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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 18.02.2004
Aktenzeichen: 24 W 226/02
Rechtsgebiete: WEG, BGB


Vorschriften:

WEG § 15 I
WEG § 15 III
BGB § 1004
Das Sondernutzungsrecht des Teileigentümers an (fast) der gesamten Fläche des an einer Bundeswasserstraße gelegenen Grundstücks erlaubt auch den Publikums- und Kundenverkehr zu einer Bootsmotoren-Werkstatt und zu den über das Grundstück erreichbaren Bootssteganlagen.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 24 W 226/02

In der Wohnungseigentumssache

hat der 24. Zivilsenat des Kammergerichts auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 28. Mai 2002 - 85 T 349/01 WEG - durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Dr. Briesemeister, die Richterin am Kammergericht Hinrichs und den Richter am Kammergericht B.-D. Kuhnke am 18. Februar 2004 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller haben die Gerichtskosten dritter Instanz zu tragen und der Antragsgegnerin deren außergerichtliche Kosten dritter Instanz zu erstatten.

Der Geschäftswert dritter Instanz wird auf 2.556,46 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragsteller und die Antragsgegnerin bilden mit den übrigen Beteiligten die Wohnungseigentümergemeinschaft, deren Grundstück an einer Bundeswasserstraße liegt. Den Antragstellern gehört seit April 1998 die in der Teilungserklärung mit Nr. 21 bezeichnete Etagenwohnung. Die Antragsgegnerin ist Eigentümerin der Teileigentumseinheit Nr. 22 im Kellergeschoss mit einer Gewerbefläche von ca. 1.060,50 m2. Der Pächter der Antragsgegnerin betreibt auf einer zur Teileigentumseinheit Nr. 22 gehörenden Sondernutzungsfläche am Wasser eine Bootsmotorenwerkstatt und eine Slipanlage zu Reparaturzwecken sowie eine Bootssteganlage, die vor dem benachbarten Wassergrundstück liegt. Die Beteiligten streiten um Beeinträchtigungen für die Antragsteller, die von dem Publikumsverkehr zu der verpachteten Sondernutzungsfläche ausgehen.

In der ursprünglichen Teilungserklärung vom 26. Januar 1984 hieß es:

III § 2

Dem jeweiligen Eigentümer des Teileigentums Nr. 22 wird das Sondernutzungsrecht an dem Grundstücksteil eingeräumt, der sich aus der beigefügten Skizze I aus der Verbindung der Buchstaben A, B, C, D, E, F (das ist fast die gesamte Grundstücksfläche rechts und links und - von der Straße gesehen - hinter dem Wohngebäude) ergibt. Das Sondernutzungsrecht ist unentgeltlich und schließt die ausschließliche Benutzung der vorhandenen Steganlagen ein ... Etwa entfallende Nutzungsentgelte und Abgaben für die Nutzung der angrenzenden Wasserfläche gehen zu Lasten des jeweiligen Eigentümers des Teileigentums Nr. 22.

III § 3

... Es ist bekannt, dass das Teileigentum Nr. 22 gewerblich genutzt wird. Die mit den ausgeübten Gewerben verbundene Geräuschentwicklung kann nicht zum Gegenstand von Beanstandungen gegenüber den Gewerbetreibenden oder auch gegenüber der Eigentümergemeinschaft gemacht werden.

Die Eintragung dieser Regelungen in das Grundbuch wurde verwehrt, weil die in eine Bundeswasserstraße hineinragenden Steganlagen nach Auffassung des Grundbuchamtes nicht Gegenstand eines Sondernutzungsrechts sein dürfen. Daraufhin wurde die Teilungserklärung am 27. April 1984 wie folgt geändert:

Zu Abschnitt III § 2 ... wird klargestellt, dass sich das Sondernutzungsrecht für den jeweiligen Eigentümer des Teileigentums Nr. 22 lediglich auf die aus der Skizze I sich ergebende Fläche gemäß Verbindung der Buchstaben A, B, C, D, E, F bezieht. Dieses Sondernutzungsrecht ist unentgeltlich. Es schließt jedoch nicht die ausschließliche Nutzung der vorhandenen Steganlagen ein.

