abs. 2 Satz 1 PsychKG ersetzt die Zustimmung des Betreuers als seines gesetzlichen Vertreters diejenige des Patienten voraussetzungslos. Daraus folgt, daß die Ärzte des Krankenhauses des Maßregelvollzugs insoweit keinen rechtlichen Einschränkungen unterliegen. Auch wenn der Beschwerdeführer ausdrücklich erklärt hatte, er sei mit der Verabreichung der Depotspritzen nicht einverstanden, so lag doch die Zustimmung seines gesetzlichen Betreuers vor, dem Untergebrachten dauerhaft in zweiwöchigem Abstand, auch gegen seinen Willen das Depot-Präparat Fluanxol(r) zu verabreichen.

Ob das Vorgehen der Mitarbeiter im Maßregelvollzug aus ärztlicher Sicht angemessen war, unterliegt im Vollzugsrecht einer gerichtlichen Nachprüfung nur äußerst eingeschränkt. Durch eine ärztliche Maßnahme ist ein Untergebrachter nur dann in seinen Rechten verletzt, wenn sie sich durch keinen sachlichen Gesichtspunkt rechtfertigen läßt und sich damit als Mißbrauch ärztlichen Ermessens darstellt (vgl. OLG Hamm NStZ 1981, 240 mit Anm. Baur, mit Anm. Tondorf StV 1982, 373, mit Erw. Baur StV 1983, 158; OLG Frankfurt am Main NJW 1978, 2351, 2352; Senat R&P 1985, 34, 35 mit abl. Anm. Volckart; Beschluß vom 11. März 2002 - 5 Ws 58/02 -) und wenn sie sich formell auf keine gültige Rechtsgrundlage stützen kann (nur insoweit ist die vorstehende Entscheidung in R&P 1985, 34 durch den Beschluß des Senats in NStZ-RR 1997, 351 überholt).

bb) Die einschränkungslose Formulierung des § 30 Abs. 2 Satz 1 PsychKG schafft nicht das Erfordernis aus der Welt, daß die Ersetzung des Willens des Patienten nach den §§ 1896 ff. BGB voraussetzt, daß der Betreute krankheitsbedingt zur Einwilligung unfähig ist (vgl. Volckart aaO D 1.3.3.8, S. 170 f.). Diese Frage wurzelt indes nicht im Vollzugsrecht, sondern im Zivilrecht. Dieser Unterschied zeitigt Folgen für den Rechtsweg, der zur Überprüfung der Maßnahme zur Verfügung steht. Hat der Landesgesetzgeber die Zwangsbehandlung unmittelbar in dem den Maßregelvollzug regelnden Gesetz erlaubt, so wenden die dort tätigen Ärzte auf hoheitlicher Grundlage dieses Recht an. Ihr Verhalten kann dann ausschließlich im Verfahren nach §§ 109 Abs. 1, 138 Abs. 3 StVollzG nachgeprüft werden. Hat sich der Gesetzgeber für das von dem Willen des Patienten abgeleitete Modell entschieden, so wenden die im Maßregelvollzug Tätigen nur insoweit originär Vollzugsrecht an, als sich unmittelbar aus dem die Unterbringung regelnden Gesetz formelle Anforderungen dafür ergeben, den Willen des Patienten durch denjenigen des Betreuers zu ersetzen. So wäre es nach Ansicht des Senats in dem vom OLG Hamm (NStZ 1997, 144) entschiedenen Fall eine Frage des Vollzugsrechts gewesen, ob der Patient einwilligungsfähig war; denn an diese Voraussetzung war die Möglichkeit, auf den Willen des Betreuers auszuweichen, in § 15 Abs. 2 Satz 2 MRVG NRW gebunden.

Auf der Grundlage der in Berlin geltenden materiellen Rechtslage handeln die Ärzte indes schon dann rechtmäßig, wenn sie die Zustimmung des Betreuers eingeholt haben. Ob die zivilrechtlich erforderliche Unfähigkeit zur Einwilligung gegeben war, ob der Betreuer seinerseits rechtmäßig gehandelt hat und ob die Behandlung erforderlich und angemessen war, wurzelt bei dieser sachlich-rechtlichen Gestaltung allein im Betreuungsrecht. Der Untergebrachte kann die von ihm aufgeworfenen Fragen, ob ein anderes Medikament als das vom Betreuer genehmigte verabreicht werden könnte und ob er sich tatsächlich in einem psychischen Zustand befindet, der eine Betreuung in Heilbehandlungsbelangen erforderlich macht, mithin nur durch das Vormundschaftsgericht klären lassen. Sein Recht auf körperliche Unversehrtheit ist dadurch in gleicher Weise geschützt, da die Vormundschaftsgerichte den Rechtsschutz mindestens auf einer gleich hohen Ebene gewähren wie die Vollzugsgerichte (vgl. BGH NJW 2006, 1277; OLG Köln NJW-RR 2006, 1664; OLG Köln OLG-Report Hamm, Düsseldorf, Köln 2006, 609; BayObLG R&P 2004, 33 mit Anm. Volckart).

Die Kostenentscheidung folgt insoweit aus §§ 121 Abs. 4, 138 Abs. 3 StVollzG, § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

II. Verpflichtungsantrag

Der Verpflichtungsantrag hat sich während des Rechtsbeschwerdeverfahrens erledigt, weil es nach der Absetzung der Medikamente der begehrten Verpflichtung nicht mehr bedarf. Dafür, daß die Ärzte die ablehnende Entscheidung des jetzigen Betreuers nicht beachten werden, gibt es keinen Anhalt.

Erledigt sich - wie hier - die Hauptsache in anderer Weise als durch die Rücknahme des Antrages oder der Rechtsbeschwerde, so ist gemäß §§ 121 Abs. 2 Satz 2, 138 Abs. 3 StVollzG nach billigem Ermessen über die Verfahrenskosten und notwendigen Auslagen zu entscheiden. Dies gilt auch, wenn die Erledigung erst während des Rechtsbeschwerdeverfahrens eintritt (vgl. Senat StV 1982, 79 mit zust. Anm. Volckart; Beschluß vom 11. Juli 1984 - 5 Ws 198/84 Vollz -; Calliess/Müller-Dietz, § 121 Rdn. 2 StVollzG).

Es entspricht der aus den Gründen zu I. der Billigkeit, die Kosten und die notwendigen Auslagen dem Antragsteller aufzuerlegen.

Ende der Entscheidung

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