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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 15.12.2005
Aktenzeichen: 20 U 244/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 278
Haftung bei Ausfall der Herz-Lungen-Maschine.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 20 U 244/02

verkündet am : 15.12.2005

In dem Rechtsstreit

hat der 20. Zivilsenat des Kammergerichts durch seine Richter Budde, Balschun und Baldszuhn auf die mündliche Verhandlung vom 17.11. 2005 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerinnen gegen das am 19.9.2002 verkündete Urteil der Zivilkammer 6 des Landgerichts Berlin wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten in der Berufungsinstanz haben die Klägerin zu 1 mit 77,9 %, die Klägerin zu 2 mit 22,1 % zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerinnen in der Berufungsinstanz haben die Klägerinnen jeweils selbst zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerinnen können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweiligen Vollstreckungsbetrages zuzüglich 10% abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerinnen nehmen die Beklagte aus übergegangenem Recht in Anspruch mit der Begründung, die Beklagte habe den bei ihr Versicherten Lnnn Knnn anläßlich einer Bypass-Operation am 24.1.97 fehlerhaft behandelt, weil, was unstreitig ist, die hierzu verwendete Herz-Lungen-Maschine (HLM) ausfiel und dadurch die Schwerstbehinderung des Versicherten verursacht wurde, der schließlich am 24.7.02 verstorben ist. Die Klägerinnen haben ursprünglich Zahlung von 354.656,44 DM (Klägerin zu 1) bzw. 86.894,- DM (Klägerin zu 2) Krankheits- und Pflegekosten nebst Zinsen sowie Feststellung weiterer materieller Schadensersatzverpflichtung der Beklagten begehrt.

Das Landgericht hat die Leistungs- und Feststellungsklage nach Zeugenbeweiserhebung abgewiesen. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.

Die Klägerinnen wenden sich gegen die Klageabweisung mit ihrer Berufung. Sie verfolgen ihr Zahlungsbegehren weiter und tragen vor:

Für das HLM-Set sei keine Bescheinigung der sicherheitstechnisch unbedenklichen Verwendungsfähigkeit (SUV) erfolgt. Das Set sei mit der HLM nicht kompatibel.

Der Zeuge Snnn habe vor der OP das Haltbarkeits- und Sterilisationsdatum des Sets nicht kontrolliert, ebensowenig wie die Chargen-Bezeichnung. Der Zeuge sei auch mangelhaft in die Handhabung des Gerätes eingewiesen worden.

Der TÜV, der die HLM nach dem Vorfall untersucht habe, sei zu dem Ergebnis gekommen, daß das schadhafte Reservoir unter anderem bei zu hoher Zugbelastung reißen könne, wie aus dem Gutachten vom 27.11.97 hervorgehe.

Die Beklagte habe entgegen der Empfehlung des Herstellers den zum Maschinensystem gehörenden Luftsensor fehlerhaft nicht verwendet. Der Lufteintritt wäre verhindert worden, wenn er durch Warnung des Luftsensors erkannt worden wäre. Der Sensor habe nicht eingesetzt werden können, weil er mit dem von der Beklagten verwendeten Schlauchmaterial nicht kompatibel gewesen sei, wie der Zeuge Knnn bestätigt habe. Im übrigen hätte die Beklagte eine schnellere Klärung der Problematik bei der Herstellerfirma herbeiführen müssen, anstatt Monate bzw. Jahre seit dem Auftreten dieser Schwierigkeit vergehen zu lassen.

Deswegen hätte die Beklagte auch eine zweite HLM für Notfälle bereit halten müssen.

