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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 19.09.2005
Aktenzeichen: 24 W 154/05
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 27 I
WEG § 43 I Nr. 2
Die Zuständigkeit der WEG-Gerichte ist auch gegeben, wenn ein Wohnungskäufer die vom Bauträger eingesetzte Verwaltungs-GmbH und deren Geschäftsführer wegen unzutreffender Abnahme des Gemeinschaftseigentums aufgrund einer Ermächtigung im Kaufvertrag und eines dadurch ausgelösten Verlustes eines Sicherungsmittels (Bürgschaft) in Anspruch nimmt.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 24 W 154/05

In Sachen

hat der 24. Zivilsenat des Kammergerichts auf die sofortige Beschwerde der Beklagten zu 5) und 6) gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 11. Juli 2005 - 11.O.170/04 - nach Übertragung der Sache von dem gemäß Geschäftsverteilungsplan des Senats zuständigen Einzelrichter auf den Senat durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Dr. Briesemeister, die Richterin am Kammergericht Hinrichs und den Richter am Amtsgericht Einsiedler am 19. September 2005 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Beklagten zu 5) und 6) wird auf deren Kosten bei einem Beschwerdewert von 14.000,00 EUR zurückgewiesen.

Die weitere Beschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Im Jahre 1998 schlossen die Kläger mit der Firma A. GmbH einen notariellen Vertrag über den Kauf einer Eigentumswohnung zum Preis von 194.775,00 DM. Die Verkäuferin verpflichtete sich zur Sanierung und Modernisierung des auf dem Grundstück befindlichen Wohngebäudes. Der Kaufpreis war in Raten nach dem Bautenstand zu zahlen. Zur Abnahme des Gemeinschaftseigentum bestimmte Ziffer II § 7 Abs. 2 des Wohnungseigentumskaufvertrages, dass die Abnahme des Gemeinschaftseigentums spätestens vier Wochen nach Fertigstellung durch den Verwalter zur erfolgen habe, der von dem Käufer hierzu unwiderruflich bevollmächtigt werde, wobei der Verwalter zu seiner Unterstützung einen Bausachverständigen hinzuziehen durfte. Die Verkäuferin begann mit der Bauausführung. Die Commerzbank AG übernahm am 27. Oktober 1998 gegenüber den Klägern zwei Fertigstellungsbürgschaften über 187.958,00 DM und 6.817,00 DM. Im Jahre 1999 wurde zugunsten der Kläger im Wohnungsgrundbuch eine Eigentumsverschaffungsvormerkung eingetragen. Mit Schreiben vom 25. November 1999 teilte die Verkäuferin den Klägern mit, dass die von ihnen erworbene Wohneinheit nach Modernisierung und Sanierung des Gemeinschaftseigentums vertragsgerecht hergestellt sei und die vertraglich vorgesehene Abnahme durch den Verwalter am 16. Dezember 1999 um 10.00 Uhr gemeinsam mit Sachverständigen durchgeführt werde. Den Termin am 16. Dezember 1999 nahm der Beklagte zu 6) als Geschäftsführer der Beklagten zu 5) wahr. Die Verkäuferin als Alleineigentümerin hatte für die Wohnungs-eigentümergemeinschaft am 15. Juli 1999 per 1. August 1999 der Beklagten zu 5) umfassende Vollmachten zur Verwaltung des Grundstücks erteilt und mit Datum des 28. Juli 1999 für die Zeit ab 2. Januar 2000 namens der Wohnungseigentümergemeinschaft einen Verwaltervertrag für Wohnungseigentum abgeschlossen (vgl. Anlagen K 11 und K 12). Der Beklagte zu 6) wurde bei der Abnahmeverhandlung unter Anderem von den Beklagten zu 3) und 4) begleitet, die im Auftrage der Beklagten zu 5) ein Protokoll über die "technische Abnahme von gemeinschaftlichem Eigentum" fertigten (Anlage B 1 zum Schriftsatz 9. Juni 2004). Nach Erhalt einer Abschrift des Protokolls vom 16. Dezember 1999 unterschrieben die Kläger am 30. Dezember 1999 die Übergabebestätigung und übersandten sie der Verkäuferin. Die Bankbürgschaften wurden daraufhin zurückgegeben. Am 1. März 2000 fand noch die Abnahme von Nacharbeiten statt, an der wiederum die Beklagten zu 3) und 4) sowie der Beklagte zu 6) für die Beklagte zu 5) mitwirkten.

