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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 12.09.2008
Aktenzeichen: 2 Ws 770/07
Rechtsgebiete: StVollzG


Vorschriften:

StVollzG § 150
StVollzG § 152
Der Vollstreckungsplan des Landes Berlin ist insoweit rechtswidrig, als er für weibliche Gefangene mit Vollzugsdauern zwischen zwei und fünf Jahren auch dann die JVA Luckau-Duben als zuständige Vollzugsanstalt benennt, wenn diese Gefangenen beachtliche, namentlich familiäre Bindungen an Berlin haben.

Hat ein Gefangener oder eine Gefangene beachtliche, namentlich familiäre Bindungen an das Bundesland, in dem er oder sie den Wohnsitz hat, darf er oder sie nur dann aufgrund einer Vollzugsgemeinschaft einer Vollzugsanstalt eines anderen Bundeslandes zugewiesen werden, wenn damit bessere Behandlungsmöglichkeiten verbunden sind.


KAMMERGERICHT Beschluß

Geschäftsnummer: 2 Ws 770/07 Vollz

In der Strafvollzugssache

wegen Verlegung

hat der 2. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 12. September 2008 beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde der Senatsverwaltung für Justiz des Landes Berlin gegen den Beschluß des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 5. November 2007 wird verworfen.

Die Landeskasse Berlin hat die Kosten des Rechtsmittels und die im Rechtsbeschwerderechtszug entstandenen notwendigen Auslagen der Gefangenen zu tragen.

Gründe:

I.

Die in Berlin wohnende, nicht drogensüchtige Antragstellerin, die mit Ausnahme von zwei Jahren seit jeher ihren Lebensmittelpunkt im Land Berlin hat, befand sich seit dem 15. Mai 2006 bis zum 27. Juli 2007 in Untersuchungshaft in der JVA für Frauen in Berlin-Pankow. An diesem Tage wurde die gegen sie am 19. Juli 2007 erkannte Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten rechtskräftig, die zunächst in derselben Anstalt vollstreckt wurde. Am 25. September 2007 wurde die Antragstellerin in die im Land Brandenburg gelegene und seiner Hoheitsgewalt unterstehende Vollzugsanstalt Luckau-Duben verlegt. Seit dem 3. Dezember 2007 wird die Strafe wieder in der Justizvollzugsanstalt für Frauen Berlin vollzogen.

Die Ursache für die Verlegung in eine Anstalt des Landes Brandenburg findet sich in den Ausführungsvorschriften zu § 152 StVollzG (Vollstreckungsplan) der Senatsverwaltung für Justiz des Landes Berlin. Diese sehen in ihrer Nr. 5 vier - sämtlich im Land Berlin gelegene - Teilbereiche der "Justizvollzugsanstalt für Frauen Berlin" vor, nämlich im geschlossenen Vollzug die Bereiche Lichtenberg (5.1) und Pankow (5.2) und im offenen Vollzug Reinickendorf (5.3) und Neukölln (5.4). Keinem von ihnen unterfällt die Antragstellerin. Die JVA Lichtenberg ist - neben anderem - zum (geschlossenen) Vollzug der Freiheitsstrafe von erwachsenen drogenabhängigen Strafgefangenen (5.1.b)) und erwachsenen, nicht drogenabhängigen Strafgefangenen mit Freiheitsstrafen von mehr als 5 Jahren (5.1.d)) zuständig, die JVA Pankow für erwachsene, nicht drogenabhängige Gefangene zum Vollzug von ... Strafhaft (Freiheitsstrafen unter 2 Jahren) ... (5.2). In zwei Fußnoten zu diesem Abschnitt ist nämlich ferner bestimmt: "Entsprechend der Verwaltungsvereinbarung zwischen den Justizverwaltungen der Länder Berlin und Brandenburg vom 10. Dezember 2002 (in Kraft seit dem 1. Januar 2003) werden nicht drogenabhängige weibliche Strafgefangene, die zu Freiheitsstrafen von 2 bis 5 Jahren oder von 6 Monaten bis unter 2 Jahren - soweit letztere ihren Lebensmittelpunkt nicht in Berlin haben - verurteilt wurden, in der Justizvollzugsanstalt Luckau (Land Brandenburg) untergebracht. In Nr. 2 Buchstaben a) und b) der bezeichneten Verwaltungsvereinbarung wird anstatt des Begriffs "Freiheitsstrafe" die Anstaltszuständigkeit nach der "Vollzugsdauer" bestimmt. Die Vollzugsanstalt Luckau-Duben liegt außerhalb des städtebaulichen Verflechtungsraums der Länder Berlin und Brandenburg ("Speckgürtel") etwa 80 km südöstlich Berlins. Sie ist mit dem Kraftfahrzeug über die Autobahn A 13 erreichbar. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln muß zunächst die Regionalbahn bis Lübben und sodann die Autobuslinie 472 bis Luckau-Duben benutzt werden. Die Fahrzeit, gerechnet von Berlin-Hauptbahnhof ab, beträgt bei optimalem Anschluß etwa 90 Minuten.

