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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 15.07.2002
Aktenzeichen: 24 W 21/02
Rechtsgebiete: WEG, BGB


Vorschriften:

WEG § 131
WEG § 14 Nr. 2
BGB § 276
BGB § 278
Ein Eigentümerbeschluss zur unverzüglichen Behebung unstrittiger Mängel an der Abluftanlage in den Räumen des Gewerbemieters eines Teileigentümers und zur Geltendmachung der Ersatzvornahmekosten gegen den Teileigentümer widerspricht nicht Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung. Der Teileigentümer haftet für schuldhafte Pflichtverletzungen seines Mieters nach § 278 BGB. Mit einer bloßen Vorschussklage gegen seinen Gewerbemieter kommt der Teileigentümer seinen Pflichten gegenüber der Eigentümergemeinschaft nicht ausreichend nach.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 24 W 21/02

In der Wohnungseigentumssache

hat der 24. Zivilsenat des Kammergerichts auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 7. Dezember 2001 - 85 T 179/01 WEG - durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Dr. Briesemeister, den Richter am Kammergericht B.-D. Kuhnke und die Richterin am Landgericht Hinrichs am 15. Juli 2002 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Gerichtskosten dritter Instanz zu tragen und den Antragsgegnern die notwendigen außergerichtlichen Kosten dritter Instanz zu erstatten.

Der Geschäftswert dritter Instanz wird auf 6.135,50 Euro (12.000 DM) festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller ist Eigentümer des Teileigentums Nr. 2 in der Wohnanlage. Der Antragsteller hat die Räume zum Betrieb eines Restaurants mit Küchenabluftanlage einem Gewerbemieter überlassen, der auch die notwendigen Instandhaltungs- und Erneuerungskosten des Mietobjekts zu tragen hatte. Im Jahr 2000 kam es zu Auseinandersetzungen zwischen dem Mieter und dem Antragsteller über die Sanierung der unstreitig mangelhaften Abluftanlage. Der Antragsteller verklagte den Gewerbemieter wegen Mietrückständen auf Räumung sowie auf Zahlung eines Vorschusses für die Sanierung der Abluftanlage in Höhe von knapp 10.000 DM. Der Titel über den Vorschuss wurde am 23. April 2001 rechtskräftig, der über die Räumung am 18. Juni 2001. Von der Einleitung der Prozesse Mitte 2000 hatte der Antragsteller die Verwalterin unterrichtet. Unter Berufung darauf, dass die Feuerversicherung nicht mehr bereit sei, das erhöhte Schadensrisiko durch die schadhafte Abluftanlage zu tragen, lud die Verwalterin zu einer Eigentümerversammlung am 12. Oktober 2000. Mit 22 Stimmen bei keiner Gegenstimme und keiner Enthaltung beschloss die Eigentümergemeinschaft am 12. Oktober 2000 zu TOP 2, die Mängel an der Abluftanlage unverzüglich unter Verauslagung der Kosten zu beheben und die Mängelbeseitigungskosten ggf. gegenüber dem Antragsteller geltend zu machen. Die Verwalterin ließ, nachdem es wegen des Zutritts zu den Gewerberäumen zu Schwierigkeiten gekommen war, im Februar 2001 ein Sachverständigengutachten über die erforderlichen Arbeiten einholen, die dann vergeben und unter dem 11. Mai 2001 mit 11.716,00 DM brutto in Rechnung gestellt wurden.

Der Antragsteller hat mit dem Hinweis, die Eigentümergemeinschaft solle gegen seinen Gewerbemieter direkt vorgehen und notfalls die Versorgungsleitungen sperren, den Eigentümerbeschluss vom 12. Oktober 2000 zu TOP 2 angefochten. Das Amtsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 30. April 2001 zurückgewiesen. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 7. Dezember 2001 die Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen. Die sofortige weitere Beschwerde bleibt erfolglos.

II.

1. Die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers ist gemäß §§ 27, 29 FGG, 45 WEG zulässig, jedoch sachlich nicht gerechtfertigt. Einen Rechtsfehler, auf den die sofortige weitere Beschwerde mit Erfolg allein gestützt werden kann (§ 27 Abs. 1 FGG), weist der angefochtene Beschluss nicht auf.

