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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 31.10.2006
Aktenzeichen: 21 U 12/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 1
BGB § 854 Abs. 1
BGB § 856
BGB § 866

Entscheidung wurde am 08.12.2006 korrigiert: die Rechtsgebiete und Vorschriften wurden geändert und ein Leitsatz wurde hinzugefügt
Der unmittelbare Besitz an einer versehentlich liegen gelassenen Sache wird nur dann aufgegeben, wenn eine Wiedererlangung der Sache ausgeschlossen oder zumindest deutlich erschwert ist. Das ist nicht der Fall, wenn der Besitzer jederzeit rekonstruieren kann, wo die Sache sich befindet und zumindest die Möglichkeit besteht, sie wieder an sich zu bringen.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 21 U 12/06

verkündet am : 31.10.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 21. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg, Elßholzstr. 30-33, 10781 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 31.10.2006 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Klum und die Richterinnen am Kammergericht Lang und Kruse

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen das am 13. Dezember 2005 verkündete Urteil der Zivilkammer 19 des Landgerichts Berlin -19 O 467/04 - geändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 43.670,00 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 21. Oktober 2004 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Parteien jeweils zur Hälfte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages nebst 10 % abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt vom Beklagten Schadensersatz in Höhe von € 87.340,00 aus unerlaubter Handlung.

Am 19.09.2003 führte die Klägerin für die Lnnnnnnnnnnn einen Geldtransport durch und befüllte unter anderem einen Geldautomaten in der Snnnnnnnn in Bnnn -Mnn mit Geld, das sie von der Ln erhalten hatte. Außerdem nahm sie Geld entgegen, dass in den Automaten von Kunden der Snnnnn filiale eingezahlt worden war. Über die eingezahlten und eingenommenen Beträge erstellte der Automat einen Beleg.

Die Klägerin setzte ihre Mitarbeiter Mnn Snnn , Annn Knn und Annn Mnnn für den Transport ein. Die Zeugen Snnn und Knn hielten sich zwischen ca. 20.44 und 21.06 Uhr im Vorraum der Snnnnn filiale auf. Sie ließen eine Geldtasche dort zurück. Der Zeuge Mnnn vermerkte nach ihrer Rückkehr zum Fahrzeug die Rückgabe der Geldtasche, indem er die Angaben auf dem von den Kollegen mitgebrachten Lieferschein abschrieb, ohne sich aber darüber zu gewissern, dass die Tasche tatsächlich zurückgelangt war.

Gegen 22.55 Uhr betrat der Beklagte die Filiale, tätigte verschiedene Geldgeschäfte und verließ schließlich um etwa 22.58 Uhr die Bank mit der Geldtasche in der Hand. Weder die Tasche noch deren behaupteter Inhalt von € 87.340,00 fanden sich wieder.

Die Klägerin beglich den seitens der Ln geltend gemachten Schaden in Höhe von € 87.340,00 an diese. Die Versicherung der Klägerin trat für den Schaden nicht ein, weil der Selbstbehalt höher als der hier geltend gemachte Schaden ist.

Der Vorgang im Vorraum der Filiale wurde von Videokameras aufgezeichnet, die die Mitarbeiter der Klägerin nicht beeinflussen konnten. Der Tisch, auf dem sich die Geldtasche befand, wurde nicht gefilmt. Insoweit wird auf die Vermerke der Polizei vom 24.09., 25.09. und 01.10.2003 sowie auf die Übersichtsaufnahmen zur Position der einzelnen Kameras verwiesen, Bd. I, Bl. 60 ff., 115, 125 und 159 ff. der Akten der Staatsanwaltschaft Berlin - 94 Js 4334/03 -. Die in der Zeit zwischen ca. 21.06 und 22.59 Uhr getätigten Verfügungen am Geldautomaten wurden ebenfalls festgehalten. Auf den Inhalt des elektronischen Journals wird Bezug genommen, Bd. I, Bl. 11, 17; Bd. II, Bl. 23 f., 39 der Beiakten. Wie die Bestückung im sogenannten Cash Recycling System von der Klägerin organisiert wird und wie diese sich theoretisch abspielen sollte, ergibt sich aus den Seiten 2 bis 4 des klägerischen Schriftsatzes vom 29.04.2005, Bl. 80 ff. d. A.

