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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 30.08.2004
Aktenzeichen: 24 U 295/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 366 Abs. 1
Leistet ein Schuldner in Unkenntnis einer im Wege des verlängerten Eigentumsvorbehalts erfolgten Teilabtretung seinerseits nur einen Teilbetrag an den bisherigen Gläubiger steht ihm nach der Kenntniserlangung von der Teilabtretung ein nachtägliches Tilgungsbestimmungsrecht entsprechend § 366 Abs. 1 BGB zu.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 24 U 295/02

verkündet am : 30. August 2004

In dem Rechtsstreit

hat der 24. Zivilsenat des Kammergerichts Elßholzstraße 30 - 33, 10781 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 30. August 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Dr. Briesemeister und die Richterinnen am Kammergericht Kingreen und Hinrichs

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 25. Juli 2002 - 93 O 1/02 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Wegen des Sachverhalts wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und ergänzend ausgeführt:

Das Landgericht hat die Klage, mit der die Klägerin aus abgetretenem Recht Restwerklohnansprüche der Annnn und Pnnn Hnnn -Snnn -Mnnn Gnn begehrt, mit Urteil vom 25. Juli 2002, der Klägerin zugestellt am 10. September 2002, abgewiesen.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen darauf abgestellt, dass der Klägerin aufgrund der nachträglichen Tilgungsbestimmung, die die Beklagte nach Offenlegung der Abtretung getroffen habe, keine Restwerklohnansprüche mehr zustünden. Dass die Klägerin von dem ehemaligen Geschäftsführer der Zedentin zur Prozessführung ermächtigt worden sei, habe sie nicht substantiiert dargetan.

Hiergegen hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2002, eingegangen am gleichen Tage, Berufung eingelegt und diese nach gewährter Fristverlängerung bis zum 11. Dezember 2002, mit Schriftsatz vom gleichen Tage begründet.

Unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags ist die Klägerin der Ansicht, dass das angefochtene Urteil sowohl unter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften zustande gekommen als auch materiell-rechtlich fehlerhaft sei. So hätte das Landgericht den Beweisantritt durch das Zeugnis des Geschäftsführers Mnnn Annnn bezogen auf die im Jahre 2001 erfolgte Ermächtigung zur Einziehung der gesamten Forderung nicht übergehen dürfen. Das Landgericht habe § 15 HGB verkannt. Ferner habe es die Eigentumsvorbehaltsklausel in den Allgemeinen Lieferbedingungen falsch ausgelegt, in dem es davon ausgegangen sei, dass die Werklohnforderung nicht in voller Höhe des noch valutierenden Restwerklohns, sondern nur in Höhe des Rechnungsbetrages für die gelieferte Ware, abgetreten worden sei. Mit der Annahme eines nachträglichen Tilgungsbestimmungsrechts privilegiere das Landgericht ohne ersichtlichen Grund den zahlungsunwilligen Schuldner und gebe diesem die Möglichkeit, sich seiner bestehenden Zahlungspflicht dauerhaft zu entziehen. Die Differenz zwischen dem mit der Klage geltend gemachten Restwerklohn und der durch die Rechnungen nachgewiesenen Forderungen aus den streitgegenständlichen Lieferungen sei unbeachtlich, da sie auch in gewillkürter Prozessstandschaft klage. Die Erhebung der Verjährungseinrede durch die Beklagte sei aufgrund ihres vorprozessualen Verhaltens rechtsmissbräuchlich.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Berlin - 93 O 1/02 - vom 25. Juli 2002 insoweit abzuändern, dass die Beklagte verurteilt wird, an sie Euro 184.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 % seit dem 9. Juni 1998 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte nimmt im Wesentlichen auf ihren erstinstanzlichen Vortrag Bezug und vertieft diesen. Das angefochtene Urteil sei rechtsfehlerfrei. Zutreffend habe das Landgericht aufgrund des unvollständigen Vortrags der Klägerin zur Frage der Erteilung der Einzugsermächtigung von einer Beweiserhebung abgesehen. Die Klägerin sei nicht Inhaberin der Forderungen. Diese seien erloschen. Im Übrigen sei die Durchsetzbarkeit derselben gehindert, da sie verjährt seien. Ferner stünden ihr Gegenrechte in die Klageforderung übersteigender Höhe zu.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die, die gesetzlichen Formen und Fristen wahrende Berufung hat keinen Erfolg.

