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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 17.04.2008
Aktenzeichen: 20 SCH 2/08
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 1061 Abs. 1 |
Kammergericht Beschluss
Geschäftsnummer: 20 SCH 2/08
In der Schiedssache
hat der 20. Zivilsenat des Kammergerichts durch seine Richter Budde, Baldszuhn und Balschun am 17. April 2008 beschlossen:
Tenor:
1. Der als Urteil bezeichnete und zwischen den Parteien ergangene Schiedsspruch des Internationalen Kommerziellen Schiedsgerichts bei der Handels- und Industriekammer der Ukraine vom 27. August 2007 (Az. 107g/2007) mit folgendem Inhalt:
"Die Firma "O--------- GmbH" (W-------straße -, --- B----) wird verpflichtet, nach der Zustellung des vorliegenden Urteils an die geschlossene Aktiengesellschaft "A----------P----K----" (Ukraine, Stadt K---, per. B-----, -) ----,77 EUR als Hauptsachenforderung, als Erstattung der gezahlten Anwaltskosten 398,61 EUR sowie die Gerichtsgebühr in Höhe von 1.839,70 EUR, insgesamt somit 18.070,08 EUR unverzüglich zu zahlen."
wird für vollstreckbar erklärt.
2. Die Kosten des gerichtlichen Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.
3. Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Verfahrenswert wird auf 18.070,08 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Parteien vereinbarten mit Vertrag vom 18. Oktober 2004 die Lieferung von pharmazeutischen Präparaten und Produkten für medizinische Zwecke an die Antragstellerin. Unter Ziffer 11 dieses Vertrages regelten sie die Zuständigkeit des Internationalen Kommerziellen Schiedsgerichts bei der Handels- und Industriekammer der Ukraine für den Fall einer Streitigkeit zwischen ihnen.
Das Schiedsgericht verurteilte die Antragsgegnerin, die sich an dem Schiedsverfahren nicht beteiligt hatte, mit Schiedsspruch vom 27. August 2007 zur Zahlung des Hauptsachebetrages in Höhe von 15.831,77 EUR, der Anwaltskosten in Höhe von 398,61 EUR sowie der Gerichtskosten in Höhe von 1.839,70 EUR.
Nach dem Tatbestand des als Urteil bezeichneten Schiedsspruchs hatte die Antragsgegnerin an die Antragstellerin Waren im Wert von 2.337.246,74 EUR geliefert, während die Antragstellerin an die Antragsgegnerin 2.431.881,12 EUR überwiesen hatte. Da die Antragsgegnerin keine weiteren Lieferungen mehr erbrachte, ergab sich zu Gunsten der Antragstellerin wegen des geminderten Wertes der bis dahin gelieferten Ware eine Überzahlung von 94.634,38 EUR, worauf die Antragsgegnerin 78.802,61 EUR zahlte. Hinsichtlich der Restforderung in Höhe von 15.831,77 EUR rief die Antragstellerin das Internationale Kommerzielle Schiedsgericht bei der Handels- und Industriekammer der Ukraine an.
Aus dem Schiedsspruch ergibt sich ferner, dass das Schiedsgericht am 1. Juni 2007 Kopien der Aktenunterlagen (einschließlich der Klage), die Geschäftsordnung und die Liste der Schiedsrichter des Schiedsgerichts bei der Handels- und Industriekammer der Ukraine per Einschreiben mit Rückschein an die Beklagte unter der im Rubrum angegebenen Anschrift zugestellt hatte, dieses Einschreiben jedoch am 2.Juli 2007 mit dem Vermerk "nicht abgeholt" zurückgeschickt wurde. Gemäß Art. 3.1 des Gesetzes der Ukraine "Über das Internationale Kommerzielle Schiedsgericht" gelte daher das Einschreiben an die Schiedsbeklagte als zugestellt. Die Terminsladung zum 27. August 2007 wurde ebenfalls per Einschreiben mit Rückschein an die Antragsgegnerin zugestellt; sie wurde mit dem Vermerk "nicht abgeholt" zurückgeschickt.
Spätestens am 7. Dezember 2007 erhielt die Antragsgegnerin durch das Schreiben des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin vom 5. Dezember 2007 Kenntnis von dem Schiedsspruch.
Die Antragstellerin behauptet, der Schiedsspruch sei der Antragsgegnerin mit Einschreibebrief am 6.September 2007 zugestellt worden, jedoch mit dem Vermerk "nicht abgeholt" an das Schiedsgericht zurückgegangen.