Zu einer Umgehung des Luftfilters wäre es nicht gekommen, wenn ausreichend Klemmen an der HLM oder zumindest im Operationssaal vorhanden gewesen wären. Wegen der Schwierigkeiten mit dem Luftsensor hätte die Beklagte ausreichendes Material für einen Schlauchbypass vorhalten müssen. Der Zeuge hätte auch Gefäßklemmen, die bei einer OP in großer Zahl vorhanden seien, zum Abklemmen der Schläuche verwenden können, anstatt die Klemme zu nehmen, die eine Umgehung des Luftfilters verhinderte. Zudem sei es möglich gewesen, die fehlenden Klemmen aus benachbarten Operationssälen durch einen anderen Mitarbeiter des OP-Teams herbeiholen zu lassen. Der Zeuge Snnn habe es auch unterlassen, die Klemme in dem Zeitraum zwischen den beiden Reparaturphasen an ihre ursprüngliche Stelle umzusetzen.

Nach der Reparatur habe der Zeuge Snnn vergessen, das Schlauchsystem wieder zu entlüften.

Hinsichtlich der Feststellungsklagen haben die Klägerinnen den Rechtsstreit in der Berufungsinstanz vor Antragstellung für erledigt erklärt.

Die Klägerinnen beantragen noch,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, und

- die Klägerin zu 1: an sie 347.072,31 DM (= 177.455,25 €) nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, dem 6.4.2000, zu zahlen,

- die Klägerin zu 2: an sie 98.443,50 DM (= 50.333,36 €) nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, dem 19.3.2002, zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt weiter vor.

Der Senat hat weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens sowie eines Ergänzungsgutachtens, und hat den Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung hierzu erläuternd angehört. Auf den Inhalt der Gutachten und auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 17.11. 2005 wird Bezug genommen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der von ihnen im Original oder in Kopie eingereichten Urkunden nebst Krankenunterlagen verwiesen.

II.

Die Berufung mußte zurückgewiesen werden. Sie konnte keinen Erfolg haben. Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht insgesamt abgewiesen, weil den Klägerinnen gegen die Beklagte keine Regreßansprüche wegen eines Behandlungsfehlers an dem bei den Klägerinnen versichert gewesenen, nunmehr verstorbenen Patienten zustehen. Das Berufungsvorbringen ändert daran nichts, wie sich aus der weiterführenden Beweisaufnahme ergeben hat. Im einzelnen gilt folgendes:

Auch im Arzthaftungsprozeß hat der Antragsteller grundsätzlich darzulegen und zu beweisen, daß die Behandlung durch den Arzt nicht nur fehlerhaft, sondern auch schuldhaft, also mindestens fahrlässig erfolgte. Ein Fehler, der unvermeidbar war, führt weder zur Haftung des Arztes noch, wie hier geltend gemacht, zur Haftung des Krankenhausträgers.

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht nach den Regeln des ersten Anscheins, für die der Sachverhalt allerdings keine Grundlage bietet. Der hier in Rede stehende Vorfall ist kein Ursachenverlauf, der so sehr das Gepräge des Typischen und Gewöhnlichen hat und der deshalb sowohl auf ein fehlerhaftes Vorgehen der Mitarbeiter der Beklagten als auch auf deren Verschulden schließen läßt.

Allerdings obliegen ausnahmsweise nicht dem Patienten, sondern dem Arzt und dem übrigen in die Behandlung des Patienten eingebundenen Personal Darlegung und Beweis dafür, daß der Arzt und das Pflegepersonal nicht objektiv fehlerhaft gehandelt hat oder daß diese insoweit jedenfalls kein Verschulden trifft. Dies gilt, soweit der Bereich der voll beherrschbaren Risiken betroffen ist. Die Pflicht zu gehöriger Organisation und Koordinierung des Behandlungsablaufs belastet die Behandlungsseite mit der Gewährleistung eines generellen Sicherheits-Standards der Behandlung gegen bekannte Risiken, deren volle Vermeidung von der Behandlungsseite gefordert werden muß, weil sie zur Gefahr- und Schutzvorsorge des Patienten notwendig ist. Grund für diese Darlegungslast, die im Ergebnis einer Beweislastumkehr zugunsten des Patienten entspricht, ist, daß sich in einer Verletzung dieser Pflichten nicht die dem menschlichen Körperorganismus innewohnenden und oft schwer oder gar nicht voraussehbaren Risiken verwirklichen, sondern daß es, wie im vorliegenden Fall, um den technisch überschaubaren und organisierbaren Behandlungsbereich des Arztes geht. Steht fest, daß der Primärschaden des Patienten wie im vorliegenden Fall im Gefahrbereich dieses voll beherrschbaren Risikos gesetzt worden ist, folgen hieraus Beweiserleichterungen für den Patienten und damit auch für die Klägerinnen, welche die Ebene des Beweises der objektiven Fehlverrichtung und des Verschuldens betreffen. Zu diesem Bereich gehören die Gerätesicherheit und die Verrichtungssicherheit des Behandlungspersonals (Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 4. Auflage 2001, B III Rdnr. 214).