Wieviel Geld die Tasche vor Bestückung des Geldautomaten enthielt, ob sie ursprünglich verplombt war und was in der Filiale im Einzelnen geschah, insbesondere ob das Geld sich noch in der Tasche befand, als der Beklagte die Filiale verließ und was er mit der Tasche anschließend gemacht hat, ist zwischen den Parteien streitig. Wegen der Stückelung des Geldes, dessen Gewicht, der Belege über Einzahlung und Entnahme sowie die Berechnung des Schadens wird auf S. 2 des klägerischen Schriftsatzes vom 10.12.2004, auf die Seiten 3 und 4 des Schriftsatzes der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 29.04.2005 nebst der Anlagen K 4 bis 6, sowie auf das Schreiben des Polizeipräsidenten in Berlin an die Klägerin vom 08.10.2003 nebst handschriftlichem Eintrag verwiesen, Bl. 27, 81 f., 87 ff. d. A. sowie Bd. I, Bl. 184 f. der Beiakte.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen und wegen des Ergebnisses der durch Beschluss vom 14.06.2005 angeordneten Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll des Landgerichts vom 04.10.2005, Bl. 120 ff. d.A., und auf die angefochtene Entscheidung verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage durch am 13.12.2005 verkündetes Urteil abgewiesen mit der Begründung, es stehe nicht fest, wieviel Geld sich zu dem Zeitpunkt, zu dem der Beklagte die Tasche an sich nahm, darin befunden habe. Denn es fehlten Videoaufzeichnungen zwischen 22.39 und 22.52 Uhr. Es sei daher nicht auszuschließen, dass ein unehrlicher Dritter den Inhalt der Tasche an sich genommen habe.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie wiederholt im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen. Sie habe - unwidersprochen erst nach Abschluss der ersten Instanz - erfahren, dass die Videoaufzeichnungen durch Bewegungsmelder ausgelöst werden, so dass eine lückenlose Dokumentation der Vorgänge im Geldautomatenraum vorhanden sei. Im Übrigen stellt sie klar, dass sie den Inhalt der Ermittlungsakten zum Gegenstand ihres Vortrages macht.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des am 13.12.2005 verkündeten Urteils des Landgerichts Berlin zu verurteilen, an sie € 87.340,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er rügt Verspätung hinsichtlich des neuen Vortrages der Klägerin hinsichtlich der Bewegungsmelder.

Die Akten der Staatsanwaltschaft Berlin - 94 Js 4334/03 - lagen vor und waren wie bereits in der ersten Instanz Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II.

1.

Die statthafte Berufung der Klägerin ist Form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 517, 519, 520 ZPO.

2.

Die Berufung ist teilweise begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch aus § 823 I BGB.

Danach ist zum Schadensersatz verpflichtet, wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt.

Ein Anspruch aus Eigentumsverletzung kommt nicht in Betracht, da die Ln und nicht die Klägerin Eigentümerin des Geldes war. Jedoch sind auch der Besitz und der Mitbesitz als sonstiges Recht durch § 823 I BGB geschützt (Sprau in Palandt, BGB, 65. Auflage, § 823 Rn. 13). Die Klägerin war solange unmittelbare Besitzerin bzw. Mitbesitzerin des Geldes, wie sie willentlich die tatsächliche Sachherrschaft darüber ausgeübt hat. Das war der Fall, bis der Beklagte das Geld an sich nahm.

a)

Die Klägerin war unmittelbare Mitbesitzerin der Tasche mit dem darin befindlichen Geld.

Zunächst war die Klägerin unmittelbare Besitzerin des in die Filiale mitgenommenen Geldes und auch desjenigen, das sie aus dem Ankauf entgegennahm. Denn hierüber übte sie willentlich die tatsächliche Sachherrschaft aus.

