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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 19.02.2008
Aktenzeichen: 21 U 202/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB a.F. § 633 Abs. 1
BGB a.F. § 633 Abs. 3
Fehlt es bei einem Kauf- und Werkvertrag über eine Doppelhaushälfte, die im Rahmen eines Gesamtprojekts (hier 30 Doppelhäuser) errichtet werden soll, an einer ausdrücklichen Regelung zur Regenwasserableitung, stellt es keinen, eine Sachmängelhaftung auslösenden Mangel dar, wenn statt einer Einzelableitung eine Sammelableitung installiert wird.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 21 U 202/05

verkündet am: 19.02.2008

In dem Rechtsstreit

hat der 21. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg, Elßholzstr. 30-33, 10781 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 19.02.2008 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Klum als Einzelrichter

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 11. August 2005 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 20 O 648/04 - geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Mit Vertrag vom 19. April 2001 erwarben die Kläger von der Rechtsvorgängerin der Beklagten das im Grundbuch von Hohenschönhausen später als Flur 2 des Flurstücks 8-- in Blatt 1----- N eingetragene Grundstück, das von der Verkäuferin mit einer Doppelhaushälfte bebaut wurde.

In § 6 Ziff. 2 des Vertrages heißt es:

Die Parteien sind sich darüber einig, dass der Käufer - und zwar ohne Anrechnung auf den Kaufpreis - eventuell auf Kosten der Verkäufers bestellte oder noch zu bestellende Baulasten, Reallasten und Dienstbarkeiten aller Art, ggf. auch eine geringfügige Überbauung, übernimmt und im Grundbuch duldet, die notwendig sind, um das gesamte Bauvorhaben laut beigefügtem Lageplan (Anlage 3 zu dieser Niederschrift) genehmigungs- bzw. anzeigepflichtig zu machen sowie insgesamt durchzuführen und hierfür eventuell gemachte Auflagen der zuständigen Behörden zu entsprechen.

Aus dem Vertrag ergibt sich, dass das Grundstück Teil eines von der Verkäuferin zu erwerbenden Grundbesitzes von ca. 20.000 m² ist. Das Areal ist inzwischen mit ca. 30 Doppelhäusern bebaut.

Am 2. Dezember 2003 bestellte die Verkäuferin zu Lasten der zukünftigen Eigentümer von 8 Doppelhaushälften, darunter auch die Kläger, gegenseitig diverse Grunddienstbarkeiten betreffend die Mitbenutzung der auf deren Eigentum verlaufenden Regenwasserentsorgungs-leitungen. Die Unterhaltungskosten der gemeinsamen Regenwasserentsorgungsanlagen hatten die Eigentümer zu untereinander gleichen Teilen zu tragen.

Die Berliner Wasserbetriebe stimmten der gemeinsamen Regenwasserentsorgung zu und verzichteten inzwischen auf den ursprünglich vorbehaltenen Widerruf. Die Kläger sind gegenüber den Berliner Wasserbetrieben verpflichtet, den Regenwasseranschlusskanal dauernd in betriebsfähigem Zustand zu erhalten und für die in diesem Zusammenhang entstehenden Instandsetzungs- oder Reinigungskosten als Gesamtschuldner mit den übrigen Eigentümern der angeschlossenen Grundstücke zu haften.

Die Kläger, die erst nach dem 2. Dezember 2003 Kenntnis von der Dienstbarkeit und der Erhaltungs- bzw. Unterhaltungsverpflichtung erhalten hatten, sehen in dem Sammelanschluss einen Mangel und rechnen mit den voraussichtlichen Kosten für die nachträgliche Installation eines Einzelanschlusses in Höhe von 15.000 EURO gegenüber der noch teilweisen offenen 3. Kaufpreisrate auf, aus der die Beklagte die Zwangsvollstreckung betreibt.

Die Kläger haben beantragt,

die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde des Notars Wnnnn Jnn vom 19.04.2001, UR-Nr: J -------- in Verbindung mit der Genehmigung (UR-Nr: J -------) in Höhe eines erststelligen Teilbetrages von 15.000,00 EURO für unzulässig zu erklären.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 12.500 EURO stattgegeben.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Wegen der Einzelheiten wird auf das Vorbringen in den Schriftsätzen vom 8. November 2005 und 8. Oktober 2007 Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

unter Änderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die gemäß den §§ 517, 519, 520 ZPO zulässige Berufung ist begründet. Die Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) ist unbegründet, weil die der Zwangsvollstreckung zugrunde liegende Kaufpreisforderung der Beklagten nicht durch Aufrechnung erloschen ist.

Für das Vertragsverhältnis der Parteien ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2001 gültigen Fassung maßgebend, weil das Schuldverhältnis, aus dem die Zwangsvollstreckung betrieben werden soll, mit dem notariellen Kaufvertrag vom 19. April 2001 begründet wurde und damit vor dem 1. Januar 2002 entstanden ist (EGBGB 229 § 5 Satz 1).

Grundlage der Aufrechnung ist ein behaupteter Vorschussanspruch auf Mängelbeseitigung gemäß § 633 Abs. 3 BGB (a.F.). Danach kann der Besteller einen Mangel auf Kosten des Unternehmers beseitigen lassen, wenn dieser mit der Beseitigung des Mangels sich in Verzug befindet. Der Anspruch kann auch als Vorschuss geltend gemacht werden. Er setzt jedoch das Vorhandensein eines Sachmangels voraus.

Daran fehlt es im vorliegenden Fall.

