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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 20.01.2003
Aktenzeichen: 23 W 241/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 269 Abs. 3 Satz 3
ZPO § 567
1.

Ist der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen und wird die Klage daraufhin unverzüglich zurückgenommen, so kann eine Entscheidung über die Kosten gemäß § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO nur dann ergehen, wenn ein Prozessrechtsverhältnis begründet worden ist, die Klage also - ggfs. nachträglich - zugestellt worden ist.

2.

Der Beschluss, durch den der Richter einer sofortigen Beschwerde nicht abhilft und sie dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorlegt, ist unanfechtbar. Die somit nicht statthafte sofortige Beschwerde gegen einen solchen Beschluss ist nicht selbständig als unzulässig zu verwerfen, solange eine Entscheidung über das Ausgangsrechtsmittel noch möglich ist, da dann von einem einheitlichen Rechtsmittel auszugehen ist.


KAMMERGERICHT Beschluss

Geschäftsnummer: 23 W 241/02

In dem Rechtsstreit

hat der 23. Zivilsenat des Kammergerichts am 20. Januar 2003 durch den Richter am Kammergericht Domke beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers werden der Beschluss der Zivilkammer 36 des Landgerichts Berlin vom 4. Oktober 2002 aufgehoben und der Antrag der Beklagten vom 13. Juni 2002 zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Wert von bis zu 9.000 € zu tragen.

Gründe:

Der Kläger begehrte von der Beklagten die Zustimmung zur Löschung einer vormerkungswidrigen Sicherungshypothek. Nach Klageeinreichung bewilligte die Beklagte die Löschung des Grundpfandrechts. Die Sicherungshypothek wurde daraufhin im Grundbuch gelöscht. Der Kläger zahlte den Gerichtskostenvorschuss nicht mehr ein, sondern nahm die Klage zurück. Auf Antrag der Beklagten hat das Landgericht dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe nicht zur Klageerhebung Anlass gegeben. Der unselbständige Hilfsanspruch gemäß § 888 BGB könne nicht vor dem durch die Vormerkung gesicherten Anspruch fällig werden, so dass die Beklagte nicht verpflichtet gewesen sei, auf die vorangegangene Aufforderung des Klägers ihren Antrag auf Eintragung der Sicherungshypothek zurückzunehmen. Nach Eintritt der Fälligkeit des gesicherten Anspruchs habe der Kläger die Beklagte nicht (erneut) aufgefordert, der begehrten Löschung zuzustimmen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers, der das Landgericht nicht abgeholfen hat.

Die gemäß § 269 Abs. 5 Satz 1 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 572 Abs. 1 Satz 1, 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO im Übrigen zulässig.

Das Rechtsmittel ist auch begründet. Für eine Kostenentscheidung ist bereits mangels Begründung eines Prozessrechtsverhältnisses kein Raum.

Gemäß § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO bestimmt sich die Kostentragungspflicht, wenn der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen ist und die Klage daraufhin unverzüglich zurückgenommen wird, unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen. Die Rücknahme einer Klage im Sinne von § 269 ZPO ist indes nur möglich in der Zeitspanne zwischen Rechtshängigkeit und Rechtskraft. Nur eine schon durch Zustellung erhobene Klage kann mit einer Kostenfolge zurückgenommen werden. Gleiches gilt für eine Rücknahme nach Einreichung, aber vor der dann noch vorgenommenen Zustellung oder nach nicht ordnungsgemäßer Zustellung, wenn der Zustellungsmangel geheilt wurde. Voraussetzung ist stets, dass ein Prozessrechtsverhältnis begründet wurde, anderenfalls es an einem Rechtsstreit mangelt, über dessen Kosten zu befinden ist (Baumbach/Hartmann, ZPO, 61. Aufl., § 269, Rdn. 39; Stein/Jonas/Schumann, ZPO, 21. Aufl., § 269, Rdn. 7; Müko-ZPO-Lüke, 2. Aufl., § 269, Rdn. 14; OLG Karlsruhe NJW-RR 1986, 1013; missverständlich Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 269, Rdn 8 a). Daran fehlt es hier. Die Klage wurde mangels Zahlung des Gerichtskostenvorschusses nicht zugestellt. Im Rahmen des Streits um die Kostentragungspflicht hat das Landgericht der Beklagten ausdrücklich nur die einfache Abschrift der Klage zur Information übermittelt. Der Kläger hat daher lediglich sein Rechtsschutzverlangen zurückgenommen.

