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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 29.02.2000
Aktenzeichen: 21 U 5779/98
Rechtsgebiete: BGB, AGBG, VOB/B, ZPO


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 157
BGB § 631
AGBG § 9
VOB/B § 8 Nr. 3
VOB/B § 4 Nr. 7
VOB/B § 8 Nr. 3 Abs. 1
VOB/B § 8 Nr. 3 Abs. 2
VOB/B § 16 Nr. 5 Abs. 3
ZPO § 711
ZPO § 528 Abs. 2
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 269 Abs. 3
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 546 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 21 U 5779/98

Verkündet am: 29. Februar 2000

In dem Rechtsstreit

hat der 21. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin auf die mündliche Verhandlung vom 29. Februar 2000 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Kammergericht Schlenger, der Richterin am Kammergericht Neubauer und des Richters am Kammergericht Wagner für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen das Urteil der Zivilkammer 22 des Landgerichts Berlin vom 17. Juni 1998 - 22 O 64/97 - geändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 135.361,85 DM nebst 12 % Zinsen seit dem 6. Dezember 1996 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den erstinstanzlichen Gerichtskosten und den Prozessgebühren der Prozessbevollmächtigten erster Instanz haben die Klägerin 43 % und die Beklagte 57 % zu tragen.

Die übrigen Kosten des Rechtsstreits einschließlich derjenigen der zweiten Instanz entfallen zu 27 % auf die Klägerin und zu 73 % auf die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien können die Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, sofern nicht die vollstreckende Partei zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Wert der Beschwer für die Beklagte übersteigt 60.000,00 DM, derjenige für die Klägerin nicht.

Tatbestand:

Die Klägerin führte als Subunternehmerin der Beklagten Putz- und Estricharbeiten am Bauvorhaben Berlin aus und macht restliche Vergütung geltend.

Nachdem die Klägerin bereits mit den Arbeiten begonnen hatte, schlossen die Parteien am 26. Februar 1996 entsprechende schriftliche Subunternehmerverträge. Darin waren unter anderem die Geltung der VOB/B und ein durch Bankbürgschaft ablösbarer Sicherheitseinbehalt von 5 % der Schlussrechnungssumme vereinbart. Ferner war eine förmliche Abnahme vorgesehen. Nach § 3 Abs. 5 des Vertrages sollten Kosten für die Mitbenutzung von Wasser, Strom und Sanitäreinrichtungen von der Beklagten "umsatzanteilig" auf die am Bau beteiligten Firmen umgelegt werden können. Nach § 3 Abs. 7 des Vertrages hatte die Beklagte das Recht, bei Nichtbeseitigen von Bauschutt und Materialverpackungen usw. durch die Klägerin die notwendigen Reinigungsarbeiten auf deren Kosten auszuführen oder durch Drittfirmen ausführen zu lassen. Für die Überschreitung von im Vertrag festgelegten Fertigstellungsterminen war die Zahlung einer Vertragsstrafe vorgesehen.

Am 9. Mai 1996 fand zwischen dem Bauleiter der Beklagten sowie demjenigen der Klägerin eine Besprechung statt, bei der unter anderem das Aufmaß hinsichtlich der von der Klägerin bis dahin ausgeführten Arbeiten einverständlich festgestellt wurde. In dem von der Beklagten unter dem 10. Mai 1996 erstellten Protokoll über diese Besprechung heißt es wie folgt:

"...

Hiermit erhalten Sie das Protokoll der in unserem Büro ... durchgeführten Besprechung vom 9.5.1996.

1. Hr. und Hr. hatten eine Übereinstimmung über den von Ingenieurbüro ausgeführten Aufmaß...

2. ...

3. ...

4. Die o. g. Massen ergeben sich eine Bruttosumme von 288.620,80 DM gemäß Angebot von Fa.

5. Hr. erwähnt, daß die Putzarbeiten in Treppenhaus bei den Stufen fehlen. Hr. erklärt, daß die Beiputzarbeiten bei den genannten Bereichen nach der Freigabe der Fa. fertiggestellt werden.

6. Hr. weißt darauf hin, daß der Putz teilweise nicht malerfertig ausgeführt wurde. Hr. erklärt, daß es für die Verbesserung der mangelhaft ausgeführten Bereichen keine Schwierigkeiten bestehen. Es soll nur an die Fa. die Freigabe gegeben werden.