Die Ebene der haftungsbegründenden Kausalität (Ursachenzusammenhang zwischen der Verletzung der Organisationspflicht und der Primärschädigung des Patienten) wird allerdings nicht ohne weiteres hiervon umfaßt. Nur ausnahmsweise greifen insoweit Beweiserleichterungen ein, so etwa bei groben Organisationsfehlern (Geiß/Greiner aaO, B V Rdnr. 240).

Diese Grundsätze bedeuten für den hier zu beurteilenden Sachverhalt: Die Beklagte hat darzulegen und zu beweisen, daß sie sämtliche gebotenen Maßnahmen getroffen hat, die angezeigt und erforderlich gewesen wären, um eine Lösung der Schweißnaht zwischen Reservoir und Schlauch - auf welche Art auch immer es zu dieser im einzelnen ursächlich unklar gebliebenen Lösung gekommen sein mag - von vornherein zu vermeiden. Steht fest, daß die Beklagte sämtliche hierfür organisatorisch erforderlichen Maßnahmen veranlaßt hatte, oder daß zwar objektiv ein Fehlverhalten der Beklagten vorlag, wovon sie sich aber hinsichtlich des Schuldvorwurfs entlasten kann, kommt eine Haftung der Beklagten nicht in Betracht. Andernfalls steht eine Haftung der Beklagten nicht bereits deshalb fest, weil die Beklagte eine ihr obliegende Organisationspflicht verletzt hat, denn die Klägerinnen hätten dann grundsätzlich darzulegen und zu beweisen, daß die Schädigung des Patienten auf dem organisatorischen Fehlverhalten der Beklagten beruht, weil die Klägerinnen für die Frage der Kausalität organisatorischer Mängel für die Verletzung des Patienten weiterhin beweisbelastet bleiben.

Schließlich haftet die Beklagte unabhängig von einer Organisationspflichtverletzung nach allgemeinen Grundsätzen aber auch dann, wenn ihre Mitarbeiter den Patienten fehlerhaft durch unsachgemäße Bedienung der HLM behandelt haben, was im einzelnen ebenfalls grds. die Klägerinnen darzulegen und zu beweisen haben.

Die Anwendung dieser Grundsätze mußte aus folgenden Gründen zur Zurückweisung der Berufung führen:

Für die Entstehung des Risses der Schweißnaht, welcher die Verletzung des Patienten (mit-) verursachte, hat die Beklagte nicht einzustehen, und zwar weder aus dem Gesichtspunkt des Organisationsverschuldens noch aus dem des fahrlässigen Behandlungsfehlers.

Die theoretische denkbare Möglichkeit, daß der Riß im ungünstigen Fall durch sachwidrige Lagerung des gelieferten HLM-Sets entstand, etwa durch den Einfluß ungünstiger Temperaturen und/oder Raumfeuchtigkeit oder durch mechanische lagerungsbedingte Beanspruchung, scheidet aus. Ein praktisch brauchbarer Anhaltspunkt hierfür ist nicht ersichtlich. Die Einmal-Sets waren steril verpackt und deshalb bereits dadurch geschützt, und auch die Klägerinnen haben diese Möglichkeit nicht einmal am Rande in Erwägung gezogen, so daß darauf nicht näher einzugehen ist.

