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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 18.05.2006
Aktenzeichen: 20 SCH 13/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 328
1. Eine rechtskräftige Entscheidung eines Volksgerichts (in China) kann gemäß § 328 ZPO anerkannt werden.

2. Für die Feststellung chinesischen Rechts genügt es, dass eine Entscheidung eines chinesischen Gerichts vorliegt, die der Vorgabe des höchsten chinesischen Gerichts in der konkreten Sache entspricht.


Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 20 SCH 13/04

Verkündet am: 18.05.2006

In der Schiedssache

hat der 20. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 30. März 2006 durch seine Richter Budde, Balschun und C. Kuhnke beschlossen:

Tenor:

1. Der Antrag wird zurückgewiesen und festgestellt, dass der durch den Einzelschiedsrichter nnnnnnnnn in Shanghai (China) am 30. März 2004 erlassene Schlussschiedsspruch (Final Award / Sentence Finale) des Internationalen Schiedsgerichtshofs (International Court of Arbitration) der Internationalen Handelskammer (International Chamber of Commerce [ICC]), Aktenzeichen (Case No.) nnn /n /n , im Inland nicht anzuerkennen ist.

2. Die Antragstellerin hat die Kosten des gerichtlichen Verfahrens zu tragen.

3. Der Gegenstandswert des gerichtlichen Verfahrens beträgt bis zu 550.000 €.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarerklärung des durch den Einzelschiedsrichter nnnn nnnnn in Shanghai (China) am 30. März 2004 erlassenen Schlussschiedsspruches (Final Award) bzw. Schlussurteils (Sentence Finale) des International Court of Arbitration der International Chamber of Commerce (ICC), Aktenzeichen (Case No.) nnn /n /n , nach dem die Antragsgegnerin der Antragstellerin 4.578.597 RMB und 55.000 US$ zu zahlen hat.

Die Schiedsklausel in der zu Grunde liegenden im Dezember 2000 geschlossenen Vereinbarung über den Bau einer Fabrik in nnn (China) lautet im tabellarischen Anhang: "Arbitration 15.3 IIC Rules, Shanghai shall apply" (sinngemäß: Schiedsverfahren 15.3 Shanghai soll zuständig sein). Die Bezeichnung 15.3 nimmt dabei auf eine in den allgemeinen Bedingungen (General Conditions) genannte Standardschiedsklausel (FIDIC Green Book) Bezug, nach der Streitigkeiten endgültig durch einen Einzelschiedsrichter gemäß den im Anhang spezifizierten Regeln entschieden werden sollen. Bei Fehlen einer Vereinbarung soll der Schiedsrichter durch die im Anhang genannte Behörde/Stelle ernannt werden. Wegen der Verhandlungssprache und des Verhandlungsortes wird ebenfalls auf den Appendix verwiesen (englisch / Shanghai).

Das Volksgericht nnn hat am 2. September 2004 - Aktenzeichen: (2004) nnnnn - (Anlage AG2 = Bl. 91 ff.) die auf Feststellung der Wirksamkeit der Schiedsklausel gerichtete Klage der Antragstellerin abgewiesen und die Schiedsklausel für unwirksam erklärt, weil sie mangels Benennung der Schiedsinstitution bzw. des Schiedsgerichts nach chinesischem Recht unwirksam sei. Zuvor hatte sich der Oberste Volksgerichtshof gegenüber dem Obersten Volksgerichtshof der Provinz nnnn am 8. Juli 2004 (Anlage AG7 = Bl. 175 d.A.) bereits entsprechend in der Sache geäußert.

Die Antragstellerin hat ferner einen Antrag auf Anerkennung und Vollstreckung am 17. August 2004 gestellt, den das Volksgericht Wuxi am 1. September 2004 angenommen hat (Anlage AS 17, in deutscher Übersetzung Bl. 212 f.). Eine Entscheidung ist in dem Verfahren nicht getroffen worden.

