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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 02.12.2002
Aktenzeichen: 24 W 155/02
Rechtsgebiete: ZPO, WEG, FGG


Vorschriften:

ZPO § 579 I Nr. 4
WEG § 45
FGG § 27
1. Eine Nichtigkeitsklage gegen den scheinbar rechtskräftigen Beschluss des Amtsgerichts in WEG-Sachen ist in eine sofortige Erstbeschwerde umzudeuten, wenn der Beschluss des Amtsgerichts zwar durch Hinausgabe existent, aber mangels wirksamer öffentlicher Zustellung an den Antragsgegner noch nicht rechtskräftig ist.

2. Es kann offen bleiben, ob die auf Grund des scheinbar rechtskräftigen Zahlungsbeschlusses eingetragene Sicherungshypothek eine Beschwer begründet, wenn der Antragsgegner das ursprüngliche Bestehen der Wohngeldverbindlichkeiten nicht bestreitet. Die Beschwer liegt zumindest darin, dass er Erfüllung der Wohngeldschuld behauptet.

3. Bei erheblichen Verfahrensfehlern bereits in erster Instanz kann das Rechtsbeschwerdegericht die Sache an das Amtsgericht zurückverweisen.


KAMMERGERICHT Beschluss

Geschäftsnummer: 24 W 155/02

In der Wohnungseigentumssache

betreffend die Wohnanlage

hat der 24. Zivilsenat des Kammergerichts auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 22. Februar 2002 - 85 T 283/01 WEG - durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Dr. Briesemeister, des Richters am Kammergericht B.-D. Kuhnke und die Richterin am Landgericht Hinrichs am 2. Dezember 2002 beschlossen:

Tenor:

Unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des Landgerichts Berlin und der Beschlüsse des Amtsgerichts Schöneberg 12. Februar 1999 und 16. Mai 2001 - 76 II (WEG) 236/98 - und des diesen Entscheidungen zugrunde liegenden Verfahrens wird die Sache an das Amtsgericht Schöneberg zurückverwiesen, das auch über die Gerichtskosten zweiter und dritter Instanz zu befinden hat. Außergerichtliche Kosten zweiter und dritter Instanz sind nicht zu erstatten.

Der Geschäftswert dritter Instanz wird auf 11.437,53 Euro (22.369,87 DM) festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsgegner begehrt im Wege der Nichtigkeitsklage die Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts Schöneberg vom 12. Februar 1999 - 76 II 236/98 -, die Aufhebung des Kostenfestsetzungsbeschlusses zum vorgenannten Verfahren, als auch die Löschung der im Wohnungsgrundbuch des Amtsgerichts Schöneberg von Schöneberg Blatt 9698 in Abteilung 3 unter lfd. Nummer 2 eingetragenen Sicherungshypothek in Höhe von 26.678,77 DM nebst Zinsen auf Grund der vom Amtsgericht Schöneberg mit dem Beschluss vom 12. Februar 1999 festgelegten Wohngeldverbindlichkeiten des Antragsgegners.

Das Amtsgericht Schöneberg hat den Antragsgegner mit Beschluss vom 12. Februar 1999 zur Zahlung rückständiger Wohngeld- und Heizkostenvorschüsse, einer Sonderumlage und rückständigen Verwalterhonorars in Höhe von 22.369,87 DM nebst Zinsen an die Antragsteller verpflichtet. Zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 12. Januar 1999 ist der Antragsgegner im Wege öffentlicher Zustellung geladen worden, da der Aufenthalt unbekannt sei. Die Antragsteller hatten zuvor mit Schriftsatz vom 24. Juli 1998 dem Gericht die Anschrift des Antragsgegners mitgeteilt und um Auslandszustellung gebeten, jedoch am 28. Juli 1998 die öffentliche Zustellung beantragt und bewilligt erhalten mit Terminsladung zum 20. Oktober 1998, sodann zum 12. Januar 1999. Wegen Erkrankung der Richterin ist der Termin vom 12. Januar 1999 auf den 2. Februar 1999 verlegt worden. Eine Umladung des Antragsgegners erfolgte nicht.

Der Beschluss vom 12. Februar 1999 ist erneut im Wege der öffentlichen Zustellung zugestellt worden.