7. ...

8. Fa. wird unten gelistete Beträge von der Zahlungen an die Fa. abziehen:

1) Gemäß Schreiben vom 06.01.96 der Fa. = 7.130,- DM

2) Sanitäreinrichtungen = 500,- DM

3) Wasser- und Stromverbrauch = 3.000,- DM

4) Reinigungsarbeiten und Abschuttanteil = 8.000,- DM

Estricharbeiten:

1 - Hr. und Hr. hatten eine Übereinstimmung über den Aufmaß

...

2 - Die o. g. Massen ergeben sich eine Bruttosumme von 177.822,03 DM

3 - Nach der Überprüfung ist es festgestellt, daß keine Wärmedämmungmatten an den Balkonen benutzt sind.

4 - Hr. gibt ein Kopie von den an die Fa. bezahlte Rechnungen. Der Betrag von 19.880,- wird als Materialpreis von der Zahlungen an abgezogen.

5 - Unten gelistete Beträge werden von der Zahlungen an der Fa. abgezogen.

1) Bauschuttanteil und Reinigungsarbeiten = 7.000,- DM

2) Sanitäreinrichtungen = 500,- DM

3) Wasser- und Stromverbrauch = 2.000,- DM

6 - Die Verbesserungsarbeiten beim Estrich wird nach der Freigabe der Fa. ausgeführt.

7 - Das auf der Baustelle übriggebliebene Material wird von Hrn. überprüft. Abweichungen von der Materialabzüge können nachträglich besprochen werden. Dieses Material wird möglicherweise von Fa. gekauft."

Unter dem 21. Mai 1996 legte die Klägerin ihre Schlussrechnungen für die Innenputz- und Estricharbeiten und mahnte den Ausgleich mit Schreiben vom 28. November 1996 bis zum 7. Dezember 1996 an.

Im Juli 1996 kam es zur Weiterführung der im Mai unterbrochenen Arbeiten am Bauvorhaben, nachdem die Beklagte es vom ursprünglichen Bauherrn, der zugleich ihr Hauptauftraggeber war, erworben hatte.

In der Folge wandte die Beklagte sich mit folgenden Schreiben an die Klägerin, wobei allerdings die Klägerin den Zugang der Schreiben zu 1. bis 4. bestritten hat:

1. Unter dem 10. Juli 1996 forderte die Beklagte die Klägerin auf, die Beseitigung der im Protokoll vom 10. Mai 1996 festgehaltenen Mängel bis zum 12. Juli 1996 aufzunehmen und kündigte an, nach Fristablauf die Mängel durch Dritte auf Kosten der Klägerin beseitigen lassen zu wollen.

2. Unter dem 11. Juli 1996 wiederholte die Beklagte ihre Aufforderung, indem der Klägerin ein Termin bis 12. Juli 1996 "gegeben" wurde.

3. Unter dem 12. Juli 1996 setzte die Beklagte der Klägerin einen letzten Termin bis zum 16. Juli 1996, "mit der Beseitigung der Mängel anzufangen" und wies darauf hin, dass nach Ablauf dieser Frist die Mängel durch Dritte auf Kosten der Klägerin beseitigt würden.

4. Unter dem 15. Juli 1996 nahm die Beklagte auf ein Telefonat vom gleichen Tage Bezug und bestätigte, dass am Folgetag, 16. Juli 1996, mit der Mängelbeseitigung begonnen werden könne und die Arbeiten bis zum Ende der Woche abgeschlossen sein müssten.

5. Mit Schreiben vom 19. Juli 1996 stellte die Beklagte unter anderem fest, dass die Frist aus dem Schreiben vom 15. Juli 1996 abgelaufen sei und kündigte an, die Mängel nunmehr ab dem 23. Juli 1996 auf Kosten der Klägerin durch Dritte beseitigen zu lassen.

Mit weiterem Schreiben vom 27. Juli 1996 sprach die Beklagte sodann die Kündigung der Verträge mit der Klägerin unter Bezugnahme auf § 8 Nr. 3 VOB/B aus.

Die Klägerin hat für Putzarbeiten einen Werklohn in Höhe von 288.621,30 DM errechnet und nach Abzug eines fünfprozentigen Sicherheitseinbehaltes sowie von Zahlungen in Höhe von 205.250,00 DM restliche 68.940,23 DM verlangt.

