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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 14.02.2006
Aktenzeichen: 21 U 5/03
Rechtsgebiete: VOB/A, VOB/B, BGB


Vorschriften:

VOB/A § 9 Nr. 2
VOB/B § 2 Nr. 5
VOB/B § 2 Nr. 6
VOB/B § 2 Nr. 7
BGB § 242
Bei einer - durch Auslegung zu ermittelnden - abschließenden Risikozuweisung an den Unternehmer in einem VOB-Bauvertrag mit der Vereinbarung eines "garantierten Festpreises" kann dieser Mehrkosten für die Entfernung kontaminierten Materials weder nach den §§ 2 Nr.5 bis 7 VOB/B noch nach § 9 Nr.2 VOB/A noch nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 242 BGB) geltend machen.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 21 U 5/03

verkündet am : 14. Februar 2006

In dem Rechtsstreit

hat der 21. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg, Elßholzstr. 30-33, 10781 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 13. Januar 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Klum, die Richterin am Kammergericht Lang und den Richter am Kammergericht Bigge

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 12. November 2002 verkündete Urteil der Zivilkammer 13 des Landgerichts Berlin - 13 O 264/02 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Entscheidungssatz zu Ziff. 1 lautet:

Die Forderung des Klägers in Höhe von 3.118.880,46 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17. Mai 2002 wird zur Insolvenztabelle der Wnnnnn AG i.L. (Amtsgericht Annnn /Insolvenzgericht 6 IN 94/05) festgestellt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsrechtszugs.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger beauftragte die Insolvenzschuldnerin im Rahmen eines Baukonzessionsvertrags mit der Sanierung des Olympiastadions in Berlin. Im Zuge der Sanierungsarbeiten stellte sich heraus, daß die zu entfernende Beschichtung der Gehflächen auf den Tribünen teilweise PCB und EOX enthielt und aufwendig entsorgt werden mußte. Die Vertragsparteien einigten sich am 21. September 2001 dahingehend, daß der Kläger zunächst die Mehrkosten an die Insolvenzschuldnerin zahlen sollte und die Rückzahlung sodann gerichtlich geltend machen sollte (Anlage K 10). Das ist Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlich vorgetragenen Sachverhalts wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Teil des Zinsanspruchs stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß die durch die Beseitigung von PCB und EOX verursachten Kosten vertraglich der Insolvenzschuldnerin zugewiesen seien. Die Vertragsklauseln § 6.2 und § 6.3 des Herstellungsvertrages vom 26. Juni 2000 seien insoweit eindeutig und einer Auslegung nicht zugänglich. Die Ausschreibungsregel in § 9 Nr. 2 VOB/A, nach der dem Antragnehmer kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden darf, könne eine andere Auslegung angesichts des eindeutigen Vertragstextes nicht begründen. Eine vertragsändernde Bestätigung des Klägers, daß mit weiteren Kontaminationen nicht zu rechnen sei, habe die Insolvenzschuldnerin nicht dargelegt. Die Klauseln seien auch nicht gemäß § 134 BGB unwirksam. Ein Verstoß gegen § 9 Nr. 2 VOB/A sei nicht geeignet, die Unwirksamkeit zu begründen. Anhaltspunkte für ein Ausnutzen einer Zwangslage oder der Unerfahrenheit o.ä. auf Seiten der Insolvenzschuldnerin bestünden nicht. Es handele sich nicht um allgemeine Geschäftsbedingungen.

Eine Anpassung des Vertrags nach den Grundsätzen über den Fortfall der Geschäftsgrundlage sei nicht möglich, weil die umstrittenen vertraglichen Bestimmungen gerade die eingetretene Situation regelten.

Der Kläger habe keine Pflichten aus Anlaß der Vertragsverhandlungen verletzt. Er habe kein schutzwürdiges Vertrauen der Insolvenzschuldnerin geweckt, daß keine Risiken bestünden. Die Schadstoffuntersuchungen seien erkennbar beschränkt gewesen. Der Kläger habe das offengelegt. Es sei auch nicht zu erkennen, daß ein in die Vertragsverhandlungen eingebundener Mitarbeiter des Klägers Erkenntnisse nicht weitergegeben hätte. Das Dnn -Bnn -Gutachten sei ausdrücklich nicht mit dem Anspruch der Vollständigkeit erstellt worden.

Ersatzansprüche aus anderen Gründen (§ 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 9 Nr. 2 VOB/A; Zurechnung von Verletzungen der Produktbeobachtungspflicht der in den siebziger Jahren tätigen Baufirmen; Aufwendungsersatzansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag; schließlich Ansprüche aus Wettbewerbsrecht) hat das Landgericht zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beklagte mit der Berufung.

Im Verlauf des Berufungsverfahrens ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen der ursprünglich Beklagten Wnnn Bn AG eröffnet worden. Der Beklagte ist durch Beschluß des Amtsgerichts Annnn vom 1. April 2005 - 6 IN 94/05 - zum Insolvenzverwalter bestellt worden. Der Kläger hat seine titulierte Forderung zur Tabelle angemeldet. Der Beklagte hat die Forderung bestritten und die Aufnahme des Rechtsstreits erklärt.

