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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 26.03.2003
Aktenzeichen: 24 W 189/02
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 16 II
WEG § 28 III
WEG § 28 V
1. Ausgaben der Gemeinschaft, die nur einen Wohnungseigentümer betreffen, können in die Jahresgesamtabrechnung aufgenommen und vollständig in die Einzelabrechnung des betreffenden Wohnungseigentümers eingestellt und damit auch bestandskräftig festgelegt werden (Senat vom 17. Januar 2001, 24 W 5898/00, NZM 2001, 294 = ZMR 2001, 307).

2. Ficht der Wohnungseigentümer mit der Sonderbelastung die Jahresabrechnung an, ist die materielle Berechtigung der Sonderbelastung nicht im Beschlussanfechtungsverfahren zu prüfen, sondern sowohl die Gesamtabrechnung wie auch die Einzelabrechnung des betroffenen Wohnungseigentümers nur insoweit für ungültig. zu erklären.

3. Die Wohhungseigentümer müssen dann ergänzend zu der betreffenden Jahresabrechnung den strittigen Betrag nach dem auch sonst geltenden Schlüssel auf alle Wohnungseigentümer umlegen und können die gerichtliche Geltendmachung des Betrages gegen den betreffenden Wohnungseigentümer beschließen, wenn die Anspruchsverfolgung aussichtsreich ist.


KAMMERGERICHT Beschluss

Geschäftsnummer: 24 W 189/02

In der Wohnungseigentumssache

betreffend die Wohnanlage R Berlin,

hat der 24. Zivilsenat des Kammergerichts auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu II. 1. bis 5. gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 3. Mai 2002 - 85 T 358/01 WEG - durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Dr. Briesemeister, den Richter am Kammergericht B.-D. Kuhnke und die Richterin am Kammergericht Hinrichs am 26. März 2003 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten dritter Instanz werden dem Verwaltungsvermögen der Eigentümergemeinschaft auferlegt.

Außergerichtliche Kosten dritter Instanz sind nicht zu erstatten.

Der Geschäftswert dritter Instanz wird auf 1.859,23 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten I. (Antragsteller) und II. (übrige Wohnungseigentümer) bilden die aus dem Rubrum ersichtliche Wohnungseigentümergemeinschaft, die 1997 gegründet wurde. Der Antragsteller war zusammen mit seiner 1999 verstorbenen Ehefrau Bauträger der Wohnanlage. Die Bauträger verkauften alle Wohnungen bis auf eine, welche sie als Privatwohnung behielten. Erbe der Ehefrau und Miteigentümer der Wohnung ist der Sohn des Antragstellers. Die Übergabe der Wohnung an den Beteiligten zu II. 4. fand am 14. September 2000 statt, jedoch unter Gewährleistungsvorbehalt. In der Eigentümerversammlung vom 4. Mai 2001 beschloss die Wohnungseigentümergemeinschaft Unter TOP 3 die Jahresabrechnung 2000 mit den Einzelabrechnungen. In der Einzelabrechnung des Antragstellers wurde unter Position 24 "Sonstige Kosten" ein Betrag von 3.635,33 DM ausgewiesen und nur ihm aufgebürdet, wogegen sich der Antragsteller wehrt.

Der Betrag setzt sich wie folgt zusammen:

1. Rechnung der Firma vom 26. Juli 2000 über 1.716,80 DM für das Fällen von zwei Birken und die Totholzentfernung aus zwei Birken (Bl. 26);

2. Rechnung der Firma vom 14. Juni 2000 über 493,00 DM für die Reinigung der Dachrinne (Bl. 25);

3. Rechnung der Firma vom 25. Januar 2000 über 343,13 DM für Heizungswartung und Reparatur (Bl. 24);

4. Rechnung der Firma vom 28, September 2000 über 653,20 DM für den Austausch von Hausaußenleuchten (Bl. 27);

5. Rechnung der Firma vom 7. August 2000 über 139,20 DM für Reparaturen an einer Wannenarmatur und einer Duschwanne (Bl. 29);

6. Rechnung der Firma vom 24. Mai 2000 über 290,00 DM für den Austausch von Spielkastensand (Bl. 30).

Die Arbeiten wurden von der vormaligen Hausverwaltung in Auftrag gegeben. Der Antragsteller war zuvor nicht als Bauträger zur Mängelbeseitigung aufgefordert worden. Er hat behauptet, er habe keine dieser Arbeiten veranlasst und nichts von den Aufträgen gewusst, bis sie in der Jahresabrechnung 2000 aufgeführt worden seien. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 23. August 2001 den Eigentümerbeschluss vom 4. Mai 2001 zu TOP 3 (Jahresabrechnung 2000) nur bezüglich der Position 24 "Sonstige Kosten" für ungültig erklärt. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde der übrigen Beteiligten zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu II. 1. bis 5., die keinen Erfolg hat.