Daß die Beklagte nicht sichergestellt hatte, das Verfalldatum der gelieferten HLM-Sets zu kontrollieren, ist ebensowenig ersichtlich. Wie der Zeuge Snnn ausgesagt hat, kontrolliert er stets das Haltbarkeitsdatum auf der Verpackung, und hat es in diesem Fall nur deshalb nicht kontrolliert, weil er die Maschine erst im Operationssaal übernommen hatte, und zwar von dem Zeugen Knnn . Dieser hat ausgeschlossen, daß er die HLM einem Mitarbeiter im Operationssaal übergibt, ohne sie vorher ausreichend auf ihre Einsatzfähigkeit hin kontrolliert zu haben, wozu, was die Zeugen offensichtlich als selbstverständlich voraussetzen, auch die Kontrolle des Haltbarkeitsdatums auf der Verpackung des HLM-Sets gehört, welches als Einmalpackung bei jedem weiteren Einsatz der HLM jeweils erneut an die Maschine anzuschließen war. Im übrigen hätte der Zeuge bei weiteren HLM-Sets bemerkt, wenn das Verfalldatum abgelaufen gewesen wäre, vorausgesetzt, es hat sich bei der zeitlich vorausgegangenen Verwendung anderer Sets oder deren dem Zwischenfall zeitlich nachfolgender Verwendung um dieselbe Charge gehandelt, was dem normalen Lauf der Dinge entspricht.

Weshalb eine Kontrolle der Chargennummer erforderlich war, wie die Klägerinnen offenbar behaupten, ist nicht recht erkennbar. Es ist nicht ersichtlich, daß die Kontrolle der Chargennummer etwas zur Sicherheit des HLM-Sets beiträgt. Dementsprechend haben auch die Zeugen nicht erwähnt, daß eine Kontrolle dieser Nummer notwendig ist. Wenn die Zeugen, wie erwähnt, das Haltbarkeitsdatum der Sets in jedem Fall prüfen, hat die Beklagte ihrer Organisationspflicht entweder genügt oder eine dementsprechende generelle Anordnung war nicht erforderlich, weil diese Überprüfung zum selbständigen Berufsbild des Kardiotechnikers gehört.

Im übrigen spricht nichts dafür, daß der Riß durch Mitarbeiter der Beklagten verursacht wurde, und zwar auch nicht unter dem Gesichtspunkt der von den Klägerinnen herangezogenen Beweisvereitelung. Die Klägerinnen können sich nicht mit Erfolg darauf stützen, daß die Beklagte den ihr obliegenden Beweis durch die Entsorgung des benutzten Schlauchsystems vereitelt habe, oder daß die Beklagte zulasten der Klägerinnen einen Beweis unmöglich gemacht hat.

Zwar ist der entsprechende Vortrag der Klägerinnen nicht dadurch gehindert, daß sie diesen Vorwurf lediglich erstinstanzlich erhoben haben, denn das Landgericht ist - aus seiner Sicht konsequent - auf dieses Vorbringen nicht eingegangen, so daß insoweit der erstinstanzliche Vortrag der Klägerinnen auch in der Berufungsinstanz zu beachten ist.

Selbst wenn das HLM-Set zu Beweiszwecken zur Verfügung gestanden hätte, könnte sich daraus unter keinem Gesichtspunkt etwas zugunsten der Klägerinnen ergeben. Aufgrund der Zeugenaussagen und in Verbindung mit dem übrigen Parteivorbringen ist nämlich nichts dafür ersichtlich, daß die Mitarbeiter der Beklagten den Riß des Verbindungsschlauchs zwischen dem Reservoir einerseits und dem Blutfilter bzw. der Umgehung und der Pumpe andererseits fahrlässig verursachten oder übersahen. Zwar konnte die Ursache des Risses nicht mehr hinreichend geklärt werden. Keine der denkbaren Ursachen führt jedoch dazu, daß die Beklagte für die Rißentstehung wegen unsachgemäßer Bedienung der HLM einzustehen hat.