An dieser Rechtslage hat die durch die Zivilprozessreform in das Gesetz eingefügte Bestimmung des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO nichts geändert. Auch hier ist die - ggfs. spätere - Zustellung der Klage erforderlich. Die Vorschrift knüpft als Ausnahme an den in § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO geregelten Grundfall der Kostentragungspflicht an und hat damit ebenfalls die Kosten des Rechtsstreits zum Gegenstand. Der Gesetzgeber hat nur den Fall regeln wollen, dass eine Klage rechtshängig wird, der Anlass zu ihrer Einreichung aber vor Eintritt der Rechtshängigkeit weggefallen ist. Dies ergibt sich insbesondere aus der amtlichen Begründung, in der die für diese Fallgestaltung bislang maßgebliche Rechtslage aufgezeigt und ausdrücklich als unbefriedigend bezeichnet wird (BT-Drucks. 14/4722, S. 81). Liegt sonach schon keine (unbewusste) Gesetzeslücke vor, ist für eine Analogie kein Raum (so aber Musielak/Foerste, ZPO, 3. Aufl., § 269, Rdn. 13).

Bei dieser Sachlage bedürfen die von dem Landgericht aufgeworfenen materiellrechtlichen Fragen keiner Beantwortung mehr.

Der Kläger hat ferner gegen den Nichtabhilfebeschluss des Landgerichts vom 29. Oktober 2002 sofortige Beschwerde mit der Begründung eingelegt, es habe seiner Beschwerde zwar nicht abgeholfen, die Sache aber nicht dem Senat vorgelegt. Er hat trotz des telefonischen Hinweises der Kammer, dass die Sache sehr wohl dem Beschwerdegericht vorgelegt worden sei und hier unter dem obigen Geschäftszeichen bearbeitet werde, an seinem Rechtsmittel festgehalten.

Die Beschwerde ist unzulässig, weil unstatthaft. Die Nichtabhilfe stellt keine Entscheidung im Sinne von § 567 Abs. 1 ZPO dar. Das Landgericht hat sich gerade einer eigenen Entscheidung enthalten, das Rechtsmittel des Klägers ist daher nicht verbraucht. Die Pflicht zur Vorlage an das Beschwerdegericht folgt aus dem Gesetz, mag es auch sinnvoll erscheinen, in dem Nichtabhilfebeschluss auf die Vorlage an das Beschwerdegericht hinzuweisen. Dem Kläger war aufgrund der Verfügung des Senats vom 16. Dezember 2002 bekannt, dass das Landgericht sein Rechtsmittel vorgelegt hatte. Umso unverständlicher ist, dass er ausweislich des Vermerks des Landgerichts noch am 14. Januar 2003 an der Vorlage seiner Beschwerde gegen den Nichtabhilfebeschluss an den Senat festgehalten hat.

Die Unstatthaftigkeit der sofortigen Beschwerde gegen den Vorlagebeschluss des Landgerichts zwingt hier aber nicht dazu, diese als unzulässig zu verwerfen. Sie ist zusammen mit der Beschwerde gegen den Kostenbeschluss des Landgerichts als einheitliches Rechtsmittel anzusehen. Insoweit ist die Rechtslage vergleichbar der einer wiederholten Einlegung eines sonstigen Rechtsmittels durch dieselbe Partei innerhalb der noch laufenden Rechtsmittelfrist (OLG München JurBüro 1971, 1025; nicht problematisiert von OLG Hamm JurBüro 1971, 639; offen gelassen von LG Berlin JurBüro 1983, 1890), bei der nur ein Rechtsmittel vorliegt (BGHZ 45, 380 zur Berufung).

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 91 ZPO, die über die Festsetzung des Wertes des Beschwerdeverfahrens auf § 3 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen dafür gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind. Eines Ausspruchs in der Beschlussformel bedurfte es insoweit nicht (Zöller/Gummer, a.a.O., § 574, Rdn. 14).

Ende der Entscheidung

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