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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 26.10.2000
Aktenzeichen: 20 U 946/00
Rechtsgebiete: BKG, ZPO


Vorschriften:

BKG § 5 IV
BKG § 20 a Nr. 1
ZPO § 97 I
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711 Satz 1
ZPO § 546 II 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geachäftsnummer: 20 U 946/00

Verkündet am: 26. Oktober 2000

hat der 20. Zivilsenat des Kammergerichts durch seine Richter Schröder, C. Kuhnke und Baldszuhn auf die mündliche Verhandlung vom 26.10.2000 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 14.1.1997 verkündete Urteil der Zivilkammer 21 des Landgerichts Berlin wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Beklagte hat auch die Kosten der Revisionsinstanz zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweiligen Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leisten.

Der Wert der Beschwer übersteigt 60.000,- DM.

Tatbestand:

Die Kläger begehren u.a. Feststellung der Anwendbarkeit des Bundeskleingartengesetzes (BKG) auf den zwischen ihnen und dem Beklagten als Nachfolger des Kreisverbandes der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter (VKSK) bestehenden Hauptnutzungsvertrag über ein Grundstück, das die Kläger dem VKSK zur Nutzung und Weiterverpachtung an dessen Mitglieder überlassen hatten. Die Parteien streiten allein darum, ob das BKG auf den Hauptnutzungsvertrag Anwendung findet. Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Ergänzend wird ausgeführt: Die Parteien haben drei Vorprozesse geführt, die rechtskräftig entschieden wurden.

Durch Urteil vom 31.10.1994 (12. O. 300/93) hatte das Landgericht Berlin die Klage der Kläger gegen den Beklagten auf Herausgabe des mittelbaren Besitzes an sie mit der Begründung abgewiesen, der Beklagte sei sich nicht in ausreichendem Maße der Rechtswidrigkeit der dem BKG widersprechenden Nutzung des Grundstücks bewußt gewesen.

Mit Urteil vom 6.1.1995 (9 C 285/94), das der Beklagte erstmals nach der mündlichen Verhandlung vom 14.1.1999 in Kopie eingereicht hat, hat das Amtsgericht Köpenick den Beklagten zur Erstattung der von den Klägern für das Grundstück gezahlten Grundsteuer verurteilt, und hat seine Entscheidung auf § 5 IV BKG i.V.m. § 5 V Bundeskleingartenänderungsgesetz vom 8.4.1994 gestützt.

Schließlich hatte das Landgericht die Klage der Kläger gegen den Beklagten in einem weiteren Rechtsstreit (32. O. 537/95) auf Unterlassung der regelmäßigen Übernachtung in den Bungalows und Gartenlauben, auf Verschließen der Einfahrten, Schaffung von Parkmöglichkeiten, Vorhaltung von einem Drittel der Fläche durch Anbau von Obst und Gemüse, Zurückschneiden von Hecken und Entfernung von Sickergruben und deren Ersatz durch Sammelgruben durch Urteil vom 23.2.1995 zurückgewiesen, weil das BKG zwischen den Parteien nicht anwendbar sei.

Das Landgericht hat nunmehr durch das angefochtene Urteil festgestellt, daß es sich bei dem Hauptnutzungsvertrag nicht um ein Kleingartennutzungsverhältnis im Sinne des BKG handele, und hat die Klage im übrigen abgewiesen.