Ein Sachmangel besteht, wenn das Werk im Zeitpunkt seiner Abnahme entweder nicht die zugesicherte Eigenschaft hat oder mit einem Fehler behaftet ist, der den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrage vorausgesetzten Gebrauch aufhebt oder mindert (§ 633 Abs.1 BGB a.F.).

Da unstreitig eine Abnahme am 31. März 2004 erfolgt ist, tragen die Kläger die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Mangels.

Um festzustellen, ob ein Mangel vorliegt, ist zunächst das Vertragssoll im Hinblick auf Zusicherungen und Vereinbarungen über den Zustand des herzustellenden Werks zu bestimmen. Der Vertrag ist unter Berücksichtigung der Verkehrssitte auszulegen. Ist eine konkrete Vereinbarung nicht getroffen worden, so kommt es darauf an, was bei Werken gleicher Art üblich ist und was der Besteller nach den Umständen, insbesondere der Art des Werkes erwarten darf (Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 2. Auflage 2004, &. Teil, Rn. 32, OLG Koblenz BauR 2003, 721, 722).

Zunächst ist festzustellen, dass eine eingeschränkte Funktionstauglichkeit der Wasserabführung unstreitig nicht vorliegt. Damit kommt ein Sachmangel nur in Betracht, wenn der tatsächlich installierte Anschluss von dem nach dem Vertag geschuldeten Anschluss abweicht.

Der Kauf- und Werkvertrag vom 19. April 2001 enthält über die Art der Regenwasser-entwässerung keine Angaben. Die Baubeschreibung vom 29. Januar 2001 und die dort enthaltenen Baupläne verhalten sich zu der Frage des konkreten Anschlusses nicht.

Soweit die Kläger auf die Bestimmungen der Berliner Wasserbetriebe Bezug nehmen, wonach gemäß § 3 Abs.2 Satz 1 der Allgemeinen Bedingungen für die Entwässerung in Berlin (ABE) jedes Grundstück grundsätzlich selbständig für sich an die öffentliche Entwässerungsanlagen angeschlossen werden soll, ist zu bemerken, dass diese Bestimmung nicht Vertragsinhalt geworden ist und unabhängig davon bei der von den Kläger vorgenommenen Auslegung im Sinne eines ausschließlich geschuldeten Einzelanschlusses wegen unangemessener Benachteiligung der Anschlussnehmer gemäß AGBG 9 Abs.2 Nr.1 (§ 307 Abs.2 Nr. 1 BGB n.F.) unwirksam wäre (BGH NJW-RR 2005, 960).

Damit kommt es ausschlaggebend darauf an, welche Art des Anschlusses die Kläger bei Vertragsschluss erwarten durften.

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Kläger - entgegen dem Vorringen in der mündlichen Verhandlung - nicht davon ausgehen durften, dass das Abwasser (Schmutzwasser und Niederschlagswasser, vgl. § 2 ABE) in einer größeren Wohnanlage einfach im Boden versickert und einer gesonderten Ableitung nicht bedarf.

Grundsätzlich wird der Erwerber eines Einfamilienhauses allerdings mangels entgegenstehender vertraglicher Angaben regelmäßig damit rechnen dürfen, dass dieses Haus mit einem gesonderten Einzelanschluss für Wasserversorgung und Entsorgung ausgestattet ist. Dies gilt jedoch nicht beim Erwerb eines Objekts im Rahmen eines Gesamtbauvorhabens wie es vorliegend der Fall ist. Hier kann der Erwerber bei fehlenden vertraglichen Regelungen nicht ohne Weiteres von einem Einzelanschluss ausgehen. Er muss vielmehr in Betracht ziehen, dass der Bauträger das Objekt über einen Gesamtanschluss an die Wasserversorgung bzw. Entsorgung anschließen wird. Auch wenn dadurch möglicherweise eine aufwändigere Verwaltung des Wasseranschlusses erforderlich wird, ist dies eine im Hinblick auf die dadurch mögliche Kostenersparnis verbreitete Vorgehensweise, die den Erwerbern über eine entsprechend mögliche Verminderung des Kaufpreises zugute kommen kann (vgl. BGH a.a.O.). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass mehrere Nutzer eines Gesamtanschlusses gegenüber den Versorgungsbetrieben für die Unterhaltung der Leitung als Gesamtschuldner haften. Damit werden die Belange der Nutzer nicht unangemessen verletzt. Denn nach der hier in der Grundienstbarkeitsbestellungsurkunde niedergelegten Kostenregelung haften die Eigentümer untereinander nur anteilig. Das Ausfallrisiko, für dessen Realisierung die Kläger hier keine Anhaltspunkte vortragen, wird durch die kostengünstigere Anschlussart ausgeglichen.

Soweit die Kläger behaupten, die Beklagte habe ihnen gegenüber bei Abschluss des Kaufvertrages arglistig die Planung eines Sammelanschlusses nebst Absicherung über eine Grunddienstbarkeit verschwiegen, ist dem schon deshalb nicht weiter nachzugehen, weil sich daraus der geltend gemachte Vorschussanspruch nicht herleiten lässt.

Dies gilt im Übrigen auch für die Frage, ob die Dienstbarkeit vom 2. Dezember 2003 vertragskonform auf Grundlage der Regelung in § 6 Nr. 2 des Kaufvertrages erfolgt ist. Durchgreifende Zweifel bestehen allerdings auch insoweit nicht.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den § 91 Abs.1, 708 Nr.10, 713 ZPO.

Der Senat lässt die Revision nicht zu, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür gemäß § 543 Abs.2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Eines gesonderten Ausspruches zur Nichtzulassung im Urteilstenor bedarf es nicht (BGH NJW-RR 1990, 323).

Ende der Entscheidung

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