Mit ihrem Antrag vom 28. September 2007 wendet sich die Gefangene gegen ihre Verlegung in ein anderes Bundesland. Sie macht geltend, die Vollzugsbehörde habe bei ihrer Entscheidung nicht ausreichend berücksichtigt, daß durch die Verlegung ihre familiären Beziehungen zu ihren Töchtern vollständig zerstört würden. Drei ihrer sechs Kinder befänden sich in Berlin und könnten sie in Luckau nicht besuchen. Namentlich für ihre Tochter R., die als Mittäterin des der Verurteilung zugrundeliegenden Tötungsversuchs an dem tyrannischen Ehemann ihrerseits in Berlin inhaftiert sei, habe die Verlegung in ein anderes Bundesland eine Besuchsüberstellung unmöglich gemacht. Die mittellosen, 1991 und 1992 geborenen Töchter Ne. und N., die unter der Trennung von der Mutter psychisch schwer litten, könnten schon das Fahrgeld von 17,80 Euro für Hin- und Rückfahrt nicht aufwenden und seien zum Antritt einer Reise in das entfernte Luckau auch nicht in der Lage. Diese Beeinträchtigungen - die sie näher darlegte - verstießen gegen den grundrechtlichen Schutz von Ehe und Familie.

Die Vollzugsbehörde tritt dieser Argumentation entgegen. Um eine Verlegung aus vollzugsorganisatorischen Gründen nach § 8 Abs. 1 Satz 2 StVollzG handele es sich nicht. Allein die JVA Luckau-Duben sei die im Vollstreckungsplan als für die Vollstreckung der zwei Jahre überschreitenden "Gesamtfreiheitsstrafe" zuständige Anstalt bezeichnet. Aufgrund der Verwaltungsvereinbarung mit dem Land Brandenburg nehme Berlin, das eine lange Erfahrung mit der Therapie drogenabhängiger Frauen aufweise, Brandenburger weibliche Gefangene mit Drogenproblemen auf. Brandenburg habe im Gegenzug dafür die Zuständigkeit für die nicht drogenabhängigen Frauen mit Strafen zwischen zwei und fünf Jahren übernommen (sowie mit geringeren Strafen, soweit keine Bindungen zu Berlin bestehen). Die Erschwernis für Besuchskontakte sei hinnehmbar. Verglichen mit Flächenstaaten sei der Fahrtweg nicht unzumutbar. Bei der Antragstellerin liege zwar eine gewisse Härte vor; diese Probleme (kranker Partner, kleine Kinder) gebe es aber in derselben Stärke bei einer Vielzahl der inhaftierten Frauen. Von der Beachtung des Vollstreckungsplans könne im Hinblick auf die angespannte Belegungslage nur abgesehen werden, wenn "ganz außergewöhnliche Härten zu besorgen" seien, woran es bei der Antragstellerin fehle. Sie müsse mit anderen Gefangenen gleichbehandelt werden. Sollten sich die - vom Jugendamt zu bewerkstelligenden - Besuche der zwei in Freiheit befindlichen Töchter als nicht durchführbar erweisen, könnte die Gefangene einen Rückverlegungsantrag nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 StVollzG stellen.

Die Antragstellerin hat darauf, unterstützt von dem Rechtsvertreter ihrer Töchter, weitere Gründe geltend gemacht, die ihren Verbleib in Berlin geböten: Besuche der schulpflichtigen Töchter seien wegen des Zeitaufwands nur am Wochenende möglich. Das Jugendamt habe bereits mitgeteilt, daß für die Begleitung durch eine Aufsichtsperson keine Betreuungsleistungen im Stellenplan vorgesehen seien, schon gar nicht am Wochenende. Ohne Begleitung könnten sich die fremdländisch aussehenden Töchter wegen der Gefahr rechtsradikaler Angriffe auf keinen Fall an Brandenburger Bahnhöfen oder Bushaltestellen aufhalten.

