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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 06.03.2008
Aktenzeichen: 22 W 8/08
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, VwVfG
Vorschriften:
ZPO § 127 Abs. 2 S. 2 | |
ZPO § 127 Abs. 2 S. 3 | |
ZPO §§ 567 ff. | |
BGB § 197 Abs. 1 Nr. 3 | |
VwVfG § 53 | |
VwVfG § 53 Abs. 2 |
Kammergericht Beschluss
Geschäftsnummer: 22 W 8/08
06.03.2008
In dem Prozesskostenhilfeverfahren
hat der 22. Zivilsenat des Kammergerichts am 6. März 2008 durch den Richter am Kammergericht C. Kuhnke beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Zivilkammer 9 des Landgerichts Berlin vom 30. Oktober 2007 wird zurückgewiesen. Der Wert des Beschwerdegegenstandes für die außergerichtlichen Gebühren beträgt 64.453,21 €.
Gründe:
Die gemäß §§ 127 Abs. 2 S. 2 u. S. 3, 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet, weil die beabsichtigte Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 ZPO).
1. Es ist bereits nicht vorgetragen, weshalb die Antragstellerin den von ihr berechneten Teilanspruch aufgrund des Bescheides vom 7. September 1993 allein und ohne Mitwirkung der weiteren Antragsteller geltend machen können sollte. Zumindest fehlt Vortrag zu einer etwaigen Erbauseinandersetzung mit der Antragstellerin zu 2.a) des Bescheides als Miterbin des Gesellschaftsanteils.
2. Der Anspruch auf Zahlung des Verkehrswertes (§ 6 Abs. 6a S. 4 VermG) ist - wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat - jedenfalls zum 31. Dezember 2004 verjährt (§§ 195, 199 Abs. 1 BGB), sodass die (zukünftige) Beklagte aufgrund der von ihr erhobenen Einrede die Leistung verweigern kann (§ 214 Abs. 1 BGB).
a) Der Anspruch unterliegt als privatrechtlicher Anspruch der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB).
aa) Abgesehen von dem Umstand, dass bereits der klare Wortlaut Derartiges ausschließt, kommt eine analoge Anwendung des § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB auf einen durch Verwaltungsakt festgestellten Anspruch schon deshalb nicht in Betracht, weil § 53 Abs. 2 VwVfG (ebenso wie § 52 Abs. 2 SGB-X) eine abweichende Regelung enthält und nur die durch unanfechtbaren Verwaltungsakt zu Gunsten eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers festgestellten Ansprüche (§ 53 Abs. 1 VwVfG) der dreißigjährigen Verjährung unterliegen. Hinsichtlich der öffentlich-rechtlichen Ansprüche der Bürger gelten dagegen - wie auch für ihre privatrechtlichen Ansprüche - die Verjährungsregeln des BGB. Diese gesetzgeberische Wertung lässt sich weder zu § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB noch zu § 53 VwVfG durch eine abweichende, mit dem Wortlaut nicht mehr vereinbare Interpretation unterlaufen, zumal der Gesetzgeber durch die Neufassung des § 53 Abs. 2 VwVfG a.F. gerade auf einen Verweis (damals § 218 BGB a.F.) verzichtet hat (vgl. auch Grothe in: Münchener Kommentar, BGB, 5. Aufl., § 197 Rn. 12). Da der Anspruch eingeklagt werden kann bzw. bei Unterbleiben der Zahlung eingeklagt werden muss und durch die ordentlichen Gerichte dann eine rechtskräftige Verurteilung erfolgt, sodass § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB anwendbar wäre, besteht für eine analoge Anwendung auf einen unanfechtbaren, den Grund des Anspruchs feststellenden Verwaltungsakt vorliegend auch keinerlei Bedarf und wird - soweit ersichtlich - im Zivilrecht bislang nicht vertreten.