Die Estricharbeiten hat sie in Höhe von 177.854,38 DM abgerechnet und abzüglich 5 % Sicherheitseinbehalt und Zahlungen in Höhe von 54.530,04 DM noch restliche 114.431,62 DM verlangt.

Die Klägerin hat behauptet, ihre abgerechneten Arbeiten mängelfrei erbracht zu haben und hat gemeint, etwaige Gewährleistungsansprüche der Beklagten seien verjährt.

Die Klägerin, die unstreitig ständig Bankkredit in Anspruch nimmt, den sie mit 12,5 % zu verzinsen hat, hat nach Rücknahme der Klage in Höhe von 52.983,70 DM nebst anteiligen Zinsen beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 183.371,85 DM nebst 12 % Zinsen seit dem 29. November 1996 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat wegen Ansprüchen auf Erstattung von Reinigungskosten, anteiligen Verbrauchskosten für Wasser und Strom, Kosten für die Nutzungen der Sanitäreinrichtungen, Kosten für Mängelbeseitigungsarbeiten und von der Beklagten gestelltes Material sowie mit Vertragsstrafeansprüchen (letztere in Höhe von insgesamt 23.323,79 DM) die Aufrechnung erklärt.

Sie hat behauptet, der Bauleiter der Klägerin und der Vertreter der Beklagten hätten sich am 9. Mai 1996 über den Abzug der im Schreiben vom 10. Mai 1996 genannten Beträge geeinigt. Die Beklagte hat ferner behauptet, die Putz- und Estricharbeiten der Klägerin seien mangelhaft und unvollständig gewesen, die Nachbesserungsarbeiten hätten einen Kostenaufwand von insgesamt 121.668,94 DM erfordert. Zudem habe die Klägerin von der Beklagten gestellte Trittschalldämmstoffe im Wert von insgesamt 29.434,36 DM verarbeitet.

Das Landgericht hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, die Beklagte könne gegenüber den der Höhe nach unbestrittenen und fälligen Vergütungsforderungen der Klägerin keine Gegenansprüche geltend machen. Sie habe insbesondere Baunebenkosten und Reinigungskosten nicht ausreichend nach Gesamthöhe und Umlegungsmaßstab dargetan, ebensowenig sei ein Einverständnis des Bauleiters der Klägerin am 9. Mai 1996 substantiiert vorgetragen. Hinsichtlich der Mängelansprüche fehle es an der Rüge konkreter Mängel, an einen Beweisantritt hierfür sowie der Darlegung des Beseitigungsaufwandes. Hinsichtlich des Estricharbeiten fehle es darüber hinaus an einer Fristsetzung mit Kündigungsandrohung gemäß § 4 Nr. 7 VOB/B. Die Beklagte habe auch nicht behauptet und Beweis dafür angetreten, dass die Klägerin tatsächlich Dämmplatten der Beklagten verlegt habe, für die sie einen Kaufpreis verlangen könne. Vertragsstrafe sei mangels wirksamer, weil verschuldensunabhängiger Klausel nicht geschuldet.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung macht die Beklagte unter Wiederholung, Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens unter anderem Folgendes geltend:

Der Vergütungsanspruch der Klägerin bestehe schon mangels Fälligkeit nicht, denn eine Abnahme der klägerischen Arbeiten habe nicht stattgefunden. Die einzelnen Mängel an den Putzarbeiten seien von den Vertretern der Parteien vor Ort genauestens mit Kreide oder Bleistift markiert worden. Ähnlich sei mit den Mängeln an den Estricharbeiten verfahren worden. Die Mängelbeseitigungsarbeiten und -kosten betreffend die Putzarbeiten ergäben sich im Einzelnen aus einer nun vorgelegten Aufstellung In Höhe von 79.146,62 DM brutto aus den Rechnungen der Firmen und werde die Aufrechnung erklärt. Unter weiterer Berücksichtigung der am 9. Mai 1996 vereinbarten Abzugsbeträge sowie weiterer erforderlicher Reinigungsarbeiten im Wert von 11.068,75 DM sei die Klägerin in Ansehung der Putzarbeiten um 42.699,63 DM überbezahlt. Die bei den Estricharbeiten angefallenen Mängelbeseitigungskosten in Höhe von 35.232,32 DM aus den Rechnungen der Firma weitere Reinigungskosten von 800,00 DM sowie die in der Besprechung vom 9. Mai 1996 vereinbarten Abzüge, ferner der Anspruch auf Erstattung von 29.434,36 DM für die von der Beklagten gestellten Trittschalldämmmatten führten dazu, dass ein Anspruch der Klägerin auch ohne Berücksichtigung einer etwaigen Vertragsstrafe nicht mehr bestehe.

Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Berlin vom 17. Juni 1998 - 22 O 64/97 - die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag, bestreitet das Vorhandensein von Mängeln sowie Grund und Höhe der Mängelbeseitigungskosten. Sie meint im Übrigen, ihr sei jedenfalls keine Nachfrist mit Ablehnungsandrohung gesetzt worden, was Voraussetzung für Gegenansprüche der Beklagten sei. Im Übrigen stehe ihr auch der Sicherheitseinbehalt zu, da der Einbehalt ohne angemessene Gegenleistung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht zulässig sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nur zum Teil begründet, der Klägerin steht noch ein Werklohnanspruch in Höhe von 135.361,85 DM aus §§ 631 BGB, 2 VOB/B zu.

I. Der in den Schlussrechnungen der Klägerin ausgewiesene Werklohn in Höhe von 288.621,30 DM für Putzarbeiten und in Höhe von 177.854,38 DM für Estricharbeiten ist der Höhe nach unstreitig.

1. Die Ansprüche sind fällig. Zwar hatten die Parteien eine förmliche Abnahme vereinbart, die nicht erfolgt ist. Aber nach vorheriger Kündigung der Werkverträge bedarf es zur Fälligkeit des Werklohns keiner Abnahme mehr (BGH NJW 1987, 382). Zudem verlangt die Beklagte keine Nachbesserung mehr durch die Klägerin, sondern ausschließlich Kostenersatz. Auch deshalb ist der Werklohn ohne Abnahme fällig (BGH NJW 79, 549).

2. Die Beklagte hat auf die Putzarbeiten bereits 205.250,00 DM gezahlt und auf die Estricharbeiten 54.530,04 DM, wie nunmehr unstreitig ist, so dass insgesamt zunächst 206.695,64 DM an Vergütungsforderung der Klägerin verbleiben.

II. Diesem Betrag kann die Beklagte nur Gegenansprüche in Höhe von 48.010,00 DM sowie einen Sicherheitseinbehalt von 5 % auf die Bruttoschlussrechnungsbeträge, also 14.431,06 DM und 8.892,72 DM (=23.323,78 DM) entgegenhalten.

1. Die geltend gemachten Nachbesserungskosten (also 79.146,62 DM aus den Rechnungen und 11.068,75 DM aus der Rechnung 800,00 DM Schuttbeseitigungskosten wegen Mängeln am Estrich der Balkone sowie 35.232,32 DM aus den Rechnungen der Firma stehen der Beklagten nicht zu. Solche kämen mangels Abnahme der klägerischen Arbeiten im Falle einer Kündigung aus wichtigem Grund nur aus §§ 4 Nr. 7, 8 Nr. 3 VOB/B im Falle einer Kündigung aus wichtigem Grund oder im Falle einer Kündigung nach § 8 Nr. 1 VOB/B aus § 13 Nr. 5 VOB/B in analoger Anwendung in Betracht.

a) Jede vorzeitige Kündigung des Werkvertrages hat grundsätzlich nur Wirkung für die Zukunft, die Ansprüche des Auftraggebers aus Mängeln an der bis zur Kündigung/Auftragsentziehung erbrachten Werkleistung werden durch die Kündigung nicht beeinflußt. Das bedeutet, dass auch der Auftragnehmer im Rahmen der Gewährleistungsansprüche des Auftraggebers berechtigt und verpflichtet bleibt, die Mängel an seinem Teilwerk zu beseitigen (vgl. ZfBR 87, 271, 272), und zwar unabhängig von der Frage, ob die Kündigung eine solche aus wichtigem Grund oder eine freie im Sinne von § 8 Nr. 1 VOB/B war.

