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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 11.10.2004
Aktenzeichen: 22 U 380/03
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 814
ZPO § 278 Abs. 1
ZPO § 287
ZPO § 513
ZPO § 513 Abs. 1
ZPO § 546
Durch die Berufung des Streithelfers erlangt die unterlegene Partei zwar formell die Positon des Berufungsklägers, beteiligt sie sich aber an dem Berufungsverfahren nicht, so ergeht die Kostengrundentscheidung unmittelbar gegenüber dem Streithelfer (OLG Köln, OLGR 1994, 83; OLG Celle, OLGR 1996, 84).
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 22 U 380/03

verkündet am : 11. Oktober 2004

In dem Rechtsstreit

hat der 22. Zivilsenat des Kammergerichts Elßholzstraße 30 -33, 10781 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 20.09.2004 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Ubaczek als Einzelrichter

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Streithelfers des Beklagten wird das am 10. November 2003 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin in der Fassung des ergänzenden Urteils vom 8. März 2004 - 25 O 498/02 - teilweise geändert und insgesamt wie folgt wie folgt neu gefasst:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 12.698,07 EUR nebst Zinsen in Höhe von jährlich 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. November 2001 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an den Beklagten 869,20 EUR nebst 4 % Zinsen p.a. seit dem 24. August 2001 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 1/3 und der Beklagte 2/3 zu tragen.

Die durch die Nebenintervention verursachten Kosten haben die Klägerin zu 1/3 und der Streithelfer des Beklagten 2/3 zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages.

Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Im Übrigen wird die Berufung des Streithelfers des Beklagten zurückgewiesen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Streithelfer des Beklagten 53 % und die Klägerin 47 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Tatsächliche Feststellungen

Wegen des Sachverhaltes erster Instanz, der dort gestellten Anträge und der Entscheidungsgründe wird zunächst auf das angefochtene Urteil der Zivilkammer 25 des Landgerichts Berlin Bezug genommen.

Die Parteien streiten um die Frage, in welchem Umfang die Klägerin verpflichtet war, für die im Hause des Beklagten in 10627 Berlin, Wnnnnnnn Straße n , innegehaltenen Gewerberäume in den Monaten Januar bis April 1998 Miete zu bezahlen sowie um die Höhe einer für den Monat Mai 1998 geschuldeten Nutzungsentschädigung.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme erkannt, dass der vereinbarte Mietzins mit Rücksicht auf vom benachbarten Grundstück des Streithelfers des Beklagten ausgehende Beeinträchtigungen des Mietobjektes in der fraglichen Zeit um 60 % gemindert war. Im Umfange dieser Minderung hat es der Klägerin einen entsprechenden Anspruch auf anteilige Rückforderung der in voller Höhe gezahlten Miete für den Monat Februar 1998 sowie auf teilweise Erstattung der von dem Beklagten in voller Höhe von 40.000,00 DM vereinnahmten Mietkaution zugesprochen. Auf die Widerklage des Beklagten hat es die Klägerin verpflichtet, dem Beklagten für die Zeit vom 1. bis zum 7. Mai 1998 eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 7/31 des geminderten Mietzinses zu zahlen.

Gegen das dem Beklagten am 25. November 2003 zugestellte Urteil hat der Streithelfer des Beklagten die am 19. November 2003 eingegangene Berufung eingelegt, die er mit dem am Montag, dem 26. Januar 2004 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Die zunächst unbeschränkt eingelegte Berufung hat der Streithelfer in der Begründung seiner Berufung darauf beschränkt, dass die Verurteilung des Beklagten in der Hauptsache nur im Umfang von 11.431,71 Euro nebst anteiligen Zinsen angegriffen wird, zu der teilweisen Abweisung der Widerklage äußert sich der Streithelfer nicht.

Zur Begründung der Berufung trägt der Streithelfer des Beklagten vor:

Ein Rückforderungsanspruch der Klägerin betreffend die Zahlung für den Monat Februar 1998 komme aus demselben Grund nicht in Betracht, der dem Landgericht Anlass gegeben habe, den für den Monat Januar 1998 geltend gemachten Rückforderungsanspruch für unbegründet zu halten.

