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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 31.03.2005
Aktenzeichen: 24 W 170/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 355 II
ZPO § 404 I
ZPO § 490 II 2
ZPO § 492 I
ZPO § 567 I
Zumindest für den Antragsgegner ist auch im selbstständigen Beweisverfahren die in das freie Ermessen des Gerichts gestellte Auswahl des Sachverständigen unanfechtbar.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 24 W 170/04

In dem selbstständigen Beweisverfahren

hat der 24. Zivilsenat des Kammergerichts auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin zu 2) gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 12. November 2004 - 28 OH 2/02 - durch den Vorsitzender Richter am Kammergericht Dr. Briesemeister als Einzelrichter am 31. März 2005 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird bei einem Wert von 50.000,-- EUR auf Kosten der Antragsgegnerin zu 2) als unzulässig verworfen.

Gründe:

I.

Das Landgericht in Kammerbesetzung ordnete mit Beschluss vom 13. Februar 2002 die Einholung eines schriftlichen Gutachtens eines gerichtlichen Sachverständigen im selbstständigen Beweisverfahren an und setzte den Verfahrenswert auf 204.516,75 EUR fest. Mit Anwaltsschreiben vom 28. Oktober 2002 zeigte die Antragsgegnerin zu 2) ihre Verfahrensvertretung an. Mit Schriftsatz vom 13. März 2003 formulierte die Antragsgegnerin zu 2) ergänzende Fragen an den gerichtlichen Sachverständigen, die dieser mit Ergänzungsgutachten vom 30. Mai 2003 beantwortete, nachdem er hierzu durch Einzelrichterbeschluss vom 11. April 2003 beauftragt worden war. Mit Einzelrichterbeschluss vom 20. August 2003 wurde der gerichtliche Sachverständige gemäß Antrag der Antragsgegnerin zu 2) vom 31. Juli 2003 zu einer weiteren Ergänzung seines Gutachtens aufgefordert. Dieses Ergänzungsgutachten übersandte der Sachverständige mit Schreiben vom 8. Juli 2004. Mit Schriftsatz vom 13. September 2004 nahm die Antragsgegnerin zu 2) zu dem zweiten Ergänzungsgutachten Stellung, was zu der schriftlichen Stellungnahme des Sachverständigen vom 5. Oktober 2004 führte. Dem Antrag der Antragsgegnerin zu 2) vom 13. September 2004, den Sachverständigen von seiner Aufgabe zu entbinden, trat die Antragsgegnerin zu 1) mit Schriftsatz vom 6.Oktober 2004 entgegen. Inzwischen war ein Streithelfer dem Verfahren auf Seiten des Antragstellers beigetreten. Mit Schriftsatz vom 4. November 2004 bemängelte die Antragsgegnerin zu 2) die Sachkunde des Sachverständigen, dem trat der Sachverständige mit Schreiben vom 10. November 2004 entgegen. Mit Einzelrichterbeschluss vom 12. November 2004 wies die Einzelrichterin den vom 13. September 2004 datierenden Antrag der Antragsgegnerin zu 2), den Sachverständigen den von ihm erteilten Gutachtenauftrag zu entbinden, zurück. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin zu 2), der die Einzelrichterin mit Beschluss vom 10. Dezember 2004 nicht abgeholfen hat. Die Antragsgegnerin zu 2) ist vom Senat auf die Bedenken gegen die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde hingewiesen worden und hat daraufhin die Auffassung vertreten, dass der Ausschluss des § 355 Abs. 2 ZPO nicht für das selbstständige Beweisverfahren gelte, weil es sonst kein Rechtsmittel gegen die Auswahl des Sachverständigen gäbe, vielmehr sei die Regel des § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO anzuwenden.

Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin zu 2), die sich gegen einen Einzelrichtebeschluss wendet und daher gemäß § 568 ZPO im Beschwerdeverfahren durch den Einzelrichter zu bearbeitet wird, ist unzulässig. Zumindest für den Antragsgegner ist auch im selbstständigen Beweisverfahren die in das freie Ermessen des Gerichts gestellte Auswahl des Sachverständigen durch das Gericht unanfechtbar. Die sofortige Beschwerde gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der Landgerichte ist gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 1 statthaft, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist. Dieser Fall liegt hier nicht vor. Im Gegenteil hat das Gesetz in mehreren Bestimmungen das Rechtsmittel ausdrücklich ausgeschlossen. Die Statthaftigkeit des Rechtsmittels kann auch nicht auf § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO gestützt werden. Denn § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO eröffnet keine Rechtsmittelmöglichkeit gegen die Ablehnung von Verfahrensanordnungen, wenn diese im freien Ermessen des Gerichts stehen und einen Antrag nicht erfordern (Zöller/ Gummer, ZPO 25. Aufl., § 567 Rdnr. 35). Das muss erst recht gelten, wenn das Gesetz die sofortige Beschwerde ausdrücklich ausschließt, wie es etwa für den Beweisbeschluss (§ 355 Abs. 2 ZPO) bestimmt ist (Zöller/Gummer a.a.O.).