Mit dem angefochtenen Beschluß vom 5. November 2007 gab die Strafvollstreckungskammer dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung statt und bestimmte den Streitwert auf 1500 Euro. Die Verwaltungsvereinbarung zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg sei zwar rechtmäßig, weil sie sich auf § 150 StVollzG stützen könne. Die Verlegungsentscheidung selbst habe aber keine ausreichende rechtliche Grundlage. In dem Verlegungsbescheid sei keine Vorschrift genannt. Auf § 8 StVollzG sei sie nicht gestützt. Die Verwaltungsvereinbarung selbst rechtfertige die Verlegung im konkreten Fall nicht. Die Justizvollzugsanstalt für Frauen habe das ihr eingeräumte Ermessen fehlerhaft angewendet. Denn die "ganz außergewöhnliche Härte", bei der eine Rückverlegung geboten sei, liege hier entgegen der Auffassung der Vollzugsbehörde vor. Die Anstalt habe die Berücksichtigung des verfassungsrechtlich geschützten Gesichtspunkts der Förderung des Kontakts zu Angehörigen zwar behauptet, ihn in Wahrheit aber nicht beachtet, was die Kammer im folgenden näher ausführt.

Daraufhin wurde die Antragstellerin in Befolgung des Beschlusses der Strafvollstreckungskammer in die Justizvollzugsanstalt für Frauen Berlin zurückverlegt.

Mit der frist- und formgerechten Rechtsbeschwerde erhebt die Vollzugsbehörde die Sachrüge. Die Kammer habe verkannt, daß die Rechtsgrundlage der Unterbringung der Antragstellerin in der Justizvollzugsanstalt Luckau-Duben der Vollstreckungsplan des Landes Berlin sei. Es handele sich mithin um eine Einweisungsentscheidung in die sachlich und örtlich zuständige Anstalt. Die familiären Besonderheiten seien selbstverständlich berücksichtigt worden. Die Besuchszusammenführung mit der inhaftierten Tochter müßten die beteiligten Anstalten organisieren. Die Töchter Ne. und N. hätten die Mutter in Berlin allein besucht und könnten dies auch in Brandenburg tun. Das Jugendamt habe telefonisch erklärt, die Kosten dafür zu übernehmen. Es entstehe der Anschein, den Kindern werde der unzutreffende Eindruck vermittelt, die Mutter sei aufgrund der Verlegung nicht mehr erreichbar. Um die Verwaltungsvereinbarung nicht "einseitig auszuhöhlen" und eine angemessene Gleichbehandlung zu gewährleisten, dürften nur dann Ausnahmen vom Vollstreckungsplan gemacht werden, wenn "ganz außergewöhnliche Härten zu besorgen" seien, die im Vergleich besonders herausragten. Daran fehle es hier.

Die zugrundeliegende Verwaltungsvereinbarung sei rechtmäßig; denn sie diene dem Zweck, für die weiblichen Gefangenen beider Bundesländern geeignete Behandlungsangebote zu schaffen.

Der Berliner Frauenvollzug verfüge über hochspezialisierte Behandlungsbereiche, die in anderen Bundesländern - vor dem Hintergrund geringerer spezifischer Inhaftiertenzahlen - nicht vorgehalten werden könnten. Deshalb sei es geboten, jenen Gefangenen mittels eines Vollzugsverbundes gemäß § 150 StVollzG die bestmöglichen Behandlungsangebote zu gewähren. Daß im Gegenzug Brandenburg das Land Berlin um eine bestimmte Gefangenengruppe entlasten müsse, erkläre sich "aus Kostengründen und der Sicherstellung eines funktionierenden Justizvollzuges", da ansonsten die Kapazitäten in Berlin nicht ausreichten. Um besondere Härten zu vermeiden, sehe § 3 der Verwaltungsvereinbarung eine Abweichung vom Vollstreckungsplan in Einzelfällen vor. Der Vertrag sei einzig zu dem Zweck der Behandlungsoptimierung abgeschlossen worden. Die Gründe der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19. April 2006 - 2 BvR 818/05 - (NStZ-RR 2006, 325) seien beachtet worden.

Die Antragstellerin tritt dem entgegen. Die Rechtsgrundlage der Verlegung sei § 8 Abs. 1 StVollzG. Die Anstalt habe entgegen ihrer Pflicht ihr Ermessen nicht aufgrund einzelfallbezogener Abwägungen ausgeübt. Die Senatsverwaltung habe nicht mitgeteilt, was sie unter "ganz außergewöhnlichen Härten" verstehe, wenn die der Antragstellerin zugemuteten nicht als "ganz außergewöhnlich" anerkannt würden. Sie habe auch die Gelegenheit nicht genutzt darzulegen, wie viele der verlegten weiblichen Gefangenen Kinder ohne sorgeberechtigten Vater hätten. Die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer entspreche in vollem Umfang den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts und müsse deshalb Bestand haben.