Ferner habe das Landgericht die von ihm erhobenen Beweise unzutreffend gewürdigt und sei so zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt, die von der Klägerin geschuldete Miete sei in dem hier im Streit befindlichen Zeitraum um 60 % gemindert gewesen. Für die Monate März und April 1998 sei lediglich eine Minderung im Umfang von 30 % gerechtfertigt gewesen.

Es treffe auch nicht zu, dass wegen der von der Baustelle des Streithelfers ausgehenden Beeinträchtigungen der Umsatz der Klägerin drastisch eingebrochen sei; die Klägerin habe vielmehr schon im Jahre 1997 entschieden, ihren Geschäftsbetrieb wegen fehlender Wirtschaftlichkeit aufzugeben. Im Mai 1998 habe sie nur noch geräumt bzw. renoviert, diese Tätigkeiten seien durch die Baustelle nicht beeinträchtigt worden.

Der Streithelfer beantragt,

das am 10. November 2003 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin teilweise abzuändern und die Klage im weiteren Umfang von 11.431,71 Euro nebst Zinsen abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

Die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die von dem Landgericht angenommene Mietminderung für zutreffend und verteidigt die angefochtenen Entscheidung.

Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Parteien und des Streithelfers des Beklagten wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie der überreichten Unterlagen, im Übrigen auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Würdigung

Die zulässige Berufung des Streithelfers des Beklagten ist begründet, soweit damit die Entscheidung des Landgerichts zur Pflicht des Beklagten angegriffen wird, der Klägerin die für den Monat Februar 1998 bezahlte Miete teilweise zurückzuzahlen.

Zutreffend weist der Streithelfer des Beklagten darauf hin, dass dieselbe Begründung, mit der das Landgericht den Rückzahlungsanspruch bezüglich der Mietzahlung für Januar 1998 verneint hat, auch dem entsprechenden Anspruch für den Monat Februar 1998 entgegensteht. Die Klägerin leistete die Mietzahlung für diesen Monat ebenfalls ohne jeden Vorbehalt, obwohl ihr wie schon im Januar 1998 alle Umstände, die die Minderung rechtfertigten, in vollem Umfang bekannt waren. Der Umstand, dass die Klägerin später, nämlich am 10. Februar 1998, schriftlich erklärte, sie sehe sich wegen der Umstände außerstande, "weiterhin Miete zu zahlen", kann sich nur auf die folgenden Fälligkeitstermine beziehen. Die tatsächlichen Voraussetzungen für die von dem Landgericht für den Monat Januar 1998 zutreffend angewandte Vorschrift des § 814 BGB waren zu diesem Zeitpunkt auch für den Monat Februar 1998 vollständig erfüllt. Die Klägerin wusste, dass die ihr bekannten Umstände eine erhebliche Minderung der Miete rechtfertigen. Wenn sie gleichwohl den vollen Mietzins für den gesamten Monat Februar 1998 im Voraus bezahlte, gab sie damit zu verstehen, die Mietsache ungeachtet der bestehenden Einschränkungen als vertragsgerecht behandeln zu wollen.

Gegen die von dem Landgericht angenommenen Minderung des Mietzinses für die Monate März und April 1998 in Höhe von 60 % dagegen wendet sich der Streithelfer des Beklagten ohne Erfolg.

Gemäß § 513 ZPO ist das angefochtene Urteil durch das Berufungsgericht nur darauf zu überprüfen, ob dem Erstgericht ein Rechtsfehler unterlaufen ist, oder ob auf Rechtsfehler beruhende Irrtümer in der Tatsachenfeststellung die Entscheidungsfindung beeinflusst haben.

Beides vermag der Senat nach umfassender Prüfung der Sach- und Rechtslage in Bezug auf die Frage der Minderung der von der Klägerin dem Beklagten geschuldeten Mieten für die Monate März und April 1998 nicht festzustellen.