Die Antragstellerin beantragt,

die Anerkennung des ICC-Schiedsspruches des Internationalen Schiedsgerichtshofes vom 30. März 2004, Aktenzeichen (Case No.): nnn /n /n gemäß § 1061 Abs. 1 ZPO i.V.m. den Bestimmungen der Art. III-VI des UN-Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. Juni 1958.

Die Antragsgegnerin beantragt,

1. die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs zu versagen und

2. festzustellen, dass der Schiedsspruch im Inland nicht anzuerkennen ist.

Die Antragsgegnerin macht gestützt auf das Urteil geltend, die Schiedsklausel sei unwirksam und dies habe sie bereits im Schiedsverfahren beanstandet. Das Urteil sei gemäß § 328 ZPO anzuerkennen, weil die Gegenseitigkeit mit China verbürgt sei. Sie rügt die Zuständigkeit des Gerichts.

Die Antragstellerin weist daraufhin, dass das Schiedsgericht selbst mit Teilschiedsspruch vom 10. November 2003 die Schiedsklausel für wirksam gehalten und seine Zuständigkeit ausgesprochen habe. Sie ist der Meinung, dass nach den Regeln der ICC, wonach das Internationale Schiedsgericht der ICC zuständig sei, eine hinreichende Bestimmtheit vorläge. Sie verweist hierzu auf die Rechtsprechung des (chinesischen) Obersten Volksgerichts (Supreme People's Court) von 1996, der eine solche Klausel für wirksam erachtet hat. Ferner verweist sie auf dessen an die Volksgerichte gerichteten Entwurf vom 31. Dezember 2003 zu Regeln bezüglich ausländischer Schiedsgerichtsgerichtsbarkeit bzw. Schiedsgerichtsbarkeit mit ausländischem Bezug, nach dessen Art. 26 die Nennung des Schiedsgerichts in der Klausel selbst nicht erforderlich sei (sinngemäß übersetzt: Wenn die Parteien vereinbaren, dass die Schiedsregeln einer bestimmten Schiedsorganisation angewendet werden sollen, sie aber nicht vereinbaren, dass diese Schiedsorganisation die Streite entscheiden soll, soll das Volksgericht entscheiden, dass die Schiedsorganisation, deren Regeln angewendet werden, das Recht hat, den Fall zu entscheiden). Die Antragsgegnerin macht ergänzend geltend, das Volksgericht habe die Klage statt durch Urteil, formal falsch durch Beschluss entschieden, weshalb die Entscheidung nicht anfechtbar gewesen sei. Sie macht geltend, es sei bisher kein Fall von gegenseitiger Verbürgung i.S.v. § 328 Abs. 1 Nr. 5 ZPO bekannt geworden; die Antragsgegnerin trage hierzu auch nicht vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie den nachgelassenen Schriftsatz der Antragstellerin vom 27. April 2006 jeweils nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Der Antrag der Antragstellerin war gemäß §§ 1061 ff. ZPO i.V.m. I ff. UNÜ zulässig (1.), jedoch in der Sache unbegründet (2.), sodass die Anerkennung des Schiedsspruchs im Inland zu versagen war (§ 1061 Abs. 2 ZPO).

1. Soweit der Senat in der mündlichen Verhandlung noch Bedenken hinsichtlich seiner Zuständigkeit erörtert hat, sind diese zwar nicht zur sog. Hilfszuständigkeit des § 1062 Abs. 2 ZPO, aber zur originären örtlichen Zuständigkeit durch den der Antragstellerin nachgelassenen Schriftsatz ausgeräumt worden.

