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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 07.11.2005
Aktenzeichen: 24 W 143/05
Rechtsgebiete: WEG, ZPO, BGB


Vorschriften:

WEG § 47
ZPO § 100
BGB § 426
Gerichtliche und außergerichtliche Kosten, die durch Gerichtsentscheidung rechtskräftig Wohnungseigentümern als Gesamtschuldnern auferlegt sind, müssen in der Jahresabrechnung in den Einzelabrechnungen nach dem allgemeinen Verteilungsschlüssel umgelegt werden, nicht nach Kopfteilen. Wegen Abweichung von OLG Düsseldorf ZMR 2003, 228 Vorlage an den Bundesgerichtshof gemäß § 28 FGG.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 24 W 143/05

In dem Wohnungseigentumsverfahren

betreffend die Wohnanlage Annnnn nnnn , nnnn in 1nn Bnnn

hat der 24. Zivilsenat des Kammergerichts auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu III. gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 1. Juli 2005 - 85 T 534/02 WEG - durch die Richterin am Kammergericht Kingreen, den Richter am Amtsgericht Einsiedler und die Richterin am Kammergericht Hinrichs am 7. November 2005 beschlossen:

Tenor:

Die Sache wird gemäß § 28 FGG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

Gründe:

I.

In dem vorliegenden Rechtsbeschwerdeverfahren geht es um die sofortige Erstbeschwerde der Antragsteller zu II., die sich gegen die Zurückweisung ihrer Anfechtungsanträge betreffend die Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft vom 13. Dezember 2001 zu TOP 4 (Jahresabrechnung 1999) und TOP 5 (Jahresabrechnung 2000) durch das Amtsgericht im Teilbeschluss vom 26. November 2002 richtet. Die Antragsteller zu II. haben im Erstbeschwerdeverfahren mit ihren Anfechtungsanträgen das Ziel verfolgt, dass die in den Jahren 1999 und 2000 angefallenen "Rechtskosten" (gerichtliche und außergerichtliche Kosten in verschiedenen WEG-Verfahren) nach Miteigentumsanteilen verteilt werden anstatt - wie geschehen - nach Kopfteilen.

Die Beteiligte zu IV. hat in die am 13. Dezember 2001 genehmigten Jahresabrechnungen die nachfolgenden Rechtskosten eingestellt und diese in den Einzelabrechnungen wie folgt nach Kopfteilen verteilt, wobei auf die weitere Beteiligte zu III. 1. ein Kopfteil entfällt (vgl. Blatt 54 ff. der hinzuverbundenen Akte 70 II 19/02 WEG).

Jahresabrechnung 1999:

- DM 1.426,80 = Rechtsanwaltskosten für das Verfahren vor dem Amtsgericht Charlottenburg 70 II 382/98, bezahlt am 27. Oktober 1999, verteilt nach Kopfteilen einschließlich der vormaligen Verwalterin Wnnn Hnn - und nnnnnnnnnn GmbH, ausgenommen die Antragsteller zu I.

- DM 1.020,80 = Rechtsanwaltskosten für das Verfahren vor dem Amtsgericht Charlottenburg 70 II 645/98, bezahlt am 3. November 1999, verteilt nach Kopfteilen, ausgenommen die Antragsteller zu I.

- DM 1.531,20 = Rechtsanwaltskosten (Teilrechnung) für das Verfahren vor dem Amtsgericht Charlottenburg 70 II 737/98, bezahlt am 22. September 1999, verteilt nach Kopfteilen, ausgenommen die Antragsteller zu I. sowie die Wohnungseigentümer Annn und Rnnnn .

Jahresabrechnung 2000:

- DM 764,67 = Allgemeine Rechts- und Beratungsgebühren im Hinblick auf Aktivitäten der Antragsteller zu I., bezahlt am 14. September 2000 und 1. November 2000, verteilt nach Kopfteilen, ausgenommen die Antragsteller zu I.

- DM 6.658,40 = Rechtsanwaltskosten für das Verfahren vor dem Amtsgericht Charlottenburg 70 II 144/97, bezahlt am 28. November 2000, verteilt nach Kopfteilen einschließlich der vormaligen Verwalterin Wnnn Hnn - und Vnnnnnnnnn GmbH, ausgenommen die Antragsteller zu I. sowie die Wohnungseigentümer Fnnnn , Nnnn , Rnnnn , Snnn und Snnn

- DM 777,20 = Rechtsanwaltskosten für das Beschwerdeverfahren vor dem Landgericht Berlin 85 T 79/99 WEG, bezahlt am 1. März 2000, verteilt nach Kopfteilen, ausgenommen die Antragsteller zu I.

