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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 26.10.2006
Aktenzeichen: 22 U 193/05
Rechtsgebiete: StVG, BGB, PflVG, StVO, ZPO


Vorschriften:

StVG § 7
StVG § 9
StVG § 11
StVG § 17 Abs. 1
StVG § 17 Abs. 2
BGB § 253 Abs. 2
BGB § 254
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 842
BGB § 843
PflVG § 3 Nr. 1
PflVG § 3 Nr. 3
StVO § 25
StVO § 25 Abs. 3
ZPO § 273 Abs. 2 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 22 U 193/05

verkündet am: 26. Oktober 2006

In dem Rechtsstreit

hat der 22. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg, Elßholzstr. 30-33, 10781 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 26.10.2006 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Ubaczek und die Richterinnen am Kammergericht Schulz und Meising

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 11. Oktober 2005 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 17 O 607/04 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird gestattet, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I. Tatsächliche Feststellungen

Mit der Klage verlangt der Kläger Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am 03.11.2003, 22.50 Uhr an der ampelgeregelten Kreuzung Karl-Marx-Allee Ecke Straße der Pariser Kommune ereignet hat.

Der Kläger überquerte als Fußgänger die Karl-Marx-Allee in der Fußgängerfurt bei für ihn rotem Ampellicht und wurde auf dem zweiten (aus seiner Gehrichtung gesehen) von vier Fahrstreifen von dem bei dem Beklagten zu 2. haftpflichtversicherten Fahrzeug des Beklagten zu 1. erfasst, mit dem dieser die Karl-Marx-Allee in westlicher Richtung befuhr. Mit der Klage verlangt der Kläger, der bei dem Unfall erheblich verletzt worden ist, ein Schmerzensgeld und Verdienstausfall auch in Form einer monatlichen Rente, weil der Unfall ursächlich dafür sei, dass er bereits im 62. Lebensjahr und nicht erst mit Ablauf des 65. Lebensjahres in den Ruhestand habe gehen müssen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, der Anträge und der Begründung der Entscheidung erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen, mit dem das Landgericht die Klage abgewiesen hat.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Klagebegehren in vollem Umfang weiter. Er macht geltend, das Landgericht habe den Sachverhalt einschließlich der erhobenen Beweise sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht teils unzureichend teils unzutreffend gewürdigt.

Das Landgericht sei zu Unrecht nicht von der Richtigkeit des Vorbringens des Klägers ausgegangen, der Beklagte zu 1. habe die Verkehrssituation falsch eingeschätzt und nicht sachgerecht reagiert, weil er beim Erblicken des Klägers erst gehupt und dessen Reaktion abgewartet hätte, bevor er mit dem Bremsen des Fahrzeuges begonnen habe. Da der Beklagte zu 1. noch Zeit zum Hupen gehabt habe, der Kläger, der die Fahrbahn schnell und mit großen Schritten überquert habe, beim Zusammenprall bereits - was unstreitig ist - die Mitte des zweiten Fahrstreifens erreicht hatte und ihn das Kraftfahrzeug des Beklagten zu 1. von links erfasst habe, könne der Kläger nicht völlig unvermittelt auf die Fahrbahn getreten sein. Auch stehe der Würdigung des Landgerichts, der Beklagte zu 1. habe eine Vollbremsung vorgenommen, die Aussage des Zeugen Fnn , die im Übrigen nicht widerspruchsfrei sei, entgegen. Außerdem habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass der Beklagte zu 1. in den rechten Fahrstreifen hätte ausweichen und den Unfall so vermeiden können und diese Möglichkeit überhaupt nicht in Erwägung gezogen habe.