Der Senat teilt vielmehr insoweit die Auffassungen des Landgerichts und folgt den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird. Insbesondere ist die von dem Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung weder hinsichtlich der in die Betrachtung einbezogenen Überlegungen, noch hinsichtlich ihres Ergebnisses zu beanstanden.

Wegen der in § 513 Abs. 1 ZPO enthaltenen Verweisung auf § 546 ZPO hat das Berufungsgericht die tatsächlichen Grundlagen und deren Wertung durch das zunächst tätig gewordene Gericht wie ein Revisionsgericht nur noch darauf zu überprüfen, ob die Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung die gesetzlichen Auslegungsregeln, die Denkgesetze, Erfahrungsgrundsätze und die Verfahrensvorschriften beachtet (OLG Celle, OLG Report Celle, 2002, 238; Gehrlein, MDR 2003, 421, 426).

Dieser Prüfung hält das angefochtene Urteil stand. Insbesondere zeigt die Berufung, die sich in dem hier interessierenden Zusammenhang im Wesentlichen in Angriffen gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts erschöpft, keine konkreten Anhaltspunkte auf, die geeignet wären, in einem Maße Zweifel an der Richtigkeit der getroffenen Feststellungen zu begründen, dass die Notwendigkeit der Wiederholung der Beweisaufnahme sich geradezu aufdrängt (zur erneuten Erhebung der Beweise vgl. OLG Dresden, MDR 2003, 289; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 62. Auflage 2004, § 529 Rdnr. 2 ff).

Soweit der Streithelfer des Beklagten darauf hinweist, die Klägerin habe sich wegen der Beeinträchtigungen nicht bei der Bauleitung beklagt, ist dies ebenso unerheblich wie der Hinweis auf zeitweilige Unterbrechungen der Abbruch- oder Aufbauarbeiten.

Solange die tatsächliche Beeinträchtigung der Mietsache vorlag, trat die Minderung ohne weiteres kraft Gesetzes ein. Eine besondere Erklärung des Mieters setzt die Minderung nicht voraus (Staudinger/Emmerich, BGB Neubearbeitung 2003, § 536 Rdnr. 52, die dort insoweit enthaltenen grundsätzlichen Ausführungen gelten uneingeschränkt auch für die hier noch anzuwendende Gesetzeslage). Vorübergehende Schwankungen in der Intensität einer länger anhaltenden Beeinträchtigung sind im Rahmen der Festlegung eines einheitlichen Minderungssatzes zu berücksichtigen.

Welche Herabsetzung der Miete angemessen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, wobei in erster Linie die Schwere und die Dauer der Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit zu berücksichtigen sind. Das Gericht hat den Umfang der Minderung unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles gemäß § 287 ZPO zu schätzen. Die von dem Landgericht hierzu vorgenommene Abwägung wird dem Ergebnis der Beweisaufnahme gerecht. Die festgestellte Minderungsquote ist im Einzelnen nachvollziehbar begründet und deshalb aus Sicht des Senats nicht zu beanstanden. Der Umstand, dass das Landgericht seinem vor der abschließenden Bewertung der Angelegenheit mit dem am 28. April 2003 verkündeten Beschluss den Parteien unterbreiteten Vergleichsvorschlag noch eine Minderungsquote von 50 % zugrunde gelegt hat, ändert an der dargelegten Einschätzung nichts; insbesondere rechtfertigt er nicht den in der Berufungsbegründung anklingenden Vorwurf willkürlicher Handhabung. Zu berücksichtigen ist dabei, dass der gemäß § 278 Abs. 1 ZPO unterbreitete Vergleichsvorschlag allein auf dem bis dahin aktenkundigen Vortrag der Parteien beruhte und ersichtlich von dem Bestreben getragen war, den Parteien eine umfangreiche Beweisaufnahme zu ersparen. Wenn das Gericht nach Durchführung der Beweisaufnahme dann auf der Grundlage ausführlicher Würdigung der Ergebnisse der Beweisaufnahme abschließend zu einer davon abweichenden Erkenntnis gelangt, ist dies in keiner weise zu beanstanden.