- DM 105,00 = Gerichtsgebühren für das Beschwerdeverfahren vor dem Landgericht Berlin 85 79/99 WEG, bezahlt am 4. Mai 2000, verteilt nach Kopfteilen, ausgenommen die Antragsteller zu I.

- DM 6.426,40 = Rechtsanwaltskosten (Teilrechnung) für das Verfahren vor dem Amtsgericht Charlottenburg 70 II 737/98, bezahlt bis zum 22. Mai 2000, verteilt nach Kopfteilen, ausgenommen die Antragsteller zu I. sowie die Wohnungseigentümer Annn und Rnnnn

- DM 7.308,00 = Rechtsanwaltskosten für das Beschwerdeverfahren vor dem Landgericht Berlin 85 T 239/99 WEG, bezahlt bis zum 22. Mai 2000, verteilt nach Kopfteilen, ausgenommen die Antragsteller zu I. sowie die Wohnungseigentümer Annn und Rnnnn

- DM 8.607,20 = Rechtsanwaltskosten für das Verfahren vor dem Amtsgericht Charlottenburg 70 II 569/99, bezahlt am 14. September 2000, verteilt nach Kopfteilen mit Ausnahme der Antragsteller zu I.

- DM 1.531,20 = Rechtsanwaltskosten für das Verfahren vor dem Amtsgericht Charlottenburg 70 II 356/00, bezahlt am 1. September 2000 und 4. Dezember 2000, verteilt nach Kopfteilen, ausgenommen die Antragsteller zu I.

In den vorgenannten Gerichtsverfahren ergingen folgende Kostenentscheidungen, wobei eine Erstattung außergerichtlicher Kosten nie angeordnet wurde (vgl. Blatt 4 ff. der Akten, Band II):

- Amtsgericht Charlottenburg 70 II 744/97:

Beschluss vom 17. Oktober 2000; Verteilung der Gerichtskosten zu 2/5 auf die Antragsteller zu I. sowie die weiteren Wohnungseigentümer Fnnnn , Nnnn , Rnnnn , Snnn und Snnn als Gesamtschuldner und zu 3/5 auf die übrigen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft und die damalige Verwalterin, die Wnnn Hnn - und Vnnnnnnnnn GmbH

- Amtsgericht Charlottenburg 70 II 382/98:

Beschluss vom 6. August 1998; Auferlegung der Gerichtskosten auf die Antragsteller zu I. als Gesamtschuldner

- Amtsgericht Charlottenburg 70 II 645/98:

Teil-Beschluss vom 17. März 1998 ohne Kostenentscheidung;

Beschluss des Landgerichts Berlin vom 19. Oktober 1999 im Beschwerdeverfahren 85 T 79/99 WEG; Auferlegung der Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens auf die Wohnungseigentümergemeinschaft mit Ausnahme der Antragsteller zu I.;

Schluss-Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 18. Oktober 2000; Verteilung der Gerichtskosten der ersten Instanz auf die Antragsteller zu I. zu 3/4 und die übrigen Wohnungseigentümergemeinschaft zu 1/4

- Amtsgericht Charlottenburg 70 II 737/98:

Beschluss vom 16. Juli 1999; Auferlegung der Gerichtskosten auf die Antragsteller zu I. sowie die weiteren Wohnungseigentümer Rnnnn und Annn als Gesamtschuldner;

Beschluss des Landgerichts Berlin vom 14. März 2000 im Beschwerdeverfahren 85 T 239/99 WEG; Auferlegung der Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens auf die Antragsteller zu I. sowie die weiteren Wohnungseigentümer Rnnnnn und Annn als Gesamtschuldner

- Amtsgericht Charlottenburg 70 II 569/99:

Beschluss vom 27. September 2000; Auferlegung der Gerichtskosten auf die Antragsteller zu I. als Gesamtschuldner