Sie hat den Besitz aber auch nicht aufgegeben, als ihre Mitarbeiter bzw. Besitzdiener das Geld in der Snn kasse liegen ließen, § 856 BGB. Denn dies geschah nicht mit dem Willen, die Sachherrschaft an dem Geld aufzugeben, sondern unfreiwillig. Nach § 856 BGB wird der unmittelbare Besitz nur dann beendet, wenn der Gegenstand verloren geht oder ein entsprechendes Ereignis eintritt, durch das eine Wiedererlangung ausgeschlossen oder zumindest deutlich erschwert wird (vgl. Bassenge in Palandt, aaO, § 856 Rn. 3, 4; Bund in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2000, § 856 Rn. 22). Die Klägerin konnte jederzeit rekonstruieren, wo sich die Geldtasche befand. Auch hatte sie Zugang zur Filiale und hätte sie ohne Schwierigkeiten wieder an sich bringen können. Damit ist sie unmittelbare Besitzerin an Tasche und Geld geblieben. Zugleich ist die Ln unmittelbare Mitbesitzerin geworden, da sie die tatsächliche Gewalt und auch den entsprechenden Herrschaftswillen an allen in ihren Räumlichkeiten befindlichen Gegenständen hat (§§ 854, 866 BGB).

Damit fallen der unmittelbare Besitz der Klägerin als Geschäftsbesorgerin und derjenige der Eigentümerin zusammen. Grundsätzlich ist es sinnlos, der Geschäftsbesorgerin Besitz einzuräumen, wenn die Eigentümerin selbst im unmittelbaren Besitz der Sache ist. Anders ist es aber, wenn der Besitzverlust der Klägerin unfreiwillig und der Besitzerwerb der Eigentümerin unbewusst ist. Denn Sinn der Nebenpflicht zur Verwahrung des Geldes aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen Ln und Klägerin ist es gerade, dass die Eigentümerin sich solange nicht um den Verbleib ihres Geldes kümmern muss, wie sie dieses in "sicheren" Händen weiß, die Klägerin also verantwortlich war. Das war sie für das liegen gebliebene Geld.

b)

Der Beklagte hat auch den unmittelbaren Mitbesitz der Klägerin an dem Geld verletzt, indem er die Tasche an sich nahm.

Denn es steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass sich in der Tasche zu dem Zeitpunkt, als der Beklagte sie mitnahm, € 87.340,00 befanden. Die hierfür darlegungs- und beweispflichtige Klägerin hat den Beweis erbracht, dass sich in der Tasche beim Betreten der Bank € 114.000,00 und beim Verlassen der Bank noch € 87.340,00 befanden.

Berufungsrechtlich nachprüfbar ist, ob sich das erstinstanzliche Urteil gem. § 286 ZPO mit dem Inhalt der Verhandlungen und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung mithin vollständig ist (zur Revision: BGH, Urteil vom 12.11.1991, VI ZR 7/91, NJW 1992, S. 563). Das Landgericht hatte keinen Anlass, sich ausführlich mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme zu befassen, da es sein Urteil nicht in erster Linie darauf gestützt hat, ob und wieviel Geld sich in der Tasche befand, als der Beklagte diese mitnahm.

aa)

Zunächst gilt die Tatsache, dass sich ursprünglich € 114.000,00 in der Tasche befanden, gem. § 138 III ZPO als zugestanden. Die Klägerin hat dargelegt, dass der Zeuge Snnn die in ihrer Berliner Zentrale unter Aufsicht standardmäßig mit € 114.000,00 bestückte und verplombte Geldtasche gegen Quittung entgegennahm. Sie hat eine entsprechende Quittung eingereicht. Hierauf hat der Beklagte den gesamten, sich über mehrere Seiten erstreckenden "Bestückungsvortrag" weiterhin mit Nichtwissen bestritten. Das ist zu pauschal, weil nicht deutlich wird, welche Tatsachen er im Einzelnen angreifen möchte.