Schließlich kann der Streithelfer nicht mit Aussicht auf Erfolg darauf verweisen, die Klägerin habe wegen fehlender Wirtschaftlichkeit des Unternehmens ohnehin dessen Schließung erwogen. Es ist anerkannt, dass dem Vermieter der Einwand, der Mieter hätte in dem fraglichen Zeitraum von der Mietsache ohnehin keinen oder nur eingeschränkten Gebrauch gemacht, verwehrt ist (Staudinger/Emmerich a.a.O., Randnummer 57 mit Nachweisen).

Entsprechend den im Übrigen nicht angefochtenen Feststellungen des Urteils schuldete die Klägerin danach für die Monate März und April 1998 folgenden Beträge:

März 5.592,05 DM und April 7.528,59 DM.

Diese Beträge sind bis zu ihrem Ausgleich durch Einziehung der Kaution durch den Beklagten am 23. August 2001 mit 4 % p.a. zu verzinsen. Für den Monat März 1998 kann der vom Landgericht zutreffend ermittelte und von den Parteien auch nicht angegriffene Betrag von 809,68 DM übernommen werden. Für den Monat April 1998 dagegen ist eine neue Berechnung anzustellen, weil die in dem angefochtenen Urteil insoweit festgestellten Zinsen auf der Grundlage einer Zahlungspflicht der Klägerin für diesen Monat in Höhe von nur 6.520,04 DM berechnet wurden. Die Differenz ergibt sich aus der in Höhe von 1.008,55 DM erfolgten teilweisen Berücksichtigung eines der Klägerin für den Monat Februar 1998 vermeintlich zustehenden Rückforderungsanspruches. Für die hier ohne diese teilweise Aufrechnung der Klägerin zugrunde gelegte Zahlungsverpflichtung für den Monat April 1998 in Höhe von 7.528,59 DM ergibt sich bei banküblicher Berechnung der Zinsen ein Gesamtbetrag von 1.018,85 DM für die Zeit vom 4. April 1998 bis zum 22. August 2001. Zu Lasten der Klägerin sind weiterhin noch zu berücksichtigen die Zinsen für die Nutzungsentschädigung für die Zeit vom 1. bis 7. Mai 1998, die das Landgericht zutreffend und von den Parteien nicht angegriffen mit 215,57 DM berechnet hat.

Insgesamt ergibt sich hinsichtlich der von dem Beklagten vereinnahmten Kaution folgende Berechnung:

 einbehalten wurden 40.000,00 DM
davon zu Recht einbehalten:  
Miete März 1998 5.592,05 DM 
Zinsen darauf 809,68 
Miete April 1998 7.528,59 
Zinsen darauf 1.018,85
Zinsen für Nutzung Mai 215,5715.164,74 DM
  24.835,26 DM
  = 12.698,07 EUR

Bei der Ermittlung des Betrages, den der Beklagte zu Recht von der Kaution einbehalten hat, war - anders als bei dem Versuch im Vergleichswege einen einheitlichen Ausgleichsbetrag zu ermitteln - die von der Klägerin für die Zeit vom 1. bis 7. Mai 1998 geschuldete Nutzungsentschädigung in Höhe von 1.700,00 DM nicht zu berücksichtigen, weil die Klägerin durch das insoweit rechtskräftig gewordene Urteil des Landgerichts auf die Widerklage des Beklagten gesondert zur Zahlung dieses Betrages verurteilt worden ist.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 97, 708 Nummer 10, 713 ZPO.

Hinsichtlich der Kostenentscheidung ist anzumerken, dass der Beklagte durch die von seinem Streithelfer eingelegte Berufung zwar formell die Position des Berufungsklägers einnahm, weil er sich an dem Berufungsverfahren aber nicht beteiligt hat, war die Kostengrundentscheidung unmittelbar gegenüber dem Streithelfer zu erlassen (OLG Köln, OLGR 1994, 83; OLG Celle, OLGR 1996, 84).

Es bestand keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, weil Gründe gemäß § 543 Abs. 2 ZPO hierfür nicht ersichtlich sind.

Ende der Entscheidung

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