- Amtsgericht Charlottenburg 70 II 356/00, Auferlegung der Gerichtskosten auf die Antragsteller zu I. als Gesamtschuldner.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 1. Juli 2005 auf die Erstbeschwerde der Antragsteller zu II. unter Zurückweisung ihres Rechtsmittels im Übrigen den Teilbeschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 26. November 2002 teilweise im Beschlusstenor zu 2. geändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst, dass die Beschlüsse der Gemeinschaft vom 13. Dezember 2001 zu TOP 4 (Jahresabrechnung 1999) und TOP 5 (Jahresabrechnung 2000) hinsichtlich des angewendeten Verteilungsschlüssels bei der Umlage der Rechtskosten in den Einzelabrechnungen für ungültig erklärt werden. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde anderer Wohnungseigentümer, die durch die teilweise Ungültigerklärung von Mehrheitsbeschlüssen betroffen sind. Das Rechtsmittel führt zur Vorlage an den Bundesgerichtshof.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu III. ist gemäß §§ 27, 29 FGG, 45 WEG zulässig. Die Wohnungseigentümer, die der Anfechtung eines Eigentümerbeschlusses im Verfahren nach § 42 Abs. 1 Nr. 1 WEG entgegen treten, sind hinsichtlich einer gerichtlichen Entscheidung, mit der der Eigentümerbeschluss ganz oder teilweise für ungültig erklärt worden ist, auch dann zur Beschwerde bzw. Rechtsbeschwerde befugt, wenn sie durch die gerichtliche Entscheidung keine persönlichen Nachteile erleiden (BGHZ 156, 19 = NJW 2003, 3124 = ZMR 2003, 750 = NZM 2003, 764). Zutreffend hat deshalb das Landgericht die Erstbeschwerde der Beteiligten zu II. für zulässig erachtet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt: Auf die gemäß § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG fristgerecht eingegangenen Anfechtungsanträge der Antragsteller waren (im Gegensatz zu den Gesamtabrechnungen 1999 und 2000 nur) die Einzelabrechnungen für die Wirtschaftsjahre 1999 und 2000 (und auch nur) hinsichtlich des auf die "Rechtskosten" angewendeten Verteilungsschlüssels für ungültig zu erklären. Die Kostenverteilung hat mangels einer anderen wirksamen Regelung nach dem allgemeinen Verteilungsschlüssel des § 16 Abs. 2 WEG, also nach Miteigentumsanteilen, zu erfolgen, wenngleich abzüglich der Miteigentumsanteile der von den Rechtskosten nicht betroffenen Wohnungseigentümer. Die Vorschrift des § 16 Abs. 5 WEG besage nicht, dass es sich bei Rechtskosten nicht um Verwaltungskosten im Sinne von § 16 Abs. 2 WEG handelt. Die Vorschrift will nur verhindern, dass eine gerichtliche Kostenentscheidung durch den allgemeinen Kostenverteilungsschlüssel des § 16 Abs. 2 WEG umgangen wird. Dabei soll gleichzeitig einer Umlegung von Verfahrenskosten auf alle Wohnungseigentümer ohne Rücksicht auf deren Beteiligtenstellung begegnet werden. Des Weiteren enthält die Vorschrift des § 16 Abs. 5 WEG keine Aussage, nach welchem Maßstab die Rechtskosten im Innenverhältnis der Wohnungseigentümer zu verteilen sind. Soweit das OLG Düsseldorf (ZMR 2003, 228 = NZM 2003, 327 = WuM 2003, 44) die Ansicht vertrete, dass mangels anderer Vorschriften im WEG gemäß § 100 Abs. 1 ZPO zu verfahren sei, was eine Verteilung der Kosten nach der Anzahl der durch die gerichtliche Kostenentscheidung belasteten Wohnungseigentümer bedeute, folgt das Landgericht dem nicht. Es ist auf den Verteilungsmaßstab des § 16 Abs. 2 WEG zurückzugreifen, wobei es sich um einen gerechten Verteilungsmaßstab handelt, weil Miteigentumsanteile sich in der Regel nach der Größe der Wohn- und Nutzungsflächen richten. Die Vorschrift des § 426 Abs. 1 Satz 2 2. Halbs. BGB stehe dem nicht entgegen, weil in § 16 Abs. 2 WEG etwas anderes für das Innenverhältnis der Wohnungseigentümer geregelt ist.

