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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 24.02.2005
Aktenzeichen: 20 U 31/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 280 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 1
1. Für die tierärztliche Behandlung gelten nicht die im Bereich der Humanmedizin entwickelten Grundsätze.

2. Die Aufklärung dient daher nicht als Voraussetzung einer wirksamen, die Rechtswidrigkeit des ärztlichen Eingriffs ausschließenden Einwilligung, weshalb aus dem Gesichtpunkt der Aufklärungspflichtverletzung des Tierarztes nur vertragliche Schadenersatzansprüche in Betracht kommen.


Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 20 U 31/04

verkündet am: 24. Februar 2005

In dem Rechtsstreit

hat der 20. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 24. Februar 2005 durch seine Richter Budde, Balschun und C. Kuhnke für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 30. Dezember 2003 verkündete Grundurteil der Zivilkammer 6 des Landgerichts Berlin geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Von der Darstellung des Sachverhaltes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet.

Die Klage ist unbegründet, weil der Klägerin Schadenersatzansprüche gegen den Beklagten schon dem Grunde nach nicht zustehen.

1. Es besteht - entgegen der nicht näher begründeten Annahme des Landgerichts - kein Anspruch aus unerlaubter Handlung gemäß §§ 823 Abs. 1, 249 ff. BGB schon wegen einer zur Rechtswidrigkeit der tierärztlichen Behandlung führenden Aufklärungspflichtverletzung. Für die tierärztliche Behandlung gelten nicht die im Bereich der Humanmedizin entwickelten Grundsätze. Dementsprechend dient die Aufklärung nicht als Voraussetzung einer wirksamen, die Rechtswidrigkeit des ärztlichen Eingriffs ausschließenden Einwilligung, weshalb aus dem Gesichtpunkt der Aufklärungspflichtverletzung des Tierarztes nur vertragliche Schadenersatzansprüche in Betracht kommen. Das Erfordernis der Einwilligungsaufklärung ist im Bereich der ärztlichen Behandlung von Menschen aufgrund des aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht folgenden Selbstbestimmungsrechts des Patienten entwickelt worden. Diese rechtliche Herleitung ist für die tierärztliche Behandlung ersichtlich nicht übertragbar, denn auch wenn Tiere keine Sachen sind, so sind die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden (§ 90a BGB) und Haftungsgrundlage ist die Eigentumsverletzung, sodass das wirtschaftliche Interesse des Tiereigentümers und nicht ein wie auch immer geartetes Selbstbestimmungsrecht durch die Aufklärung geschützt wird. Der Schadenersatzanspruch ist daher wegen einer schuldhaften Verletzung der Beratungs- und Aufklärungspflicht, die dem wirtschaftlichen Interesse des Halters dient, allein aus sog. positiver Forderungsverletzung (§§ 280, 325 BGB a.F. analog; jetzt § 280 BGB n.F.) ableitbar. Das Handeln im Rahmen des erteilten Auftrages des Tiereigentümers genügt daher regelmäßig unabhängig von einer Risikoaufklärung zur Rechtfertigung des tierärztlichen Eingriffs (vgl. Palandt-Sprau, BGB, 64. Aufl., § 823 Rn. 252 "Tierarzt"; Spindler in: Bamberger/Roth, BGB, § 823 Rn. 773; BGH NJW 1980, 1904 f. = MDR 1980, 661; BGH NJW 1982, 1327; OLG Celle NJW-RR 1989, 539 [540]).

2. Die Voraussetzungen eines vertraglichen Schadenersatzanspruchs aus sog. positiver Forderungsverletzung (§§ 280, 325 BGB a.F. analog) des Behandlungsvertrages (§§ 611 ff. BGB; vgl. BGH NJW 1980, 1904 f. zu II. 1.a) + c) und BGH NJW 1982, 1327 zu II.1., wonach die Behandlung geschuldet ist, (der Tierarztvertrag ist entgegen OLG Karlsruhe MDR 1982, 699 daher nicht Werkvertrag) hat die Klägerin hinsichtlich der Aufklärungspflichtverletzung nicht beweisen können. Da die Grundsätze der Einwilligungsaufklärung nicht gelten, ist es - wie auch sonst - Sache der Klägerin, die Vertragspflichtverletzung sowie deren Ursächlichkeit für den eingetretenen Schaden zu beweisen, wobei die Darlegungslast hinsichtlich der Aufklärung dahin eingeschränkt ist, dass sie konkreten Vortrag des Beklagten zu widerlegen hat.