Erstmals am 26. September 2000 erlangte der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners Kenntnis von dem angeblich rechtskräftigen Beschluss des Amtsgerichts Schöneberg und von der öffentlichen Zustellung und reichte am 13. November 2000 Nichtigkeitsklage ein. Das Amtsgericht Schöneberg hat die Nichtigkeitsklage des Antragsgegners mit Beschluss vom 16. Mai 2001 - 76 II 236/98 - zurückgewiesen, da der Antrag unbegründet sei. Weder liege ein Erschleichen der öffentlichen Zustellung noch eine grobe Verletzung des rechtlichen Gehörs gegenüber dem Antragsgegner vor.

Gegen diesen Beschluss hat der Antragsgegner sofortige Beschwerde eingelegt. Da der Beschwerdeschriftsatz nicht bei Gericht einging, beantragte er mit Schriftsatz vom 28. August 2001 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Das Landgericht hat dem Antragsgegner mit Beschluss vom 22. Februar 2002 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt und zugleich die Beschwerde des Antragsgegners mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass sein Antrag als unzulässig zurückgewiesen wird. Zur Begründung führt das Landgericht aus, dass der Antragsgegner trotz mehrmaliger Aufforderung durch das Landgericht eine notwendige Beschwer für das Nichtigkeitsverfahren nicht dargetan habe, zumal er nunmehr anerkenne, der Eigentümergemeinschaft die rückständigen Wohngeldzahlungen zu schulden.

Gegen diesen dem Antragsgegner am 18. März 2002 zugestellten Beschluss hat er mit Telefax vom 26. März 2002 zu dem Aktenzeichen 20 O 245/00 "in der Wohnungseigentumssache betreffend die Wohnanlage sofortige weitere Beschwerde, adressiert an das Landgericht Berlin, T Weg, eingelegt. Der Beschwerdeschrift war eine Kopie des Beschlusses des Landgerichts vom 22. Februar 2002 beigefügt. Mit Schriftsatz vom 4. Juni 2002 klärte der Antragsgegner sein Versehen auf und reichte vorsorglich die sofortige Beschwerde nochmals ein. Zur Begründung seiner sofortigen weiteren Beschwerde führt der Antragsgegner aus, dass es ihm keineswegs an einem Rechtsschutzbedürfnis fehle, da er allein schon durch die unrichtige Eintragung im Wohnungsgrundbuch beschwert sei. Der Antragsgegner beantragt, den angefochtenen Beschluss des Landgerichtes Berlin aufzuheben und unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichtes Schöneberg vom 16. Mai 2001 den rechtskräftigen Beschluss des Amtsgerichtes Schöneberg vom 12. Februar 1999 aufzuheben. Die Antragsteller sind der Ansicht, dass der Antragsgegner die sofortige weitere Beschwerde verspätet bei Gericht erhoben habe, da er diese zu einem falschen Aktenzeichen eingereicht habe. Da ihm bereits einmal Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt worden sei, habe von ihm bzw. seinem Verfahrensbevollmächtigten besondere Sorgfalt aufgewandt werden müssen. In der Sache sei die Beschwerde unbegründet, da der Beschluss, selbst einen Verfahrensfehler unterstellt, materiell richtig sei. Eine Grundrechtsverletzung des Antragsgegners liege nicht vor. Das Grundbuch sei nicht falsch. Im Übrigen wäre ein Grundbuchberichtigungsanspruch auf anderem Wege durchzusetzen.

II.

1. Die sofortige weitere Beschwerde ist gemäß §§ 22 Abs. 1, 29 Abs.1, 27 Abs. 1 FGG zulässig, insbesondere frist- und formgerecht.

Die Einreichung der Beschwerde bei dem Landgericht T Weg schadet ebensowenig wie die Angabe des falschen Aktenzeichens im Kopf des Beschwerdeschriftsatzes.

Gemäß §§ 29 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. 22 Abs. 1 FGG ist die sofortige weitere Beschwerde binnen zwei Wochen nach Zugang des anzufechtenden Beschlusses bei dem Gericht erster Instanz, dem Landgericht oder dem Oberlandesgericht einzulegen. Bei dem Landgericht T Weg und dem Landgericht in der L Straße handelt es sich nicht um zwei unterschiedliche Landgerichte in Berlin, sondern um ein Landgericht, welches nur auf zwei Standorte aufgeteilt ist. Funktionen bildet das Landgericht Berlin eine Einheit, so dass der Eingang eines Schriftsatzes bei dem Landgericht T Weg, obwohl die zuständige Kammer ihren Sitz in der L Straße hat, als beim zuständigen Gericht eingegangen, zu werten ist.