Soll in gegen Drittschuldner des Vollstreckungsschuldners gerichtete Forderungen vollstreckt werden, ist für die Belegenheit dieses Vermögens des Vollstreckungsschuldners gemäß § 23 S. 1 und S. 2 ZPO für Gesellschaften als Drittschuldner deren Sitz nach § 17 ZPO maßgeblich (vgl. zu § 23 ZPO: Vollkommer in: Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 23 Rn. 10; Smid in: Musielak, ZPO, 3. Aufl., § 23 Rn. 9). Das gilt entsprechend auch im Rahmen des § 1062 Abs. 2 ZPO. Die Antragstellerin hat nunmehr ausgeführt, dass auch in Berlin mögliche Drittschuldner nicht nur über Niederlassungen verfügen, sondern sich auch der Gesellschaftssitz befinde (nnnnn ), sodass die Antragstellerin das Kammergericht als eines der zuständigen Gerichte anrufen konnte. Da der Umstand, dass die nnnn AG entsprechend der Nennung auf der Homepage der Antragsgegnerin deren Kundin ist, bereits zuvor bekannt war (vgl. Anlage AS 14, 2. Blatt, = Bl. 159 d.A.), und diese ihren Sitz - wie nun ausdrücklich vorgetragen ist - auch in Berlin hat, war eine weitere Stellungnahme der Antragsgegnerin zu dieser offenkundigen Tatsache entbehrlich, zumal die Möglichkeit, dass sich nach der Stellungnahme die Zuständigkeit des Senats ergeben könnte, entsprechend erörtert worden ist. Die Sachentscheidung (s. 2.) benachteiligt die Antragsgegnerin schließlich auch nicht. 2. Die Schiedsklausel in dem Schiedsvertrag ist jedoch unwirksam, sodass gemäß § 1061 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO i.V.m. Art. V Abs. 1 a) UNÜ die Anerkennung zu versagen war.

a) Es steht auf Grund des rechtskräftigen Urteils des Volksgerichts nn vom 9. September 2004 für den Senat bindend fest, dass die vereinbarte Schiedsklausel unwirksam war. Dieses Urteil ist gemäß § 328 ZPO anzuerkennen. Die Versagungsgründe des § 328 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 ZPO liegen ersichtlich nicht vor und bedürfen keiner näheren Erörterung. Es ist ferner nicht davon auszugehen, dass die Gegenseitigkeit nicht verbürgt ist (§ 328 Abs. 1 Nr. 5 ZPO). Mangels internationaler Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik China über die gegenseitige Anerkennung von Urteilen ist die tatsächliche Handhabung maßgeblich. Da in solchen Fällen eine Seite mit der Anerkennung beginnen müsste, bevor die andere nachziehen könnte, würde das die gegenseitige Anerkennung faktisch ausschließen, was so vom Gesetzgeber nicht gewollt ist. Deshalb ist, um die Entwicklung gegenseitiger Anerkennung ohne Abschluss internationaler Verträge nicht zu blockieren, darauf abzustellen, ob zu erwarten ist, dass die andere Seite nachziehen wird. Davon ist im Verhältnis zu China auszugehen. Die Gegenmeinung weist zwar insoweit auf fehlende Erfahrungen hin. Das spricht aber tatsächlich dafür, dass Ablehnungen der Anerkennung ebenso nicht bekannt geworden sind. Um der gegenseitigen Blockierung vorzubeugen, muss deshalb die Prognose genügen, dass die Anerkennung von Urteilen chinesischer Gerichte durch deutsche Gericht auch die Anerkennung deutscher Urteile in China zur Folge hat (vgl. dazu näher Schütze in: Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, Loseblattsammlung, Stand 2005, konkrete Kommentierung Stand 1989, Band V, 1027 · 4 - 6; Geimer in: Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 328 Rn. 177 i.V.m. Anh. IV "China (Volksrep)"; Baumbach u.a., ZPO, 63. Aufl., Anh. § 328 Rn. 3 China; a.A. bspw. Roth in: Stein/Jonas, 21. Aufl., § 328 XI Rn. 164). Substanzielles wird sonst nirgends ausgeführt und es ist nicht anzunehmen, dass die einschlägigen Publikationen ablehnende chinesische Urteile übergangen haben sollten. Der ordre-public-Vorbehalt im chinesischen Recht entspricht § 328 Abs. 1 (insbesondere Nr. 4) ZPO, sodass auch danach Zweifel an der Gegenseitigkeit nicht begründet erscheinen (vgl. Schütze in: Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, Loseblattsammlung, Stand 2005, konkrete Kommentierung Stand 1989, Band V, 1027 · 4 - 5).