Aus seinen übrigen Erklärungen geht hervor, dass der Beklagte die Verplombung mit Nichtwissen bestreitet. Diese ist jedoch durch die Aussagen der Zeugen Snnn und Knn bewiesen und damit auch, dass sich das Geld noch in der Tasche befand, als die Zeugen die Bank betraten. Der Zeuge Snnn hat sowohl in seiner Vernehmung vor dem Landgericht als auch in seiner polizeilichen Vernehmung bekundet, dass er die Tasche erstmals in der Filiale entplombt hat. Dies hat auch der Zeuge Knn in seiner polizeilichen Vernehmung bestätigt. Dass er sich vor dem Landgericht nicht mehr daran erinnerte, macht seine Aussage nicht unglaubhaft. Es ist durchaus nachvollziehbar, dass er sich wegen des Zeitablaufs, vielleicht aber auch, weil ihm die ganze Angelegenheit unangenehm war, nicht mehr daran erinnerte oder erinnern wollte. Daraus lassen sich aber keine Schlüsse zugunsten oder zu Lasten des Beklagten ziehen.

bb)

Das Geld befand sich auch in der Tasche, als der Beklagte diese an sich nahm.

(1)

Nach der Aussage der Zeugen Snnn und Knn steht fest, dass sie den Geldautomaten entsprechend der von diesem ausgeworfenen und von der Klägerin vorgelegten Quittung mit € 34.000,00 bestückt haben. Der Zeuge Knn bekundete vor der Polizei, dass der Zeuge Snnnn Geldscheinbündel nach Vorgabe der ausgedruckten Quittung bereitlegte, mit denen er (Knn ) selbst anschließend den Automaten bestückte. Dies stimmt mit den Angaben des Zeugen Snnn in seinen beiden Vernehmungen überein. Ebenso sagten beide Zeugen übereinstimmend aus, dass der Zeuge Snnn das Retourgeld zurück in die Tasche gelegt habe, nachdem der Zeuge Knn das Geld aus der Ankaufkassette, in die Tasche gefüllt hatte.

Auch diese Einlassungen der Zeugen sind glaubhaft. In ihrer polizeilichen Vernehmung schildern beide Zeugen die Einzelheiten plausibel und machen auch aus Erinnerungslücken und Fehlern keinen Hehl. Für den Zeugen Snnn gilt dies auch für seine Aussage vor dem Landgericht, während diejenige des Zeugen Knn wenig ergiebig ist. So ist der Vorgang des Befüllens der Tasche mit Ankauf- und Restgeld aus der Bestückung des Automaten nicht ordnungsgemäß abgelaufen, wie der Klägervertreter ihn in seinem Schriftsatz vom 29.04.2005 vorgetragen hat. Denn weder haben die Zeugen Snnn und Knn eine Safebag, die sie extra verplombt haben, für das Ankaufgeld verwendet, noch haben sie sich gegenseitig wie vorgesehen hinreichend kontrolliert. Auch hat der Zeuge Mnnn nicht aus eigener Anschauung quittiert, dass die Tasche in den Wagen zurückgelangt ist. Gerade weil die Zeugen aber den vorgeschriebenen Verfahrensablauf nicht so geschildert haben, wie er sein sollte, sondern Nachlässigkeiten eingeräumt haben, erscheint ihre Aussage glaubhaft. Dagegen spricht auch nicht, dass die Zeugen Knn und Snnn in ihren polizeilichen Vernehmungen widersprüchliche Angaben dazu gemacht haben, ob sie sich gegenseitig abgetastet haben und der Zeuge Snnn zudem im Gegensatz zu seiner gerichtlichen Vernehmung bei der Polizei zunächst meinte, er habe die Filiale abgeschlossen. Hierdurch entsteht kein Zweifel am Kern der Aussagen den Inhalt der Geldtasche betreffend. Vielmehr sind solche Widersprüchlichkeiten eher darauf zurückzuführen, dass insbesondere der noch bei der Klägerin beschäftigte Zeuge Snnn nicht noch mehr Fehler zugeben wollte.