Das Ministerium der Justiz des Landes Brandenburg ist der Senatsverwaltung beigetreten. Angesichts der geringen Zahl weiblicher Gefangener im Land Brandenburg könnten dort bestimmte behandlerische Sonderbedarfe nicht angeboten werden. Daraus ergebe sich das Erfordernis der Vollzugsgemeinschaft mit Berlin. Für die Brandenburgischen Frauen sei die Unterbringung in Berlin sogar häufig wohnortnäher als in Luckau-Duben. Die Unterbringung Berliner Frauen in Luckau-Duben stelle nicht nur eine vollzugsorganisatorische Ausgleichsmaßnahme dar, sondern entspreche den Behandlungsbedürfnissen der Klientel. In der erst im Frühjahr 2005 in Betrieb genommenen Frauenabteilung dieser Anstalt seien die Inhaftierten grundsätzlich in Einzelhafträumen untergebracht. Die kleinen Abteilungen seien in Wohngruppen gegliedert. Den Frauen stünden "alle klassischen Behandlungsangebote des Normalvollzugs im Betreuungs-, Bildungs-, Beschäftigungs- und Freizeitbereich" zur Verfügung. Hinter diesen Angeboten, zu denen neben "modularisierten Ausbildungs- (Gastronomie, Gebäudereinigung) und Beschäftigungsangeboten (u.a. Gärtnerei, Wäscherei, Unternehmerbetriebe) die Möglichkeit externer Psychotherapie, soziale Trainingsangebote (u.a. Antisuchtgruppe, ab 2008 Eltern-Kind-Gruppe) sowie Freizeitgruppen" gehörten, träten bei Strafgefangenen mit Strafen zwischen zwei und fünf Jahren Aspekte der wohnortnahen Unterbringung zurück.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

Das Rechtsmittel ist zulässig; denn es ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und erfüllt die besonderen Voraussetzungen des § 116 Abs. 1 StVollzG. Es ist geboten, die Nachprüfung der Entscheidung zur Fortbildung des Rechts zu ermöglichen, da zur Bedeutung und dem Ausmaß der Ermächtigungsgrundlage zur Bildung von Vollzugsgemeinschaften (§ 150 StVollzG) keine obergerichtliche Rechtsprechung existiert. Die Rechtsbeschwerde hat sich durch die Rückverlegung nicht erledigt. Denn die Gefangene mußte verlegt werden, weil die Vollzugsbehörde den angefochtenen Beschluß der Strafvollstreckungskammer unabhängig von der eingelegten Rechtsbeschwerde zunächst zu befolgen hatte (§ 116 Abs. 3 Satz 1 StVollzG). Das Rechtsmittel ist aber nicht begründet, da die angefochtene Entscheidung jedenfalls im Ergebnis richtig ist.

1. Zu Recht beanstandet die Rechtsmittelführerin allerdings die Annahme des Landgerichts, die Gefangene sei aufgrund einer Verlegungsentscheidung nach Luckau-Duben gelangt, die sich auf keine gesetzliche Grundlage stütze, weil sie in dem angefochtenen Bescheid keine nenne. Denn es handelt sich bei der Verwaltungsentscheidung nicht um eine Verlegung nach § 8 Abs. 1 StVollzG. Solche Verlegungen geschehen aus den dort genannten Gründen abweichend vom Vollstreckungsplan. Im Streitfall indes hat die Vollzugsbehörde nach dem Eintritt der Rechtskraft des Urteils eine Einweisungsentscheidung vorgenommen, deren gesetzliche Grundlage sich in § 152 Abs. 1 StVollzG findet. Nach dieser Vorschrift regelt die Landesjustizverwaltung die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Justizvollzugsanstalten in einem Vollstreckungsplan. Denn der Gesetzesvollzug ist seit jeher (unabhängig von der Föderalismusreform) Sache der Bundesländer (vgl. Arloth, StVollzG 2. Aufl., Einl. Rdn. 7). Gemäß § 22 Abs. 1 der Strafvollstreckungsordnung (StrVollstrO) ergeben sich aus dem Vollstreckungsplan für jeden Gerichtsbezirk die Vollzugsanstalten, die für die Vollstreckung von Freiheitsstrafen zuständig sind. Der Zweck dieser Bestimmungen liegt in der unter rechtsstaatlichen und organisatorischen Gesichtspunkten notwendigen Vorwegfestlegung der örtlich und sachlich zuständigen Anstalt und der unter Behandlungsgesichtspunkten differenzierten Unterbringung der Gefangenen (vgl. OLG Rostock NStZ 1997, 381 bei Matzke). Nach dem von der Senatsverwaltung für Justiz als der im Land Berlin zuständigen Justizverwaltung bestimmten Vollstreckungsplan war die JVA Luckau-Duben die für die Antragstellerin dort vorgesehene Anstalt.