An der Wasserseite des Grundstücks der Wohnungseigentümergemeinschaft befindet sich eine Slipanlage mit drei Stegen, an denen Boote befestigt werden können. Die Antragsgegnerin bzw. ihr Pächter betreibt auf dem Grundstück eine Bootsmotorenwerkstatt und nutzt die Slipanlage zu Reparaturzwecken. Vor dem benachbarten Wassergrundstück gibt es Bootsstege mit Platz für ca. 20 Boote. Diese Bootsstege darf die Antragsgegnerin bzw. ihr Pächter aufgrund einer Vereinbarung mit dem Eigentümer des Nachbargrundstücks nutzen und vermieten. Diese Bootsstege sind von der Straße aus über das Grundstück der Wohnungseigentümergemeinschaft zu erreichen. Dementsprechend viele Nutzer und Besucher laufen und fahren über das Grundstück, vor allem in der Saison. Der eine Weg führt an der Grenze zum Nachbargrundstück entlang und zwar zunächst über ein Stück des Gemeinschaftseigentums, dann über die der Antragsgegnerin zur Sondernutzung zugewiesene Fläche und schließlich am Ende des Grundstücks über einen Verbindungssteg auf die Bootsstege. Der Balkon der Antragsteller im 1. OG befindet sich an dem Teil des Weges, der bereits zur Sondernutzungsfläche der Antragsgegnerin gehört. Ein Großteil des Fahrzeugverkehrs spielt sich nicht auf diesem Weg, sondern entlang der Grundstücksgrenze zu dem anderen Nachbargrundstück ab.

Die Antragsteller wenden sich dagegen, dass die Antragsgegnerin es den Nutzern und Besuchern der Bootsstege gestattet, über das Grundstück der Wohnungseigentümergemeinschaft zu fahren oder zu laufen, um zu den Stegen zu gelangen. Sie fühlen sich durch die intensive Nutzung, vor allem auch an den Wochenenden, gestört und meinen, die Teilungserklärung lasse diese Nutzung nicht zu. Die Antragsgegnerin behauptet, dass sie ihr Gewerbe seit ca. 1980, also schon vor Teilung des Grundstücks, insbesondere unter Vermietung der Steganlagen betrieben habe und dass sie dazu aufgrund der Teilungserklärung berechtigt sei.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 17. August 2001 den Unterlassungsantrag der Antragsteller zurückgewiesen. Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 28. Mai 2002 die Erstbeschwerde der Antragsteller zurückgewiesen. Ihre sofortige weitere Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller ist gemäß §§ 27, 29 FGG, 45 WEG zulässig, jedoch sachlich nicht gerechtfertigt. Einen Rechtsfehler, auf den die sofortige weitere Beschwerde mit Erfolg allein gestützt werden kann (§ 27 Abs. 1 FGG), weist der angefochtene Beschluss nicht auf.

Ohne Rechtsirrtum haben die Vorinstanzen einen Unterlassungsanspruch aus § 1004 BGB in Verbindung mit § 15 Abs. 3 WEG der Antragsteller gegen die Antragsgegnerin verneint, weil die Antragsteller nach der Teilungserklärung zur Duldung der gewerblichen Nutzung der Sondernutzungsfläche durch die Antragsgegnerin verpflichtet sind. Das Sondernutzungsrecht des Teileigentümers an (fast) der gesamten Fläche des an einer Bundeswasserstraße gelegenen Grundstücks erlaubt auch den Publikums- und Kundenverkehr zu einer auf der Sondernutzungsfläche betriebenen Bootsmotorenwerkstatt und zu den über die Sondernutzungsfläche erreichbaren Bootssteganlagen, auch wenn diese bereits vor dem benachbarten Wassergrundstück liegen.