Über die Stückelung sowie Höhe der Einzahlung und Höhe des entgegengenommenen Ankaufsgeldes (€ 7.340,00) konnten die Zeugen keine oder keine genauen Angaben machen. Diese werden jedoch durch die entsprechenden Quittungen unter anderem des Geldautomaten belegt, die die Klägerin als Anlagen K 4 bis K 6 vorgelegt hat. Es ist nicht ersichtlich, dass der Geldautomat nicht ordnungsgemäß funktionierte. Dies behauptet auch der Beklagte nicht.

Das Gericht hat keinerlei Anhaltspunkte, an der Glaubwürdigkeit der Zeugen zu zweifeln, weshalb eine Wiederholung der Beweisaufnahme nicht in Betracht kam.

Es ist nicht ersichtlich, dass einer oder mehrere der Mitarbeiter der Klägerin das Geld oder einen Teil davon entwendet haben. Geplant war der Vorfall nicht. Alle Zeugen haben übereinstimmend bekundet, dass der Zeuge Mnnn - aufgrund eines betriebsinternen Irrtums - zum ersten Mal auf eine solche Tour mitgekommen sei. Herr Snnn sei ebenfalls eingesprungen. Die Arbeitsabläufe seien daher auch nicht richtig aufeinander abgestimmt gewesen, wie die Zeugen Snnn und Knn aussagten. Es war auch nicht auszuschließen, dass eine körperliche Durchsuchung stattfinden würde, wenn das Fehlen der Tasche bemerkt würde oder, dass der Zeuge Mnnn nach der Tasche fragen würde, deren Zurückbringen er quittieren sollte. Hinzu kommt, dass die Mitarbeiter die gesamte Zeit über von Überwachungskameras gefilmt wurden, was sie auch wussten und worauf sie keinen Einfluss nehmen konnten. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass ihnen klar war, dass ein Teil der Aufzeichnungen überspielt werden würde oder zwei Videokameras nicht aktiv waren.

(2)

Demgegenüber sind die Aussagen des Beklagten zum Inhalt der Tasche und zum Motiv des Mitnehmens in sich widersprüchlich und nicht glaubhaft. In seiner ersten Beschuldigtenvernehmung vom 23.09.2006 (Bd. 1, Bl. 29 der Beiakten), behauptet er, er habe die gelbe Tasche genommen, sie nach draußen getragen und um die Ecke auf einen Mülleimer gestellt, weil sie ihn gestört habe. Sie sei alt und verdreckt gewesen und es habe sich nur ein Draht daran befunden. Er könne schwören, dass die Tasche leer gewesen sei. Wie sich das Geschehen im Einzelnen abgespielt hat, schildert er nur sehr unvollkommen, während die Geschehnisse um diesen Abend herum recht genau wiedergegeben werden. Insbesondere wird nicht deutlich, was er denn beim ersten Mal, als er zur Tasche ging, 25 Sekunden lang dort gemacht hat. In seiner Beschuldigtenvernehmung vom 24.09.2006 (Bd. 1, Bl. 86 der Beiakten) hingegen gibt der Beklagte - auf Vorhalt der Polizei, es sei anhand der Aufzeichnungen zu erkennen, dass die Tasche gefüllt gewesen sei - an, die Tasche sei federleicht gewesen, ihr Inhalt habe sich nach etwas Plastikartigem angefühlt. Bei seiner Einlassung vor dem Haftrichter am 24.09.2003 (Bd. 1, Bl. 100 f. der Beiakten) gibt der Beklagte an, die Tasche sei ganz leicht gewesen, so dass es für ihn den Anschein hatte, dass zwar "was drin war, aber eben nicht € 87.000,00 in der bankautomatentypischen Stückelung". Damit hat er offenbar seine Angaben dem Beweisstand angepasst.