Diese Anstalt befindet sich nicht im Bundesland Berlin und wird auch nicht von der Berliner Vollzugsbehörde verwaltet. Unmittelbar berechtigt die Normenkette § 152 Abs. 1 StVollzG, § 22 Abs. 1 StrVollstrO, Fußnote zu § 5 des Berliner Vollstreckungsplans nicht zur Unterbringung in einem anderen Bundesland. Denn der Landesjustizverwaltung obliegt aufgrund ihrer auf das eigene Bundesland beschränkten Anordnungskompetenz nur die Verfügung über die dortigen, ihrer Aufsicht zugeordneten Anstalten. Zur Einweisung in ein anderes Bundesland bedarf es der Vereinbarung einer Vollzugsgemeinschaft mit ihm, wofür § 150 StVollzG die gesetzliche Grundlage darstellt. Eine solche Vollzugsgemeinschaft ist mit der Verwaltungsvereinbarung zwischen den Justizverwaltungen der Länder Berlin und Brandenburg vom 10. Dezember 2002 (in Kraft seit dem 1. Januar 2003) gebildet worden.

2. Die Einweisung der Antragstellerin in die JVA Luckau-Duben läßt sich indes im Streitfall nicht zu Recht auf den durch diese Verwaltungsvereinbarung gestalteten Vollstreckungsplan gründen. Denn der Vollstreckungsplan des Landes Berlin ist insoweit rechtswidrig, als er für weibliche Gefangene mit Vollzugsdauern zwischen zwei und fünf Jahren auch dann die JVA Luckau-Duben als zuständige Vollzugsanstalt benennt, wenn diese Gefangenen beachtliche, namentlich familiäre Bindungen an Berlin haben.

a) Der Wortlaut des § 150 StVollzG scheint den möglichen Inhalt einer Vollzugsgemeinschaft nicht einzuschränken. Gleichwohl darf die Vorschrift nicht in der Weise angewendet werden, daß sie Vertragswerke beliebigen Inhalts abdeckt. Denn das widerspräche dem verfassungsrechtlichen Grundsatz, daß es der Gesetzgeber sein muß, der die wesentlichen Merkmale der gesetzlichen Erlaubnis bestimmt; er darf dies nicht den Verwaltungen oder den Gerichten überlassen (vgl. nur Pieroth in Jarass/Pieroth, GG 8. Aufl., Art. 20 Rdnrn. 46, 47 mit weit. Nachw.). Wäre die Auslegung der Vorschrift in der grenzenlosen Form unabänderlich, die der Wortlaut nahe legt, so wäre sie aus diesem Grunde verfassungswidrig und dürfte nicht angewendet werden. Das ist jedoch nicht der Fall. § 150 StVollzG ist einer verfassungsgemäßen Auslegung zugänglich.

aa) Die Vorschrift ist bereits im Strafvollzugsgesetz selbst in ein Normensystem eingebettet, das ihr und den auf ihr beruhenden Vereinbarungen Begrenzungen aufzeigt und die beteiligten Verwaltungen anleitet, nur bestimmte Ziele und Regelungen anzustreben, die mit dem gesetzlichen Leitbild des Strafvollzuges harmonieren. So darf sich keine Vereinbarung von der Aufgabe des Vollzuges entfernen, die Gefangenen zu befähigen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen (§ 2 Satz 1 StVollzG). Auch unmittelbar von Verfassungs wegen ist der Strafvollzug auf das Resozialisierungsziel auszurichten (vgl. BVerfGK 8, 36 = NStZ-RR 2006, 325 mit weit. Nachw.). Ferner sind die in § 3 StVollzG niedergelegten Gestaltungsgrundsätze (Angleichungs-, Gegensteuerungs- und Integrationsgrundsatz) zu beachten. Aus ihnen können Gefangene zwar nicht unmittelbar Rechte herleiten (vgl. Senat ZfStrVO 1997, 307, 308; Arloth, § 3 StVollzG Rdnrn. 1, 8). Sie enthalten aber verbindliche Anweisungen an die Vollzugsbehörden (vgl. Arloth aaO), und ihnen kommt bei der Auslegung der einzelnen Normen des StVollzG eine Bedeutung zu (vgl. Arloth, § 3 StVollzG Rdn. 8).