Der Beklagte wendet sich gegen die Ansicht des Landgerichts, Kleingartenrecht sei nicht anwendbar und trägt weiter vor: Dieses Recht sei nach den Bestimmungen des Kleingartenpachtvertrages dessen Bestandteil, ebenso wie die Kleingartenordnung des VKSK. Der Hauptnutzungsvertrag nehme auf die Kleingartenordnung ausdrücklich Bezug. Es sei eine Besonderheit gewesen, daß der Nutzungsberechtigte bei de: Nutzung von Flächen in einer Kleingartenanlage sein Nutzungsrecht nur auf der Grundlage einer Mitgliedschaft im VKSK habe verwirklichen können. Kleingartenpachtverträge hätten ihren Schwerpunkt in der Einbindung in eine gemeinschaftliche Organisation und seien maßgeblich von dieser bestimmt worden. Dem Hauptnutzungsvertrag fehle der individuelle Charakter einer Grundstücksnutzung außerhalb einer Kleingartenanlage. Die Einzelgärten hätten sehr wohl gemeinschaftliche Einrichtungen, wie Wege- und Freiflächen. Die Anlage beinhalte auch Gärten anderer Eigentümer. Auch in den alten Bundesländern hätten nicht alle Kleingartenanlagen Gemeinschaftstoiletten und Vereinshäuser. Selbst die Kläger seien davon ausgegangen, daß das BKG gelte. Die ursprüngliche Bodenfläche sei Sumpfland und nicht zugänglich gewesen. Alle Erschließungsmaßnahmen, wie gemeinschaftliche Wege, seien durch ihn im Zusammenwirken mit den Nutzern selbst durchgeführt worden. In der DDR hätten auch der Erholungsaspekt und die Freizeitgestaltung stärker im Vordergrund gestanden. Auch die Bebauung widerspreche nicht einer Kleingartenanlage, wie sich aus dem Bestandsschutz für früher errichtete Lauben ergebe. Bereits die Zivilkammer 12 habe festgestellt, daß die Ausstattung der Lauben im wesentlichen den Vorgaben des BKG entspreche. Die Lauben seien von einfacher Ausstattung.

Der Beklagte hat beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger haben beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Kläger tragen weiter vor: Nicht immer dann, wenn der Nutzer Mitglied des VKSK gewesen sei, habe es sich auch um eine Kleingartennutzung gehandelt. Der VKSK habe,

um die Datschennutzer einzubeziehen, 1982 eine Fachsparte für Wochenendsiedler, die nicht Obst- und Gemüsegärtner gewesen seien, gegründet. Für diese Nutzer sei allein der Erholungs- und Freizeitaspekt maßgebend, nicht die gärtnerische Nutzung das Bestimmende gewesen. Entsprechend verhalte sich der Beschluß des VKSK vom 14.7.1984 sowie Nr. 1 der Ergänzungsbestimmungen des VKSK.

Wegen der übrigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, auf den Inhalt der von jenen in Kopie eingereichten Urkunden und auf den Inhalt der Tatbestände und Entscheidungsgründe der in den Vorprozessen ergangenen Urteile Bezug genommen.

Der Senat hat auf die Berufung des Beklagten das angefochtene Urteil geändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des Berufungsurteils 20 U 2011/97 verwiesen.

Auf die Revision des Beklagten hat der Bundesgerichtshof das Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Senat zurückverwiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des Revisionsurteils - III ZR 89/99 - Bezug genommen.

Der Senat hat den Parteien sodann Gelegenheit gegeben, zur tatsächlichen Nutzungsart des streitigen Geländes und dem Vorhandensein von gemeinschaftlichen Einrichtungen am 3.10.1990 unter Beweisantritt ergänzend vorzutragen.

Der Beklagte trägt weiter vor: Es sei unstreitig, daß das streitbefangene Grundstück am Stichtag, dem 3.10.1990, eine Kleingartenanlage gewesen sei. Dies ergebe sich aus dem Schreiben des damaligen Prozeßbevollmächtigten der Kläger, Rechtsanwalt W , vom 12.4.1991. Am 3.10.1990 seien gemeinsame Wege und zwischen den Parzellen 13 und 27 ein Versammlungsplatz eingerichtet gewesen, daneben seien PKW-Abstellplätze vorhanden gewesen, sowie eine Außenumzäunung. Die Anlage sei 1984 durch Rekultivierung von Ödland und schuttbelastetem Waldgelände für kleingärtnerische Nutzung erschlossen worden und werde bis heute für kleingärtnerische Zwecke genutzt. Es seien zahlreiche Beete und Obstbäume vorhanden gewesen (im einzelnen: Schriftsatz des Beklagten vom 16.10.2000 sowie Rechenschaftsbericht der "Sparte Spreewiesen 41" vom 22.11.1987).