Nach § 492 erfolgt die Beweisaufnahme im selbstständigen Beweisverfahren nach den für die Aufnahme des betreffenden Beweismittels überhaupt geltenden Vorschriften, hier also nach den Vorschriften über den Sachverständigenbeweis. Nach § 404 Abs. 1 ZPO erfolgt die Auswahl der zuzuziehenden Sachverständigen durch das Prozessgericht. Auch bei diesen Auswahlentscheidungen handelt es sich um Beweisbeschlüsse. Gemäß § 355 Abs. 2 findet grundsätzlich eine Anfechtung des Beschlusses, durch den die eine oder die andere Art der Beweisaufnahme angeordnet wird, nicht statt.

Gegen die Zulässigkeit des Rechtsmittels mindestens für den Antragsgegner spricht zusätzlich die ausdrückliche Vorschrift des § 490 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Der Gesetzgeber sieht das selbstständige Beweisverfahren offensichtlich für eilbedürftig an. Deshalb bestimmt er in § 490 Abs. 2 ZPO, dass der einer Beweisaufnahme stattgebende Beschluss nicht anfechtbar ist. Diese Bestimmung ist keineswegs auf den Antragsteller zu begrenzen. Die Vorschrift wäre sinnlos und würde der Eilbedürftigkeit des selbstständigen Beweisverfahrens widersprechen, wenn jeder der möglicherweise zahlreichen Antragsgegner und darüber hinaus auch deren Streithelfer verfahrensleitende Beschlüsse des Gerichts anfechten können. In diesem Sinne hat das OLG München (MDR 1992, 520) wegen des Auswahlermessens des Gerichts selbst ein Rechtsmittel des Antragstellers verneint, wenn das Gericht einen anderen als den von dem Antragsteller benannten Sachverständigen zum Gerichtsgutachter bestellt hat. Dasselbe muss für den oder die Antragsgegner gelten, die nicht mehr Rechte haben können als der Antragsteller.

Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin zu 2) rechtfertigt das Fehlen einer streitentscheidenden Sachentscheidung im selbstständigen Beweisverfahren auch nicht ausnahmsweise die Zubilligung eines Rechtsmittels, wenn der Gesetzgeber ausdrücklich etwas anderes bestimmt. Es ist nicht ersichtlich, dass die behauptete fehlende Sachkunde des Sachverständigen nicht in dem Hauptprozess gerügt werden kann. Abgesehen davon steht jedem Antragsgegner auch die Möglichkeit offen, ein eigenes selbstständiges Beweisverfahren zu beantragen. Gegen die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde hat sich auch das OLG Frankfurt (NJW-RR 1993, 1341) ausgesprochen, weil dem Gericht ein freies Auswahlermessen zusteht.

Bei einigen veröffentlichten Entscheidungen (vgl. Zöller/Herget, ZPO 25. Aufl., § 487 Rdnr. 5) wird vorrangig das freie Auswahlermessen der ersten Instanz betont. Soweit diese Entscheidungen veröffentlicht sind, fehlen Ausführungen zur Zulässigkeit. Jedenfalls hat in keiner dieser Entscheidungen das Rechtsmittel in der Sache Erfolg gehabt. Angesichts der zitierten ausdrücklichen Bestimmungen des Gesetzes ergeben sich aus den negativen Sachentscheidungen der genannten Gerichte keine Argumente für die Zulässigkeit des Rechtsmittels.

Angesichts der Unzulässigkeit der sofortigen Beschwerde ist die angefochtene Entscheidung nicht weiter zu überprüfen. Das gilt insbesondere für die Entscheidung durch den Einzelrichter. Es kann somit dahinstehen, ob mit dem Kammerbeschluss vom 13. Februar 2002 die Sache wegen besonderer Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art gemäß § 348 Abs.3 ZPO von der Kammer übernommen worden ist, so dass eine Zurückübertragung auf den Einzelrichter ausgeschlossen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes folgt aus § 3 ZPO. Der Verfahrensgegenstand im Beschwerdeverfahren ähnelt in der Sache einer Sachverständigenablehnung. Für Ablehnungsverfahren wird in der Rechtsprechung teils der volle Wert der Hauptsache, teils ein Bruchteil angenommen. Der Senat schätzt den Beschwerdewert hier mit ca. 25% der Hauptsache.

Ende der Entscheidung

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