bb) Eine weitere Leitlinie findet sich in § 24 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 StrVollstrO. Die örtliche Zuständigkeit der Vollzugsanstalt richtet sich bei Freiheitsstrafen von mehr als sechs Monaten vorrangig nach ihrem Wohnort (vgl. OLG Karlsruhe ZfStrVO 1999, 111). Auch diese Regelung findet ihre Begründung in dem Streben, die Resozialisierung der Gefangenen nach Kräften zu fördern. Das Bundesverfassungsgericht (aaO) hat hierzu ausgeführt: "Für das Resozialisierungsziel haben die familiären Beziehungen des Gefangenen wesentliche Bedeutung. Regelmäßig fördern der Bestand und die Stärkung dieser Beziehungen die Chancen seiner Eingliederung. Über ihre unmittelbare Bedeutung für den Gefangenen hinaus sind intakte Familienbeziehungen zudem auch mittelbar von großem Belang, weil resozialisierungs- und freiheitserhebliche Entscheidungen von ihnen abhängen können. ... Den Belastungen und Gefährdungen, die der Vollzug einer Freiheitsstrafe für diese Beziehungen naturgemäß bedeutet, muß die Ausgestaltung daher nicht nur mit Rücksicht auf das Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG, sondern auch im Hinblick auf das verfassungsrechtlich geschützte Resozialisierungsinteresse des Gefangenen nach Kräften entgegenzuwirken suchen. Der Resozialisierungsgrundsatz verpflichtet die Justizvollzugsanstalten, schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzugs im Rahmen des Möglichen zu begegnen; das Resozialisierungsinteresse erstreckt sich auf die Rahmenbedingungen, die einer Bewährung und Wiedereingliederung förderlich sind."

cc) Aufgrund der geschilderten Erfordernisse ist es im Schrifttum unbestritten, daß die Bildung von Vollzugsgemeinschaften einen Zielkonflikt enthält: Den Vorteilen einer differenzierten Behandlung steht in den meisten Fällen der Nachteil einer weiteren Entfernung von Bezugspersonen gegenüber, die für die Gefangenen wichtig sein können. Hier muß den Behandlungsmaximen in der Weise Rechnung getragen werden, daß der größeren Trennung der Gefangenen von ihren Familien, Angehörigen und Freunden sowie dem übrigen sozialen Umfeld erheblich bessere Behandlungsmöglichkeiten gegenüberstehen müssen (vgl. Koepsel/ Steinhilper in Schwind/ Böhm/ Jehle, StVollzG 4. Aufl.; Huchting/ Lehmann in AK, StVollzG 5. Aufl., Rdn. 2 f.; Arloth < ohne Rdn. > - jew. zu § 150 StVollzG). Diese Auffassung teilt im wesentlichen auch der Senat.

Der Vereinbarung einer Vollzugsgemeinschaft liegt in der Regel entweder das aus der geringen Größe eines Bundeslandes folgende räumliche Unvermögen oder die auf dem Mangel an Erfahrung beruhende geringere Kompetenz der Vollzugsbehörde eines Bundeslandes zugrunde, für eine bestimmte Gefangenenklientel ausreichende Behandlungsmöglichkeiten vorzuhalten. Die Übernahme dieser Gefangenen durch das andere Bundesland (im Streitfall Berlin) läßt das Problem entstehen, daß dieses Bundesland einen Ausgleich benötigt, den das abgebende Land gewährleisten muß. Dieser Ausgleich kann, wenn er nicht in Geld bezahlt wird, in der Übernahme von Gefangenen bestehen, für die das abgebende Land seinerseits bessere Behandlungsmöglichkeiten geschaffen hat. Letzteres wird nicht immer möglich sein; denn Vollzugsgemeinschaften werden ja gerade als Antwort auf in einem Bundesland bestehende Defizite geschlossen, denen oftmals keine zum Ausgleich geeigneten Vollzugsressourcen für andere Gefangene gegenüberstehen werden. Deshalb muß es genügen, wenn die "tauschweise" zur Unterbringung in dem abgebenden Bundesland vorgesehenen Gefangenen zwar keine besseren, aber gleichwertige Behandlungsmöglichkeiten vorfinden, sofern mit der auswärtigen Unterbringung keine auszugleichenden Nachteile verbunden sind. Das ist vor allem dann der Fall, wenn diese Gefangenen im abgebenden Land in der Weise nicht verwurzelt sind, daß sie dort nicht wohnen (etwa reisende Täter) oder keine sozialen Bindungen (namentlich keine Familie) haben - es also keine nach den Grundsätzen des § 3 StVollzG zu beachtenden, für die Resozialisierung bedeutsamen Bindungen gibt, deren durch die größere Entfernung verursachte Erschwernis ausgeglichen werden müßte.