Der Beklagte beantragt weiterhin,

die Klage unter Aufhebung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Die Kläger beantragen weiterhin,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Kläger halten das Urteil des Landgerichts nach wie vor für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und der von ihnen in Kopie eingereichten Urkunden Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung mußte zurückgewiesen werden. Die Klage mußte hinsichtlich der begehrten Feststellung zum Klageantrag zu 1 Erfolg haben, weil der zwischen den Parteien bestehende Hauptnutzungsvertrag nicht dem Bundeskleingartengesetz (BKG) unterliegt.

Die Klage ist auch insoweit zulässig, als die Kläger Feststellung verlangen, daß der Hauptnutzungsvertrag nicht dem BKG unterliegt. Dies hat der Senat bereits in dem angefochtenen Berufungsurteil im einzelnen ausgeführt. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des genannten Revisionsurteils (zu II., Seite 5-9) Bezug genommen.

Die danach zulässige Feststellungsklage ist begründet, weil das BKG auf den vorliegenden Hauptnutzungsvertrag nicht anwendbar ist. Nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofes kommt es auf folgende Umstände, die der Senat in dem angefochtenen Berufungsurteil für maßgebend erachtet hat, nicht an:

"Ungeachtet der rechtlichen Einordnung des Grundstücks in eine Kleingartenanlage waren sich die Parteien bislang über diesen vertragsgemäßen Charakter einig. Sowohl die Kläger als auch der Beklagte gingen in den Verfahren vor dem Landgericht 12. O. 300/93 und 32. O. 537/95 davon aus, daß keine Zweifel daran aufkommen konnten, es handele sich um eine Kleingartenanlage mit der Anwendbarkeit des entsprechenden Kleingartenrechts. Dieses Prozeßverhalten der Parteien durchzog ohne Ausnahmen die genannten Verfahren; lediglich in 32. O. 537/95 blieb dies für die Entscheidung unbeachtlich. Zwar können die Parteien grundsätzlich nicht über die rechtliche Einordnung verfügen; allerdings haben die Kläger in beiden Verfahren deutlich gezeigt, daß sie auf Einhaltung der kleingartenrechtlichen Bestimmungen Wert legen; der Beklagte hat dies ebenso gesehen, so daß spätestens im Verlauf jener Prozesse allen Beteiligten klar war, daß die vertragliche Nutzung auf den Betrieb einer Kleingartenanlage abzielte. Wenn zuvor ein anderer Vertragszweck galt, wurde dieser eben durch das eindeutige Verhalten der Parteien angepaßt. Die Kläger haben dies dem Beklagten auch eindeutig zu erkennen gegeben: Sowohl durch Schreiben vom 20.7.1995 als auch durch Schriftsatz vom 17.1.1996 boten sie dem Beklagten an, die Pachtverträge auf Wochenendnutzung umzustellen. Dies mußte der Beklagte nur dahingehend auffassen, daß der Pachtzweck zu jener Zeit eben der Betrieb einer Kleingartenanlage war. Wenn die Kläger nunmehr, offenbar durch die Entscheidung 32. O. 537/95 angeregt, die Nichtanwendbarkeit des Kleingartenrechts festgestellt wissen wollen, widerspricht dies dem durch beide Parteien eindeutig bestimmten Vertragsinhalt."

Maßgebend ist bei der Frage, ob mit dem Wirksamwerden des Beitritts am 3.10.1990 ein Hauptnutzungsverhältnis als Kleingartennutzungsverhältnis im Sinne des § 20 a Nr. 1 BKG anzusehen war und demzufolge dieses Nutzungsverhältnis dem Anwendungsbereich des BKG unterworfen wurde, vielmehr, welche Nutzung zu diesem Zeitpunkt tatsächlich ausgeübt wurde (Revisionsurteil zu III. 2. b, Seite 12 mit nachfolgender weiterer Begründung).

Dies mußte unter Berücksichtigung der weiteren Ausführungen in dem Revisionsurteil dazu führen, die Berufung zurückzuweisen, weil das Hauptnutzungsverhältnis nicht dem BKG unterliegt, denn es handelte sich am Stichtag, dem 3.10.1990, nicht um eine kleingärtnerische Nutzung der Anlage.

