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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 16.02.2006
Aktenzeichen: 20 W 52/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 93
Auch ein nach Anzeige der Verteidigungsabsicht erklärtes Anerkenntnis ist noch als "sofortiges" im Sinne von § 93 ZPO zu werten, wenn die Anerkenntniserklärung innerhalb der Klageerwiderungsfrist erfolgt.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 20 W 52/05

In dem Rechtsstreit

hat der 20. Zivilsenat des Kammergerichts durch seine Richter Budde, C. Kuhnke und Balschun am 16. Februar 2006 beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird die Kostenentscheidung in dem Anerkenntnisurteil der Zivilkammer 10 a des Landgerichts Berlin vom 21.6.2005 abgeändert und der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

3. Der Beschwerdewert beträgt 37.719,20 EUR.

Gründe:

I.

Die Klägerin hat die Feststellung begehrt, dass ihr gegen die Beklagte aus einem zwischen ihr und der Beklagten am 10.November 1988 geschlossenen Darlehensvertrag mit einem Nominalbetrag von 2.694.444,00 DM ein darlehensvertraglicher Rückzahlungsanspruch zusteht.

Bei der Beklagten handelt es sich um einen geschlossenen Immobilienfond in der Rechtsform einer GbR, die mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin, der Rnnnnnnnnnnn Bnnnnnnnn AG zur Finanzierung des Gesellschaftszwecks, der Instandsetzung, Modernisierung, des Dachgeschossausbaus sowie der Verwaltung des Grundstücks Knnnnnnn in Bnnnnnnnnnn, einen Darlehensvertrag abschloss. Die GbR beauftragte dazu ein Fremdunternehmen als so genannten Geschäftsbesorger oder Treuhänder mit Geschäftsführungsaufgaben. Mit Zweckerreichung spätestens im Jahr 1990 endete der Geschäftsbesorgungsvertrag mit dem Fremdunternehmen. Seitdem wird die GbR in Darlehensangelegenheiten durch die Mehrheitsgesellschafter Pnn und Ennnn Knnn vertreten. Im Jahr 1999 wurden die Konditionen des Darlehensvertrages mit den Gesellschaftern Pnn und Ennnn Knnn neu vereinbart.

Grund der Feststellungsklage war, angesichts der seit dem Jahr 2001 bestehenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Unwirksamkeit von Geschäftsbesorgungsverträgen und rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht wegen des Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz mit der Folge lediglich bereicherungsrechtlicher Rückerstattungsansprüche und verjährungsrechtlicher Problematik, Klarheit über die Wirksamkeit des zwischen den Parteien bestehenden Darlehensvertrages, der von dem Geschäftsbesorger unterschrieben wurde, herbeizuführen. Beide Parteien sind der Auffassung, dass der zwischen ihnen geschlossene Darlehensvertrag wirksam ist. Die Beklagte zahlt auch seit dem Jahr 1988 die vereinbarten Darlehensraten zurück. Mit Schreiben vom 22.9.2004 hatte die Klägerin die Beklagte, vertreten durch die Gesellschafter Pnn und Ennnn Knnn, zur Beseitigung der von ihr angenommenen Rechtsunsicherheit aufgefordert, einen von ihr formulierten Gesellschafterbeschluss binnen 2 Wochen zu fassen. Der Beschluss sollte u. a. die Genehmigung der Handlungen und Erklärungen der im Namen der GbR aufgetretenen Vertreter im Zusammenhang mit dem Darlehensvertrag beinhalten. Hinsichtlich des weiteren Inhalts des Beschlussentwurfs wird auf Bl. 68 d. A. verwiesen. Die Bevollmächtigten der Gesellschafter Pnn und Ennnn Knnn teilten der Klägerin mit Schreiben vom 21.10.2004 mit, dass sie von der Wirksamkeit des Darlehensvertrages ausgehen würden und sicherten den Verzicht auf die Einrede der Verjährung bis zum 30.6.2005 zu.

Das Landgericht hat mit Verfügung vom 31.1.2005, zugestellt am 8.2.2005, das schriftliche Vorverfahren angeordnet und die Beklagte zur Verteidigungsanzeige binnen 2 Wochen nach Zustellung der Klageschrift sowie zur Klageerwiderung innerhalb von 6 weiteren Wochen aufgefordert. Mit Schriftsatz vom 14.2.2005, bei dem Landgericht eingegangen am 15.2.2005, hat die Beklagte fristgemäß angekündigt, sich gegen die Klage verteidigen zu wollen. Mit Schriftsatz vom 1.4.2005, eingegangen am 2.4.2005, hat die Beklagte den Klageanspruch anerkannt und beantragt, der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Mit Anerkenntnisurteil vom 21.5.2005 hat das Landgericht der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

Gegen die vorgenannte Kostenentscheidung hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 30.5.2005, eingegangen bei dem Landgericht am 31.5.2005, sofortige Beschwerde eingelegt.