Dieser Grundsatz erfordert daher, dass der Klägerin vorliegend auch nach Kündigung noch die Möglichkeit zur Eigennachbesserung hätte eingeräumt werden müssen, denn das Selbstbeseitigungsrecht erlischt in der Regel nur, wenn es innerhalb einer vom Auftraggeber gesetzten Frist nicht ausgeübt wird (vgl. BGH ZfBR 88, 38). Vorliegend hat die Beklagte aber schon vor der Kündigung die Nachbesserung durch die Klägerin abgelehnt (vgl. ihr Schreiben vom 19. Juli 1996) und ihr nach Kündigung keine Gelegenheit mehr zur Nachbesserung gegeben.

b) Aber selbst wenn man davon ausginge, dass die geltend gemachten Fremdnachbesserungskosten von der die Regelung in § 8 Nr. 3 Abs. 2 Satz 1 ("... noch nicht vollendeter Teil der Leistung ...") erfasst wären und im Falle einer Kündigung nach § 8 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B die oben genannte nochmalige Gelegenheit zur Nachbesserung durch den Auftragnehmer selbst nicht zu geben sei, weil eine nochmalige Aufforderung zur Mängelbeseitigung nach Kündigung wegen Verzuges mit der Mängelbeseitigung entbehrlich erscheint, so liegen die Voraussetzungen der §§ 4 Nr. 7, 8 Nr. 3 VOB/B zugunsten der Beklagten nicht vor. Denn die Beklagte hat nicht aus wichtigem Grund gekündigt.

§ 4 Nr. 7 VOB/B setzt voraus, dass dem Auftragnehmer eine Frist zur Mängelbeseitigung gesetzt und die Entziehung des Auftrages angedroht wird.

Unabhängig von der Frage, ob die bloße Androhung, nach Ablauf der Frist die Mängelbeseitigung durch einen Dritten vornehmen zu lassen, eine ausreichende Androhung der Auftragsentziehung darstellt (so wohl BGH ZfBR 1987, 238, 243), fehlt es hier jedenfalls an einer Fristsetzung zur Mängelbeseitigung.

aa) Die Beklagte hat mit ihren Schreiben vom 10., 11. und 12. Juli 1996, deren Zugang bei der Klägerin zugunsten der Beklagten an dieser Stelle unterstellt werden kann, jeweils nur Fristen gesetzt, zu denen die Klägerin mit der Mängelbeseitigung beginnen sollte, zuletzt mit Schreiben vom 12. Juli mit einer Frist zum 16. Juli 1996, nicht aber eine solche zur Beendigung der Mängelbeseitigungsarbeiten, also zur Vertragserfüllung. Das genügt für eine berechtigte Kündigung nach § 8 Nr. 3 VOB/B grundsätzlich nicht. Ebensowenig sind Umstände ersichtlich, die ausnahmsweise eine Aufforderung, mit der Mängelbeseitigung zu einem bestimmten Termin zu beginnen, als ausreichend erscheinen ließen. Das ist nur dann denkbar, wenn dem Auftraggeber wegen der Besonderheiten der Umstände nicht zumutbar ist, eine in ihrer Angemessenheit kaum abschätzbare Vornahmefrist zu setzen und erst nach deren Ablauf zur Selbsthilfe zu greifen. Der Bundesgerichtshof (BGH ZfBR 82, 211) hat dies in einem Falle bejaht, in dem nach Einholung eines Beweissicherungsgutachtens mehrfache Nachbesserungsaufforderungen an den Auftragnehmer ohne Reaktion blieben, letzterer sich vielmehr allein ablehnend zu anderen und weiteren Mängeln äußerte und damit demonstrierte, dass eine Fertigstellungsfrist bloße Förmelei geblieben wäre. Der vorliegende Fall ist damit nicht vergleichbar. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte, selbst Generalunternehmerin, die voraussichtlich notwendige Dauer der Nachbesserung nicht hätte abschätzen können. Sie hat vielmehr äußert kurze Fristen von zwei Werktagen zum Beginn der Arbeiten gesetzt und sie bereits unter dem 19. Juli 1996 abgelehnt, nachdem die Klägerin nicht am 16. Juli 1996 mit den Arbeiten begonnen hatte. Das passive Verhalten der Klägerin bis dahin durfte die Beklagte insbesondere deswegen nicht als Ablehnung der Mängelbeseitigung insgesamt und nicht nur des Beginns mit den Arbeiten deuten, weil der Auftragnehmerin nach dem Stillstand des Bauvorhabens infolge des Konkurses des ursprünglichen Bauherrn ausreichend Gelegenheit hätte gegeben werden müssen, Arbeitskräfte und Arbeitsmaterial auf die neuen Gegebenheiten hin zu organisieren und die Baustelle neu zu besetzen. Zwei Werktage reichen hierfür nicht. Würde man auch in einem solchen Fall auf die Setzung einer Vornahmefrist verzichten, würde die Abweichung von den in §§ 4 Nr. 7 VOB/B geforderten Voraussetzungen für eine Kündigung aus wichtigem Grund mit den entsprechenden Folgen zur Regel.