II.

1. Die sofortige weitere Beschwerde ist gemäß §§ 27, 29 FGG, 45 WEG zulässig.

Das Rechtsmittel ist jedoch in der Sache nicht gerechtfertigt. Einen Rechtsfehler, auf den die sofortige weitere Beschwerde mit Erfolg allein gestützt werden kann (§ 27 Abs. 1 FGG), weist der angefochtene Beschluss nicht auf.

2. Zutreffend hat das Landgericht den Antragsteller als Miterben auch allein für anfechtungsbefugt angesehen. Diese Befugnis ist aus § 2038 Abs. 1 BGB herzuleiten (Bärmann/Pick/Merte, WEG, 8. Auflage, § 43 Rdnr. 87 m. w. N.).

3. Zutreffend haben die Vorinstanzen eine Teilanfechtung der Jahresabrechnung für zulässig gehalten und dementsprechend das Jahresabrechnungswerk nur hinsichtlich des Sonderpostens von 3.636,33 DM für ungültig erklärt, die in der Einzelabrechnung allein dem Antragsteller aufgebürdet worden sind.

4. Ohne Rechtsirrtum führt das Landgericht aus, dass das Bestehen von Gewährleistungsansprüchen hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums gegen den Bauträger dahinstehen kann, weil die Eigentümergemeinschaft jedenfalls nicht Gewährleistungsansprüche dadurch realisieren darf, dass sie diese als Position in die Jahresabrechnung einstellt und den Antragsteller als Bauträger, der noch eine Wohnung innehat, allein damit belastet.

5. In die Jahresgesamtabrechnung sind alle tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben einzustellen ohne Rücksicht darauf, ob sie zu Recht getätigt worden sind (BayObLG NJW-RR 1992, 1431; BayObLG ZMR 2001, 561; Senat NJW-RR 1992, 845). Das bedeutet jedoch nicht, dass alle aufgeführten Einnahmen und Ausgaben zwingend nur nach dem allgemein geltenden Kostenverteilungsschlüssel umgelegt werden dürfen. Es kann von der Sache her geboten sein, dass bestimmte Ausgaben, die nur ein bestimmtes Sondereigentum oder einen bestimmten Wohnungseigentümer betreffen, zwar in die Gesamtabrechnung aufgenommen, dann jedoch nur diesem betreffenden Wohnungseigentümer zugeordnet werden (Senat NJW-RR 1992, 845). Hat etwa ein Wohnungseigentümer einen Schaden angerichtet oder sogar die Übernahme bestimmter Kosten zugesagt, darf dieser Posten in das Abrechnungswerk aufgenommen und dann vollständig auf den einzelnen Wohnungseigentümer umgelegt werden. Ein solcher Abrechnungsbeschluss ist nur anfechtbar, nicht aber wegen Überschreitung der absoluten Beschlusskompetenz nichtig, weil die Wohnungseigentümer grundsätzlich berechtigt sind, über die interne Aufteilung der Einnahmen und Ausgaben abzurechnen (Senat NZM 2001, 294 = ZMR 2001, 307). Nach den verfahrensfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts sind die strittigen 3.636,33 DM von der vormaligen Verwaltung aus der Gemeinschaftskasse ausgegeben worden, so dass die Eigentümergemeinschaft über die interne Zuordnung dieser Instandsetzungskosten zu befinden hat.

6. Wird der Abrechnungsbeschluss rechtzeitig angefochten und bleibt die Sonderbelastung des einzelnen Wohnungseigentümers im Verhältnis zu den übrigen Wohnungseigentümern strittig, ist die materielle Berechtigung der Forderung der Gemeinschaft gegenüber dem einzelner Wohnungseigentümer nicht in dem Beschlussanfechtungsverfahren zu prüfen. Wenn diese Ausgabe aus der Gemeinschaftskasse getätigt worden ist, dann gehört der Betrag auch in die Gesamtabrechnung hinein. Streitpunkt kann dann nur sein, ob diese Ausgabe nach dem allgemein in der Wohnungsanlage geltenden Kostenverteilungsschlüssel auf die einzelnen Wohnungseigentümer zu verteilen oder einem Wohnungseigentümer allein zugeordnet werden kann. Für diese materiell-rechtliche Prüfung der Forderung ist das Beschlussanfechtungsverfahren nicht geeignet, weil möglichst bald Klarheit über die Bestandskraft der Kostenverteilung geschaffen werden muss. Allein das Bestreiten des sonderbelasteten Wohnungseigentümers führt vielmehr dazu, dass sowohl die Gesamtabrechnung wie auch die Einzelabrechnung des betreffenden Wohnungseigentümers hinsichtlich des strittigen Sonderpostens, aber auch nur insoweit für ungültig zu erklären ist. Anderenfalls wäre - worauf das Landgericht zutreffend hinweist - die Jahresabrechnung auch ein Mittel, um Gewährleistungs- oder sonstige Schadensersatzansprüche gegen einen einzelnen Wohnungseigentümer zu realisieren.