Dies gilt zunächst für die Möglichkeit, daß es sich um einen Materialfehler gehandelt hätte. Selbst wenn ein solcher Fehler auf einem Verschulden des Herstellers beruhen würde, wäre dies der Beklagten nicht zuzurechnen, weil der Hersteller nicht in den Behandlungspflichtenkreis der Beklagten gegenüber dem Patienten i.S.v. § 278 BGB eingebunden ist.

Die Begutachtung des Schlauches ist auch nicht für die Frage von Bedeutung, ob der Zeuge Schulz einen dort vorhandenen Riß etwa fahrlässig übersehen hat. Dies ist nicht der Fall, was die Beklagte bereits bewiesen hat. Der Zeuge hat eindeutig ausgesagt, er habe auf jeden Fall die Verbindung zwischen dem Reservoir und der Pumpe kontrolliert, und auch der Zeuge Kopitz hat ausgeschlossen, daß er eine HLM einem Mitarbeiter zur Übernahme im Operationssaal übergibt, ohne sie vorher ausreichend auf ihre Einsatzfähigkeit hin kontrolliert zu haben. Mithin spricht nichts dafür, daß der Riß, d.h. die Lösung der Schweißnaht, zu erkennen gewesen wäre, zumal ein solcher Fehler jedenfalls im Behandlungsbereich der Beklagten einzigartig war. Der Zeuge Snnn hat so etwas seit Beginn seiner Tätigkeit im Jahr 1985 nicht erlebt, und auch dem Zeugen Knnn ist dies in 30 Jahren noch nicht passiert. Mithin bestand auch kein besonderer Anlaß, gerade auf mögliche Fehler an dieser Schweißverbindung zu achten. Die Begutachtung des HLM-Sets könnte auch keine weiteren Erkenntnisse liefern, denn der Riß entstand erst im Operationssaal mit der Folge, daß erhebliche Mengen Blutes austraten, mag das Material auch zeitlich vorher bereits auf einen Riß angelegt gewesen sein. Jedenfalls war die Maschine vor dem Betrieb im Operationssaal noch dicht, weil der Zeuge Snnn sie auf Feuchtigkeit hin kontrolliert hatte und ihm insoweit nichts auffiel. Wenn die Maschine bereits dort undicht gewesen wäre, wäre Flüssigkeit ausgetreten, denn vor Ingebrauchnahme der HLM wird diese im HLM-Raum mit Primingflüssigkeit gefüllt und in Betrieb genommen.

Daß der Zeuge Knnn den Riß etwa dadurch verursachte, daß er mit der HLM auf dem Weg vom HLM-Raum zum Operationssaal irgendwo hängenblieb und dadurch bewirkte, daß die Schweißnaht des Ansatzstückes am Auslasser des Reservoirs zur HZV-Pumpe einriß oder jedenfalls anriß, ist ausgeschlossen. Dies hat die Beklagte durch die Vernehmung des Zeugen Knnn bewiesen. Dieser hat ausdrücklich und deutlich bekundet, er sei während seiner 30jährigen Tätigkeit noch nie mit der HLM irgendwo hängen geblieben, also auch nicht an jenem Operationstag. Dies ist nachvollziehbar und plausibel, denn wenn der Zeuge irgendwo hängen geblieben wäre, hätte er es bemerkt, und darüber hinaus bedurfte es nach der weiteren Bekundung des Zeugen einer erheblichen Kraft, die der Zeuge mit mindestens 20 kg angegeben hat, um einen Riß im Reservoir hervorzurufen. Der Zeuge konnte dies so erklären, weil er dies nach der Komplikation getestet hatte.