bb) Soweit die Beklagte in ihrem Schreiben vom 15. Juli 1996 eine Frist zur Beendigung der Arbeiten bis zum Ende der Woche, also bis zum 19. Juli (Freitag) oder den 20. Juli 1996 (Samstag) gesetzt hat, hat sie damit jedenfalls in keiner Form eine wie auch immer geartete Kündigungsandrohung verbunden, so dass ein Anspruch aus § 8 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B bereits deshalb scheitert. Im Übrigen hatte die Beklagte auch ihre Ablehnung der Nachbesserungsarbeiten durch die Klägerin im Schreiben vom 19, Juli 1996 nicht auf den Ablauf dieser Frist gestützt, sondern ausdrücklich auf den Ablauf der Frist zum Beginn der Arbeiten.

2. Dagegen sind die in dem Schreiben der Beklagten vom 10. Mai 1996 aufgeführten Abzugsbeträge in Höhe von insgesamt 48.010,00 DM (7.130,00 DM; 500,00 DM; 3.000,00 DM und 8.000,00 DM bezogen auf die Putzarbeiten und 19.880,00 DM; 7.000,00 DM, 500,00 DM und 2.000,00 DM bezogen auf die Estricharbeiten) begründet.

a) Über den Abzug dieser Beträge haben die Parteien sich geeinigt. Am 9. Mai 1996 hatten Vertreter der Parteien unstreitig über die Abrechnung der bislang von der Klägerin erbrachten Arbeiten verhandelt und eine Einigung über die abzurechnenden Massen und die hierauf entfallenden Vergütungsbeträge erzielt. Das - mutmaßliche - Ergebnis dieser Verhandlungen insgesamt hat die Beklagte in ihrem Schreiben vom 10. Mai 1996 wiedergegeben. Darin heißt es im Hinblick auf die oben genannten Beträge, dass die Beklagte diese "von den Zahlungen an die abziehen" wird.

In Auslegung des genannten Schreibens gemäß §§ 133, 157 BGB konnte diese Erklärung der Beklagten nur dahin verstanden werden, dass der Bauleiter der Klägerin (nach entsprechenden Verhandlungen) mit den Abzügen ebenso einverstanden war, wie mit den errechneten Massen und Vergütungen. Dafür, dass er sich nur die einseitigen Ankündigungen der Beklagten angehört hat, ohne etwas dazu zu bemerken, sind Anhaltspunkte in dem genannten Schreiben nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen.

Indem die Beklagte diese von ihr so verstandene Vereinbarung der Klägerin am Folgetag schriftlich mitteilt, bestätigt sie damit das Ergebnis von Vertragsverhandlungen.

Nimmt die Klägerin als Vollkaufmann ein solches Bestätigungsschreiben ohne Widerspruch hin, muss sie den Inhalt des Schreibens gegen sich gelten lassen, die dort wiedergegebenen und bestätigten Vereinbarungen werden rechtsverbindlich, und zwar unabhängig von der Frage, ob der Bauleiter der Klägerin entsprechend von dieser bevollmächtigt war (BGH NJW 65, 965; 90, 386).

b) Folglich waren aufgrund dieser Vereinbarungen zwischen den Parteien über die der Beklagten zustehenden Gegenrechte z. B. aus Gewährleistung und auf Schadensersatz bzw. über die Verrechnung von der Beklagten gestellten Materials die genannten Beträge in Abzug zu bringen.

Bei ihnen handelte es sich sämtlichst um Bruttobeträge. Dies ergibt sich daraus, dass auch die zuvor zugunsten der Klägerin festgestellten Vergütungsbeträge explizit als Bruttobeträge ausgewiesen waren und zum Beispiel auch der Betrag von 7.130,00 DM aus der Liste der der Beklagten zustehenden Gegenansprüche ausweislich des Schreibens der Beklagten vom 5. Januar 1996 einen Bruttobetrag darstellte. Auch die Kosten für die Dämmplatten stellten Bruttobeträge dar, wie die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 23. Februar 2000 jedenfalls im Hinblick auf die Rechnung der Firma vom 12. Dezember 1995 über 16.141,60 DM selbst vorträgt.