(3)

Aus dem Vermerken der Polizeibeamten, die die Videoaufzeichnungen ausgewertet haben, ergibt sich eine Aufzeichnungslücke zwischen 22.39 und 22.53 Uhr nicht. Diese Vermerke (wie auch den übrigen Inhalt der Beiakten) hat die Klägerin zum Gegenstand ihres Vorbringens gemacht. Dabei kann dahinstehen, ob die Aufnahmen nur durch Bewegungsmelder ausgelöst worden sind oder ob die Kameras lückenlos aufgezeichnet haben, was sich nach den polizeilichen Vermerken vermuten lässt. Denn in beiden Fällen steht fest, dass zwischen 21.06 Uhr, nachdem die Mitarbeiter der Klägerin die Bank verlassen hatten, und 22.54 Uhr, als der Beklagte hineinging, nur die Eheleute Fnnnn und Frau Jnnnnnn die Bank betreten haben, ohne jedoch die Geldtasche zu bemerken oder sie anzufassen.

Der Vermerk vom 24.09.2003 (Bd. 1, Bl. 60 f. der Beiakten) gibt die Aufzeichnungen wieder, die die Zeiten von 20.48 bis 21:05 Uhr und von 22.40 bis 23.00 Uhr abdecken, während die Vermerke vom 01.10.2003 (Bd. 1, Bl. 159 ff. der Beiakten) die Zeiten von 21.05 bis 22.39:59 Uhr, von 22.52:50 und 23.58:59 Uhr und von 23:59:02 bis 00.15:00 Uhr betreffen. Aus den Übersichtsaufnahmen aus dem Innenraum der Snnnnn filiale geht hervor, dass es vier Videokameras gab, von denen zwei inaktiv waren oder deren Filme wieder überspielt wurden. Daher ist der Tisch, auf dem sich die Geldtasche befand, nicht gefilmt worden. Die Tür wurde jedoch lückenlos beobachtet und es ist auch erkennbar, dass sich niemand außer dem Beklagten zu dem Tisch begeben hat, auf dem die Geldtasche stand. Die Aufzeichnungen des elektronischen Journals bestätigen, dass keine weiteren Kunden in der Zeit zwischen 21.06 und 22.55 Geldgeschäfte getätigt haben. Die Zeitangaben der einzelnen Kameras und des Journals differieren zwar geringfügig voneinander. Hierdurch wird die Lückenlosigkeit der Aufzeichnung aber nicht beeinträchtigt.

Im Einzelnen ergibt sich aus den Vermerken, dem elektronischen Journal und den polizeilichen Zeugenvernehmungen, dass das Ehepaar Fnnnn gegen 22.10.06 Uhr die Filiale betrat, verschiedene Verfügungen traf und die Filiale gegen 22.15.07 Uhr wieder verließ. Keiner der Eheleute schaute zu irgendeinem Zeitpunkt zur Geldtasche. Gegen 22.42.39 Uhr ging dann Frau Jnnnnnn in die Bank und verließ diese gegen 22.43.41 Uhr wieder, nachdem sie erfolglos versucht hatte, Geld abzuheben. Auch sie ging nicht zur Tasche.

c)

Die Wegnahme der Tasche mit dem darin befindlichen Geld führte zum Verlust des unmittelbaren Mitbesitzes.

d)

Der Beklagte handelte auch rechtswidrig und schuldhaft. Zwar ist ihm Vorsatz nicht nachzuweisen, da nicht feststeht, dass er den Inhalt der Geldtasche kannte. Auch ist nicht zu widerlegen, dass er die Tasche auf einem vor der Bank befindlichen Mülleimer entsorgte. Jedoch hat er fahrlässig i.S.d. § 276 BGB gehandelt, indem er die in einem besonders gesicherten Bereich in einem Geldinstitut vorgefundene, ersichtlich nicht leere, weil etwa 950 Gramm schwere Tasche (vgl. Bd I, Bl. 184 f. der Beiakte), einfach wegwarf. Nach seinem eigenen Bekunden sah er nicht in die Tasche hinein und handelte damit hinsichtlich des Inhalts fahrlässig. Der Beklagte durfte nicht davon ausgehen, dass jemand die Tasche bewusst zurückgelassen hatte und hätte bei gehöriger Sorgfalt den Verlust deren Inhalts voraussehen und verhindern können.