Gemäß §§ 513, 546 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

Die Klage ist aus den zutreffenden Gründen des erstinstanzlichen Urteils unbegründet.

Der Klägerin standen im Wege des verlängerten Eigentumsvorbehalts abgetretene Werklohnforderungen für die Bauvorhaben Knnnnnnn und Knn -Nnn in der vom Landgericht rechtsfehlerfrei ermittelten Höhe zu. Im Übrigen hat die Klägerin keine Forderungen.

1. Die Werklohnforderungen der Zedentin sind gemäß Abschnitt VII Ziffer 4 und 5 der Verkaufs- und Lieferbedingungen der Klägerin an diese nur in der Höhe des Rechnungsbetrages für die gelieferten Waren, die, die Zedentin in Erfüllung des ihrer Werklohnforderung zugrunde liegenden Werkvertrages verarbeitet hat, abgetreten worden. Hiervon geht das Landgericht zu Recht aus.

Der Abtretung aufgrund des verlängerten Eigentumsvorbehalts steht das in den besonderen Vertragsbedingungen für Bauleistungen und Lieferungen der Beklagten vereinbarte Abtretungsverbot nicht entgegen. Rechtsfehlerfrei nimmt das Landgericht an, dass das wirksam vereinbarte Abtretungsverbot (BGH WM 1991, 554 ff) dem vereinbarten Eigentumsvorbehalt nachrangig ist, da dieser wirksam zwischen der Klägerin und der Zedentin bereits am 6. September 1993 vereinbart worden ist. Das Abtretungsverbot, welches die Zedentin mit der Beklagten aufgrund der Vergabeverhandlungen vom 23. August 1993 ausgehandelt hat, ist erst später ab Februar 1994 durch Einbeziehung der besonderen Vertragsbedingungen in die einzelnen geschlossenen Werkverträge zum Vertragsbestandteil geworden.

Abschnitt VII Ziffer 4 und 5 der Verkaufs- und Lieferbedingungen der Klägerin verstoßen auch nicht gegen das Transparenzgebot (§§ 9, 24 AGBG). Eine unangemessene Benachteiligung kann sich aus der Unklarheit oder Undurchschaubarkeit einer Regelung ergeben. Das Transparenzgebot verpflichtet den Verwender, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners in AGB möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei gebieten Treu und Glauben auch, dass die Klausel wirtschaftliche Nachteile und Benachteiligungen soweit erkennen lässt, wie nach den Umständen gefordert werden kann. Bei der Beurteilung dieser Frage ist auf den aufmerksamen und sorgfältigen Teilnehmer am Wirtschaftsverkehr abzustellen (Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Auflage, Kommentierung zum AGBG, Rdnr. 15 ff zu § 9). Die Klausel in Abschnitt VII Ziffer 4 und 5 genügt diesen Anforderungen. Die Worte "Auftragnehmer und Auftraggeber" sind nicht uneinheitlich und verwirrend benutzt. Vielmehr geben sie den verlängerten Eigentumsvorbehalt und seine Folgen wieder. Ziffer 4 des VII Abschnitts trägt dem gesetzlichen Leitbild des verlängerten Eigentumsvorbehalts Rechnung. In Ziffer 5 ist der Eigentumsvorbehalt für den Fall geregelt, dass der Auftragnehmer (Käufer) die gelieferte Ware zur Erfüllung eines Werk- oder Werklieferungsvertrages verwendet. Soweit diese Regelungen Unklarheiten enthalten sollten, gehen diese zu Lasten des Verwenders, führen jedoch nicht zu einem Verstoß gegen das Transparenzgebot.