Sie ist der Auffassung, dass sie keine Veranlassung zur Klage gegeben habe und ein sofortiges Anerkenntnis abgegeben habe. Im Übrigen habe für die Feststellungsklage kein Rechtsschutzbedürfnis bestanden.

Die Klägerin ist der Meinung, dass die Beklagte Veranlassung zur Klageerhebung gegeben habe, weil diese den zur Behebung der vermeintlichen Rechtsunsicherheit geforderten Gesellschafterbeschluss - unstreitig - nicht herbeigeführt habe. Die Unterzeichnung der neuen Konditionenvereinbarung durch die Gesellschafter Pnn und Ennnn Knnn sei nicht ausreichend gewesen, weil diese nicht Alleingesellschafter seien und den Gesellschaftern die Vertretung der GbR nur gemeinschaftlich zustehe. Im Übrigen habe es sich wegen der vorangegangenen Verteidigungsanzeige nicht um ein sofortiges Anerkenntnis gehandelt.

II.

Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist zulässig (§§ 99 Abs.2, 567 ff. ZPO) und begründet.

Die Voraussetzungen einer Kostenentscheidung nach § 93 ZPO sind erfüllt.

1. Die Beklagte hat vorprozessual nicht durch ihr Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben, denn sie hat weder die Wirksamkeit des Darlehensvertrages in Abrede gestellt, noch hat sie die Rückzahlung des Darlehens eingestellt. Vielmehr haben die bestimmenden Einfluss ausübenden Mehrheitsgesellschafter mitgeteilt, dass sie von der Wirksamkeit des Darlehensvertrages ausgehen und befristet bis zum 30.6.2005 auf die Verjährungseinrede verzichten. Im Übrigen hat die Klägerin die Beklagte auch nicht vor Erhebung der Klage zum Anerkenntnis ihres darlehensvertraglichen Rückzahlungsanspruchs aufgefordert. Die Aufforderung zur Genehmigung der Handlungen und Erklärungen des Vertreters unter Herbeiführung eines vorformulierten Gesellschafterbeschlusses entspricht nicht dem gerichtlich geltend gemachten Anspruch.

2. Es handelt sich auch um ein "sofortiges" Anerkenntnis im Sinne von § 93 ZPO, obwohl die Beklagte es erst nach Abgabe der Verteidigungsanzeige, jedoch vor Ablauf der Klageerwiderungsfrist abgegeben hat.

Wird das schriftliche Vorverfahren gem. § 276 ZPO angeordnet, ist streitig, bis wann ein Anerkenntnis erklärt werden muss, um die Voraussetzung als "sofortiges" im Sinne von § 93 ZPO zu erfüllen.

Teilweise wird in Rechtsprechung und Literatur angenommen, dass das Anerkenntnis innerhalb der zweiwöchigen Notfrist für die Verteidigungsanzeige erklärt werden muss. Diese Ansicht wird damit begründet, dass das Anerkenntnis bei der ersten prozessualen Gelegenheit erklärt werden müsse, dies sei in der Notfrist des § 276 Abs.1 Satz 1 ZPO (u. a. Hartmann in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 64. Aufl., § 93 Rdnr. 97, 102; Bork in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 93 Rdnr.6; Musielak/Wolst, ZPO, 4. Aufl., § 93 Rdnr.5; OLG Brandenburg, Beschluss vom 17.10.2002 - 9 WF 169/02 -, JurBüro 2003, 323; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 19.2.2001 - 4 W 2/01 -, NJW-RR 2002,138; OLG Naumburg, Beschluss vom 24.8.2001 -11 W 47/01, OLGR Naumburg 2002, 239). Weiterhin wurde noch unter der Geltung des § 307 Abs.2 ZPO a. F. zur Begründung ausgeführt, dass diese Vorschrift ein Anerkenntnisurteil im schriftlichen Vorverfahren nur für den Fall vorsehe, dass innerhalb der Frist für die Verteidigungsanzeige anerkannt werde. Diese Argumentation ist schon deshalb nicht mehr zutreffend, weil mit der Geltung des 1.Justizmodernisierungsgesetzes vom 24.8.2004 der Absatz 2 des § 307 ZPO entfiel, so dass ein Anerkenntnisurteil auch noch nach Ablauf der Notfrist des § 276 Abs.1 Satz 1 ZPO zulässig ist.