Der Beklagte ist der Auffassung, daß die einschlägigen vertraglichen Klauseln entgegen der Auffassung des Landgerichts der Auslegung zugänglich seien. Hierzu vertieft er die bereits erstinstanzlich vorgetragenen rechtlichen Ausführungen der Insolvenzschuldnerin. Insbesondere hält er für die Auslegung weiterhin § 9 Nr. 2 VOB/A für maßgebend.

Mit dem Dnn -Bnn -Gutachten seien der Insolvenzschuldnerin falsche Informationen über die Zusammensetzung der Kunststoffbeschichtung zugekommen. Der Kläger habe seine Pflicht zur Auswertung der vorhandenen Unterlagen verletzt. Der Kläger hafte deswegen auch wegen arglistigen Verschweigens. Beim Kläger sei entgegen der Annahme des Landgerichts positive Kenntnis der zuständigen Dienststellen von der Kontamination vorhanden gewesen, die schuldhaft nicht in die Ausschreibungsunterlagen eingeflossen seien.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 20. März 2003 (Bd. II Bl. 16 bis 50) Bezug genommen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Berlin vom 12. November 2002 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

a. Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung die Forderung des Klägers in Höhe von 3.118.880,46 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17. Mai 2002 zur Insolvenztabelle der Wnnnnnn i.L. (Amtsgericht Annnn /Insolvenzgericht 6 IN 94/05) festzustellen;

b. die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das Urteil mit den aus der Berufungserwiderung vom 23. Juni 2003 (Bd. II Bl. 58 bis 99 d.A.) ersichtlichen Gründen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst dazu eingereichten Anlagen.

II.

Die Berufung ist statthaft und auch im übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520 ZPO). In der Sache hat sie keinen Erfolg.

Das Verfahren ist zunächst gemäß § 240 ZPO aufgrund der Insolvenzeröffnung für die beklagte Wnnnnnn unterbrochen gewesen. Da ein Endurteil der ersten Instanz vorliegt, war es Sache des Insolvenzverwalters, den Rechtsstreit nach § 179 Abs. 2 ZPO aufzunehmen. Dem ist er nachgekommen. Durch die Aufnahme des Rechtsstreits ändert sich der Streitgegenstand, die Klage geht auf Feststellung zur Tabelle (Zöller/Greger, ZPO, Kommentar, 25. Aufl. 2005, § 240 Rn. 13, 14). Der Kläger hat seinen Klageantrag angepaßt, der Urteilstenor folgt dem.

A. Zahlungsanspruch

I. Der Zahlungsanspruch des Klägers ergibt sich aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Var. BGB (ungerechtfertigte Bereicherung) in Verbindung mit der Vereinbarung vom 21. September 2001. Die Parteien haben darin festgelegt, daß der Kläger zunächst Zahlung für die zusätzlichen Kosten leistet und in einem Rückforderungsprozeß darüber gestritten wird, wer nach der vertraglichen Regelung die Risiken der zusätzlich entstanden Kosten wegen der PCB- und EOX- Kontaminierung zu tragen hatte.

Der Anspruch setzt voraus, daß die Insolvenzschuldnerin durch die Zahlung des Klägers bereichert ist, ohne daß dafür ein rechtlicher Grund besteht. Das hängt dem Grunde nach davon ab, ob der Insolvenzschuldnerin ein vertraglicher Anspruch auf Vergütung der Leistungen für die Beseitigung der PCB/EOX-Abfälle zusteht. Die Vereinbarung vom 21. September 2001 selbst trifft lediglich eine Verfahrensregelung und beinhaltet keinen Rechtsgrund dafür, daß die Insolvenzschuldnerin die erhaltene Zahlung dauerhaft behalten darf.

Die Höhe ist im einzelnen nicht im Streit.

1. Die Parteien haben die Geltung der VOB/B in § 2.2 des Herstellungsvertrags vereinbart.

Ob die zusätzlich notwendige gewordene Beseitigung der PCB- und EOX-verseuchten Kunststoffbeschichtungen auf den Tribünen von der vertraglichen Pflicht der Insolvenzschuldnerin umfaßt war, bestimmt sich nach den vertraglichen Vereinbarungen nach Maßgabe der § 2 Nr. 5 bis 7 VOB/B.

Nach § 2 Nr. 7 Abs. 1 VOB/B hat der Auftragnehmer bei einem Pauschalvertrag, wie er hier geschlossen worden ist, auch bei Änderungen in der Ausführung grundsätzlich keinen Anspruch auf ein höheres Entgelt, sofern ein Festhalten an der Pauschalsumme nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) unzumutbar ist. Die Regelungen des § 2 VOB/B Nr. 4, 5 und 6 bleiben unberührt. Nach § 2 Nr. 5 bzw. 6 VOB/B hat der Auftragnehmer für zusätzliche Leistungen unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Mehrentgelt.

2. Die Auffassung des Beklagten, es liege ein Fall von § 2 Nr. 5 bzw. Nr. 6 VOB/B vor, ist unzutreffend. Auch eine Anpassung wegen Unzumutbarkeit nach § 2 Nr. 7 Abs. 1 Satz 2 VOB/B kommt nicht in Betracht.

Allerdings mag man die erforderliche Änderungsanordnung in der Vereinbarung vom 21. September 2001 sehen.