Die Auffassung des Landgerichts sei unzutreffend, ein Autofahrer könne an einem ampelgeregelten Überweg darauf vertrauen, dass kein Fußgänger bei Rot die Fahrbahn betrete. Da der Gesetzgeber einen Schutz von Fußgängern als schwachen Verkehrsteilnehmern vorsehe, könne diesen vielmehr ein Anspruch aus § 7 StVG nicht wegen eines Mitverschuldens gänzlich verloren gehen. Es sei nicht zutreffend, dass die Betriebsgefahr hier völlig zurücktrete.

Im Tatbestand des Urteils sei auch nicht zur Kenntnis genommen worden, dass es sich um eine Doppelampelanlage handele. Nach Auffassung der Klägers kommt dem Umstand, dass es sich hier - ebenfalls unstreitig - um eine Kreuzung mit mehreren Lichtzeichen handelt, eine besondere Warnfunktion zu, die einen sorgfältigen Autofahrer zu erhöhter Vorsicht veranlassen müsse.

Das Gericht sei nicht den vom Kläger angeführten Ampelschaltzeiten gefolgt, die zutreffend seien, sondern habe diese durch einen den Parteien nicht zugänglichen Ampelschaltplan unzutreffend widerlegt.

Auch die Aussage der Zeugin Rn werde unzutreffend gewürdigt. Diese sei bei einer Körpergröße von 1,55 m - 1,60 m nicht in der Lage gewesen, gleichzeitig das Armaturenbrett einzusehen und das Geschehen auf der Fahrbahn zu beobachten. Außerdem befinde sich bei einem BMW 316 der Tachometer nicht in der Mitte. Schließlich habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass die Zeugenaussagen der beiden Fahrzeuginsassen in der Strafakte wortgleich seien.

Der Kläger beantragt,

das am 11. Oktober 2005 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 17 O 607/04 - zu ändern und

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger ein der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, jedoch mindestens 40.000,00 EUR zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.11.2003,

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger eine lebenslange Rente in Höhe von 32,41 EUR monatlich und weitere 4.954,89 EUR zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend und nehmen auf ihr gesamtes erstinstanzliches Vorbringen Bezug. Sie machen darüber hinaus geltend, die Tatsachenfeststellungen des Landgerichts und auch die von ihm vorgenommene Beweiswürdigung seien fehlerfrei. Im Übrigen habe der Kläger sämtliche Angaben sowohl zur Ampelschaltung als auch zur angeblichen Geschwindigkeit des Beklagten zu 1. ins Blaue hinein gemacht, da er - was unstreitig ist - in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht angegeben habe, er könne sich an den Unfallhergang nicht erinnern.

Das Landgericht habe in der mündlichen Verhandlung auch erörtert, dass es aufgrund des ihm vorliegenden Ampelschaltplanes die Angaben des Klägers zur Ampelschaltung nicht nachvollziehen könne, der Kläger habe daraufhin nicht um Einsichtnahme in den Ampelschaltplan ersucht.

Das Vorbringen des Klägers zur Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin Rn , insbesondere hinsichtlich der Lage des Tachometers sei unzutreffend und im Berufungsverfahren verspätet. Die Würdigung der Aussage des Zeugen Fnn durch den Kläger sei für die Beklagten nicht nachvollziehbar. Vorsorglich haben die Beklagten erklärt, für die zweite Instanz werde ihr Beweisantritt durch Vernehmung der Zeugen Dr. Bnn und Snn aufrecht erhalten.

Die Beklagten meinen im Übrigen, die rechtlichen Ausführungen des Klägers seien unzutreffend und würden an der ständigen Rechtsprechung des Kammergerichts und des Bundesgerichtshofs vorbeigehen.

II. Würdigung

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.

Dem Kläger steht wegen seiner bei dem Verkehrsunfall vom 03. November 2003 erlittenen Verletzungen kein Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 7, 17 Abs. 1 und 2, 11 StVG, §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2, 842, 843 BGB bzw. § 3 Nr. 1 und 3 PflVG gegen die Beklagten zu.

Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagten scheidet sowohl aus einem Verschulden des Beklagten zu 1. als auch aus der Gefährdungshaftung für sein Kraftfahrzeug aus. Zwar ist der Unfall bei dem Betrieb dieses bei der Beklagten zu 2. haftpflichtversicherten Fahrzeuges entstanden, dessen Halter und Fahrer zur Unfallzeit der Beklagte zu 1. war. Eine Haftung der Beklagten ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Unfall durch höhere Gewalt (§ 7 Abs. 2 StVG) verursacht worden wäre. Auch kann jedenfalls ohne weitere Feststellungen nicht angenommen werden, der Unfall sei für den Beklagten zu 1. durch ein unabwendbares Ereignis (§ 17 Abs. 3 StVG) verursacht worden, d.h., durch ein Ereignis, das durch äußerste mögliche Sorgfalt gemessen an dem Verhalten eines Idealfahrers (vgl. dazu Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl, § 17 StVG Rdn. 22 m. w. N.) hätte abgewendet werden können. Dies kann letztlich aber dahinstehen, da hier jedenfalls eine Haftung der Beklagten deshalb ausscheidet, weil der Kläger, indem er die Fahrbahn bei für ihn rotem Ampellicht unvermittelt betreten und zu überqueren versucht hat, den Unfall durch einen grob fahrlässigen Verkehrsverstoß in so erheblichem Maße mitverschuldet hat, dass demgegenüber die einfache - nicht durch ein Verschulden erhöhte - Betriebsgefahr des Fahrzeuges des Beklagten zu 1. nicht ins Gewicht fällt.

Der Kläger hat, indem er die Fahrbahn bei für ihn rotem Ampellicht überquert hat, die ihm aus § 25 Abs. 3 StVO beim Überqueren der Fahrbahn obliegenden Sorgfaltspflichten erheblich verletzt und den Unfall damit vor allem selbst verschuldet. Denn auf der Fahrbahn haben Kraftfahrer den Vorrang, wie sich aus § 25 StVO ergibt. Ein Fußgänger hat die Fahrbahn gemäß § 25 Abs. 3 StVO an einer Lichtzeichenanlage und nur bei grünem Ampellicht innerhalb der Markierungen auf dem kürzesten Weg zu überqueren und muss dabei auf sich erkennbar nähernden Fahrzeugverkehr selbst dann achten, wenn er die Fahrbahn bei grünem Ampellicht betritt (vgl. etwa KG Urteil vom 29.06.1989 - 12 U 2779/88; BGH NJW 1960,2235; Hentschel, a.a.O., § 25 StVO Rdn. 44; sowie ferner zu Sorgfaltspflichten von Fußgängern beim Überqueren der Fahrbahn KG Urteil vom 03.01.2002 - 12 U 4708/00 - KGR Berlin 2002, 366 f).

Dagegen hat der Kläger die Fahrbahn unstreitig bei für ihn rotem Ampellicht betreten, ohne auf den herannahenden Verkehr zu achten. Dies geschah, wie sich aus der vom Landgericht rechtsfehlerfrei vorgenommenen Beweiswürdigung ergibt, der sich der Senat anschließt, nach den glaubhaften Bekundungen der Zeugen Rn und Fnn auch plötzlich und unvermittelt. Soweit der Kläger gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin Rn einwendet, hier sei zu berücksichtigen, dass ihre schriftliche Aussage in dem gegen den Kläger eingeleiteten Strafverfahren wortgleich mit der Aussage des zweiten Beifahrers übereinstimme, hat das Landgericht diesem Umstand gegenüber der persönlichen Vernehmung der Zeugin Rn zu Recht keine besondere Bedeutung beigemessen, weil es sich bei den schriftlichen Angaben im Strafverfahren ersichtlich nur um Übersetzungen des von den Zeugen auf thailändisch geschilderten Vorganges handelte, die nicht notwendig wörtlich sein müssen. Nicht plausibel ist die Annahme des Klägers, die Zeugin Rn könne aufgrund ihrer Körpergröße nicht das Geschehen auf der Straße und den Tachometer beobachtet haben. Die Aussage der Zeugin Rnn hinsichtlich der Lage des Tachometers ist zu wenig präzise, um ihr eine Bedeutung in Bezug auf die Glaubhaftigkeit der Bekundungen der Zeugin insgesamt beizumessen. Vor allem aber hat das Landgericht zu Recht der Aussage des am Ausgang dieses Rechtsstreits völlig unbeteiligten Zeugen Fnn entscheidende Bedeutung beigemessen, nach der der Kläger plötzlich losgelaufen ist, nachdem er zunächst am Fahrbahnrand gestanden hatte. Ernsthafte Widersprüche in dessen Bekundungen vermag auch der Senat nicht festzustellen.