Die Gegenansicht (u. a. Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., ZPO, § 93 Rdnr.4; Schneider MDR 1998,254; Deichfuß MDR 2004, 190; OLG Bamberg, Beschluss vom 15.3.1995 2 WF 12/95, FamRZ 1995, 1075; OLG Schleswig, Beschluss vom 28.7.1997 - 4 W 4/97 -, NJW-RR 1998, 285; OLG Hamburg, Beschluss vom 2.11.2001 - 12 W 25/01-, MDR 2002, 421; OLG Nürnberg, Beschluss vom 22.5.2002 - 3 W 1144/02-, NJW 2002, 2254) vertritt die Auffassung, dem Beklagten müsse eine angemessene Überlegungsfrist bleiben. Auch ein nach Anzeige der Verteidigungsabsicht erklärtes Anerkenntnis sei daher noch als "sofortiges" im Sinne von § 93 ZPO zu werten, wenn die Anerkenntniserklärung innerhalb der Klagerwiderungsfrist erfolge.

Der Senat folgt der letztgenannten Ansicht.

Es scheint sachgerecht, die Überlegungsfrist für den Beklagten, insbesondere angesichts der Neufassung des § 307 ZPO, für beide Verfahrensarten - schriftliches Vorverfahren und früher erster Termin - gleich zu behandeln und die Klageerwiderungsfrist zu Grunde zu legen (so auch Deichfuß a.a.O., S. 192).

Da es gemäß § 307 Satz 2 ZPO nun generell für die Zulässigkeit eines Anerkenntnisurteils nicht mehr der mündlichen Verhandlung bedarf, ist auch der Beklagte bei Anberaumung eines frühen ersten Termins gehalten, bei der ersten prozessualen Gelegenheit das Anerkenntnis zu erklären. Das ist im Rahmen der Klageerwiderungsfrist. Im schriftlichen Vorverfahren wäre die erste prozessuale Gelegenheit im Rahmen der Notfrist des § 276 Abs.1 Satz 1 ZPO; diese beträgt aber lediglich zwei Wochen. Diese Frist wird insbesondere in Anwaltsprozessen mit komplizierten Sachverhalten als zu kurz empfunden (BGH, Urteil vom 11.11.1993 - VII ZR 54/93 -, NJW 1994, 736). Die Zweiwochenfrist stellt die kürzeste aller in der Zivilprozessordnung üblichen Antrags- und Rechtsbehelfsfristen dar. Soweit sie eingreift, ist meist entweder eine Begründung nicht erforderlich (§§ 692 Abs.1 Nr.3, 700 Abs.1, 569 Abs.1 ZPO) oder die Frist kann bei Bedarf verlängert werden (§§ 274 Abs.3 Satz 1 i.V.m. 227 Abs.1 und 2, 339 Abs.1 i.V.m. 340 Abs.3 ZPO; vgl. BGH, Urteil vom 22.3.2001 - IX ZR 407/98 -, NJW 2001, 2545). Überwiegend steht den Parteien eine Monatsfrist zur Verfügung, wenn eine Begründung erforderlich ist. Jedenfalls wird außerhalb des schriftlichen Vorverfahrens von der beklagten Partei nicht verlangt, ein etwa beabsichtigtes Anerkenntnis noch vor der eigentlichen Klageerwiderung abzugeben und den Protest gegen die Kostenlast zu begründen. Für das schriftliche Vorverfahren sollte dann nichts anderes gelten. Auch der Beklagte, der den Anspruch anerkennen, aber nicht die Kosten des Verfahrens tragen will, darf gegen sich kein Versäumnisurteil ergehen lassen. Um das zu vermeiden, muss er auf die Aufforderung nach § 276 Abs.1 Satz 1 ZPO anzeigen, dass er sich gegen die Klage verteidigen werde. Dies darf aber nicht ausschließen, dass er noch innerhalb der Klageerwiderungsfrist nach Prüfung der Rechtslage ein Anerkenntnis erklären und den Protest gegen die Kostenlast begründen kann. Es würde den Anspruch des Beklagten auf ein faires Verfahren verletzen, wenn ihm nicht die eigentliche Klageerwiderungsfrist des § 276 Abs.1 Satz 2 ZPO auch zu der Prüfung eingeräumt wird, ob und in welchem Umfang im Hinblick auf die Kostenwohltat des § 93 ZPO ein Anerkenntnis in Betracht kommt (OLG Hamburg Beschluss vom 2.11.2001 - 12 W 25/01-, MDR 2002, 421).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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