Das Landgericht geht rechtlich zutreffend davon aus, dass bei kundenfreundlicher Auslegung dieser Klausel die Forderung nur in Höhe des Rechnungsbetrages als abgetreten gilt. Eine andere Auslegung, wie von der Klägerin begehrt, würde zur Unwirksamkeit der Klausel wegen einer ursprünglichen Übersicherung der Klägerin führen (BGH WM 1998, 856 ff; OLG Hamm WM 2002, 451 ff). Auf die Freigabeklausel käme es bei einer ursprünglichen Übersicherung nicht an.

Die Klausel ist auch nicht wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot unwirksam. Die nicht verbotene Abtretung ist wirksam, auch wenn die Bestimmbarkeit der einzelnen Forderung weder zur Zeit der Abtretung noch zur Zeit ihrer Entstehung in jedem Fall gewährleistet ist; es genügt, dass die Forderung individualisierbar ist (BGH BGHZ 27, 306).

Sie ist auch nicht deshalb unwirksam, wovon das Landgericht zutreffend ausgeht, weil die in Höhe des jeweiligen Rechnungsbetrages für die Lieferungen abgetretene Werklohnforderung dem Range nach nicht bestimmt ist. Der verlängerte Eigentumsvorbehalt hat die einheitliche Werklohnforderung der Zedentin gegenüber der Beklagten in einen der Klägerin zustehenden und einen der Zedentin verbleibenden Werklohnteil aufgespalten. Teilforderungen, die durch Aufspaltung einer auf einem einheitlichen Rechtsgrund beruhenden Forderung entstehen, haben untereinander den gleichen Rang (BGH NJW 1991, 2629).

Soweit die Beklagte erstmals in der zweiten Instanz weitere vorrangige Abtretungen behauptet, ist dieser bestrittene Vortrag gemäß §§ 529, 531 Abs. 2 ZPO nicht berücksichtigungsfähig.

Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten, wovon das Landgericht ohne Rechtsfehler ausgeht, auch nicht auf ihren Eigentumsvorbehalt verzichtet. Auf die insoweit zutreffenden Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils wird Bezug genommen.

Auch wegen der Höhe der im Einzelnen aufgrund des verlängerten Eigentumsvorbehalts an die Klägerin abgetretenen Werklohnforderungen wird auf die rechtsfehlerfreien Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

2. Weitere Forderungen standen der Klägerin nicht zu. Soweit sie eine gewillkürte Prozessstandschaft aufgrund einer durch den Zeugen Mnnn Annnn im Dezember 2001 erteilten Einzugsermächtigung behauptet hat, hat sie auf die Auflage des Senats vom 14. Januar 2004, ihren Vortrag zu substantiieren, mit Schriftsatz vom 25. Februar 2004 mitgeteilt, dass weiterer Vortrag nicht erfolgen werde. Der Vortrag der insoweit darlegungspflichtigen Klägerin ist, worauf bereits das Landgericht in dem angefochtenen Urteil hingewiesen hat, nicht ausreichend. Hierauf hat der Senat mit dem vorgenannten Auflagen- und Hinweisbeschluss hingewiesen. Dass im Dezember 2001 freie, nicht durch vorrangige Abtretungen belastete Forderungen zugunsten des Mnnn An nnn bzw. der Zedentin vorhanden gewesen wären, ergibt sich auch nicht aus den beigezogenen Insolvenzakten des Amtsgerichts Charlottenburg 36 N 293/96.