Ein Fußgänger, der in der Rotphase der für ihn maßgebenden Fußgängerampel plötzlich auf die Fahrbahn läuft, ohne sich über den herannahenden Verkehr zu vergewissern, handelt in aller Regel grob fahrlässig (so auch OLG Hamm Urteil vom 21.02.2002 - 27 U 175/01 - NZV 2002, 325; KG a.a.O., 12 U 2997/88; OLG Köln Urteil vom 18.12.1975 - 18 U 94/75; VersR 1976, 1095 f; vgl. auch BGH VersR 1961, 357/358).

Dass im vorliegenden Fall die Fußgängerampel für die Gegenfahrbahn, die nach dem vom Landgericht herangezogenen, für den Unfallzeitpunkt geltenden Signalzeitenplan der Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr bereits grünes Licht zeigte, führt entgegen der wohl vom Kläger vertretenen Ansicht zu keiner anderen Beurteilung seines Verschuldens. Denn maßgebend ist die Lichtzeichenregelung für die Fahrbahn, die er zu überqueren versucht hat und nicht die Lichtzeichenanlage für die weitere Fahrbahn, die, wie aus dem amtlichen Signalzeitenplan ersichtlich ist, bereits 13 Sekunden früher auf grün geschaltet hat, als die Ampelanlage für die vom Kläger überquerte Fahrbahn. Insbesondere lag auch angesichts der Breite der gesamten Kreuzung und der beiden Fahrbahnen mit vier bzw. drei Fahrstreifen nicht die Annahme nahe, die für den Kläger maßgebende Ampel werde ebenfalls sogleich umschalten, was im Übrigen auch den Grad des Verschuldens des Klägers, allenfalls ganz geringfügig, keinesfalls bis unter die Grenze der groben Fahrlässigkeit vermindern könnte.

Soweit der Kläger rügt, das Landgericht habe den Parteien den Ampelschaltplan nicht zur Kenntnis gegeben, kann dahinstehen, ob das Vorbringen der Beklagten zutrifft, der Signalzeitenplan sei in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht erörtert worden, wozu sich in dem Protokoll über die mündliche Verhandlung allerdings kein Hinweis findet. Jedenfalls wäre ein etwa vorliegender Verstoß gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs für das Berufungsverfahren geheilt. Denn in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist der Signalzeitenplan von den Prozessbeteiligten in Augenschein genommen und eingehend erörtert worden. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hatte im Übrigen zwischenzeitlich auch hinreichend Gelegenheit, sich etwa durch Einnahme von Akteneinsicht vom Inhalt des Signalzeitenplanes und von der Richtigkeit seiner Würdigung durch das Landgericht zu überzeugen.