Daraus folgt: Hat ein Gefangener oder eine Gefangene beachtliche, namentlich familiäre Bindungen an das Bundesland, in dem er oder sie den Wohnsitz hat, darf er oder sie nur dann aufgrund einer Vollzugsgemeinschaft einer Vollzugsanstalt eines anderen Bundeslandes zugewiesen werden, wenn damit bessere Behandlungsmöglichkeiten verbunden sind.

b) Entgegen der Auffassung des Ministeriums der Justiz des Landes Brandenburg und der Berliner Senatsverwaltung für Justiz erfüllt die zwischen beiden Ländern geschlossene Vereinbarung diese Erfordernisse nicht in jeder Hinsicht.

aa) Zweifelsohne sind sie für die Brandenburger Gefangenen erfüllt. Denn der - bei einer Verbüßung in Berlin ohnehin im Vergleich mit der Brandenburgischen Vollzugsanstalt nicht immer - weiteren Entfernung von ihren Familien steht durch die differenzierten Behandlungsmöglichkeiten für drogenabhängige Frauen in Berlin ein vollzuglicher Gewinn gegenüber. Das gilt aber nicht im Gegenzug für diejenigen weiblichen Gefangenen, die ihren Wohnsitz und ihre familiären Bindungen im Land Berlin haben und sich - für sie in der Regel überraschend - in einer Anstalt weit außerhalb Berlins wiederfinden, obgleich dem kein Gewinn, sondern ein Verlust für ihre auf die Resozialisierung ausgerichtete Behandlung gegenübersteht. Auch für die Berliner weiblichen Gefangenen mit Strafen von sechs Monaten bis zwei Jahren ist die Regelung nicht zu beanstanden; denn nur solche Gefangenen sind zur Unterbringung außerhalb Berlins vorgesehen, die keine Bindung an Berlin haben.

bb) Für die Gruppe der weiblichen Gefangenen mit Vollzugsdauern zwischen zwei und fünf Jahren gilt dies nicht. Sie werden aufgrund der von der Senatsverwaltung für Justiz - in Einklang mit dem zwischen beiden Bundesländern ausgehandelten Vertrag - aufgestellten Fassung des Vollzugsplans fernab von Berlin untergebracht, ohne daß ihre Bindung an Berlin Bedeutung hat. Dieser Bestimmung steht kein vollzuglicher Gewinn gegenüber. Die Berliner Senatsverwaltung hat in ihrer Stellungnahme einen solchen Gewinn auch nicht vorgetragen, sondern den Austausch mit reinen Kapazitätsüberlegungen begründet. Das Land Brandenburg hingegen hat geltend gemacht, für die Klientel der weiblichen Gefangenen mit Vollzugsdauern zwischen zwei und fünf Jahren bestünden in Luckau-Duben - im einzelnen beschriebene - besser geeignete und auf sie zugeschnittene Vollzugsbedingungen. Das ist aber nicht der Fall. Den beschriebenen Haftbedingungen ist nichts Besonderes eigen, das gerade auf die streitgegenständliche Klientel abgestellt wäre. Vielmehr beschreibt die Stellungnahme eine Haftanstalt mit Wohngruppenvollzug, wie sie ganz allgemein dem Leitbild des StVollzG entspricht.

cc) Schon gar nicht trifft die dort geäußerte Ansicht zu, Gefangene mit Vollzugsdauern zwischen zwei und fünf Jahren bedürften in geringerem Maße der Aufrechterhaltung enger familiärer Beziehungen als diejenigen mit sechs Monaten bis zu zwei Jahren. Das Gegenteil ist der Fall. Schon ohne einen Blick in vollzugs- oder vollstreckungsrechtliche Normen leuchtet es ein, daß sich innerhalb eines überschaubaren Zeitraums von bis zu zwei Jahren leichter Fahrten zu einem entlegenen Ort organisieren lassen als über lange Jahre hinweg. Daher besteht bei Gefangenen mit Haftdauern von mehr als zwei Jahren eine größere - der Resozialisierung abträgliche - Gefahr, daß ihre Familien auseinanderfallen, als das bei geringeren Haftdauern der Fall wäre.