3. Für die Abgrenzung zwischen unmittelbar vertraglich geschuldeten und zusätzlichen Leistungen kommt es auf den Inhalt der Leistungsbeschreibung an (BGH, Urteil v. 23. 6. 1994 - VII ZR 163/93 - BauR 1994, 625; BauR 2002, 935). Zur Klärung der Frage, welche Leistung durch die Leistungsbeschreibung erfaßt ist, ist die Vereinbarung der Parteien nach den §§ 133, 157 BGB auszulegen.

Die einschlägige Stelle der Leistungsbeschreibung lautet (Ziff. 3.14.2.2, S. 26 - s. Bd. II Bl. 80):

"Die freibewitterten Gehflächen auf den Tribünen (Betonoberflächen der Winkelstufen und Ortbetonbalken) haben derzeit eine Beschichtung. Diese Beschichtung ist abzutragen."

Damit ist die geschuldete Leistung in allgemeinen Worten und umfassend beschrieben. Dem Beklagten ist zuzugestehen, daß die Vereinbarung damit nichts über die Besonderheiten der Entfernung von PCB und EOX enthält. Sie enthält aber auch sonst keine Angaben über die Eigenheiten der Arbeiten (Ablösen der Beschichtung vom Beton, Entfernung von Verschraubung, einzusetzende Maschinen, Weg der Beseitigung etc.) . Damit ist erkennbar nicht der Sinn der Beschreibung, alle Leistungen im Detail aufzuführen. Was aber gemeint ist, ist eindeutig: alle erforderlichen Maßnahmen - welche auch immer - zur Beseitigung der Beschichtung waren durchzuführen.

Wäre vertraglich weiter nichts geregelt, so wäre an dieser Stelle zu prüfen, ob sich Schlußfolgerungen aus den Aufstellungen über besondere Leistungen in VOB/C, DIN 18299 ergeben. Nach DIN 18299 Nr. 3.3 sind Maßnahmen bei Antreffen von Schadstoffen in Bauteilen Besondere Leistungen, die nach 4.2., 4.2.1 nicht Teil der vertraglichen Pflichten sind, wenn sie nicht gesondert aufgeführt sind. Das gilt auch für besondere Schutzmaßnahmen in kontaminierten Bereichen (Nr. 4.2.4) und Abfallbeseitigung (Nr. 4.2.12). Die technischen Bestimmungen sind jedoch nicht entscheidend für das Verständnis des Vertrags (BGH BauR 2002, 935, 936), sie verdrängen nicht die vertraglichen Vereinbarungen. Für die Bestimmung der geschuldeten Leistung ist vielmehr der gesamte Vertrag heranzuziehen, so dass die Klauseln des § 6 des Herstellungsvertrags maßgebend sind.

a. Nach § 6.1 haben die Parteien einen garantierten Festpreis für das geplante Vorhaben von 473.000.000,00 DM vereinbart. In § 6.3 versichert die Insolvenzschuldnerin, daß sie alle Kosten und Risiken trage. Mehrkosten aller Art seien ausgeschlossen. In dem Zusammenhang bekennen sich die Vertragsparteien in § 6.2 dazu, daß sich im Zuge der Auftragsdurchführung herausstellen könne, daß die Vertragsgrundlagen nicht vollständig und/oder lückenhaft sein können; die Insolvenzschuldnerin erklärt in dem Zusammenhang, daß möglicherweise entstehende Kosten in dem garantierten Festpreis enthalten sind, insbesondere für noch nicht absehbare und/oder Zusatzleistungen, die bisher weder bekannt noch ersichtlich, aber erforderlich zur Herstellung sind.

b. Die Klauseln sind auszulegen. Der Hinweis des Landgerichts, die Klauseln seien nicht auslegungsfähig, ist mißverständlich. Die Feststellung, die Klauseln seien eindeutig, ist das Ergebnis einer Auslegung, nicht ihre Verneinung.

Nach dem Wortlaut der Regelungen in § 6.2 und § 6.3 ist die Unvollständigkeit oder Lückenhaftigkeit der Vertragsunterlagen (§ 2 des Vertrags), also auch diejenige der vorgelegten Gutachten, nicht geeignet, Mehrkostenansprüche der Insolvenzschuldnerin im Hinblick auf § 2 Nr. 7, oder Nr. 5 und 6 VOB/B zu begründen.

Weder aus dem Regelungszusammenhang noch dem Sinn der vertraglichen Vereinbarungen noch sonst läßt sich begründen, daß die Insolvenzschuldnerin hiervon abweichend für erhöhte Risiken nicht einzustehen hätte.