Das zentrale Merkmal eines Kleingartens ist die nicht erwerbsmäßige gärtnerische Nutzung, also die Erzeugung von Obst, Gemüse und anderen Früchten durch Selbstarbeit des Kleingärtners oder seiner Familienangehörigen. Kennzeichnend für diese Nutzungsart ist die Vielfalt der Gartenbauerzeugnisse. Als weiteres wesentliches Begriffsmerkmal kommt hinzu, daß mehrere Gärten zusammengefaßt und gemeinschaftliche Einrichtungen (Wege, Spielflächen, Vereinshäuser etc.) vorhanden sein müssen, wobei auf den Charakter der gesamten Anlage, nicht einzelner Parzellen abzustellen ist.

Unter Würdigung dieser Umstände läßt sich nicht feststellen, daß die Anlage an dem genannten Stichtag kleingärtnerisch genutzt wurde. Das Berufungsvorbringen ändert hieran nichts. Es kommt zunächst nicht darauf an, wie der Beklagte meint, daß der damalige Prozeßbevollmächtigte der Kläger unter dem 12.4.1991 dem Beklagten einen Vertragsentwurf über die kleingärtnerische Nutzung des Grundstücks übersandte. Wie der Bundesgerichtshof ausgeführt hat (Revisionsurteil zu IV. 1., Seite 15), kann auch durch nachfolgende Intensivierung der kleingärtnerischen Bewirtschaftung nicht die Voraussetzung für die Anwendung des BKG geschaffen werden, so daß es nur auf die tatsächlichen Verhältnisse zum Stichtag ankommt. Daran ändert auch nichts, daß selbst die Kläger das Bestehen einer Kleingartenanlage bejaht hätten, weil die Auffassung der Kläger nicht darauf schließen läßt, wie die Anlage tatsächlich beschaffen war. Daß gemeinsame Wege und zwischen den Parzellen 13 und 27 ein Versammlungsplatz eingerichtet war, ist zwar ein notwendiges, aber kein hinreichendes Merkmal für den Betrieb einer Kleingartenanlage. Das gilt auch für den Umstand, daß eine Außenumzäunung vorhanden war, zumal diese, wie der Beklagte selbst einräumt, erst 1993 errichtet wurde.

Ebensowenig genügt es, daß 1984 Ödland und schuttbelastetes Waldgelände für kleingärtnerische Nutzung erschlossen wurde, weil die bloße Erschließung ebensowenig einen Schluß auf die tatsächliche Qualität der der Erschließung nachfolgenden Nutzung zuläßt. Über diese war kein Beweis zu erheben. Die Behauptung des Beklagten unter Benennung von Zeugen, die Nutzung der Grundstücksfläche sei für kleingärtnerische Zwecke erfolgt (Schriftsatz des Beklagten vom 29.2.2000, Seite 3), läßt keine näheren, vorstehend beschriebenen Einzelheiten erkennen, die unter Beweis gestellt wurden.

Die Darlegung des Beklagten, es seien zahlreiche Erdbeer- und Gemüsebeete sowie Obstbäume vorhanden gewesen, genügt ebenfalls nicht, um auf die kleingärtnerische Nutzung zu schließen. Der Beklagte wendet sich zwar dagegen, daß die von den Klägern vorgelegten Fotos (Anlage K 1 bis K 4) den Stand vom 2.10.1990 beträfen und legt dar, daß sich auf den Parzellen 20, 22 und 14 Gemüsebeete und Obstbäume befinden. Das genügt aber nicht, um darzulegen, daß, wie es der Bundesgerichtshof verlangt (Revisionsurteil zu IV. 2, Seite 16), der Charakter der gesamten Anlage eine kleingärtnerische Nutzung trägt. Schließlich ändert hieran auch der Inhalt des Rechenschaftsberichts der "Sparte Spreewiesen 41" vom 22.11.1987 nichts. Darauf, ob Rasen und/oder Blumen vorhanden waren, kommt es ohnehin nicht an. Im übrigen lassen auch die dort genannten Pflanzen (400 Bäume, Sträucher) und eine Ernte von 1.500 kg Obst und Gemüse ebensowenig erkennen, daß die gesamte Anlage kleingärtnerisch genutzt wurde oder daß jedenfalls die kleingärtnerische Nutzung vorherrschend war, wobei die bereits im einzelnen genannten Kriterien zugrunde zu legen sind.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 I, 708 Nr. 10, 711 Satz 1, 546 II 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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