bb) Soweit gegen die herrschende Meinung (vgl. u.a. Henneke in: Knack , VwVfG, 8. Aufl., § 53 Rn. 3; Sachs in: Stelken/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., 53 Rn. 1a und Rn. 10) unter Hinweis auf eine (vermeintlich) "anderenfalls bestehende ungerechtfertigte Ungleichbehandlung zwischen Bürgern und staatlichen Stellen" Bedenken gegen § 53 Abs. 2 VwVfG geltend gemacht werden und eine analoge Anwendung befürwortet wird (so Ramsauer in: Kopp, VwVfG, 10. Aufl., § 53 VwVfG, Rn. 23), wäre die Vorschrift unwirksam und es gälte für die Verjährung insgesamt das BGB. Die Ausdehnung des Anwendungsbereichs würde dagegen die Grenze zwischen Rechtsanwendung und Rechtssetzung überschreiten. Letzteres ist dem Gesetzgeber vorbehalten. Im Übrigen lässt sich die Differenzierung in § 53 Abs. 2 VwVfG (und § 52 Abs. 2 SGB-X) ohne Weiteres rechtfertigen, denn der Verwaltung steht für ihre durch Bescheid festzusetzenden Ansprüche - anders als dem Bürger mit der Leistungsklage auf Zahlung bei Nichtbeachtung des Verwaltungsakts durch die Behörde - wegen der Verwaltungsvollstreckung nicht die Möglichkeit zur Verfügung, diese zusätzlich durch gerichtliche Geltendmachung durchzusetzen und die Verjährungsfrist auf 30 Jahre zu verlängern. Es soll vermieden werden, dass eine Vollstreckung nur wegen der Hemmung der Verjährung eingeleitet werden muss (vgl. Jan Ziekow, VwVfG, § 53 Rn. 11) Die lange Verjährungsfrist ist gegenüber der Behörde auch schon deshalb nicht geboten, weil insoweit bei der Durchsetzbarkeit keine tatsächlichen Schwierigkeiten (unbekannter Aufenthaltsort, Vermögenslosigkeit o.ä.) denkbar sind.
cc) Jedenfalls kommt es vorliegend nicht darauf an, ob § 53 VwVfG gegen seinen Wortlaut und den Gesetzgeberwillen zu korrigieren wäre, weil der hier zu entscheidende Anspruch nicht öffentlich-rechtlicher, sondern privatrechtlicher Natur ist (weshalb zur gerichtlichen Zuständigkeit klarstellend der ordentliche Rechtsweg bestimmt ist; § 6 Abs. 6a S. 5 VermG) und § 53 VwVfG schon nicht anwendbar ist.
b) Der (zukünftigen) Beklagten ist es auch nicht verwehrt, sich auf den Eintritt der Verjährung zu berufen.
aa) Allein durch die Zurückweisung des Anspruchs durch den Schuldner - auch wenn dies eine Behörde ist - wird ein Gläubiger nicht arglistig von der Geltendmachung des Anspruchs abgehalten, sodass der Ausnahmetatbestand einer unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) offenkundig nicht ersichtlich ist. Es bleibt Sache des Gläubigers zu beurteilen, ob die Ablehnung des Anspruchs akzeptiert wird. Er kann die Verjährung nicht willkürlich durch Verzögerung dieser Prüfung hinausschieben. Abgesehen davon, ist es nicht plausibel, wenn die Antragstellerin die Sachlage anlässlich der abschlägigen Antwort mit Schreiben vom 15. April 1999 nicht überblickt haben will, obwohl sie den Bescheid, mit dem der ihr den Anspruch zuerkennende Bescheid zunächst aufgehoben worden war, im Ergebnis erfolgreich angefochten hatte.
bb) Schließlich bleibt es auch Sache des Schuldners, ob und wann er die Einrede der Verjährung erhebt. Ein Verzicht muss ausdrücklich erklärt werden und kann nicht aus den Umständen entnommen werden.
c) Zwar wären grundsätzliche Rechtsfragen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren vorab zu entscheiden, sodass hinreichende Erfolgsaussicht auch dann anzunehmen wäre, wenn das Gericht in der Hauptsache nicht anders entscheiden würde. Die Verweigerung von Prozesskostenhilfe beruht jedoch zum Einen nicht allein auf den Erwägungen zur Verjährungsfrist. Zum Anderen vermag nicht jeder Einwand eine Rechtsfrage als grundsätzlich erscheinen zu lassen. Angesichts des klaren Wortlautes des Gesetzes wäre vorliegend zu 2. a) eine Klärung der Einwände erst im Prozess nicht geboten; die Ausführungen zu § 53 VwVfG sind jedenfalls nicht tragend (siehe 2. a) cc)). Die Ausführungen zu 2. b) sind ersichtlich nicht rechtsgrundsätzlicher Natur.
Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen (§ 127 Abs. 4 ZPO).
Der Wert des Beschwerdeverfahrens war für die außergerichtlichen Gebühren entsprechend dem verfolgten Interesse der Antragstellerin mit dem Wert der Hauptsache festzusetzen (vgl. Philippi in: Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 127 Rn. 55; Schneider/Herget, Streitwert-Kommentar, 12. Aufl., Rn. 4402 ff.).
Ende der Entscheidung
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