3. Die in dem vorgenannten Umfang an die Klägerin abgetretenen Werklohnforderungen sind durch entsprechend hohe Zahlungen der Beklagten an die Zedentin gemäß §§ 362, 366 Abs. 1 BGB erloschen. Auf die insoweit rechts- und verfahrensfehlerfreien Ausführungen des Landgerichts Berlin in dem angefochtenen Urteil insbesondere zur Höhe der unstreitigen Zahlungen wird Bezug genommen.

Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass die Beklagte berechtigt war, nachträglich zu bestimmen, dass ihre an die Zedentin geleisteten Zahlungen zunächst den im Voraus an die Klägerin abgetretenen Teil der Werklohnforderung tilgen sollten. Leistet ein Schuldner in Unkenntnis einer im Wege des verlängerten Eigentumsvorbehaltes erfolgten Teilabtretung seinerseits nur einen Teilbetrag an den bisherigen Gläubiger steht ihm nach der Kenntniserlangung von der Teilabtretung ein nachträgliches Tilgungsbestimmungsrecht entsprechend § 366 Abs. 1 BGB zu (OLG Hamm BauR 2002, 638; Wenzel in: Münchener Kommentar, BGB, 4. Auflage, § 366 Rdnr. 3). Hierdurch wird die Beklagte entgegen der Ansicht der Klägerin nicht privilegiert. Durch die stille Zession in Form des verlängerten Eigentumsvorbehalts besteht die Gefahr, dass die Forderung auf verschiedene Gläubiger aufgespalten wird, ohne dass dem Schuldner dies im Zeitpunkt der Zahlung bekannt ist. Hätte er im Zeitpunkt der Zahlung Kenntnis von der Aufspaltung gehabt, hätte er die Möglichkeit der Tilgungsbestimmung bei der Leistung gemäß § 366 BGB gehabt. An der Wahrnehmung dieses Rechts war er jedoch aufgrund der Unkenntnis von der Abtretung gehindert. Allein durch die Einräumung der Möglichkeit der nachträglichen Tilgungsbestimmung im Zeitpunkt der Kenntniserlangung von der stillen Zession, wird die Vorstellung, die der gesetzlichen Regelung des § 366 BGB zugrunde lag, nämlich, dass der Schuldner bei der Leistung das Wahlrecht haben soll, die zu tilgende Schuld frei zu bestimmen, realisiert. Der Schuldner muss daher Kenntnis von seinem Wahlrecht haben. Die stille Zession aufgrund des verlängerten Eigentumsvorbehalts zum Vorteil des Warenlieferanten, soll den Schuldner nicht benachteiligen. Der Einwand der Klägerin, dass dem Schuldner die Rechte aus den §§ 404, 406, 407 BGB erhalten bleiben, ist dagegen unerheblich (OLG Hamm a.a.O).

Der Sachverhalt, der den von der Klägerin zur Stützung ihrer Rechtsansicht eingereichten Urteilen des OLG Zweibrücken - Urteil vom 4. November 1997, 5 U 55/96 - und des OLG Köln - Urteil vom 29. Mai 1998, 19 U 239/97 - zugrunde lag, ist mit dem hiesigen nicht vergleichbar. In keinem der Fälle ging es um die Abtretung einer Teilforderung aufgrund verlängerten Eigentumsvorbehalts, der dem Schuldner im Zeitpunkt der Zahlung nicht bekannt war.

4. Die Fragen, ob die Durchsetzbarkeit der Forderung aufgrund eingetretener Verjährung gehindert ist, ob das Recht der Klägerin, die Beklagte aus den im Voraus abgetretenen Werklohnforderungen in Anspruch zu nehmen verwirkt ist, und ob die Beklagte Gegenrechte hat, konnten dahingestellt bleiben.

5. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

6. Die Revision war wegen der Frage der Zulässigkeit einer nachträglichen Tilgungsbestimmung zuzulassen, da diese Frage grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 1. Alt. ZPO). Es fehlt bisher an einer höchstrichterlichen Klärung der Rechtsfrage.



Ende der Entscheidung

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