Mit der vorliegenden Klage begehren die Kläger die Stellung einer den Bürgschaften der Commerzbank AG entsprechenden Sicherheit im Sicherungsumfang nach dem 9. August 1999. Sie sind der Ansicht, die Beklagten zu 1) bis 6) hafteten ihnen hierfür gesamtschuldnerisch. Die Kläger behaupten, die Beklagten hätten durch mehrere wohlüberlegte und gemeinsam begangene Täuschungshandlungen zur Rückgabe der Bürgschaften beigetragen, obwohl das Objekt bis heute nicht fertiggestellt sei. Anlässlich der ersten ordentlichen Eigentümerversammlung vom 16. März 2001 hätten sie, die Kläger, eine Ortsbesichtigung durchgeführt und festgestellt, dass die vermeintliche Abnahme und Nachabnahme von Dezember 1999/März 2000 völlig falsch gewesen sei und die Modernisierungs- und Sanierungsarbeiten in weiten Bereichen überhaupt noch nicht fertiggestellt worden seien.

Der Rechtsstreit gegen die Beklagten zu 1) und 2) als verantwortlich handelnde Personen für die Verkäuferin ist gemäß § 240 ZPO unterbrochen. Mit Teilurteil vom 11. Juli 2005 hat das Landgericht die Klage gegen die Beklagten zu 3) und 4) abgewiesen. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht das Verfahren gegen die Beklagten zu 5) und 6) abgetrennt, sich für sachlich und örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit gegen die Beklagten zu 5) und 6) auf Antrag des Klägervertreters und nach Anhörung des Beklagtenvertreters zu 5) und 6) an das sachlich und örtlich zuständige Amtsgericht Schöneberg verwiesen, weil dieses gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 2 WEG über die Rechte und Pflichten des Verwalters bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums zu entscheiden habe. Gegen diesen am 13. Juli 2005 zugestellten Abgabebeschluss richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten zu 5) und 6), die sich darauf berufen, sie seien nicht wirksam gemäß § 26 WEG zum Verwalter bestellt worden und hätten in dem "hier relevanten Zeitraum" eine wie immer auch geartete Verwaltertätigkeit noch nicht aufgenommen. Keinem der späteren Wohnungseigentümer sei bekannt gewesen, dass die Handlungen der Beklagten zu 5) und 6) als Verwalterin erfolgt sein könnten.

Die Kläger sind der sofortigen Beschwerde mit Schriftsatz vom 1. August 2005 entgegengetreten.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 2 GVG zulässig. Der nach dem senatsinternen Geschäftsverteilungsplan zuständige Einzelrichter hat das Verfahren gemäß § 568 Abs. 1 Satz 2 wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache auf den Senat übertragen. Entgegen dem Vortrag der Kläger mit Schriftsatz vom 1. August 2005 ist die Beschwerde nicht unzulässig. In dem Schweigen des Vertreters der Beklagten zu 5) und 6) in der mündlichen Verhandlung am 11. Juli 2005 liegt weder eine Zustimmmung zu dem Verweisungsantrag noch ein Rechtsmittelverzicht.

Die sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Zutreffend hat das Landgericht die Klage gegen die Beklagte zu 5) gemäß § 46 Abs. 1 WEG an das zuständige WEG-Gericht verwiesen. Hiergegen ist gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 2 GVG in Verbindung mit §§ 567 ff. ZPO die sofortige Beschwerde gegeben.

Nach Auffassung des Senats sind die Voraussetzungen für die Zuständigkeit des WEG-Gerichts gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 2 WEG vorhanden. Es geht nach dem maßgeblichen Sachvortrag der Kläger um die Rechte und Pflichten des Verwalters bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums. Wie sich aus Stempel und Unterschrift unter dem Abnahmeprotokoll vom 16. Dezember 1999 (Anlage K 15) ergibt, hat die Beklagte zu 5) die an dem Bauvorhaben in der Wohnanlage durchgeführten Arbeiten als ordnungsgemäß befunden. Der Verwaltervertrag war namens der Wohnungseigentümergemeinschaft bereits am 28. Juli 1999 geschlossen worden (wenn auch mit Vertragsbeginn am 2. Januar 2000). Daneben hatte die Beklagte zu 5) namens der Wohnungseigentümergemeinschaft bereits am 15. Juli 1999 umfassende Vollmachten erhalten. Die Verkäuferin hatte ferner mit Schreiben vom 25. November 1999 (Anlage K 13) den Klägern mitgeteilt, dass nach der in Ziffer II § 8 Abs. 2 des Kaufvertrages getroffenen Vereinbarung der Verwalter mit der Abnahme des Gemeinschaftseigentums beauftragt wurde. Die Tätigkeit der Beklagten zu 5) am 16. Dezember 1999 geschah demnach zweifellos bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums. Für die Zuständigkeit des WEG-Gerichts kommt es auf den Sachvortrag der Kläger an. Die von der Beklagten zu 5) erhobenen Einwendungen sind in dem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu prüfen.