a) Es kann dahin gestellt bleiben, ob der Beklagte die Klägerin über das Risiko eines Darmvorfalls hätte aufklären müssen. Nach den Äußerungen des Gutachters wird nicht hinreichend deutlich, ob und gegebenenfalls weshalb diese Möglichkeit als typisches Operationsrisiko zu werten ist oder ob es sich eher um ein allgemeines Risiko handelt, das unabhängig von der Operation allein durch das Aufstehen besteht. Eine nähere Aufklärung durch das Landgericht ist insoweit nicht erfolgt. Dass ein Darmvorfall eine Nachoperation erfordert, brauchte der Beklagte - entgegen der Auffassung des Landgerichts - nicht ungefragt mitzuteilen, weil dies als allgemein bekannt vorausgesetzt werden darf. Im Übrigen gelten für die Aufklärung inhaltlich nicht die strengen Anforderungen der Humanmedizin (vgl. BGH NJW 1980, 1904, wobei dort der aufgestellte Grundsatz im Ergebnis aber nicht recht erkennbar wird).

b) Die - widerlegungs- und beweispflichtige - Klägerin hat jedoch den näheren Vortrag des Beklagten, er habe über das Risiko eines Darmvorfalls aufgeklärt (Schriftsatz vom 28. September 2001, S. 1, i.V.m. dem Schriftsatz vom 28. März 2001, S. 1 f.), lediglich bestritten, ohne dem konkret entgegen zu treten und geeigneten Beweis anzubieten. Der Hinweis der Klägerin auf Bautagebücher bis 16. Februar 2000 und der Vortrag, sie sei ganztätig beschäftigt gewesen, schließt die vom Beklagten behaupteten Gespräche nicht aus, wie die Klägerin bei ihrer persönlichen Anhörung selbst eingeräumt hat (Sitzungsprotokoll vom 8. Dezember 2003, S. 1). Jedenfalls das Telefonat vom 17. Februar 2000 fand unstreitig statt (Sitzungsprotokoll vom 8. Dezember 2003, S. 1 f.) und die Klägerin konnte dessen Inhalt mangels hinreichenden Beweisantritts nicht widerlegen; der Vortrag im Schriftsatz vom 14. November 2003, S. 7, beschränkte sich auf substanzloses Bestreiten. Das weitere Ergebnis der vom Landgericht hierzu durchgeführten Beweisaufnahme vermochte jedenfalls den Beweis nicht zu erbringen. Soweit das Landgericht (auf der Grundlage der Beweislast des Beklagten) auf einen Widerspruch des Beklagten abstellt, weil er zuvor das Risiko eines Darmvorfalls schriftsätzlich als nicht bestehend dargestellt hat, so lässt sich das durchaus damit erklären, dass vorliegend kein besonderes Risiko bestand, denn auch der Sachverständige hat ausgeführt, man könne, unterstellt, die modifizierte Belgische Methode sei Standardmethode des Beklagten, davon ausgehen, dass sie in seiner Hand nicht mehr Risiken berge als die anderen Methoden, was im Übrigen durch den Umstand gestützt wird, dass sich das der Belgischen Methode nachgesagte erhöhte Risiko eines postoperativen Darmvorfalls nicht verwirklichte, d.h. nicht ursächlich für die Darmverlagerung wurde (Gutachten S. 7).

c) Des Weiteren hat die Klägerin - unterstellt eine Aufklärung wäre geboten gewesen, aber unterblieben - nicht unter Beweis gestellt bzw. nicht beweisen können, dass sie im Falle einer solchen Aufklärung anders entschieden hätte. Die Darlegungs- und Beweislast trägt die Klägerin. Eine Ausnahme wegen der Vermutung für aufklärungsrichtiges Verhalten kommt nicht in Betracht, weil es ein solches richtiges Verhalten hier nicht gab, sondern mehrere denkbare Behandlungsalternativen. Es genügte daher nicht, wenn die Klägerin lediglich ihren Entscheidungskonflikt (entsprechend den hier nicht anwendbaren Grundsätzen zur Humanmedizin) plausibel darlegte. Es müsste vielmehr feststehen, dass sie diesen Eingriff an ihrem Pferd (auch später) nicht hätte durchführen lassen oder aber die Folge bei späterem und/oder andersartigem Eingriff mit Sicherheit nicht eingetreten wäre.

