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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 10.04.2008
Aktenzeichen: 23 U 84/07
Rechtsgebiete: BGB, EGBGB


Vorschriften:

BGB § 199 Abs. 1
BGB § 195
BGB § 735
BGB § 739
EGBGB Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 23 U 84/07

verkündet am: 10.04.2008

In dem Rechtsstreit

hat der 23. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg, Elßholzstr. 30-33, 10781 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 14.02.2008 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Klasse, den Richter am Landgericht Dr. Gerwing und die Richterin am Kammergericht Gabriel

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das am 03.05.2007 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - Aktenzeichen 19 O 278/06 - im Tenor zu 1. wie folgt abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 48.922,32 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2006 zu zahlen Zug um Zug gegen Befreiung des Beklagten von den Verbindlichkeiten gegenüber der C AG und der E AG.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des nach dem Urteil zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 15 % abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 15 % leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen. Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage einen Auseinandersetzungsanspruch in Höhe von 49.951,23 € abzüglich 1.028,91 € aufgrund unstreitiger Gegenforderungen des Beklagten, mithin 48.922,32 € aus einem beendeten Gesellschaftsverhältnis von dem Beklagten. Dieser war von August 1993 bis zum 31.12.2005 Gesellschafter der Klägerin mit einem Gesellschaftsanteil von zuletzt 2,52076 % gewesen. Die Klägerin erstellte eine Auseinandersetzungsbilanz, aus der sich der mit der Klage geltend gemacht Fehlbetrag ergeben soll. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens erster Instanz und der Begründung der angefochten Entscheidung wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils Bezug genommen.

Mit seiner Berufung rügt der Beklagte, dass entgegen der Ansicht des Landgerichts ein Anspruch auf den Fehlbetrag gemäß § 739 BGB bereits dem Grunde nach gemäß § 15 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrages abbedungen worden sei. Zumindest sei auf den Gesellschaftsvertrag das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen anzuwenden, so dass Unklarheiten zu Lasten der Klägerin gehen würden.

Die zu Unrecht geleisteten Nachschüsse der Gesellschafter seien jedenfalls insoweit aus der Bilanz herauszurechnen, als jene unzweifelhaft verjährt seien. Insoweit gelte auch nicht das Vorsichtigkeitsprinzip, das nur für Bilanzen, die im Rahmen eines Jahresabschlusses erstellt werden, Anwendung finde.

Weiterhin seien die mit den Banken abgeschlossenen Darlehensverträge unwirksam, da die T nicht umfassend mit der Geschäftsführung betraut gewesen sei, sondern ihre Tätigkeit schwerpunktmäßig auf dem Gebiet der Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten gelegen habe. Dementsprechend hätten die angeblichen Verbindlichkeiten der Klägerin gegenüber den Banken nicht passiviert werden können. Eine Genehmigung des Darlehens sei jedenfalls gegenüber der C AG nicht vor dem Ausscheiden des Beklagten erfolgt, da die Klägerin mit dieser Bank einen Vergleich erst mit Wirkung zum 09.03.2006 geschlossen habe.

Bei der Einstellung der Verbindlichkeit gegenüber der E Bank in die Bilanz habe die Klägerin nicht dem Umstand Rechnung getragen, dass ihre Gesellschafter der E nur anteilmäßig bis zu insgesamt 350.000,00 € mit ihrem Privatvermögen haften würden. Die Ausführungen des Landgerichts dazu seien unzutreffend und berücksichtigten nicht Sinn und Zweck der Nachschussverpflichtung. Würde man dieser Auffassung folgen, würde dies eine unzulässige Kündigungsbeschränkung bedeuten.

Der Beklagte beantragt,

in Abänderung des am 03.05.2007 verkündeten Urteils des Landgerichts Berlin - 19 O 278/06 - die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

Die Klägerin tritt der Berufung aus den bereits erstinstanzlich von ihr vorgebrachten sachlichen und rechtlichen Gründen unter Verteidigung der angefochtenen Entscheidung entgegen.

II.

Die zulässige, insbesondere unter Beachtung der Form- und Fristvorschriften eingelegte Berufung ist nur in geringem Umfang erfolgreich und im Wesentlichen unbegründet. Das Landgericht hat zu Recht einen Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Zahlung eines Fehlbetrages von 49.951,23 € abzüglich des zur Aufrechnung gestellten Betrages von 1.028,91 €, mithin 48.922,32 € nebst Zinsen gemäß § 739 BGB bejaht.

1.