Eine Begutachtung könnte auch dann nichts zur Klärung der Verantwortlichkeit beitragen, wenn sich die Frage stellen würde, ob auf dem Verbindungsschlauch ein zu großer Zug gelastet hätte und die Schweißnaht dadurch gebrochen wäre. Der Zeuge Schulz hat den Zug geprüft und ihn vollkommen in Ordnung befunden. Zwar hat der Zeuge nach dem Vorfall noch kurzzeitig gedacht, ob der Zug doch zu stark gewesen sei, hatte aber diese Bedenken dann wieder verworfen, weil er wußte, daß es erhebliche Kräfte benötigt, um einen Riß, wie er hier aufgetreten ist, zu verursachen. Dies wird bestätigt von dem Zeugen Knnn , der, wie ausgeführt, die für einen Riß erforderliche Kraft auf mindestens 20 kg schätzte, so daß eher der Schlauch aus dem Konnektor herausgerissen würde als ein Riß entstünde. Daß überhaupt ein Zug auf dem Schlauch lastete, war kein Mangel, denn der Zug war erforderlich um zu verhindern, daß sich die hintere Seite des Reservoirs ansaugt und die Perfusion unterbricht. Selbst wenn eine Begutachtung des HLM-Sets ergeben würde, daß der Riß auf eine nicht mehr zulässige Zugkraft zurückzuführen war, ließe dies nicht den Schluß zu, daß der Zeuge Snnn die Zugkraft vorwerfbar fehlerhaft herbeigeführt hatte, denn aus seiner Aussage ergibt sich, wie ausgeführt, daß der Zug in Ordnung war.

In diesem Zusammenhang führt auch die Frage nicht weiter, weshalb die Beklagte überhaupt ein HLM-Set zuließ, bei dem der vom Reservoir abgehende Schlauch auf Zug gestellt werden mußte, um ein Ansaugen des Beutels zu verhindern. Zwar benutzt die Beklagte, wie sich aus den Bekundungen des Zeugen Snnn ergibt, nunmehr ein anderes Beutelsystem, das sie offensichtlich auch bereits früher hätte benutzen können. Selbst wenn die Verwendung eines Beutels mit "Zug-Zwang" unsachgemäß gewesen ist, können die Klägerinnen daraus nichts für sich herleiten, denn dann läßt sich weiterhin nicht feststellen, daß der Riß durch einen zu starken Zug verursacht wurde. Möglich ist auch, daß ein gewöhnlicher Zug genügte, um einen im Material vorgeschädigten Beutel reißen zu lassen, oder daß der Riß überhaupt nicht durch einen (Außen-) Zug, sondern durch den (Innen-) Druck des blutgefüllten Beutels entstand. Hierbei kann es sich nur um den "normalen" Druck, nicht etwa um einen systembedingten Überdruck gehandelt haben, weil das Reservoir durch den venösen Rücklaufdruck des Patienten gefüllt wird und sich ausgangsseitig die Saugseite der arteriellen Pumpe befindet (TÜV-Gutachten Bl. I 28).

Im übrigen haben die Klägerinnen aufgrund der schriftlichen Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Rnnnn sowie nach dem Inhalt der Anhörung des Sachverständigen im Termin einen Materialfehler oder sonstigen Behandlungsfehler durch Mitarbeiter der Beklagten nicht beweisen können. Hierzu gilt im einzelnen und unter besonderer Berücksichtigung der Einwendungen der Klägerinnen folgendes:

Das von der Beklagten am Schadenstag benutzte Schlauchsystem war mit der verwendeten HLM kompatibel. Es kommt nicht darauf an, ob die Beklagte ein Omnis- oder ein Jostra-Produkt verwendete. Der Sachverständige hat nicht nur die Kompatibilität der verschiedenen Schlauchsysteme (Dideco, HMT, Sorin, Omnis und Jostra) mit der HLM der Firma Stöckert bestätigt, sondern hat dies auch auf eigene Erfahrung gestützt. Er hat weiterhin ausgeführt, daß es nicht auf die verschiedenen Arten ankommt, sondern daß die Systeme lediglich einen venösen Schlauch mit einem Innendurchmesser von 1/2 Zoll und ein arterielles System mit einem Innendurchmesser von 3/8 Zoll benötigen, um an der von der Beklagten verwendeten HLM zu funktionieren. Offenkundig lag in den Schlauchanschlußdurchmessern auch nicht das Problem. Die Schläuche paßten auf die Steckkontakte des venösen Reservoirs.