Sie ist der Auffassung, dass die Antragsgegnerin mit den geltend gemachten Anerkennungsverweigerungsgründen präkludiert sei, weil sie ihre fristgemäße Geltendmachung im ukrainischen Aufhebungsverfahren versäumt habe. Nach Art. 9.2 (1)-2 und Art. 9.2(2)-2 der Verfahrensordnung des Ukrainischen Internationalen Handelsschiedsgerichts würden Verstöße gegen das rechtliche Gehör zur Aufhebung durch das staatliche Gericht in Kiew führen, das aber binnen drei Monaten "nach dem Eingang des Schiedsspruchs" angerufen sein müsse (Art. 9.3 Verfahrensordnung). Gemäß Art. 34 des Ukrainischen Gesetzes "Über das internationale kommerzielle Schiedsgericht" könne ein Schiedsspruch wegen Verstoßes gegen das rechtliche Gehör binnen drei Monaten nach dem Eingang des Schiedsspruchs beim staatlichen Gericht der Ukraine angefochten werden.
Die Antragstellerin beantragt, den Schiedsspruch wie aus dem Tenor zu 1. ersichtlich für vollstreckbar zu erklären.
Die Antragsgegnerin beantragt,
festzustellen, dass der Schiedsspruch im Inland nicht anzuerkennen ist.
Sie behauptet, sie sei an dem Schiedsverfahren nicht beteiligt worden. Weder die Schiedsklage noch der Schiedsspruch seien ihr zugestellt worden.
Im Übrigen bestehe der geltend gemachte Rückzahlungsanspruch der Antragsstellerin nicht, da sie von der Antragstellerin eine Überzahlung von 94.103,00 EUR erhalten habe mit der Weisung, diese an die Firma G------ in Lettland weiterzuleiten. Diesem Auftrag sei sie nachgekommen. Am 4. und 5. April 2007 habe die Firma G----- 79.000,00 EUR an sie rücküberwiesen; diesen Betrag habe sie an die Antragstellerin weitergeleitet. Demnach seien 15.103,00 EUR bei der Firma G------ verblieben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist gemäß § 1061 Abs.1 ZPO i. V. m. Art I ff. UNÜ (New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. Juni 1958, BGBl. 1961 II S.122) zulässig und begründet.
Die Voraussetzungen nach Art. III ff. UNÜ für die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs vom 27. August 2007 liegen vor.
1. Das New Yorker Übereinkommen ist auf den zwischen den Parteien ergangenen Schiedsspruch anzuwenden, denn dieser ist in einem Hoheitsgebiet eines anderen Staates als der Bundesrepublik Deutschland ergangen (Art. I Abs.1 UNÜ).
2. Die formellen Erfordernisse der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung nach Art IV UNÜ i. V. m. Art. VII Abs.1, § 1064 Abs.1 und 3 ZPO sind gegeben; die Antragstellerin hat eine beglaubigte Abschrift des Schiedsspruchs vorgelegt.
3. Ein die Versagung der Anerkennung und Vollstreckung nach Art. V UNÜ rechtfertigender Grund liegt nicht vor.
a) Der Schiedsspruch ist für die Parteien nach der Schiedsklausel in dem Vertrag vom 18.10.2004 und nach dem Tenor des "Urteils" endgültig und unanfechtbar (Art. V Abs.1 e UNÜ). Die Möglichkeit, den Schiedsspruch im Erlassstaat auf anderem Wege als durch Rechtsbehelf nachträglich zu beseitigen, steht der Verbindlichkeit nicht entgegen (BGH, Urteil vom 18.1.1990 - III ZR 269/88 -, NJW 1990, 2199).
b) Die Antragsgegnerin ist mit ihrer Berufung auf Anerkennungsverweigerungsgründe präkludiert, weil sie ihre fristgemäße Geltendmachung im ukrainischen Aufhebungsverfahren versäumt hat. Spätestens am 7. Dezember 2007 ist der Antragsgegnerin der Schiedsspruch zugegangen, so dass bei einer Frist von drei Monaten für die Geltendmachung einer Aufhebungsklage vor den ukrainischen Gerichten dieser Rechtsbehelf nicht mehr zulässig ist.
Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 1.2.2001 - III ZR 332/99 -, NJW-RR 2001,1059, das er noch nach altem Schiedsverfahrensrecht zu entscheiden hatte, an dem Grundsatz festgehalten, dass dann, wenn von einem fristgebundenen Rechtsbehelf im Ursprungsland kein Gebrauch gemacht werde, die Rechtsverteidigung insoweit auch im deutschen Vollstreckbarerklärungsverfahren präkludiert sei. Dieser tradierten Linie folgen für das ab 1.1.1998 geltende Schiedsverfahrensrecht auch das OLG Karlsruhe (Beschluss vom 27.3.2006 - 9 SCH 2/05 -, SchiedsVZ 2006, 335) sowie teilweise die Kommentarliteratur (Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Aufl., Kap. 27 Rn.2546 f.; Musielak/Voit, ZPO, 5. Aufl., § 1061 Rn. 20). Insoweit wird zur Begründung angeführt, dass sich dem Übereinkommen (UNÜ) keine abschließende Regelung zur Frage der Präklusion entnehmen lasse, so dass dem nationalen Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zukomme. Der deutsche Gesetzgeber habe von dieser Möglichkeit nicht ausdrücklich Gebrauch gemacht. Gegen eine Auslegung, die die Geltendmachung präkludierter Gründe ausschließe, spreche, dass der ausländische Normgeber dem nationalen durch die Einführung eines befristeten Rechtsbehelfs mit präkludierender Wirkung die Prüfung eines Versagungsgrundes in Deutschland einschränken könnte. Auf der anderen Seite würden auch nach § 1060 Abs. 2 S. 3 die Aufhebungsgründe des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 nicht berücksichtigt, wenn die Frist für einen Aufhebungsantrag abgelaufen sei. Im Interesse einer einheitlichen Beurteilung sollte deshalb auch die Präklusion derartiger Gründe nach einem anderen als dem deutschen Recht anerkannt werden, denn der deutsche Gesetzgeber habe mit § 1059 einerseits und der Einbeziehung des UNÜ in das deutsche Recht durch § 1061 andererseits parallele Regelungen getroffen (vgl. Musielak/Voit a. a. O.). Das UNÜ verhindere gemäß Art. VII Abs.1 auch keine anerkennungsfreundlichere Praxis nationalen Rechts, sodass eine teleologische Reduktion im Hinblick auf die schon unter altem Recht bestehenden Gründe den Gerichten nach wie vor freistehe (OLG Karlsruhe, a. a. O.).
Dieser Auffassung schließt sich der Senat an.
c) Im Übrigen hat die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Antragsgegnerin einen Anerkennungsverweigerungsgrund nach Art. V Abs.1 b UNÜ nicht substanziiert darlegen und beweisen können.
Zwar ist unstreitig, dass sich die Antragsgegnerin nicht am Schiedsverfahren beteiligt hat und sowohl die verfahrenseinleitenden Schriftstücke als auch die Terminsladung wieder zu den Schiedsakten zurückgelangt sind, ohne dass die Antragsgegnerin davon Kenntnis genommen hat. Jedoch bedeutet dieser Vorgang nicht, dass die Antragsgegnerin nicht gehörig von der Bestellung der Schiedsrichter oder von dem schiedsrichterlichen Verfahren in Kenntnis gesetzt worden ist. Für eine ordnungsgemäße Zustellung reichen auch Zustellungsfiktionen (Zöller/Geimer, ZPO, 26. Aufl., § 1061 Rn. 53; BayObLG, Beschluss vom 16.3.2000 - 4 Z Sch 50/99-, NJW-RR 2001, 431). Hier ergibt sich schon aus dem Schiedsspruch, dass das Schiedsgericht am 1. Juni 2007 Kopien der Aktenunterlagen (einschließlich der Klage), die Geschäftsordnung und die Liste der Schiedsrichter des Schiedsgerichts bei der Handels- und Industriekammer der Ukraine per Einschreiben mit Rückschein an die Beklagte unter der im Rubrum angegebenen Anschrift zugestellt hatte, dieses Einschreiben jedoch am 2.Juli 2007 mit dem postalischen Vermerk "nicht abgeholt" und dem Stempel der Deutschen Post zurückgeschickt wurde. Gemäß Art. 3.1 des Gesetzes der Ukraine "Über das Internationale Kommerzielle Schiedsgericht" gilt damit das Einschreiben an die Schiedsbeklagte als zugestellt. Einwendungen hiergegen hat die Antragsgegnerin nicht erhoben.
d) Auch ein Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public nach Art. V Abs.2 b UNÜ in Verbindung mit dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor, denn die Terminsladung zum 27. August 2007, die nach dem Inhalt des Schiedsspruchs an die Antragsgegnerin unter der hier bekannten Anschrift versendet wurde, ist ebenfalls mit dem postalischen Vermerk "nicht abgeholt" und dem Stempel der Deutschen Post zur Schiedsakte zurückgelangt. Gemäß Art. 3.1 des Gesetzes der Ukraine "Über das Internationale Kommerzielle Schiedsgericht" gilt damit das Einschreiben an die Schiedsbeklagte als zugestellt.
e) Der Einwand der Antragsgegnerin, sie habe am 25. Januar 2007 15.103,00 EUR auf Weisung der Antragstellerin an die Firma G------ weitergeleitet, ist unbeachtlich, denn er hätte vor dem ukrainischen Schiedsgericht geltend gemacht werden müssen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 1064 Abs.2 ZPO.
Ende der Entscheidung
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