aa. Vorweg ist festzustellen, daß die Bezugnahme in § 6.2 des Vertrags auf Anordnungen nach § 6.6 des Vertrags nicht dazu führt, daß der Mehraufwand aus der Anwendung von § 6.2 des Herstellungsvertrags schon deswegen ausgenommen wäre, weil er auf einer Anordnung des Klägers beruht. Nach § 6.6 sind Leistungen, die gegenüber der vorgesehenen Planung und Bauausführung zusätzlich verlangt werden, gesondert zu vergüten. Die Regelung gibt dem Kläger die Möglichkeit, auf Einzelheiten des Projekts weiter einzuwirken, auch wenn es insgesamt der Insolvenzschuldnerin übertragen worden ist. Das bedeutet jedoch nicht, daß jegliche Änderungsanordnungen aus der Risikozuweisung des § 6.2 bzw. § 6.3 ausgeschlossen sind. Die Klausel § 6.6 ist im Zusammenhang mit § 6. 2 und § 6.3 des Vertrags zu sehen. Sie betrifft erkennbar zusätzliche Anordnungen, die über das bis dahin gültige Gestaltungskonzept hinausgehen. Die im bisherigen Konzept vorgesehene Beseitigung von Altmaterial, dessen Kontamination unbekannt war und die aufgrund der neuen Kenntnisse aufwendiger als angenommen war, fällt jedoch nicht unter Neuwünsche, sondern dient der Durchführung des bisherigen Konzepts.

bb. Zu einer Beschränkung des Risikos der Insolvenzschuldnerin findet sich in der Klausel ausdrücklich nichts. Zwar finden sich in § 5 und 6 des Vertrags verschiedene betragsmäßige Beschränkungen von konkret behandelten Risiken; dem ist aber nicht zu entnehmen, daß auch da, wo eine - offenkundig kostenträchtige - Risikozuweisung ohne betragsmäßige Beschränkung vorliegt, Beschränkungen vertraglich gelten sollen.

So hat einerseits in § 5 des Herstellungsvertrags der Kläger ein typisches bekanntes Risiko - das Baugrundrisiko - grundsätzlich übernommen. Bei etwa entstehenden Kosten wird die Insolvenzschuldnerin mit bis zu 500.000,00 DM mitbelastet. Nach § 6.1 sind in dem vereinbarten pauschalen Festpreis von 473.000.000,00 DM - offenbar noch nicht feststehende - Kosten des Baugenehmigungsverfahrens bis zu einem Preis von 2.000.000,00 DM enthalten. Nach § 6.4 sind behördlich angeordnete Änderungen aufgrund öffentlich-rechtlicher Bestimmungen oder technisch erforderliche Änderungen in dem Pauschalfestpreis enthalten, sie treffen also die Insolvenzschuldnerin. Eine Kostenbeschränkung ist dazu nicht aufgenommen. Hingegen ist bei Entfallen einzelner Positionen aufgrund behördlicher Anordnungen der Preis zugunsten des Klägers anzupassen.

§ 6.5 des Vertrags regelt die Erstattung von Kosten infolge bei Vertragsschluß nicht vorhersehbarer Änderungen von Gesetzen oder Verordnungen des Landes Berlin, wenn und soweit sie 500.000,00 DM übersteigen.

Haben danach die Parteien in einigen Bestimmungen das Risiko der Insolvenzschuldnerin teilweise und in verschiedener Höhe betragsmäßig beschränkt, in anderen wie in § 6.2 und § 6.3 aber nicht, so läßt das nur den Schluß zu, daß insoweit eine Beschränkung gerade nicht vereinbart ist. Das Fehlen einer ausdrücklichen Grenze läßt sich nicht damit begründen, daß die Parteien das Risiko aus § 6.2 und § 6.3 so niedrig ansetzten, daß sie eine Risikogrenze für überflüssig gehalten hätten. Die völlig offene Formulierung des Risikos schließt so offenkundig auch erhebliche Kostensteigerungen ein, daß das nicht unterstellt werden kann.

cc. Auch der weitere Kontext der vertraglichen Regelungen läßt keine Beschränkung des Risikos erkennen. Im Gegenteil spricht für eine Risikozuweisung an die Insolvenzschuldnerin der Umstand, daß diese Teile der Funktionen des Herstellers übernommen hat und beispielsweise in den Vertrag mit dem Planungsbüro gnn eintreten sollte.

dd. Aus § 9 VOB/A läßt sich keine vertragsimmanente Risikobeschränkung zugunsten der Insolvenzschuldnerin ableiten.

§ 32 VOB/A ordnet für Baukonzessionen, wie sie hier vereinbart worden ist, ausdrücklich die Geltung der §§ 1 bis 31 VOB/A an.

Die VOB/A besteht nicht aus Rechtsnormen, sondern stellt eine interne Verwaltungsanweisung dar (BGH BauR 1992, 221; BauR 1997, 126, 128). Sie entfaltet allerdings mittelbar Wirkung. Wenn der Vertragsabschluß auf einem Vergabeverfahren der VOB/A beruht, ist die Ausschreibung mit dem Inhalt der Auslegung zugrunde zu legen, wie ihn der Empfängerkreis verstehen muß. Grundlage der Auslegung ist der objektive Empfängerhorizont dieser potentiellen Bieter (BGH BauR 1994, 625; 1994, 236; 1993, 595; Kapellmann/Langen in Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 2003, § 9/A Rn. 2). Die Auslegung bleibt jedoch bei der Ausschreibung nicht stehen, sondern bezieht die gesamten vertraglichen Vereinbarungen mit ein.