Aus dem Umstand, daß zum Vorfallszeitpunkt ein passender Y-Konvektor gesucht werden mußte, können die Klägerinnen nichts anderes herleiten. Allein daraus ergibt sich nicht, daß das verwendete Schlauchset andere als die üblichen Innenmaße gehabt hat.

Allerdings hat der Sachverständige hervorgehoben, daß das Schlauchmaterial genügend sicher sein muß, um den Drücken im HLM-System standhalten zu können. Dies überprüft nunmehr der TÜV oder die DEKRA mit der Folge, daß bei unbeanstandeter Prüfung die CE-Zertifizierung erteilt wird. Auf dieses Zertifikat kommt es vorliegend allerdings nicht an, weil es erst ab 14.6.98 Anwendung findet, und zwar aufgrund der EU-Richtlinie 93/42/EWG. Bis dahin und zur Zeit der Operation galt die freiwillige CE-Zertifizierung. Diese haben, wie der Sachverständige ausführt, alle fünf Firmen, HMT, Sorin, Dideco, Omnis und Jostra erlangt. Woraus die Klägerinnen dennoch schließen, daß es sich um ein nicht ausgereiftes System gehandelt habe, ist nicht nachzuvollziehen.

Soweit die Klägerinnen Zweifel daran äußern, woher der Sachverständige das Wissen bezieht, aus welchen Komponenten das hier zum Einsatz gekommene Schlauchsystem besteht, kommt es darauf nicht an. Wie ausgeführt, genügte es seinerzeit, daß die genannten Firmen für ihre Schlauchsysteme die freiwillige CE-Zertifizierung erlangten.

Unerheblich ist, ob der Sachverständige selbst Schlauchsysteme der Firmen Omnis oder Jostra genutzt hat. Denn die von der Beklagten verwendeten Schlauchsysteme wurden offensichtlich jahrelang ohne Zwischenfälle genutzt.

Ob eine Bescheinigung über die sicherheitstechnisch unbedenkliche Verwendungsfähigkeit (SUV) vorlag, was die Klägerinnen rügen, kann dahinstehen. Wenn in der Folgezeit sogar eine CE-Zertifizierung gefordert wurde, genügte eine SUV-Prüfung nicht. Daraus ergibt sich, daß eine CE-Zertifizierung jedenfalls der Prüfung durch SUV wenn nicht überlegen, so doch wenigstens gleichwertig war.

Das benutzte System war zur Zeit des Schadensvorfalles allerdings nicht mit dem zu der HLM gehörenden Luftsensor vereinbar. Das hat der Sachverständige festgestellt, weil es immer falschen Alarm gab und so zum falschen Stillstand der HLM führte. Daß demzufolge auf den Luftsensor verzichtet wurde, war richtig und nachvollziehbar. Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt, daß der durch den Luftsensor ausgelöste falsche Alarm für die Patienten gefährlich werden konnte, weil dies zu einem Stillstand der HLM und damit einhergehend zu einer Minderversorgung der Organe, gerade beim Anfahren der Maschine, kommen konnte. Mithin war es richtig, auf den Luftsensor zu verzichten, bis das Problem Ende 1998 gelöst wurde.

Hinzu tritt, daß nach Auffassung des Sachverständigen ein Luftsensor deshalb nicht erforderlich war, weil die HLM der Beklagten in einem sog. geschlossenen System arbeitet. Das gesamte Schlauchsystem der HLM ist luftleer und bleibt auch so. Kleinere Luftblasen können im Luftfilter zurückgehalten werden. Ein Luftsensor ist unbedingt erforderlich nur in einem sog. offenen System. Dieses ist dadurch gekennzeichnet, daß das Blut in einen gelüfteten Blutsee mit Kardiotomie-Reservoir strömt.