2. Ohne Rechtsirrtum führt das Landgericht aus, dass sowohl die Verwalterin nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 und 3 WEG als auch die Eigentümergemeinschaft nach § 21 Abs. 3 und 4 WEG berechtigt und verpflichtet war, die Instandsetzung der mangelhaften Abluftanlage zu veranlassen. Nach den verfahrensfehlerfreien Feststellungen der Vorinstanzen war der Antragsteller mehrfach vergeblich aufgefordert worden, die von dem Teileigentum ausgehende Störung zu beseitigen, wobei unstrittig war, dass die dem Sondereigentum des Antragstellers zuzurechnende Abluftanlage gravierende Mängel aufwies und sogar Brandgefahr bestand. Die dringende Reparaturbedürftigkeit der Anlage ergab sich auch aus der von dem Antragsteller gegen seinen Gewerbemieter angestrengten Vorschussklage.

3. Rechtlich einwandfrei führt das Landgericht aus, der Antragsteller könne sich nicht darauf berufen, mit der Erhebung der Vorschussklage gegen den Gewerbemieter alles Erforderliche getan zu haben, wozu er als Teileigentümer gegenüber der Gemeinschaft verpflichtet sei. Die Befugnisse des Wohnungs- und Teileigentümers nach § 13 Abs. 1 und 2 WEG, nämlich mit den im Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen nach Belieben zu verfahren bzw. das gemeinschaftliche Eigentum mitzubenutzen, sind nach § 14 WEG eingeschränkt. Nach dieser Vorschrift ist jeder Wohnungseigentümer verpflichtet, die im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile so instandzuhalten und von diesen sowie von dem gemeinschaftlichen Eigentum nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst (§ 14 Nr. 1 WEG). Der Wohnungs- und Teileigentümer ist auch verpflichtet, für die Einhaltung der in Nr. 1 bezeichneten Pflichten durch Personen zu sorgen, denen er die Benutzung der im Sonder- oder Miteigentum stehenden Grundstücks- oder Gebäudeteile überlässt (§14 Nr. 2 WEG). Mit der Vermietung oder Verpachtung seitens des Wohnungs- oder Teileigentümers wird der Mieter oder Pächter zum Erfüllungsgehilfen des Wohnungs- oder Teileigentümers hinsichtlich der Erfüllung der vertraglichen Obhutspflichten gegenüber der Eigentümergemeinschaft (Senat NJW-RR 2000, 1684 = NZM 2000, 681 = FGPrax 2000, 142 = ZMR 2000, 559 = MDR 2000, 1311 = GE 2000, 1189 = WuM 2000, 368). Denn es ist nicht gerechtfertigt, dass der Wohnungs- oder Teileigentümer sich durch Überlassung des Sondereigentums an Dritte von seiner Haftung nach vertraglichen Grundsätzen gemäß § 14 Nr. 1 und 2 WEG befreien kann und die Eigentümergemeinschaft etwa auf deliktische Ansprüche gegen den Dritten beschränkt wäre. Der Wohnungs- oder Teileigentümer haftet für seinen Mieter oder Pächter nach § 278 BGB (BayObLGZ 1970, 65 = NJW 1970, 1550; BayObLG NZM 2002, 167 = ZMR 2002, 285 LG Berlin, ZMR 2001, 390; Kirchhoff ZMR 1989, 323; Weitnauer/Lüke, WEG 8. Aufl., § 14 Rdnr. 10; Bärmann/Pick/Merle, WEG 8. Aufl., § 14 Rdnr. 68; zweifelnd Staudinger/Kreuer, WEG § 14 Rdnr. 26). Der Streit zwischen dem Antragsteller und seinem Gewerbemieter, wer von ihnen für die Instandsetzung und Wartung der Abluftanlage verantwortlich ist, ist für die Eigentümergemeinschaft rechtlich ohne Bedeutung. Der Antragsteller kann sich gegenüber der Eigentümergemeinschaft nicht darauf berufen, dass sein Gewerbemieter für den Zustand der Anlage verantwortlich sei. Der Antragsteller haftet gegenüber der Eigentümergemeinschaft ebenso wie wenn er selbst das Restaurant mit der schadhaften Abluftanlage betreiben würde.

4. Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, wenn das Landgericht annimmt, die Eigentümergemeinschaft sei gegenüber dem Antragsteller nicht verpflichtet, zunächst andere Wege zu beschreiten, insbesondere eine Versorgungssperre gegen seinen Gewerbemieter vorzunehmen, um diesen an dem Gebrauch der Räume zu hindern. Allerdings hat der Senat entschieden, dass die Eigentümergemeinschaft aus gewichtigen Gründen auch dem Mieter eines Wohnungseigentümers die Versorgung der vermieteten Räume mit Heizung und Wasser bis zum Ausgleich bestimmter Ansprüche sperren darf (Senat NZM 2001, 761 = ZMR 2001, 1007 = MDR 2001, 1347 = ZWE 2001, 497 = KG Report 2001, 275). Denn die Eigentümergemeinschaft hat auch gegenüber dem Mieter eines Wohnungseigentümers, obwohl sie mit diesem nicht in einem Vertragsverhältnis steht, direkte Unterlassungs- und Störungsbeseitigungsansprüche (BGH NJW 1996, 714 = ZMR 1996, 147 = MDR 1996, 355; OLG Karlsruhe NJW-RR 1994, 146 = MDR 1994, 59). Insoweit hat die Gemeinschaft aber ein Wahlrecht. Gegen die direkte Inanspruchnahme des Gewerbemieters durch die Gemeinschaft spricht im Übrigen, dass aus dem von dem Antragsteller selbst vorgelegten Urteil des Amtsgerichts Schöneberg vom 17 Januar 2001 hervorgeht, der Gewerbemieter selbst behaupte, die Abluftanlage habe bereits bei Beginn seines Mietverhältnisses nicht ordnungsgemäß funktioniert und der dortige Kläger, also der hiesige Antragsteller, habe selbst deren Umbau veranlasst. Unter diesen Umständen war es der Gemeinschaft schon nicht zumutbar, unmittelbar gegen den Gewerbemieter vorzugehen. Nach den verfahrensfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts hätte auch eine Unterbrechung allein der Abluftanlage gerade zu einer verstärkten Geruchsbelästigung der übrigen Wohnungseigentümer geführt. Wie sich aus dem Rechtsbeschwerdevorbringen des Antragstellers ergibt, hat der Gewerbemieter die Räume auch erst kurz nach Erlass des angefochtenen Beschlusses vom 7. Dezember 2001 geräumt, also den Gaststättenbetrieb bis dahin noch weiter betrieben. Bei einem Vorgehen gegen den Gewerbemieter wäre die Gemeinschaft mindestens auf vergleichbare Schwierigkeiten gestoßen wie der Antragsteller.