§ 9 Nr. 1 VOB/A verlangt vom Ausschreibenden eine eindeutige Risikobeschreibung, § 9 Nr. 2 VOB/A verbietet es, in der Ausschreibung dem Auftragnehmer unbekannte Risiken zu übertragen. Wird nichts anderes erklärt, so darf der Auftragnehmer nach der genannten Rechtsprechung auf eine Auslegung im Sinne dieser Regeln vertrauen. Legt der Bauherr im Rahmen der Vertragsverhandlungen hingegen ein Risiko offen und gibt er zu erkennen, daß er dieses Risiko auf den Auftragnehmer übertragen will, ohne daß sich dazu eine eindeutige Beschreibung in den Auftragsunterlagen findet, so kann das Vertrauen nicht begründet sein. So hat der Bundesgerichtshof anerkannt, daß der öffentliche Auftraggeber nicht durch eine interne Regelung zur Ausschreibung gehindert ist, einen Vertrag mit erkennbaren Risikozuweisungen an den Auftragnehmer zu schließen (vgl. BGH BauR 1997, 126, 127; BauR 1994, 326; s.a. OLG Koblenz IBR 2003, 181).

Daß der Kläger das Risiko offengelegt hat, belegt das Schreiben vom 2. August 1999. Darin hatte der Kläger darauf hingewiesen, daß bei der Überarbeitung der Baukosten davon auszugehen sei, daß "sämtliche Risiken, auch soweit sie in dem Gutachten von Dnn /Bnn oder in den Verdingungsunterlagen nicht oder unzutreffend beschrieben sind, vom Auftragnehmer zu tragen seien." Die darin liegende Relativierung der gutachterliche Ergebnisse findet sich auch in den Vorbemerkungen zum Planervertrag mit der gnn wieder, in den die Insolvenzschuldnerin aufgrund des Herstellervertrags eingetreten ist. Dort heißt es, daß das Dnn -Bnn -Gutachten einen Anhaltspunkt für den Umfang der vorhandenen Schäden gebe, daß das Gutachten jedoch auf Aktualität, Richtigkeit und Vollständigkeit überprüft und mit zusätzlichen flächendeckenden Untersuchungen erweitert werden müsse. In dem Zusammenhang sind etwa die Untersuchungen zur Asbestbelastung (s. 1. Zwischenbericht vom 23. Mai 2000 - Anlage B 4) eingeholt worden.

Daß der Kläger an der Intention seines Schreibens vom 2. August 1999 festgehalten hat, kommt hinreichend deutlich in den Vertragsklauseln zum Ausdruck, auf die sich die Insolvenzschuldnerin, die mit ihrer Erfahrung mit ähnlichen Großprojekten geworben hat, eingelassen hat. Unklarheiten gab es deswegen nicht, die durch Rückgriff auf ein Verständnis im Sinne des § 9 VOB/A offenstünden.

ee. Nach allem ist nicht erkennbar, daß nach Wortlaut und Sinn den vertraglichen Regelungen eine Risikogrenze zu entnehmen wäre, die die entstandenen Zusatzlasten von 6 Millionen DM für die Insolvenzschuldnerin ausschließen. Ob über die vertragliche Regelung hinaus eine Grenze zu ziehen ist, ist eine Frage nach der Geschäftsgrundlage, die an anderer Stelle zu behandeln ist.

4. Die vertragliche Regelung in § 6.2 und § 6.3 ist wirksam. Es handelt sich unstreitig nicht um eine allgemeine Geschäftsbedingung, sondern um eine individuelle Vereinbarung. Gegen ihre Wirksamkeit bestehen grundsätzlich keine Bedenken (Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 2003, § 2 Rn. 244). Der Kläger ist nicht durch § 9 VOB/A gehindert, derartige Klauseln zu vereinbaren. Das ergibt sich aus den obigen Ausführungen. Andere die Unwirksamkeit begründende Normen sind nicht ersichtlich. Das Landgericht hat die Anwendung von § 138 BGB (Nichtigkeit wegen Sittenwidrigkeit) zurecht zurückgewiesen.

5. Die Vertragsunterlagen waren hinsichtlich der PCB- und EOX-Belastung der Kunststoffbeschichtung und der aus ihrer Entsorgung resultierenden Kosten unvollständig und lückenhaft und unterfallen § 6.2 und § 6.3 des Vertrags. Es ist nicht dargelegt, daß es eine Untersuchung der Zusammensetzung des Kunststoffs auf den Tribünen gegeben hätte und der Insolvenzschuldnerin damit ausdrücklich falsche Vorgaben gemacht worden wären. Gegenstand der Untersuchungen im Dnn -Bnn -Gutachten waren insbesondere die statischen Verhältnissen im Beton im Zusammenhang mit der Einwirkung von Chlorid. Die Kunststoffbeschichtung wurde weder in diesem Gutachten noch in anderen Unterlagen zur Sanierung einer gesonderten Untersuchung unterzogen.

Der Beklagte beruft sich in diesem Zusammenhang darauf, es fänden sich Hinweise im Gutachten zur Zusammensetzung des Kunststoffs. Das Gutachten sei daher nicht unvollständig oder lückenhaft. Die Insolvenzschuldnerin habe sich auf diese Angaben vielmehr verlassen dürfen, es liege kein Fall von § 6.2 bzw. § 6.3 vor.

Dem kann der Senat nicht folgen.