Entgegen der offenbar vom Kläger vertretenen Ansicht ist auch rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht den Signalzeitenplan ohne einen ausdrücklich hierauf gerichteten Antrag der Parteien beigezogen und schließlich auch verwertet hat. Gemäß § 273 Abs. 2 Nr. 2 ZPO kann das Gericht zur Vorbereitung des Termins zur mündlichen Verhandlung Behörden um Mitteilung von Urkunden oder Erteilung amtlicher Auskünfte ersuchen. Zwar ermächtigt diese Bestimmung nicht zu Maßnahmen der Amtsermittlung. Jedoch ist die Beiziehung von Urkunden anderer Behörden dann zulässig, wenn sich eine Partei nicht notwendig ausdrücklich, aber durch Ansprechen des betreffenden Vorganges auf sie bezogen hat (vgl. dazu Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 273 Rdn. 7 m. w. N.). Das ist hier deshalb der Fall, weil der Kläger in der Klageschrift selbst Zeiten für die Nachschaltung der Ampel für die von ihm betretene Fahrbahn vorgetragen und darüber hinaus behauptet hat, der Beklagte zu 1. habe nach Umschalten der für ihn maßgebenden Ampel auf gelb die Haltelinie überfahren.

Nach alledem steht fest, dass der Kläger den Verkehrsunfall durch grob fahrlässiges Verhalten verursacht hat. Dagegen ist ein Verschulden des Beklagten zu 1. nicht festzustellen. Aus dem Vorbringen des insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Klägers ergeben sich hierfür keine hinreichenden Anhaltspunkte. Außerdem fehlt es an geeigneten Beweisantritten.

Soweit der Kläger geltend macht, der Beklagte zu 1. hätte den Kläger wahrnehmen müssen und hätte auch nicht auf dessen verkehrgerechtes Verhalten vertrauen dürfen, ist dies nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung so nicht zutreffend. Zwar muss ein Kraftfahrer stets die gesamte Fahrbahn beobachten und muss sofort unfallabwendende Maßnahmen einleiten, wenn er einen bei Rotlicht die Fahrbahn betretenden Fußgänger bemerkt (vgl. KG a.a.O.). Jedoch kann ein Kraftfahrer zuvor darauf vertrauen, dass sich ein Fußgänger verkehrsgerecht verhält und nicht unvermittelt bei rotem Ampellicht die Fahrbahn betritt. Auf diese Möglichkeit muss sich ein Kraftfahrer nicht von vornherein einrichten (vgl. KG a.a.O.). Entgegen der vom Kläger vertretenen Ansicht kommt dem Umstand, dass es sich hier um eine breite Kreuzung mit Ampelanlage für jede Fahrbahn handelte, keine besondere Warnfunktion zu.

Auch dafür, dass der Beklagte zu 1. nicht sofort versucht habe, unfallverhütende Maßnahmen einzuleiten, als er den Kläger bei der für einen durchschnittlichen Kraftfahrzeugführer gebotenen Sorgfalt wahrnehmen konnte, sondern verspätet reagiert habe, liegen keinerlei Anhaltspunkte vor.

Der Kläger hatte nach eigenem Vorbringen gerade den ersten Fahrstreifen ganz und den zweiten Fahrstreifen zur Hälfte passiert, also insgesamt 3,45 m auf der Fahrbahn zurückgelegt, bevor es zu der Kollision gekommen ist. Er befand sich demgemäß, selbst wenn man zu seinen Gunsten, obwohl er nach den Bekundungen der Zeugen zügig gegangen ist, eine nur mittlere bis langsame Gehgeschwindigkeit von 1,2 m/sec zugrunde legen würde, allenfalls knapp drei Sekunden auf der Fahrbahn, bevor sich der Zusammenstoß ereignete. In dieser Zeit hätte der Beklagte zu 1., hätte er die von ihm angegebene Geschwindigkeit von 50 km/h konstant gehalten, etwa 42 m zurückgelegt. Jedoch ist er bereits in der Kreuzungsmitte zum Stehen gelangt, also nach der polizeilichen Unfallskizze nur etwa 16 m von der Haltelinie entfernt, und sein Anhalteweg soll nach dem eigenen Vortrag des Klägers 25 m betragen haben. Dies spricht angesichts der hier unstreitig nassen Fahrbahn, bei der nach der Anhaltewegtabelle (abgedruckt in Kuckuk/Werny, Straßenverkehrsrecht, 8. Aufl., XIX 2) selbst bei einer Vollbremsung mit einem Anhalteweg zwischen 27,7 m und 31,4 m zu rechnen ist - unter Zubilligung einer Schrecksekunde - eher für eine zügige Reaktion des Beklagten zu 1. nach Erkennen der Gefahr. Dass der Beklagte zu 1. nach den Bekundungen der Zeugin Rn gehupt haben soll, steht, anders als der Kläger meint, einer sofortigen Reaktion zugleich durch Bremsen nicht entgegen.