5. Rechtsfehlerfrei führt das Landgericht ferner aus, auch die Eigenschaft der Abluftanlage als Sondereigentum stehe einer gültigen Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft nicht entgegen. Dabei kann rechtlich sogar dahinstehen, ob Teile der Abluftanlage als deren Zubehör entweder zum Mobiliareigentum des Antragstellers oder seines Gewerbemieters einerseits oder wegen ihrer Verbindung zum Gemeinschaftseigentum im gemeinschaftlichen Eigentum der Wohnungseigentümer stehen. Selbst wenn es sich bei Teilen der Abluftanlage um Sondereigentum oder sogar Mobiliareigentum handeln sollte, steht dies einer Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft nicht entgegen. Der Antragsteller, der eine Beschlusskompetenz der Gemeinschaft insgesamt verneinen will, verkennt die Bedeutung der Entscheidung des BGH vom 20. September 2000 (BGHZ 145, 158 = NJW 2000, 3500 = ZMR 2000, 771 = ZWE 2000, 518 = GE 2000, 1478). Selbstverständlich ist ein Eigentümerbeschluss nichtig, der ohne jeden Anlass Regelungen über Gegenstände trifft, die im Sondereigentum oder gar im Mobiliareigentum eines Wohnungseigentümers stehen, etwa ein Balkonbelag (vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 2002, 805 = FGPrax 2002, 108), zumal da dies auch in den Kernbereich mindestens des Sondereigentums eingreift. Um einen grundlosen Eingriff in die Angelegenheiten des Sondereigentümers geht es jedoch im vorliegenden Fall nicht. Unbestritten war die Abluftanlage mangelhaft und im erheblichen Umfang sanierungsbedürftig. Nach den verfahrensfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts war die Feuerversicherung zudem nicht mehr bereit, das erhöhte Schadensrisiko zu tragen. Der Handlungsbedarf wird dadurch bestätigt, dass der Antragsteller selbst im Wege der Vorschussklage gegen seinen Gewerbemieter wegen der Instandsetzung der Abluftanlage vorgegangen ist. Die Unterlassung der Sanierung verstieß gegen die Handlungspflichten des Antragstellers nach § 14 Nr. 1 WEG. Für die Unterlassung seines Gewerbemieters hat der Antragsteller nach § 14 Nr. 2 WEG i. V. m. § 278 BGB einzustehen. Unter diesen Umständen hatte die Eigentümergemeinschaft Veranlassung, die notwendigen Verwaltungsmaßnahmen nach §§ 21 Abs. 3 und 4, 27 Abs. 1 Nr. 2 und 3 WEG festzulegen. Eine Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümergemeinschaft kann demgemäß nicht verneint werden, selbst wenn die Schadensquelle im Sondereigentum liegt.

6. In rechtlicher Hinsicht verkennt der Antragsteller ferner, dass die Eigentümergemeinschaft nur ihre Vorgehensweise festgelegt und der Verwalterin die entsprechenden Ermächtigungen erteilt hat, die sich aus der Pflichtverletzung des Antragstellers nach § 14 Nr. 1 und 2 WEG ergibt. Wäre es dem Antragsteller gelungen, die Mängel an der Abluftanlage unverzüglich beheben zu lassen, hätte sich der Auftrag an die Verwaltung erledigt. Auch soweit Einzelheiten der Vorgehensweise festgelegt worden sind, widerspricht dies nicht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung. Das gilt für die Einholung eines Sachverständigengutachtens, die Verauslagung der Instandsetzungskosten und für die Ermächtigung, die Kosten ggf. im Klageverfahren gegen den Antragsteller geltend zu machen. Nach den verfahrensfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts ist in Bezug auf die Inanspruchnahme des Antragstellers wegen der Kosten auch lediglich eine Vorbereitungsmaßnahme anzunehmen. Eine sachliche Prüfung des Regressanspruchs der Gemeinschaft gegen den Antragsteller ist in dem vorliegenden Verfahren deshalb nicht vorzunehmen, weil der Eigentümerbeschluss insoweit lediglich den Weg für die gerichtliche Klärung des Gemeinschaftsanspruches ermöglicht (Senat NJW-RR 1997, 1033 = ZMR 1997, 318 = iWuM 1997, 291 = FGPrax 1997, 92 = GE 1997, 561 = WE 1997, 227). Insgesamt war die Vorgehensweise der Gemeinschaft völlig ordnungsgemäß. Die Gemeinschaft hat dem Antragsteller vor Augen geführt, wie sie im Einzelnen vorgehen wird und worauf er sich einzustellen hat. Ohne diesen Eigentümerbeschluss hätte der Antragsteller vielmehr einwenden können, dass ihm eine Ersatzvornahme nicht vorher angedroht worden und die Verwalterin nicht ermächtigt sei, gegen ihn vorzugehen.

Es entspricht billigem Ermessen, dass der Antragsteller die Gerichtskosten dritter Instanz trägt. Angesichts der Verantwortlichkeit des Antragstellers für den ordnungsgemäßen Zustand seines Teilseigentums sieht der Senat wie auch schon das Landgericht Veranlassung, die Erstattung der notwendigen außergerichtlichen Kosten dritter Instanz anzuordnen.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 WEG.

Ende der Entscheidung

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