Zu den Kunststoffbeschichtungen der Tribünenstufen finden sich Ausführungen im Text des "Schadensgutachtens" von Dnn -Bnn , Teil 6, "Schadenserhebung/Schadensanalyse" auf Seite 31 f. Zur Eigenart der Beschichtung heißt es dort lediglich: " die Beschichtung ist in den einzelnen Blöcken verschieden alt und aus unterschiedlichen Stoffsystemen. Daraus resultiert ein unterschiedlicher Grad der Abnutzung." Das trifft in dieser Allgemeinheit unstreitig zu, denn auf verschiedenen Ebenen sind verschiedene Schadstoffe gefunden worden - beispielsweise zum Teil PCB, an anderer Stelle EOX. Eine gutachterlich bestätigte Aussage zum möglichen Schadstoffgehalt der Kunststoffbeläge ist damit aber in keiner Weise getroffen. Das Gutachten läßt die Eigenarten des Kunststoffs ausdrücklich offen.

Daß die Gutachter möglicherweise davon ausgegangen sind, daß es sich um Kunststoffe auf Epoxydharzbasis handelt, geht allerdings aus dem Vermerk über ein Arbeitsgespräch vom 31. Juli 1996 der Mitarbeiter der Planungsgemeinschaft Dnn -Bnn mit dem Landesdenkmalamt vor, der nicht selbst Bestandteil des Gutachtens ist, wohl aber für die Gutachtenerstellung verwendet worden ist. Diese Unterlage ist erst in der Berufungsinstanz vorgelegt worden. Da sie unstreitig ist, hat sie Berücksichtigung zu finden (BGH NJW 2005, 291 = MDR 2005, 527 - Beschluß vom 18.11.2004 - IX ZR 229/03).

In dem Gespräch ging es um die Auswirkungen des Eindringens von Wasser in den Beton. In dem Zusammenhang wird behandelt, daß in den siebziger Jahren eine Abdichtung der Betontribünen durch Kunststoff vorgenommen wurde. Die Beteiligten gingen hier ausdrücklich davon aus, daß die Beschichtung aus Epoxydharz bestand. Die Problematik der Zusammensetzung der Kunststoffe ist nach dem Vermerk jedoch erkennbar nicht Gegenstand des Gesprächs gewesen, noch sind nach dem Vermerk hierzu Untersuchungen durchgeführt worden; sie ist vielmehr an der Stelle vorausgesetzt worden. In dem Vermerk kann demzufolge nicht eine Aussage des Gutachtens Dnn -Bnn zur Zusammensetzung des Kunststoffs gesehen werden. Das Gutachten ist in dieser Frage nicht falsch, sondern erkennbar lückenhaft und unvollständig.

Das Asbestgutachten behandelt die Beschichtungseigenschaften ohnehin nicht. Weitere sachverständige Untersuchungen sind nicht vorgelegt worden.

Die Vertragsunterlagen sind in dem Punkt der Beschichtungseigenschaften demzufolge lückenhaft und unvollständig im Sinne der vertraglichen Vereinbarung. Damit liegt ein Anwendungsfall der vertraglichen Klausel (§ 6.2 bzw. § 6.3) vor.

6. Wegen der eindeutigen Risikozuweisung fallen auch die Kosten, die allein durch Verzögerungen aufgrund behördlicher Anordnungen zur Schadstoffbeseitigung (Baueinstellung; Art der Entsorgung) entstanden sind, in den Verantwortungsbereich der Insolvenzschuldnerin (8.5.6 des Vertrags), wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat.

7. Die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage, wie sie in der Rechtsprechung vor der Schuldrechts-Reform entwickelt worden sind, führen nicht zu einer Vertragsanpassung dergestalt, daß das umstrittene Kostenrisiko dem Kläger ganz oder teilweise zuzuweisen sein würde.

Die Geschäftsgrundlage eines Vertrags (§ 242 a.F. BGB; jetzt § 313 n.F. BGB) wird gebildet durch die nicht zum Vertragsinhalt erhobenen, aber beim Vertragsschluß zutage getretenen, dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen des einen Vertragsteils oder durch die gemeinsamen Vorstellungen beider Teile vom Vorhandensein und künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille auf diesen Vorstellungen aufbaut (BGH NJW 1994, 2146; NJW-RR 1987, 1188). Eine Änderung des Vertrags kommt in Betracht, wenn nach der vertraglichen Risikoverteilung einem der beiden das Festhalten an dem Vertrag nicht zuzumuten ist. Für eine Berücksichtigung von Störungen der Geschäftsgrundlage ist hingen in der Regel kein Raum, wenn nach der vertraglichen Regelung derjenige das Risiko zu tragen hat, der sich auf die Störung beruft (BGH NJW 1979, 1818).

So liegt der Fall hier. Die Vertragsparteien haben nach langen Verhandlungen den Vertrag geschlossen. Das Leistungsverzeichnis sah die Entfernung des Kunststoffbelags von den Tribünen vor. Unstreitig ist die Belastung mit PCB völlig überraschend gewesen. Niemand dachte daran, daß der Belag PCB enthalten würde. Aber die Parteien hatten bedacht, daß nicht alles bedacht war. Die Folgen solcher nicht bedachter neuer Umstände sind geregelt in § 6.3. Sämtliche Risiken wurden von der Insolvenzschuldnerin übernommen.