e)

Der Klägerin ist ein auf der Pflichtverletzung beruhender Schaden in Höhe von € 87.340,00 entstanden. Dem Besitzer sind auch sogenannte Haftungsschäden zu ersetzen, d.h. Ansprüche, denen der Besitzer ausgesetzt ist, weil er für den Untergang der Sache verantwortlich ist (Hag in Staudinger, BGB, Bearbeitung 1999, § 823 Rn. B 167). Der Schaden der Klägerin besteht darin, dass sie dem berechtigten Anspruch der LBB aus § 280 I BGB wegen Pflichtverletzung aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag ausgesetzt war und daraufhin € 87.340,00 bezahlt hat.

f)

Die Klägerin trifft jedoch ein hälftiges Mitverschulden gem. § 254 I BGB. Denn insoweit hat sie bei der Entstehung des Schadens mitgewirkt. Sie hat ihre Organisationspflicht erheblich verletzt, indem sie ein nicht eingespieltes und auch nicht ordentlich instruiertes Team auf den Geldtransport geschickt hat. Unstreitig hatte der Zeuge Mnnn noch nie einen Geldtransport durchgeführt und war hierfür auch nicht geschult worden. Vielmehr sollte er ursprünglich Geldautomaten warten, wie es auch seiner Aufgabe im Unternehmen der Klägerin entsprach und war nur aufgrund eines Buchungsversehens für die Tour eingesetzt worden. Die konkreten Aufgaben, mit denen er betraut war, hatte ihm niemand erklärt.

Die Klägerin hat ihr Personal jedenfalls hinsichtlich dieses Geldtransportes nicht gewissenhaft ausgesucht und eingearbeitet. Dadurch hat sie die ihr in eigenen Angelegenheiten obliegende Sorgfalt fahrlässig außer Acht gelassen. Der durch Unerfahrenheit der Mitarbeiter sowie mangelnde gegenseitige Kontrolle entstandene Schaden war vorhersehbar und vermeidbar. Insbesondere wäre der Verlust der Geldtasche rechtzeitig bemerkt worden, wenn der Zeuge Mnnn deren Rückgabe wie vorgesehen ordnungsgemäß quittiert hätte.

Für die Bemessung der Mitverschuldensquote ist zunächst das jeweilige Maß der Verursachung zu berücksichtigen (Heinrichs in Palandt, aaO, § 254 Rn. 61). Hier haben beide Parteien gleichermaßen zur Schadensentstehung beigetragen. Hätte die Klägerin ihren Mitarbeiter Mnnn ordentlich angeleitet oder einen erfahrenen oder zumindest sorgfältig angelernten Mitarbeiter für die Fahrt ausgewählt, wäre der Verlust der Geldtasche rechtzeitig bemerkt worden. Andererseits hat der Beklagte den endgültigen Verlust der Tasche samt Inhalt herbeigeführt.

Das beiderseitige Verschulden entspricht sich ebenfalls. Die Klägerin ist mit dem Transport äußerst hoher, nicht in ihrem Eigentum stehender Geldsummen betraut und muss daher besonders sorgfältig damit umgehen. Insofern trifft sie ein erhebliches Verschulden an dem Verlust des Geldes. Dem Beklagten hingegen musste sich geradezu aufdrängen, dass er die Tasche mit dem am Gewicht deutlich erkennbaren Inhalt nicht hätte wegwerfen dürfen.

3.

Die Zinsentscheidung beruht auf §§ 280 I, II, 286 I, 2, 288 I BGB.

4.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus § 92 I 1 ZPO sowie §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

5.

Die Revision war nicht zuzulassen, da es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt, die weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch aus Gründen der Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 II ZPO.

Ende der Entscheidung

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