Diese Bewertung läßt sich auch den Regelungen der örtlichen Zuständigkeit in der Strafvollstreckungsordnung entnehmen (§ 24 Abs. 1, 2 StrVollstrO). Bei kürzerer Vollzugsdauer von bis zu sechs Monaten wird es für zuträglich gehalten, die gefangene Person am Verwahrungsort zu belassen (§ 24 Abs. 1 Satz 2 StrVollstrO). Alle anderen Regelungen sind darauf ausgerichtet, sie zurück an ihren Wohnort zu überstellen, den Ort, an dem sie den Schwerpunkt ihrer Lebensbeziehungen hat (vgl. OLG Karlsruhe ZfStrVO 1999, 111).

dd) Daß die Wege zu den Haftanstalten in Flächenländern häufig länger und verkehrstechnisch ungünstiger sein können als derjenige von Berlin an den Rand des Spreewaldes, führt zu keiner anderen Beurteilung. Zum einen ändert dieses Argument nichts daran, daß der größeren Trennung von der Familie entgegen den Erfordernissen der verfassungsgemäßen Auslegung des § 150 StVollzG kein vollzuglicher Gewinn gegenübersteht. Zum anderen vergleicht diese Ansicht Unvergleichliches. Die Bewohner der großen Stadtstaaten haben diesen Wohnsitz für sich und ihre Familie überwiegend mit Bedacht gewählt und sich auf die dort herrschenden spezifischen Lebensgewohnheiten eingestellt. Dem dort in der Regel hektischeren und weniger beschaulichen Leben steht eine Behörden- und Verkehrsstruktur gegenüber, die es - anders als in Flächenstaaten - ermöglicht, jede Behörde in der eigenen Stadt aufzusuchen, mit in kurzen Takten verkehrenden Bussen und Bahnen zu fahren und gegebenenfalls erlaubt, auf ein Kraftfahrzeug völlig zu verzichten. Niemand muß im Verkehr mit Behörden mit einem Weg von 80 km rechnen. Nur in wenigen Fällen kommen aufgrund der Bildung gemeinsamer Obergerichte oder Behörden ein- oder zweimalige - Wege zu entfernteren Standorten in Betracht, wie z. B. dem in Cottbus gelegenen Finanzgericht, nie aber für häufiger zu bewältigende Wege wie denen zum Besuch gefangener Verwandter.

3. Daß der zwischen Berlin und Brandenburg geschlossene Vertrag Abweichungen für besondere Härtefälle zugunsten einzelner Gefangener zuläßt, macht ihn für die Gruppe der weiblichen Gefangenen mit Vollzugsdauern zwischen zwei und fünf Jahren und Bindungen an Berlin nicht rechtmäßig. Denn die dem Senat vorliegenden Einzelfälle weisen aus, daß die Vollzugsbehörde diese Ausnahmevorschrift in einer Weise auslegt, die einen Anwendungsraum nicht mehr erkennen läßt. Ihre Ansicht, der Streitfall entspreche - ebenso wie der andere, heute vom Senat entschiedene Fall - einer Reihe gleichartiger Sachlagen bei weiblichen Gefangenen mit Kindern, läßt offen, wie schlimm das Schicksal einer Gefangenen sein soll, um anstatt der Beurteilung "gewisse Härte" diejenige als "ganz außergewöhnliche Härte" zu rechtfertigen. Eine solche Normanwendung, die an die vom Bundesverfassungsgericht in seinem vorzitierten Beschluß vom 19. April 2006 - 2 BvR 818/05 - (BVerfGK 8, 36 = NStZ-RR 2006, 325) gerügte Auslegung des Begriffs "unerläßlich" erinnert, macht eines deutlich: Den vorgesehenen Ausnahmefall gibt es in der praktischen Anwendung nicht.

Die Schwierigkeiten, denen sich die Töchter der Antragstellerin bei dem Versuch gegenübersahen, ihre Mutter zu besuchen, gingen über die Überwindung der Entfernung weit hinaus, insbesondere bei der inhaftierten Tochter, für deren Besuchszusammenführung das Zusammenwirken zweier oberster Vollzugsbehörden erforderlich ist - eine sehr seltene Konstellation. Daß eine so außergewöhnliche Lage der Gefangenen nach Auffassung der Berliner Vollzugsbehörde nicht von vornherein zu einem Verbleib der Gefangenen innerhalb deren Zuständigkeitsbereichs führen konnte, belegt die Rechtswidrigkeit der gesamten Konstruktion.

III.

Die Entscheidung über die Kosten und Auslagen beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 121 Abs. 4 StVollzG, §§ 467 Abs. 1, 473 Abs. 1 und 3 StPO.

Ende der Entscheidung

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