Allein die Höhe der angefallenen Kosten begründet nicht die Unzumutbarkeit der Risikoübernahme durch die Insolvenzschuldnerin. Es geht um Kosten in Höhe von etwas mehr als 6 Millionen DM bei einem Vergütungsvolumen von 473 Millionen DM und einer Beteiligung an der späteren Betreibergesellschaft, es geht also um etwas mehr als 1 Prozent der Gesamtkosten. Auch unter Berücksichtigung möglicherweise knapper Kalkulation ist nicht ersichtlich, daß derartige Risiken nach Treu und Glauben nicht über die Klauseln § 6.2 und 6.3 auf die Insolvenzschuldnerin überwälzt werden dürfen.

II. Der Kläger haftet nicht nach den Grundsätzen über Verschulden aus Vertragsverhandlungen für die der Insolvenzschuldnerin entstandenen Zusatzkosten. Der Beklagte kann daher nicht die Forderung des Klägers mit aufrechenbaren Gegenansprüche zum Erlöschen bringen.

1. Der Kläger hat Pflichten im Vertragsanbahnungsverhältnis nicht dadurch verletzt, daß er der Insolvenzschuldnerin erhöhte Risiken überbürdet hat (§ 9 Nr. 2 VOB/A), wie bereits oben ausgeführt (vgl. BauR 1997, 126, 127 aE: "Es gibt keinen Rechtsgrundsatz, nach dem riskante Leistungen nicht übernommen werden können."; ebenso OLG Koblenz, Urt. v. 17. April 2002 - 1 U 829/99 - IBR 2003, 181). Eine Pflicht zum Schadensersatz würde voraussetzen, daß der Auftragnehmer in schutzwürdiger Weise darauf vertraut hatte, daß bestimmte Risiken ausgeschlossen sind (BGH BauR 1994, 236).

Das ist zu verneinen. Die Vertragsparteien hatten umfänglich über den Vertrag verhandelt, die Risikofrage war ausdrücklich Gegenstand der Verhandlungen, die Insolvenzschuldnerin als fachkundige Anbieterin und führendes Unternehmen für derartige Großprojekte wußte daher, auf was sie sich im einzelnen einließ.

Daß der Kläger so zu verstehen war, daß er unbekannte Risiken der Insolvenzschuldnerin auferlegen wollte, hat er in dem bereits in Bezug genommenen Schreiben vom 2. August 1999 verdeutlicht, in dem er ausdrücklich darauf hingewiesen hat, daß der Auftragnehmer alle Risiken, auch soweit in dem Gutachten Dnn -Bnn oder den Verdingungsunterlagen nicht erfaßt, tragen müsse. Das Gutachten Dnn -Bnn war demzufolge nicht als abschließend aufgefaßt worden. Das hat im Vertrag den entsprechenden Niederschlag in § 6.2. und § 6.3 gefunden. Daher kann ein entsprechendes Vertrauen bei der Insolvenzschuldnerin nicht entstanden sein bzw. wäre sie, wenn sie darauf vertraut hätte, nicht schutzwürdig (BGH aaO).

2. Der Kläger hat auch nicht deswegen seine Pflichten verletzt, weil er vorhandenes positives Wissen nicht mitgeteilt hat.

a. Daß die Verhandlungsführer selbst konkretes Wissen über Gefahren von PCB und EOX hatten, ist nicht behauptet. Daß konkretes Wissen über PCB bei irgendwelchen mit der Sache befaßten Mitarbeitern vorhanden war, behauptet der Beklagte ebenfalls nicht.

b. Dem Kläger ist im Zusammenhang mit den Vertragsverhandlungen aber auch nicht deswegen ein Vorwurf zu machen, weil seine zuständigen Mitarbeiter naheliegende Erkenntnisquellen nicht ausgeschöpft haben, obwohl Anhaltspunkte für PCB verfügbar waren und er diese auch nicht der Insolvenzschuldnerin zur Verfügung stellte.

Der Großorganisation ist das Wissen auch derjenigen Organwalter und Mitarbeiter zuzurechnen, die am Abschluß eines Vertrages selbst nicht beteiligt sind, sofern dieses Wissen bei ordnungsgerechter Organisation aktenmäßig festzuhalten, weiterzugeben und vor Vertragsabschluß abzufragen ist (BGH MDR 2001, 282, 283; s.a. NJW 1999, 284 = BGHZ 140, 54; NJW 1996, 1339, 1341; NJW 1996, 1205 f.; NJW 1992, 1099, 1100; s.a. Taupitz, Wissenszurechnung nach englischem und deutschem Recht, Karlsruher Forum, Beihefte zur VersR 1994, 16 ff.; Medicus aaO S. 4 ff.). Es muß jedoch zum Zeitpunkt des Anfalls des Wissens Anlaß bestanden haben, das Wissen zu speichern, und es muß im Zusammenhang mit dem Handeln der Organisation ein besonderer Anlaß bestanden haben, sich der Informationen zu vergewissern und sie an die für den fraglichen Rechtsakt zuständigen Stellen weiterzuleiten (BGH NJW 1996, 1339, 1340; Taupitz, aaO S. 25 ff.; Medicus aaO S. 11 ff.). Entscheidend ist daher, inwiefern im Rahmen ordnungsgemäßer Aktenführung Anlaß bestand, Informationen über PCB (und EOX) aktenmäßig zu erfassen, verfügbar zu machen und den Entscheidungsträgern beim Kläger hinsichtlich des Vertragsschlusses mit der Insolvenzschuldnerin zugänglich zu machen.

c. Der Beklagte beruft sich auf Unterlagen, die im Dnn -Bnn -Gutachten aufgelistet sind, nämlich auf ein - bereits erstinstanzlich vorliegendes - Gutachten der BAM aus dem Jahre 1972, ferner auf einen in der Berufungsinstanz erstmals vorgelegten, jedoch als solchen unstreitigen Vermerk vom 19. Juli 1971 (Anlage B 42 zur Berufungsbegründung).