7. Mit der rechtskräftigen teilweisen Ungültigerklärung der Gesamt- und Einzelabrechnung ergibt sich für die Eigentümergemeinschaft die Konsequenz, dass über diesen Ausgabeposten der Jahresabrechnung ergänzend über die interne Aufteilung beschlossen werden muss. Da eine gerichtliche Klärung längere Zeit in Anspruch nehmen dürfte, die Abrechnungsergänzung aber, schon im Hinblick auf mögliche Eigentümerwechsel zeitnah vorzunehmen ist, ist der strittige Betrag nach dem auch sonst geltenden Schlüssel auf alle Wohnungseigentümer umzulegen. Sofern die Eigentümermehrheit die Anspruchsverfolgung für aussichtsreich hält, kann sie zugleich die gerichtliche Geltendmachung des strittigen Betrages gegen den betreffenden Wohnungseigentümer beschließen. Ist das gerichtliche Verfahren über den Sonderposten für die Gemeinschaft erfolglos, bleibt es bei der ergänzenden Aufteilung unter allen Wohnungseigentümern. Hat die gerichtliche Geltendmachung Erfolg, gelangt der strittige Sonderposten in die Gemeinschaftskasse und steht damit wiederum allen Wohnungseigentümern zur Verfügung, die durch den Abrechnungsergänzungsbeschluss diese Summe zuvor gemeinschaftlich aufgebracht haben. Nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung wird die Gemeinschaft in geeigneten Fällen auch von einem Ergänzungsbeschluss zunächst absehen können, wenn die Verfolgung der ausstehenden Forderung gegen den einzelnen Wohnungseigentümer Erfolg versprechend ist. Auf der anderen Seite muss der anfechtende Wohnungseigentümer sich in diesen Fällen auch vor Augen halten, dass er durch das zusätzliche Verfahren weitere gerichtliche und außergerichtliche Kosten entstehen lässt, die eventuell dann außerdem noch auf ihn zukommen. Der Senat lässt ausdrücklich offen, ob für die Verfolgung von Gewährleistungsansprüchen gegen den Bauträger, der auch noch Wohnungseigentümer ist, wegen des inneren Zusammenhanges mit dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer die Zuständigkeit der Wohnungseigentumsgerichte gegeben ist, wie es das BayObLG (NJW-RR 2002, 882 = NZM 2002, 460 = ZMR 2002, 686) annimmt. Es erscheint bedenklich, dass der Gewährleistungsprozess nur deshalb vor dem WEG-Gericht stattfinden soll, weil der Bauträger zufällig noch selbst eine Wohnung inne hat.

8. Rechtlich einwandfrei lässt das Landgericht offen, ob die Gewährleistungsansprüche gegen den Bauträger bestehen. Die Gewährleistungsansprüche entstehen nicht aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer, sondern aus den einzelnen Kaufverträgen der Wohnungseigentümer mit dem Bauträger. Selbst wenn der WEG-Verwalter auch in Gewährleistungsfragen für die Gemeinschaft tätig wird, soweit es sich um das instandsetzungsbedürftige Gemeinschaftseigentum handelt, und auch wenn Ersatzvornahmekosten aus der Gemeinschaftskasse getätigt werden, ist dies kein ausreichender Grund, um gegen den Willen des betroffenen Wohnungseigentümers für diesen Sonderbelastungen in die Jahresabrechnung aufzunehmen. Die regelmäßige Kompetenz der Wohnungseigentümer erstreckt sich lediglich darauf, die tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben nach dem allgemeinen Kostenverteilungsschlüssel unter sich aufzuteilen. Lediglich aus Gründen der Zweckmäßigkeit können Ausgaben, die nur ein Sondereigentum oder nur einen Wohnungseigentümer betreffen, sozusagen auf direktem Wege allein auf ihn umgelegt werden. Das ist aber nur möglich, wenn die besondere Verantwortung des Wohnungseigentümers unbestritten ist.

9. Demgemäß ist die sofortige weitere Beschwerde mit der Kostenfolge des § 47 Satz 1 WEG zurückzuweisen. Dagegen besteht kein hinreichender Anlass, die Erstattung außergerichtlicher Kosten anzuordnen (§ 47 Satz 2 WEG).

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 WEG.

Ende der Entscheidung

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