Zutreffend legt das Landgericht die im Grundbuch eingetragenen Teilungserklärung dahin aus, dass die Antragsgegnerin bzw. ihr Pächter zur Unterhaltung des auf einem Wassergrundstück ortsüblichen Gewerbebetriebes berechtigt ist. Bereits die Bezeichnung der Teileigentumseinheit Nr. 22 mit den im Keller gelegenen Lagerräumen und der Gewerbefläche mit ca. 1.060,50 m2 verweist auf eine gewerbliche Betätigung. Wenn dem Teileigentümer darüber hinaus fast die gesamte Fläche rechts und links sowie hinter dem Wohngebäude unentgeltlich zur Sondernutzung zugewiesen wird, verbunden mit der Abgabentragung für die Nutzung der angrenzenden Wasserfläche, ergibt sich angesichts der verfahrensfehlerfrei festgestellten Umstände eindeutig auch eine gewerbliche Nutzung der Außenflächen. Soweit in der ergänzenden Teilungserklärung die ursprünglich für das Sondernutzungsrecht vorgesehene "ausschließliche Nutzung der vorhandenen Steganlagen" wieder herausgenommen wird, bezieht sich dies lediglich auf die Rechtsauffassung des Grundbuchamtes, dass Teile der Bundeswasserstraße nicht Gegenstand eines Sondernutzungsrechts sein könnten, bedeutet aber jedenfalls nicht, dass die Steganlagen anderweitig zur ausschließlichen Nutzung zugeordnet werden und insbesondere nicht, dass sie keineswegs über das Grundstück der Wohnungseigentümergemeinschaft betreten werden dürfen. Diese Auslegung der Teilungserklärung wäre nach Auffassung des Senats nicht einmal davon abhängig, dass der Gewerbebetrieb der Antragsgegnerin bereits vor Abgabe der Teilungserklärung bestand und die Benutzung der Steganlagen auch vor dem benachbarten Wassergrundstück einschloss. Ebenso wie bei einer erlaubten Nutzung von Teileigentum als Laden oder Gaststätte ist der Gebrauch nicht auf den Teileigentümer selbst beschränkt, sondern erstreckt sich selbstverständlich auf Kunden und Besucher, so dass von einem nicht abgrenzbaren Publikumsverkehr gesprochen werden kann.

Demgemäß kommt es auf den vom Landgericht herangezogenen und von der Rechtsbeschwerde angegriffenen Bestandsschutz für den Gewerbebetrieb, der schon vor Begründung des Wohnungseigentums vorhanden war, nicht entscheidend an. Auszulegen ist die Teilungserklärung (wie sie im Grundbuch eingetragen worden ist) nach ihrem objektiven Gehalt. Aus den bereits aufgezählten Einzelgründen ist die gewerbliche Betätigung entsprechend dem Charakter des an einer Bundeswasserstraße gelegenen Wassergrundstücks in dem ausgeübten Umfang gestattet. Zur gewerblichen Betätigung (die nach der Teilungserklärung nicht eingeschränkt ist) gehört die ortsübliche Nutzung auch als Anlegestelle vom Wasser her. Das schließt den Zugang für Kunden und Besucher ein, also einem unbestimmten Kreis von Publikum. Die Antragsteller, deren Sondereigentum sich auf die Wohnung beschränkt und die durch das Sondernutzungsrecht der Antragsgegnerin von dem Gebrauch der Sondernutzungsfläche ausgeschlossen sind, müssen daher den Publikums- und Kundenverkehr hinnehmen.

Unabhängig von der vorstehenden Auslegung der Teilungserklärung ist zudem unter III. 3. ergänzend festgelegt, dass das Teileigentum Nr. 22 gewerblich genutzt wird und die mit den ausgeübten Gewerben verbundene Geräuschentwicklung nicht zum Gegenstand von Beanstandungen gegenüber den Gewerbetreibenden oder auch gegenüber der Eigentümergemeinschaft gemacht werden kann. Damit ist die ortsübliche gewerbliche Nutzung der Grundstücksfläche zusätzlich in der Teilungserklärung - Gemeinschaftsordnung - festgeschrieben worden.

Entgegen der Rechtsbeschwerdebegründung der Antragsteller ist eine weitere Sachaufklärung hinsichtlich des Umfangs der früheren Nutzung des Grundstücks nicht erforderlich. Entgegen der Rechtsauffassung der Antragsteller sind die Bestimmungen der Teilungserklärung auch nicht für eine Auslegung zu unbestimmt. Es ist nicht ersichtlich, dass Art und Umfang des ausgeübten Gebrauchs der Sondernutzungsfläche mit dem Charakter des konkreten Wassergrundstücks nicht vereinbar seien.

Es entspricht billigem Ermessen, dass die Antragsteller die Gerichtskosten dritter Instanz tragen (§ 47 Satz 1 WEG). Angesichts der überzeugend begründeten Entscheidung des Landgerichts besteht auch hinreichender Anlass, die Erstattung der notwendigen außergerichtlichen Kosten dritter Instanz anzuordnen (§ 47 Satz 2 WEG).

Die Festsetzung des Geschäftswerts dritter Instanz beruht auf § 48 Abs. 3 WEG und entspricht der Wertfestsetzung der Vorinstanzen.

Ende der Entscheidung

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