Entsprechend den Ausführungen des Landgerichts steht die Regelung in § 15 Absatz 2 des Gesellschaftsvertrages der Haftung des Ausscheidenden für einen Fehlbetrag nicht entgegen. Auch wenn die Überschrift des § 15 den Eindruck zu erwecken versucht, es bestünde bei Ausscheiden eines Gesellschafters nur die Möglichkeit, ein Auseinandersetzungsguthaben verlangen zu können, ergibt sich jedoch bei der gebotenen objektiven Auslegung, dass die Verpflichtung zur evtl. Zahlung eines Fehlbetrages nicht ausgeschlossen werden sollte. Eine solche für die Gesellschaft einschneidende und eher ungewöhnliche Regelung hätte vielmehr ausdrücklich vereinbart werden müssen. Insoweit kommt es nicht entscheidend darauf an, ob sich zusätzlich aus der Formulierung in § 15 Absatz 6 des Gesellschaftsvertrages ein Argument gegen die Abbedingung von § 739 BGB herleiten lässt.

Auch der Hinweis auf die Bestimmungen über Allgemeine Geschäftsbedingungen ändert nichts an der Rechtslage, da selbst die Unwirksamkeit der Regelung in § 15 des Gesellschaftsvertrages wegen Unklarheit das Eingreifen der gesetzlichen Regelung von § 739 BGB zur Folge hätte.

2.

Entgegen der Ansicht des Beklagten sind die offenen Darlehensforderungen der E AG und der C AG in die Auseinandersetzungsbilanz in voller Höhe einzustellen.

Die Darlehensverbindlichkeit gegenüber der E AG beruht auf dem von der Klägerin selbst mit der Bank noch vor dem Austritt des Beklagten abgeschlossenen Vertrag vom September 2005.

Aber auch der Darlehensvertrag mit der C AG ist wirksam zustande gekommen, auch wenn bei Abschluss des ursprünglichen Vertrages die Klägerin von der T vertreten worden war. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen die Vorschriften des Rechtsberatungsgesetzes vor, selbst wenn nur ein Teil von Geschäftsführungsaufgaben auf einen Dritten, hier die T übertragen wurde. Insoweit wird auf die in der Verfügung des Senats vom 08.10.2007 genannte Rechtsprechung des BGH sowie ergänzend auf die Entscheidung des BGH im Urteil vom 15.02.2005 - XI ZR 396/03 - Bezug genommen. Dort hat der BGH wie folgt ausgeführt:

"Die Beauftragung der Geschäftsbesorgerin mit der Vornahme aller zur Erreichung des Gesellschaftszwecks erforderlichen oder zweckmäßigen Rechtsgeschäfte und die Erteilung der dazu erforderlichen umfassenden Abschlussvollmacht begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Eine BGB-Gesellschaft, deren Geschäfte ein nicht zum Kreis der Gesellschafter zählender Dritter führt, entspricht zwar nicht dem gesetzlichen Regeltyp, ist aber rechtlich zulässig (BGH, Urteil vom 22. März 1982 - II ZR 74/81, NJW 1982, 2495 m.w.Nachw.) und bei Publikumsgesellschaften wie der vorliegenden GbR allgemein üblich (vgl. Münchener Kommentar zum BGB/Ulmer, 4. Aufl. § 709 Rdn. 6 m.w.Nachw.). Die umfassende Vollmacht der Geschäftsbesorgerin verstößt nicht etwa gegen das Rechtsberatungsgesetz. Nichts spricht dafür, die Wirksamkeit des Geschäftsbesorgungsvertrages und der Vollmachtserteilung insoweit von der Gesellschafterstellung des Vertreters der BGB-Gesellschaft abhängig zu machen."

Es ist kein Grund ersichtlich, warum die beschränkte Vollmacht, wie sie vorliegend der TREUCON erteilt worden war, im Gegensatz zur umfassenden Vollmacht dem Anwendungsbereich von Art. 1 § 1 Absatz 1 des Rechtsberatungsgesetzes unterfallen sollte, zumal die der TREUCON übertragenen Tätigkeiten sich auf die Wahrnehmung vornehmlich wirtschaftlicher und nicht rechtsberatender Belange beschränkten und zudem die Einschaltung eines Treuhänders allein zum Schutz der Gesellschafter und aus steuerrechtlichen Aspekten erfolgt war.

Ebenso wenig ist in der Auseinandersetzungsbilanz zu berücksichtigen, dass die Gesellschafter im Außenverhältnis gegenüber der E AG nur beschränkt haften. Insoweit wird ebenfalls auf die Ausführungen in der vorgenannten Verfügung verwiesen sowie auf die zutreffenden Darlegungen auf Seite 8 f. des angefochtenen Urteils.