Beide befassen sich mit der Problematik der Haltbarkeit der als Abdichtung vorgesehenen Kunststoffbeschichtung der Tribünen. Das BAM-Gutachten empfiehlt die Verwendung eines von der Firma Dnnnn angebotenen Produkts "Dnnn ", das "weich eingestellt" und die in besonderer Weise geeignet sei, die Anforderungen für die Beschichtung zu erfüllen. Dort ist die Rede von Kunstharzmörtel (S. 19; S. 22). Daß das verwendete Dnnn PCB mit einer Konzentration von 20 % enthielt, ergaben hingegen unstreitig erst spätere Nachforschungen beim Hersteller.

Der Vermerk des Bauamtes Nord vom 19. Juli 1971 befaßt sich mit der Verwendung von PMMA - Polymethylmethacrylat - als mögliche Basis für eine Kunststoffbeschichtung. Inwieweit die Hinweise in dem Bauamt-Vermerk aus dem Jahre 1971 auf PCB führen sollen, ist unklar. Dort werden PMMA-Verbindungen behandelt. Dabei handelt es sich um Polymethylmethacrylat, das als sog. Plexiglas bekannt ist. Ausdrückliche oder gar eindeutige Hinweise auf PCB (oder EOX) lassen sich beiden Unterlagen nicht entnehmen, auch der Beklagte behauptet lediglich, es hätte Anlaß bestanden nachzuprüfen.

d. Das bloße Vorhandensein des BAM-Gutachtens und des Bauamt-Vermerks aus der Zeit Anfang der siebziger Jahre führt noch nicht dazu, daß dem Kläger das Wissen um den Inhalt zugerechnet werden muß und er demzufolge den darin möglicherweise enthaltenen Anhaltspunkten für die Zusammensetzung des Kunststoffs hätte nachgehen müssen.

Der Kläger hatte das Olympiastadion Berlin vom Bund übernommen. Eine Zurechnung dort früher vorhandenen Wissens findet nicht statt. Die Rechtsprechung über die Wissenzurechnung soll die organisatorische Aufteilung von Wissen kompensieren, nicht aber die Zurechnung erweitern. Die Zurechnung von Wissen des Rechtsvorgängers kommt daher ohne weitere Gründe weder bei natürlichen noch bei juristischen Personen in Betracht (Medicus aaO S. 8).

Eine geordnete Zusammenstellung aller Akten über die Bautätigkeiten und demzufolge auch die verwendeten Baustoffe bestand bei Übernahme des Stadions nicht. Dieses Manko auszugleichen, war einer der Ziele des Dnn -Bnn -Gutachtens. Das bedeutete aber nicht, daß mit der Fertigstellung der Sammlung alle Unterlagen ihrem Inhalt nach bekannt waren. Das ist auch nicht im Rahmen der ordnungsgemäß Aktenführung zu verlangen.

e. Auch daß das Dnn -Bnn -Gutachten das BAM-Gutachten aus dem Jahre 1972 als verwendete Literatur aufführt, wie sich aus der als solcher unstreitigen Auflistung der verwendeten Unterlagen ergibt (Anlage B 36), bedeutet nicht, daß es Inhalt der gutachterlichen Feststellungen ist und damit als solche dem Kläger zur Kenntnis gerechnet werden kann. Es kann nicht erwartet werden, daß der Kläger alle Anlagen überprüfen läßt, die zu einem Gutachten aufgeführt werden. Die Kenntnisnahme der Ergebnisse des Gutachtens erfolgt durch Verwertung des Gutachtens selbst, nicht durch Nachvollzug sämtlicher Unterlagen und Quellen, die im Gutachten verwertet wurden. Das ist der Sinn eines Gutachtens.

f. Vielmehr entstand der Anlaß dafür, den Angaben in dem Gutachten der BAM aus dem Jahr 1972 nachzugehen, erst in dem Zeitpunkt, zu dem bei den ersten Arbeiten zur Beseitigung der Tribünenbeschichtung Anzeichen für Schadstoffe festgestellt wurden. Ein Verschulden des Klägers bei den Vertragsverhandlungen lässt sich damit nicht feststellen.

3. Andere Anspruchsgrundlagen hat das Landgericht zurecht verneint, darauf wird Bezug genommen.

Nach allem ist der Zahlungsantrag einschließlich der zugesprochenen Zinsen begründet.

B. Der Feststellungsantrag ist gleichermaßen begründet. Eine Anpassung an die Insolvenzsituation ist nicht erforderlich.

C. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs. 1, 709 Nr. 10, 711 ZPO.

Anlaß, die Revision zuzulassen, besteht nicht, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache oder Fortbildung des Rechts oder Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung - nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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