b) Aber auch unabhängig von der Bindung der rechtskräftigen Entscheidung des Volksgerichts nn vom 2. September 2004 ist davon auszugehen, dass die Schiedsklausel nach dem maßgeblichen chinesischen Recht unwirksam ist. Hierzu bedürfte es nicht der Einholung eines Gutachtens, denn es liegt bereits eine Entscheidung eines chinesischen Gerichts vor, die der Vorgabe des höchsten chinesischen Gerichts in der konkreten Sache entspricht, sodass keinerlei Veranlassung besteht, anzunehmen, chinesisches Recht sei nicht zutreffend angewandt worden. Soweit die Antragstellerin auf einen Entwurf des Obersten Volksgerichtshofs vom 31. Dezember 2003 verweist (Anlage AS8; Beistück zu Bl. 130 d.A.), ist nicht vorgetragen, dass diesem Entwurf, der zudem ohnehin keine Rückwirkung vorgesehen hätte (dort Art. 40), eine verbindliche Fassung gefolgt wäre. Dagegen spricht jedenfalls die Antwort des Obersten Volksgerichtshofs in der konkreten Streitsache vom 8. Juni 2004, der das Volksgericht nn gefolgt ist. Diese Rechtsauslegung erscheint keineswegs - wie die Antragstellerin meint - offenkundig falsch, sondern ist eine gut vertretbare Möglichkeit. Nach chinesischem Recht muss - unstreitig und anders als nach deutschem Recht - auch das Schiedsgericht bereits bestimmt sein. Es lässt sich daher durchaus vertreten, dass in der Klausel selbst das Schiedsgericht, einschließlich seiner Zusammensetzung schon bestimmt sein muss. Vorliegend ist die Entscheidung durch einen Einzelschiedsrichter vereinbart gewesen, der mangels Vereinbarung von der genannten Behörde ernannt werden sollte. Es ist aber keine Behörde im Anhang vereinbart, sondern nur mittelbar über die Erwähnung der Vorschriften der ICC die Zuständigkeit des internationalen Schiedsgerichts mit Benennung des (vereinbarten) Einzelschiedsrichters durch dieses.

c) Soweit die Antragstellerin - insoweit schon nicht dem Zweck der eingeräumten Frist entsprechend und damit an sich unbeachtlich - die Aussetzung beantragt hat, war diesem Antrag nicht stattzugeben. Die Entscheidung über den Antrag auf Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs vor dem Volksgericht nn vermag die Aussetzung nicht zu rechtfertigen. Der maßgebliche Art. VI UNÜ sieht deswegen eine Aussetzung nicht vor, was sich daraus erklärt, dass eine solche Entscheidung im Rahmen des Art. V UNÜ unerheblich ist. Jedenfalls wird dieses Verfahren nicht fortgeführt. Die Antragstellerin, der es offensichtlich schwer fällt, sich mit der rechtskräftigen Entscheidung abzufinden, hat schon nicht vorgetragen, dass nach Annahme des Antrages einen Tag vor Verkündung des hier maßgeblichen Urteils des Volksgerichts nn , das Verfahren nun überhaupt weiter betrieben wird. Andernfalls hätte sie dann nämlich vortragen können müssen, wie sich das Volksgericht nn zur Bindung seines Urteils vom 2. September 2004 erklärt hätte.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

4. Die Streitwertfestsetzung entspricht der Umrechnung der Beträge von RMB sowie US$ in €.

Ende der Entscheidung

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