Allerdings fehlen genaue Feststellungen dazu, wann der Beklagte zu 1. den Kläger erstmals hätte wahrnehmen können. Jedoch sprechen die Bekundungen der vom Landgericht vernommenen Zeugen, insbesondere des am Ausgang dieses Rechtsstreits unbeteiligten Zeugen Fnn , der neben dem Kläger gestanden, das Betreten der Fahrbahn für diesen vor dem herannahenden Kraftfahrzeug als gefährlich eingeschätzt und noch versucht hat, den Kläger durch Rufen zu warnen, dafür, dass der Beklagte zu 1. nach dem Betreten der Fahrbahn durch den Kläger sein Fahrzeug vor dem Anstoß nicht mehr hinreichend wirksam abbremsen konnte. Jedenfalls fehlt es an einer hinreichenden Darlegung und einem geeigneten Beweisantritt dafür, dass der Beklagte zu 1. sich hier sorgfaltspflichtwidrig verhalten hat. Gleiches gilt, soweit der Kläger behauptet, der Beklagte zu 1. hätte als gedachter Idealfahrer noch auf den rechten Fahrstreifen ausweichen können, den der Kläger vor dem Anstoß gerade schon überquert hatte, wobei dahinstehen kann, ob rein theoretisch überhaupt die Möglichkeit bestanden hätte, den Unfall abzuwenden. Soweit sich der Kläger auf die Einholung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens bezogen hat, ist dies vorliegend mangels hinreichender Anknüpfungstatsachen, dafür, in welcher Entfernung der Beklagte zu 1. sich befand, als der Kläger die Fahrbahn betrat, nicht geeignet, um hier nähere Feststellungen zu einer vom Kläger geltend gemachten Sorgfaltspflichtverletzung des Beklagten zu 1. zu ermöglichen, für die sonst keine Anhaltspunkte vorliegen.

Soweit der Kläger behauptet, ein Mitverschulden des Beklagten zu 1. sei darin begründet, dass dieser bei für ihn gelbem Ampellicht die Haltelinie überfahren habe, handelt es sich, da der Kläger bei seiner Anhörung vor dem Landgericht angegeben hat, er könne sich an den Unfallhergang nicht mehr erinnern, um eine Behauptung ins Blaue hinein, für deren Richtigkeit sich in dem Vorbringen des Klägers keinerlei Anhaltspunkte finden. Im Übrigen hat der Kläger auch nicht vorgetragen, ob der Beklagte zu 1. die Haltelinie bei frühem Gelb überfahren haben soll oder bei spätem Gelb. Ein Überfahren der Haltelinie bei gelbem Ampellicht ist aber jedenfalls dann keine Sorgfaltspflichtverletzung des Fahrzeugführers, wenn das Umschalten der Ampel erst so kurz vor Erreichen der Kreuzung erfolgt, dass der Bremsweg bei mittlerem Bremsen nicht ausreicht, um vor der Kreuzung zum Stehen zu kommen (vgl. Hentschel, a.a.O., § 37 StVO Rdn. 48a). Hierzu fehlt es an jedem Vorbringen.