Der Beklagte übersieht bei seiner Argumentation auf Seite 4 des - im Übrigen nicht nachgelassenen - Schriftsatzes vom 27.02.2008, dass ein Verzicht der E AG auf die persönliche Haftung der Gesellschafter für die gesamte Forderung nur die Frage der Sicherung des Kredits betrifft. Dadurch änderte sich jedoch weder der Wert des Gesellschaftsvermögens noch die Höhe der Schuld der Gesellschaft. Der Ansicht des Beklagten, durch die aufgrund einer Kündigung eintretende Benachteiligung sei sein Kündigungsrecht in unzulässiger Weise erschwert, kann nicht gefolgt werden. Denn so wie § 735 BGB im Falle der Auflösung der Gesellschaft nur im Innenverhältnis gilt und keinen unmittelbaren Anspruch des Gläubigers gegen die zur Ausgleichung des Fehlbetrages verpflichteten Gesellschafter begründet (vgl. Ulmer in Münchener Kommentar, BGB, 4. Aufl., § 735 Rz. 2), ist auch § 739 BGB eine Regelung, die ausschließlich das Verhältnis der Gesellschaft zu ihrem ausscheidenden Gesellschafter betrifft. Die Abrede mit dem Gläubiger über den Umfang der persönlichen Haftung befreit dagegen grundsätzlich nicht den Gesellschafter im Innenverhältnis (Schmidt in Münchener Kommentar, HGB, 2. Aufl., § 128 Rz. 14 a.E.) und kann sich daher auch nicht auf interne gesellschaftsrechtliche Belange auswirken.

3.

Offen bleiben kann, ob - wie unter dem 08.10.2007 ebenfalls den Parteien mitgeteilt - die von den Gesellschaftern geleisteten Nachschüsse, soweit sie ohne Rechtsgrund geleistet wurden und aufgrund zwischenzeitlich eingetretener Verjährung nicht zurückgefordert werden könnten, nicht als Passivposten in die Bilanz einzustellen sind.

Denn es ist davon auszugehen, dass eine Verjährung solcher Rückforderungsansprüche jedenfalls bis zum 31.12.2005 noch nicht eingetreten war und die Beklagte deshalb verpflichtet ist, diese Forderungen als Passivposten zu berücksichtigen, selbst wenn die Ansprüche noch nicht von den Gesellschaftern geltend gemacht worden waren. Es ist davon auszugehen, dass diese Forderungen jedenfalls zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Beklagten nicht einredebehaftet waren.

Richtet sich die Verjährung nach der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB, so ist nach der neuesten Rechtsprechung des BGH der Fristbeginn in Überleitungsfällen gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB unter Einbeziehung der subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 BGB zu berechnen (BGH Urteil vom 23.01.2007 - XI ZR 44/06 -). Erforderlich ist mithin für alle Ansprüche aus Bereicherungsrecht die Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen, mithin die Kenntnis der Gesellschafter, dass sie die Nachschüsse ohne rechtliche Verpflichtung gezahlt haben. Die obergerichtliche Rechtsprechung zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Gesellschafter zur Zahlung von Nachschüssen herangezogen werden kann, war jedoch zumindest bis Ende 2005 noch nicht eindeutig. Hatte z.B. der 23. Zivilsenat des Kammergerichts noch im Mai 2005 die Auffassung vertreten, dass der vorliegende Gesellschaftsvertrag die Nachschussverpflichtung hinreichend regeln würde, so kann eine Kenntnis der Gesellschafter von einer Leistung ohne Rechtsgrund naturgemäß nicht zu jenem Zeitpunkt angenommen werden. Mithin kann die Verjährung von Rückforderungsansprüchen frühestens nach dem Erlass der Urteile des BGH Ende 2006/Anfang 2007 (vgl. z.B. das Urteil des BGH zur Nachschussverpflichtung in ZIP 2007, 766) begonnen haben.

Da der Beklagte gegen die von der Klägerin zugrunde gelegten Zahlen in der Auseinandersetzungsbilanz gemäß Anlage K 4 keine Einwände mehr erhoben hat, kommt es nicht darauf an, nach welchen Grundsätzen die Darlehensverbindlichkeiten in die Bilanz einzustellen sind. Vielmehr ist die zwischen den Parteien getroffene Schiedsvereinbarung (Anlage K 8) maßgeblich. Nach der Bilanz berechnet sich der Fehlbetrag unter Berücksichtigung des dort enthaltenen Rechenfehlers auf 49.951,23 €. In Höhe von 1.028,91 € ist dieser Anspruch nach Rechtshängigkeit durch Aufrechnung erloschen. Dementsprechend hat das Landgericht zutreffend die Erledigung des Rechtsstreits insoweit festgestellt.

III.

Die Berufung des Beklagten ist allerdings in geringem Umfang begründet, da die Zug-um-Zug-Verpflichtung der Klägerin zur Befreiung von Verbindlichkeiten sich nur auf konkrete Schulden beziehen kann. Der Begriff der "sonstigen Verbindlichkeiten" ist nicht bestimmbar und damit nicht vollstreckungsfähig.

IV.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 92 Absatz 2 Satz 1 ZPO; der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1 und 2 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Absatz 2 Satz 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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