(1) Das Ergebnis ihrer Anhörung dürfte wohl schon einen Entscheidungskonflikt nicht hinreichend belegen, genügt als Beweis einer hypothetisch anderen Entscheidung aber jedenfalls nicht. Die mündliche Äußerung, sich die Sache wirklich noch einmal überlegt zu haben und gegebenenfalls eine endoskopische Operation besprochen zu haben, ohne dass eine weitere Schlussfolgerung konkret erkennbar war, genügt nicht. Deutlich geschwächt wird der Wert der Erklärung auch durch die Antwort auf die Frage, warum sie nicht noch eine zweite Meinung einholte. Mit ihrer Antwort (Sitzungsprotokoll S. 12) hat sie zum Ausdruck gebracht, dass sie ein Verschieben der Operation nicht in Betracht zog. Auch die einleitende Erklärung, "als mir meine Bekannte gesagt hatte, dass es zu Komplikationen kommen kann, habe ich mir nichts weiter dabei gedacht" spricht nicht für eine kritische Einstellung den Operationsrisiken gegenüber (Sitzungsprotokoll S. 2); ferner hatte sie den Hengst zur Operation angemeldet, ohne zuvor eine Beratung zu wünschen (S. 1). Näherer Vortrag, was ihr empfohlen worden wäre und dass und warum sie dieser Empfehlung dann gefolgt wäre, fehlt völlig. Die Klägerin setzt sich dementsprechend nicht mit den weiteren vom Gutachter genannten Risiken der Laparoskopie, nämlich intraabdominale Blutungen, Darmperforationen und Blutungen in die Bauchdecke auseinander und erklärt nicht, weshalb sie diese Risiken eher akzeptiert hätte. Sie trägt des Weiteren weder konkret vor, wem sie und weshalb dann die Behandlung überlassen hätte, noch wo in Berlin oder Umgebung eine Endoskopie hätte praktiziert werden können. Die weiteren Ergebnisse der Beweisaufnahme legen ebenfalls eine abweichende Entscheidung nicht nahe. Die Zeugin nnnnn hat in Übereinstimmung mit den Angaben der Klägerin (S. 1) bekundet, der Vertrauenstierarzt der Klägerin würde Kastrationen an Dreijährigen nicht selbst vornehmen, sondern stets in die Klinik überweisen (S. 8 des Sitzungsprotokolls), und dass sie der Klägerin gerade den Beklagten empfohlen habe. Die Klägerin ist also nicht wegen der Empfehlung einer speziellen schonenden Methode zu dem Beklagten gekommen, sondern aufgrund des Vertrauens als Operateur mit der von ihm ausgeführten Methode.

(2) Schließlich ist auch nicht bewiesen, dass der Darmvorfall in Form einer Darmverlagerung im Falle der Wahl einer anderen Methode ausgeblieben wäre. Der Gutachter hat ausgeführt, dass sich gerade nicht das spezifische der Belgischen Methode nachgesagte Risiko verwirklicht habe, weshalb er auf die Unterschiede zu den weiteren Methoden nicht mehr eingegangen ist (Gutachten vom 9. Oktober 2002, S. 7, 3. Abs.). Deshalb ist der Schadeneintritt nicht allein mit der Wahl einer anderen Form der Operation, die der Sachverständige mit aufgezählt hat (Gutachten S. 6 Nr. 6: Laparoskopie), auszuschließen. Der Sachverständige hat mündlich ausgeführt, dass der verlagerte Dünndarm am plausibelsten als Folge der Operation entstand, nachdem das Pferd wieder aufstand (Sitzungsprotokoll vom 8. Dezember 2003, S. 8 Mitte).

3. Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme ist - was das Landgericht noch offen gelassen hat - ein Behandlungsfehler, für den der Beklagten aus unerlaubter Handlung (s. 1.) und aus Vertrag (s. 2.) haften würde, nicht festzustellen.

a) Die Operationsmethode hat der Gutachter nicht beanstandet, zumal sie "modernisiert", d.h. mit Nahtverschluss und damit ohne erhöhtes Risiko durchgeführt wird (Gutachten S. 6 f. + S 17 + ergänzend mündlich Sitzungsprotokoll S. 10).

b) Einen Fehler in der Ausführung hat der Sachverständige hinsichtlich der Verletzung des Dickdarms nicht gesehen und im Übrigen ausgeführt, dass daraus auch kein Schaden entstanden ist (Gutachten S. 7 f. + S. 18).

c) Hinsichtlich des Leistenrings hat der Sachverständige ebenfalls keine Fehler feststellen können. Er hat drei Möglichkeiten für die Eröffnung des rudimentären Processus vaginalis genannt, die aber nicht beweisbar seien und im Übrigen als nicht vermeidbare Zwischenfälle zu akzeptieren seien (Gutachten S. 8 bis 11 und S. 18). Es ist davon auszugehen, dass eine stumpfe Erweiterung des inneren Leistenrings nicht erfolgte und deshalb auch der Leistenring nicht wieder zu verschließen war (Gutachten S. 11).

d) Im Zusammenhang mit der Infektion lässt sich die konkrete Verursachung - peri- oder postoperativ - nicht feststellen und ebenso wenig ein Schluss auf einen Verstoß gegen Hygiene- bzw. Asepsisregeln herleiten (Gutachten S. 11 bis 13 + S. 18). Eine Antibiotika-Prophylaxe war nicht erforderlich und die durchgeführte Antibiotikabehandlung nicht zu beanstanden (Gutachten S. 12 f. + S. 18 + ErgGA + Sitzungsprotokoll S. 11).

e) Dem Sachverständigen folgend ist wohl der Darmvorfall nicht ausreichend diagnostiziert worden. Daraus ergibt sich jedoch keine Konsequenz (S. 15 f. + S. 18 + ausführlich mündlich Sitzungsprotokoll S. 8 ff.).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

5. Die weiteren Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO; § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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