Zudem hätte ein Luftsensor den vorliegenden Zwischenfall nicht sicher verhindern können, weil die Rollerpumpe bei massivem Lufteinbruch, der hier vorlag, und bei hohem Pumpenfluß nicht rechtzeitig hätte anhalten können. Der Sachverständige hat ausgeführt, daß es hier zu einem massiven Lufteintritt in die arterielle Leitung gekommen ist, und daß diese massive Luft einen Oxygenator und einen Luftfilter überwindet.

Eine Pflicht zum Einsatz des Luftsensors ergibt sich auch nicht aus der Betriebsanleitung der Fa. Stöckert, die der Sachverständige seinem Ergänzungsgutachten vom 20.7.05 beigefügt hat. Die Beschreibung dort ist, wie auch der Sachverständige ausführt, sehr allgemein gehalten und ändert nichts an dem Umstand, daß dieser Vorfall eines massiven Lufteintritts mit einem Sensor nicht verhindert worden wäre.

Auch ein Behandlungsfehler durch unterlassene Entlüftung der Maschine läßt sich nicht feststellen. Der Zeuge Snnn hat das Schlauchsystem entlüftet, was der Sachverständige festgestellt hat. Die Entlüftung blieb jedoch erfolglos, was darin gegründet sein konnte, daß sich Luft auch verstecken kann, z.B. im Oxygenator oder im Luftfilter. Luft kann auch portionsweise an den Patienten gelangen.

Letztlich können die Klägerinnen auch nichts für sich aus dem Umstand herleiten, daß der Zeuge Snnn die von ihm entfernte Klemme an der Umgehung des Blutfilters nach der Reparatur nicht erneut dorthin versetzte. Warum dies nicht geschah, ließ sich nicht mehr aufklären; nach Auffassung des Sachverständigen mag der Zeuge durch die wirklich einmalige Katastrophe sehr in Mitleidenschaft gezogen worden sein und diese Maßnahme einfach vergessen haben.

Ob sich aus diesem "Vergessen" ein Schuldvorwurf herleiten läßt, kann indes dahinstehen. Der Eintritt massiver Luft, der in diesem Fall erfolgte, hätte sich durch das erneute Anbringen der Klemme nicht verhindern lassen. Das ergibt sich eindeutig aus dem Gutachten, indem der Sachverständige ausführt, daß der arterielle Blutfilter Partikel und kleine Luftblasen aufhalten kann, aber nicht in der Lage ist, den Eintritt massiver Luft zu verhindern. Mithin ist für das Ergebnis unbedeutend, ob der massive Lufteintritt durch den Blutfilter erfolgt wäre, der dies nicht verhindert hätte, oder ob er durch die noch nicht wieder geschlossene Umgehung erfolgte.

In diesem Zusammenhang ist deshalb auch bedeutungslos, ob der Zeuge Snnn auf andere Klemmen hätte zurückgreifen können; denn auch dann hätte ein massiver Lufteintritt - diesmal eindeutig durch den Blutfilter und nicht durch die geöffnete Umgehung - stattgefunden.

Letztlich werden die durch die schriftlichen Gutachten gewonnenen Ergebnisse eindeutig, nachvollziehbar und im Einklang mit diesen Erkenntnissen durch die mündlichen Ausführungen des Sachverständigen im Termin bestätigt. Insoweit wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 17.11.05 Bezug genommen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97, 100 ZPO. Die auf die Erledigungserklärung entfallenden Kosten haben entsprechend den vorstehenden Ausführungen ebenfalls die Klägerinnen zu tragen. Die teilweise Quotelung ergibt sich daraus, daß die Klägerinnen noch in der Berufungsinstanz hinsichtlich der Zahlungsklage und den Feststellungsbegehren (Erledigungserklärung) mit unterschiedlichen Streitwerten beteiligt waren.

Die übrigen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1, 543 ZPO.

Ende der Entscheidung

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