2. Nach Auffassung des Senats enthalten die Ausführungen des Landgerichts keine Rechtsverletzung (§ 27 Abs. 1 FGG). Allein daraus, dass die Kostenregelung in einer Gerichtsentscheidung enthalten ist, folgt noch nicht automatisch die sehr schematische Regelung des § 100 Abs. 1 ZPO. Für das Innenverhältnis der Wohnungseigentümer liegt die Anwendung des § 16 Abs. 2 WEG sachnäher. Zutreffend führt das Landgericht aus, dass in der Praxis der Teilungserklärungen zumeist an die anteiligen Wohn- und Nutzungsflächen angeknüpft wird, die nach dem Willen der teilenden Eigentümer häufig sogar mit den jeweiligen Miteigentumsanteilen identisch sind. Eine schematische Anknüpfung der Kostenverteilung an Kopfteile sieht das Gesetz in § 16 WEG - anders als beim Stimmrecht nach § 25 Abs. 2 WEG: Jeder Wohnungseigentümer hat eine Stimme. Steht ein Wohnungseigentum mehreren gemeinschaftlich zu, so können sie das Stimmrecht nur einheitlich ausüben. - gerade nicht vor. Bei der Aufteilung nach Kopfteilen entsteht zudem die Unklarheit, dass auch mehrere Miteigentümer einer Eigentumswohnung je für sich als Wohnungseigentümer im Sinne des Gesetzes anzusprechen sind. Demnach würden Wohneinheiten mit einer unterschiedlichen Anzahl an Mitberechtigten, erst Recht wenn es sich um Erbengemeinschaften handelt, völlig ungleich belastet. Eine Anknüpfung an das einheitliche Stimmrecht nach § 25 Abs. 2 WEG (OLG Köln WE 1997, 428; Jennißen, Verwalterabrechnung 5. Aufl., V. Rn. 36) erscheint dem Senat gekünstelt. Ebenso könnte für das gerichtliche Verfahren nicht das gemeinsame Stimmrecht, sondern das den Mitberechtigten einer Wohneinheit jeweils eigenständig zuerkannte Anfechtungsrecht bei Eigentümerbeschlüssen maßgebend sein. Gerade bei Beschlussanfechtungsverfahren müssen nicht alle Mitberechtigten einer Wohneinheit das Anfechtungsrecht gemeinsam ausüben. Im Schrifttum sind die Auffassungen geteilt. Weitnauer/Gottschalg, WEG 9. Aufl., § 16 Rn. 60 und Bährmann/Pick/Merle, WEG 9. Aufl., § 47 Rn. 10 folgen der zitierten Entscheidung des OLG Köln. Staudinger/Bub, § 16 Rn. 182 wendet im Zweifel § 16 Abs. 2 WEG an (und enthält weitere Nachweise aus dem Schrifttum). Für eine Anwendung des § 16 Abs. 2 WEG hat sich auch Sturhahn NZM 2004, 84, 86 ausgesprochen. Sowohl für die gemeinschaftsinternen Beschlussanfechtungsverfahren (BGH NJW 2005, 2061 = ZMR 2005, 547) wie für die Wohngeldverfahren wird im Übrigen zu bedenken sein, ob daran festzuhalten ist (vgl. BGHZ 142, 290 = NJW 1999, 3713 = ZMR 1999, 834), dass der anfechtende bzw. zahlungssäumige Wohnungseigentümer nicht auch nach gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen zugleich auf der gegnerischen Gemeinschaftsseite beteiligt ist (vgl. Bub/Petersen NZM 1999, 646; Briesemeister FGPrax 1989, 216). Dies wäre ein zusätzlicher Rechtsfertigungsgrund für die Anwendung des § 16 Abs. 2 WEG. Bei einer eigenständigen kostenmäßigen Beteiligung des Verwalters neben den Wohnungseigentümern (vgl. BayObLG NJW-RR 2001, 158 = ZMR 2000, 323) wäre der Verwalter in die Kostenverteilung zusätzlich einzubeziehen.

3. Da der Senat mit seiner Rechtsauffassung von der zitierten Entscheidung des OLG Düsseldorf (NZM 2003, 327 = ZMR 2003, 228 = WuM 2003, 44) abweichen würde, ist eine Vorlage an den Bundesgerichtshof gemäß § 28 FGG geboten.

Ende der Entscheidung

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