Auch die Beschwerde des Beklagten zu 6) gegen den Verweisungsbeschluss ist in der Sache nicht gerechtfertigt. Der Beklagte zu 6) war und ist Geschäftsführer der Beklagten zu 5) und hat insbesondere das Abnahmeprotokoll vom 16. Dezember 1999 in dieser Eigenschaft persönlich unterschrieben. Er wird wegen einer gemeinschaftlich mit den übrigen Beklagten vorgenommenen Täuschungshandlung, also aus unerlaubter Handlung in Anspruch genommen. Die tatsächlichen Grundlagen für seine Haftung werden identisch sein mit der Haftung der Beklagten zu 5), soweit deren Haftung nicht nur auf dem Vertrag beruht.

Der Senat verkennt nicht, dass die Abgrenzung zwischen Prozessgericht und WEG-Gericht entsprechend der Abgrenzung zwischen verschiedenen Rechtswegen gemäß § 17 a GVG einer erweiternden Auslegung regelmäßig nicht zugänglich ist. Dennoch erscheint es im vorliegenden Fall dringend geboten, die Zuständigkeit des WEG-Gerichts für das Verfahren gegen die Beklagte zu 5) auch auf das Verfahren gegen den Beklagten zu 6) als Geschäftsführer der Beklagten zu 5) zu erstrecken. Der Beklagte zu 6) hat als gesetzlicher Vertreter und Organ der Beklagten zu 5) gehandelt. Für die Haftung der Beklagten zu 5) kommt es entscheidend auf das Verhalten des Beklagten zu 6) als Geschäftsführer an. Die Kläger tragen gerade ein kollusives Verhalten sowohl der Beklagten zu 5) wie auch des Beklagten zu 6) mit der Verkäuferin in Bezug auf die Abnahmeverhandlung am 16. Dezember 1999 vor, die im Übrigen durch die Abnahme der Nacharbeiten am 1. März 2000 bekräftigt worden ist, als die Beklagte zu 5) bereits aufgrund des WEG-Verwalterver-trages eingesetzt war. Angesichts der Knappheit der Ressourcen der Justiz ist es nicht vertretbar, den selben Sachverhalt getrennt auf unterschiedlichen Rechtswegen zu prüfen.

Dem Senat ist ferner bewusst, dass in der Rechtsprechung abweichende Auffassungen zur Erstreckung der WEG-Zuständigkeit auf Geschäftsführer einer Verwalter-GmbH vertreten werden. So hat das Amtsgericht Kassel (ZMR 2003, 458) die Verfahrenszuständigkeit des WEG-Gerichtes für Ansprüche der Wohnungseigentümer gegen den Geschäftsführer einer Verwalterin in der Rechtsform einer GmbH, gegen die das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, verneint. Ebenso hat das Landgericht Mainz (ZMR 2000, 405) für die Durchgriffshaftung gegen den Geschäftsführer eine Zuständigkeit der Prozessgerichte angenommen. Nur eingeschränkt vergleichbar ist der Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 23. Juli 1987 (NJW-RR 1987, 1368 = WE 1988, 36), wonach Ansprüche gegen die Gesellschafter einer Verwalter-OHG im Wohnungseigen-tumsverfahren geltend zu machen sind, weil nach § 128 HGB eine akzessorische Haftung besteht. Dennoch hält der Senat eine Abspaltung der Klage gegen den Beklagten zu 6) in einem getrennten Rechtsweg für unvertretbar. Die in letzter Zeit verstärkt verfolgte Durchgriffshaftung gegen gesetzliche Organe juristischer Personen, welche die WEG-Verwaltung ausüben, sollte in den Bereich des § 43 Abs. 1 Nr. 2 WEG einbezogen werden. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat der Senat die weitere Beschwerde gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 3 und 4 GVG zugelassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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