Auch die falsche Bezeichnung des Aktenzeichens im Briefkopf des Beschwerdeschriftsatzes schadet nicht, da aus dem gesamten Inhalt des Beschwerdeschriftsatzes ersichtlich war, welche Entscheidung angegriffen werden soll.

Im Übrigen ist die sofortige weitere Beschwerde schon deshalb zulässig, weil die Erstbeschwerde als unzulässig zurückgewiesen worden ist (BGHZ 119, 216).

2. Die sofortige weitere Beschwerde ist gemäß § 27 Abs. 1 FGG auch begründet, da die Entscheidung des Landgerichts Berlin nicht frei von Rechtsfehlern ist.

Der Wiederaufnahmeantrag im Wege des Nichtigkeitsverfahrens gemäß § 43 Abs. 1 WEG i.V.m. §§ 579, 587, 586 ZPO analog ist unzulässig, weil er einen rechtskräftigen Titel voraussetzt, an dem es vorliegend fehlt.

Die "Nichtigkeitsklage" vom 13. November 2000 ist bei richtiger Anwendung des Verfahrensrechts als zulässige Erstbeschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Schöneberg vom 12. Februar 1999 anzusehen, denn sie erstrebt dessen Aufhebung.

Unabhängig von der Frage, ob dieser Beschluss bereits wegen der Verletzung des rechtlichen Gehörs aufzuheben ist, da der Antragsgegner zum Termin am 2. Februar 1999 nicht ordnungsgemäß geladen war, hat jedenfalls die Beschwerdefrist mangels wirksamer Zustellung des im Dezernatswege ergangenen Beschlusses vom 12. Februar 1999 noch nicht zu laufen begonnen.

Die öffentliche Zustellung des amtsgerichtlichen Beschlusses vom 12. Februar 1999 ist unwirksam, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen und das die öffentliche Zustellung bewilligende Amtsgericht dies hätte erkennen können, zumal die öffentliche Zustellung nicht einmal dem ursprünglichen Antrag der Antragsteller vom 24. Juli 1998 entsprach, die eine Zustellung unter der ihnen bekannten Adresse im Ausland beantragt hatten. Der Senat schließt sich der dahingehenden Rechtsprechung des BGH (NJW 2002, 827 unter Abweichung von BGHZ 57,108 = NJW 1971, 226 und BGHZ 64, 5 = NJW 1975, 827; vergl. auch BVerfG NJW 1988, 2361) an. Die Versagung des rechtlichen Gehörs des Antragsgegners ist höher zu bewerten als die Autorität von Staatshoheitsakten, denen erkennbar die Grundlage fehlt. Auch wenn dem Amtsgericht bei seiner Entscheidung am 16. Mai 2001 die Entscheidung des BGH vom 19. Dezember 2001 noch nicht bekannt sein konnte, ist diese der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen.

Die rechtzeitige Erstbeschwerde führt zur Aufhebung aller vorinstanzlichen Beschlüsse, weil bereits das gesamte Verfahren erster Instanz an den erkennbar fehlerhaften Bewilligungen der öffentlichen Zustellung leidet (vgl. KG ZMR 2002, 695 = ZWE 2002, 364 = GE 2002, 671 = KGRep. 2002, 175).

Die bisherigen Feststellungen der Vorinstanzen erlauben noch keine Wiederholung der Zahlungsverpflichtung, weil sich der Antragsgegner auf anrechenbare direkte Zahlungen seiner Mieterin an die Verwalterin der Wohnungseigentumsanlage berufen hat (Schriftsatz vom 9. April 2001), denen noch nachzugehen ist.

Mit Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts vom 12. Februar 1999 ist der auf dessen Grundlage ergangene Kostenfestsetzungsbeschluss hinfällig.

3. Das Amtsgericht hat auch über die Gerichtskosten zweiter und dritter Instanz zu befinden. Dagegen kann schon jetzt festgestellt werden, dass außergerichtliche Kosten zweiter und dritter Instanz nicht zu erstatten sind (§ 47 Satz 2 WEG).

4. Die Festsetzung des Geschäftswertes dritter Instanz beruht auf § 48 Abs. 3 WEG.

Ende der Entscheidung

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