3. Höhere Beträge für die von der Beklagten unter Umständen gestellten Dämmplatten der Firma als die oben genannten 19.880,00 DM sind nicht geschuldet. Soweit die Beklagte nunmehr 29.434,36 DM an Materialkosten behauptet, scheitert ein Anspruch bereits an der Darlegung dieses Betrages. Aus den von ihr vorgelegten Rechnungen ergibt sich dieser Betrag nicht, sondern 28.935,11 DM.

Ausweislich der Rechnungen der Firma waren die Materialien zudem auf "Kommission" geliefert. Die Bestellung und Lieferung der aus den Rechnungen ersichtlichen Materialien bedeutet schon deshalb nicht zwingend, dass diese auch in vollem Umfang von der Klägerin eingebaut wurden. Dementsprechend hat die Beklagte bzw. ihr Vertreter am 9. Mai 1996 offensichtlich auch nur den Abzug von Materialien im Wert von 19.880,00 DM errechnet, und zwar in Kenntnis aller Rechnungen der Firma die zu diesem Zeitpunkt bereits lange vorlagen (Rechnungen vom 7. und 12. Dezember 1995).

Diese Wertung wird auch durch den Inhalt des Schreibens der Beklagten vom 10. Mai 1996 gestützt, worin es heißt, dass das auf der Baustelle übriggebliebene Material von dem Bauleiter der Klägerin überprüft würde und etwaige Abweichungen von den Materialabzügen nachträglich besprochen werden könnten. Dieses Material könne möglicherweise von der Firma gekauft werden.

Ein Anspruch der Beklagten auf den Kauf dieser übriggebliebenen Materialien durch die Klägerin ergibt sich daraus gerade nicht, sollten nicht alle Dämmmatten verarbeitet worden seien.

4. Weiter gerechtfertigt ist jedoch ein - in erster Instanz noch unstreitiger - Abzug der Sicherheitseinbehalte in Höhe von 5 % der Schlussrechnungssummen gemäß §§ 6 Abs. 4, 9 Abs. 3 der beiden Verträge mit der Klägerin in Höhe von 23.323,78 DM, deren Auszahlung die Klägerin nunmehr offenbar hilfsweise geltend macht.

Nach den genannten Klauseln war sinngemäß der Einbehalt von (noch) 5 % bei Schlussrechnung vereinbart, der jedoch durch Bankbürgschaft ablösbar sein sollte. Die Klauseln verstoßen entgegen der Auffassung der Klägerin nicht gegen § 9 AGBG mit der Folge ihrer Unwirksamkeit und der sofortigen Fälligkeit der Vergütung auch in dieser Höhe. Die von der Klägerin offenbar in Bezug genommenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in NJW 97, 2598 hat nur insoweit eine entsprechende Klausel für unwirksam erachtet, als ein auf fünf Jahre einzubehaltender Vergütungsanteil nur durch eine Bürgschaft auf erstes Anfordern ablösbar ist. Vorliegend jedoch kann die Klägerin den Sicherheitseinbehalt durch Vorlage einer "normalen" Bürgschaft ablösen.

5. Vertragsstrafeansprüche macht die Beklagte in zweiter Instanz nicht mehr geltend, und zwar aus den zutreffenden Gründen im angefochtenen Urteil zu Recht.

Nach alledem steht der Klägerin der tenorierte Betrag zu.

III. Der Zinsanspruch ist aus § 16 Nr. 5 Abs. 3 VOB/B begründet. Die Klägerin hat der Beklagten mit Schreiben vom 28. November 1996 eine Nachfrist zur Zahlung bis zum 5. Dezember 1996 gesetzt.

Die Klägerin hat - bislang unbestritten - die Inanspruchnahme von ständigem Bankkredit zu einem Zinssatz von 12,5 % behauptet. Soweit die Beklagte diesen Zinssatz erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 29. Februar 2000 bestritten hat, war dies verspätet und hätte bei Zulassung zu einer Verzögerung des Rechtsstreits bis zur Vorlage der von der Klägerin im Termin ebenfalls angebotenen Bankbescheinigung geführt. Der Vortrag war also gemäß § 528 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

IV. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3, 708 Nr. 10, 711, 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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