Im Übrigen hat der für ein Verschulden des Beklagten darlegungs- und beweispflichtige Kläger jedenfalls insoweit keinen geeigneten Beweis angetreten. Vielmehr spricht das Ergebnis der Beweisaufnahme für die Richtigkeit der Behauptung der Beklagten, der Beklagte zu 1. sei bei für ihn grünem Licht über die Haltelinie gefahren. Die Zeugin Rn hat dies bestätigt. Auch die Aussage des Zeugen Fnn , nach der der Kläger kurz nach Umschalten der Ampel für die zweite Fahrbahn auf grün unvermittelt losgelaufen ist, spricht in Verbindung mit dem Signalzeitenplan für die Richtigkeit der Behauptung der Beklagten. Denn nach dem Ampelschaltplan hat die Ampel in Fahrtrichtung des Beklagten zu 1. erst nach Sekunde 48 auf gelb umgeschaltet, während die Ampel für die zweite Fahrbahn bereits ab Sekunde 41 grünes Licht zeigte. Der Kläger müsste dann nach dem Umschalten der Ampel für die zweite Fahrbahn auf grün noch mehr als 7 Sekunden gewartet haben, bevor er die Fahrbahn betreten hat. Dafür sind aber sowohl nach dem eigenen Vorbringen des Klägers als auch nach den Bekundungen des Zeugen Fnn keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich.

Soweit der Kläger behauptet, der Beklagte zu 1. sei mit überhöhter Geschwindigkeit von mehr als 50 km/h gefahren, handelt es sich ebenfalls um eine Behauptung ins Blaue hinein, für deren Richtigkeit sich keinerlei Anhaltspunkte finden. Dagegen spricht vielmehr bereits der eigene Vortrag des Klägers, nachdem der Beklagte zu 1. etwa 25 m benötigt haben soll, um sein Fahrzeug zum Stillstand zu bringen. Wenn der Anhalteweg des Beklagten zu 1. aber tatsächlich 25 m betragen haben sollte, kann der Beklagte zu 1. nicht schneller als mit der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h gefahren sein. Bei der hier unstreitig nassen Fahrbahn wäre sein Anhalteweg schon aus einer Geschwindigkeit von 50 km/h länger als 25 m. Er betrüge nach der Anhaltewegtabelle (abgedruckt in Kuckuk/Werny, Straßenverkehrsrecht, 8. Aufl., XIX 2) zwischen 27,7 m und 31,4 m bei einer Vollbremsung, die der Beklagte zu 1. nach den Behauptungen des Klägers noch nicht einmal unternommen haben soll. Unter diesen Umständen fehlt jeder ernsthafte Anhaltspunkt für eine Geschwindigkeitsüberschreitung des Beklagten zu 1. Im Übrigen fehlt es auch insoweit an einem Beweisantritt des Klägers.

Mangels eines bewiesenen Verschuldens des Beklagten zu 1. scheidet eine Haftung der Beklagten auch aus der Betriebsgefahr des Fahrzeuges des Beklagten zu 1. aus. Denn bei der hier gemäß §§ 9, 17 StVG, § 254 BGB vorzunehmenden Abwägung tritt neben dem groben Verschulden des Klägers an dem Zustandekommen des Unfalls durch den Rotlichtverstoß die nicht durch ein Mitverschulden des Beklagten zu 1. erhöhte Betriebsgefahr von dessen Fahrzeug zurück mit der Folge, dass der Fußgänger bei einer solchen Fallgestaltung allein haftet (vgl. dazu KG a.a.O.; OLG Hamm a.a.O.; auch BGH VersR 1961, 357/358). Im Rahmen der insoweit anzustellenden Abwägung sind nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung auch nur solche Umstände als die Betriebsgefahr erhöhend zu berücksichtigen, die unstreitig oder bewiesen sind (Hentschel, a.a.O., § 17 StVG Rdn. 31 m. w. N.), woran es hier fehlt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu klären waren und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (vgl. § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 26 Nr. 7 EGZPO).

Ende der Entscheidung

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